onEarth.org
11.11.2014
Übersetzung des Artikels “Dirty
Legacy” (Originalfassung hier)
Schmutziges Erbe
Laxe
staatliche Aufsicht und Gesundheitsgefahren beim Teersand-Abbau in Alberta
aufgedeckt
Von Ted Genoways
(Übersetzung: Wassertisch)
In der letzten Woche stoppten in Nord-Alberta (Kanada) mehr als 100 Zugvögel im dichten
Nebel ihren Flug und gingen lieber auf dem nächsten besten See nieder. Das jedoch besiegelte das endgültige Ende ihrer Reise.
Früher, als Ihre Vorfahren diese
Region überflogen hatten, war dort noch unberührter Wald, perfekter Lebensraum
und Brutgebiet für Hunderte von Vogelarten. Jetzt ist es ein extrem
unwirtlicher Ort, überzogen von giftigen Absetzbecken, gigantischen Teichen
voll chemischer Abfallstoffe, die beim Extraktions- und Raffinations-Prozess
entstehen, wenn das schmutzigste Öl der Welt aus riesigen Tagebauen gewonnen
wird.
Diese Zugvögel starben, wie
Tausende vor ihnen. Die Alberta Energie Regulierungsbehörde (Alberta Energy Regulator) berichtete von 122 Todesfällen in der
vergangenen Woche, eine Zahl, die in Kanada Schlagzeilen machte, nicht weil das
besonders schockierend war, sondern weil es daran erinnerte, dass trotz
jahrelanger Besorgnis und trotz verhängter Strafen in Millionenhöhe die Teersand abbauenden Firmen weiterhin wild lebende Tiere
töten. Und wenn die „Canadian Natural Resources Limited“, eine der riesigen
Bergbaufirmen, den „späten Vogelzug“ für den Tod der Vögel verantwortlich
macht, dann erinnert das an die Verlautbarung der Bergbaufirma Syncrude aus dem Jahr 2008, dass der Tod von mehr als 1.600
Vögeln in den Absetzbecken der Firma „ein Akt Gottes“ gewesen sei.
In der Dezember-Ausgabe der
Zeitschrift Outside berichtete ich über diese Absetzbecken und die dort
hinterlassenen schmutzigen Altlasten. Aus einem heute online publizierten
Bericht erfuhr ich, dass diese Becken weitgehend unkontrolliert bleiben und die
daraus resultierenden Gesundheitsbedenken so gut wie ignoriert werden. Die
Regierung will die wirtschaftliche Entwicklung des einheimischen Brennstoffs
nicht behindern, trotz der Tatsache, dass James Hansen (NASA) schätzt, dass die
verbleibenden Teersandreserven doppelt soviel CO2
enthalten wie die gesamte bisherige weltweite Ölförderung in der Geschichte der
Menschheit.
Die Befürchtungen im Hinblick auf
die Klima-Auswirkungen der Teersande wurde in den USA recht gut bekannt, was
eine Opposition entstehen ließ, welche die Genehmigung der Keystone
XL Teersand-Öl-Pipeline für sechs Jahre blockierte. Die Auswirkungen auf die
Umwelt im nördlichen Alberta jedoch und auf die dort beheimateten Ureinwohner
wurden weniger bekannt, sind aber ebenso beunruhigend.
Etwa zur gleichen Zeit, als ich im
Norden Kanadas über diese Dinge berichtete, besuchte ein Film-Team von „OnEarth“ viele dieser Ortschaften und sprach mit den
gleichen Leuten. Ihre Berichte stimmen mit einigen der schockierenden
Sichtweisen und Befürchtungen in den Gemeinden vor Ort überein, deren Einwohner
im Schatten der weltweit schmutzigsten Ölfelder leben.
Was die
Teersande angeht, so ist eine der beständigsten
und kraftvollsten Stimmen die von Dr. John O'Connor,
der in Irland aufgewachsen und jetzt Direktor der
Gesundheits- und Sozialdienste in Fort
McKay First Nation ist. Trotz seines Titels, arbeitet er hauptsächlich als Landarzt, der entlang des verschmutzten Athabasca Flusses die Dörfer
abfährt.
Als er
erstmals eine ungewöhnlich hohe Zahl an Krebserkrankungen in den
Ureinwohner-Gemeinden diagnostizierte, schlug O’Connor Alarm, nur um dann
feststellen zu müssen, dass die Regierung seine Bedenken herunterspielte oder
ignorierte. Wie ich bereits für die Zeitschrift Outside erläutert habe, wurde
O'Connor – sollte er weiter darüber reden – sogar mit Disziplinarmaßnahmen und
Berufsverbot bedroht, bis schließlich weitere medizinische Studien seine
Befürchtungen bestätigten.
Noch immer
hat die Regierung nichts für die Fertigstellung einer umfassenden öffentlichen
Studie getan, die man O'Connor versprochen hatte.
Im Mai
forderten die Vereinten Nationen die kanadische Regierung auf, eine spezielle
Untersuchung über die Behandlung der kanadischen Ureinwohner einzuleiten. Die
Vereinten Nationen hatten geäußert, dass mehr als die Hälfte der Ureinwohner in
den Regierungsreservaten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist, die auf
verseuchtes Trinkwasser zurückzuführen sind. Die kanadische
Umwelt-Aktivistengruppe „Environmental Defence“
schätzt, dass über Lecks in den Absetzbecken etwa drei Mio. Gallonen (11 Mio.
Liter) toxischer Schlämme jeden Tag in den Athabasca-Fluss fließen.
„Die Ureinwohner sterben“, erklärte
der Musiker Neil Young, selbst ein Ureinwohner aus Ontario auf einer
Pressekonferenz in Washington D.C., die zu Beginn des Jahres einberufen wurde,
um auf die Gesundheitsrisiken durch den Teersand-Abbau öffentlich hinzuweisen.
„Alle Ureinwohner in dieser Gegend sind bedroht.“
Der Titel meines Artikels in der
Zeitschrift Outside lautet: „Die hohen Kosten des Öls“. Es ist der Preis, den
wir wohl alle werden zahlen müssen, wenn die Ausbeutung der Teersande so
weitergeht und das dann Konsequenzen auf unser Klima haben wird. Bisher sind es
noch die Ureinwohner im Norden von Alberta, die den Preis für uns alle zahlen.