Vermutlich größter Grundwasserschaden in der Geschichte der deutschen Erdölförderung – Lagerstättenwasser-Skandal in Niedersachsen. Wintershall Dea verunreinigt Grundwasser


Pressemitteilung vom 31.07.2019

Am 29. Juli 2019 informierte die niedersächsische Landesregierung die Bevölkerung darüber, dass im Landkreis Grafschaft Bentheim seit Anfang 2014 möglicherweise bis zu 220 000 Kubikmeter Lagerstättenwasser in den Untergrund gelangt sind. Ursache sollen Leckagen an der Einpressbohrung Emlichheim 132 der Firma Wintershall DEA sein. Dabei soll das stark salzhaltige Lagerstättenwasser nach Einschätzung von Wintershall Dea einen oberen Grundwassereinleiter erreicht haben.

Dr. Reinhard Knof (Kein CO2-Endlager e.V., Schleswig-Holstein): „Wie kann es sein, dass solche extremen Verunreinigungen über vier Jahre hinweg unbemerkt erfolgen können und weder der Betreiber noch das für die Aufsicht zuständige Bergamt etwas bemerkt haben? Seit Anfang 2019 weiß die Regierung über den Skandal Bescheid. Warum wird die Bevölkerung nicht informiert? Wie viele Bohrungen sind eigentlich noch undicht? Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit unseres am 2. September startenden Volksbegehrens zum Schutz des Wassers in Schleswig-Holstein noch einmal deutlich. Mit den Gesetzesinitiativen soll der Schutz des Wassers bei Bergbauvorhaben verbessert und Behörden und Gemeinden Transparenz im Umgang mit brisanten Unternehmensinformationen möglich werden.“

Bernd Ebeling, Wasserwirtschaftsingenieur aus Niedersachsen: „Über einen langen Zeitraum gelangten hoch saline Lagerstättenwässer aus der Erdölproduktion in unbelastetes Grundwasser. Das eingepresste Lagerstättenwasser mit einem Salzgehalt von 200 bis 300 g pro Liter ist ca. 10.000 mal höher mit Salzen belastet als unbelastetes Grundwasser. Bei kompletter Vermischung des ausgeströmten Lagerstättenwassers mit dem anstehenden unbelastetem Grundwasser wären bis zu 220 Mio. m³ versalzen und somit für eine Trinkwassergewinnung oder Verwendung für die Landwirtschaft unbrauchbar.“

Sigrun Franzen (Berliner Wassertisch): „Der größte deutsche Erdölförderer Wintershall DEA hat vermutlich einen der größten Grundwasserschäden in der Geschichte der deutschen Ölförderung verursacht. Die Öl- und Gasförderung gefährdet unser immer knapper werdendes Grundwasser und damit unsere Trinkwasserversorgung. Damit muss endlich Schluss sein!“

Weder Betreiber noch Bergamt scheinen diesem Schaden Beachtung zu schenken, denn am 26. Juli 2019, also genau drei Tage vor der offiziellen Bekanntgabe des Lagerstättenwasseraustritts, wurde mitgeteilt, dass die Wintershall Dea Deutschland AG im Erlaubnisfeld Unterweser bis zum 31. Juli 2021 weiter nach Kohlenwasserstoffen suchen darf.

Hintergrund:
Bei der Erdgas- und Erdölförderung fällt Lagerstättenwasser an. Es gelangt bei der Förderung automatisch an die Tagesoberfläche. Die Zusammensetzung variiert je nach Lagerstätte. Es besteht aus Wasser, gelösten Salzen, Kohlenwasserstoffen und kann Schwermetalle und natürliche radioaktive Stoffe enthalten. Im vorliegenden Fall soll das Lagerstättenwasser u.a. Strontium und Barium enthalten. Bei einer Einpressbohrung wird das Lagerstättenwasser wieder zurück in die Öl- oder Gaslagerstätte geleitet. Undichte Leitungen und Verrohrungen sind bei der Öl- und Gasförderung keine Ausnahme, sondern treten regelmäßig auf, auch in Deutschland. In Schleswig-Holstein beispielsweise sind 98 Schadensfälle im Zusammenhang mit der Ölförderung bekannt geworden. Die meisten dieser Schäden sind der Wintershall DEA, bzw. deren Vorgängerunternehmen zur Last zu legen.

Weitere Links

Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Nach Austritt von großen Mengen Lagerstättenwasser: Ministerium ordnet Überprüfung aller Einpressbohrungen in Niedersachsen an. 30.7.2019 Zum Beitrag

Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung:
Lagerstättenwasser bei Einpressbohrung im Landkreis Grafschaft Bentheim ausgetreten. 29.7.2019. Zum Beitrag

NDR: Emlichheim: Lagerstättenwasser ausgelaufen. 29.07.2019 19:30 Uhr „Seit mehr als 75 Jahren fördert das Unternehmen Wintershall in Emlichheim Erdöl. Offenbar ist dabei jahrelang Lagerstättenwasser unbemerkt ausgelaufen und in den Boden gesickert.“ Zum Video

Aus der „Volksinitiative zum Schutz des Wassers“ wird nun das „Volksbegehren zum Schutz des Wasser!“

Zum Volksbegehren zum Schutz des Wassers. Es startet am 2. September 2019! Wahlberechtigt ist, wer EU-Bürger ist, das 16. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens 6 Wochen in Schleswig-Holstein wohnt.

Die Organisatoren „benötigen 80.000 Unterschriften von Wahlberechtigten aus Schleswig-Holstein innerhalb von 6 Monaten ab dem 02.09.2019. Die Unterschriften können sowohl auf Ämtern und Rathäusern abgegeben, als auch von uns an anderen Stellen und auf der Straße gesammelt werden. Beim Volksbegehren dürfen auch andere öffentliche Stellen beim Sammeln unterstützen, wie Büchereien, Schwimmbäder, usw. Wir bitten um Meldungen, wer in welchem Gebiet/Ort/Stadt sammeln kann. Wegen des Datenschutzes werden nur Unterschriftenzettel für Einzelunterschriften zur Verfügung gestellt. Bitte diese Information jetzt schon verbreiten, damit wir ab dem 02.09.2019 gut vorbereitet starten können. Der OMNIBUS wird uns auch dieses Mal wieder unterstützen.“

„Im Bereich Unternehmenstransparenz will das Volksbegehren erreichen:

Schleswig-Holsteins Kommunen und Behörden soll es zukünftig rechtssicher erlaubt sein, im überwiegenden öffentlichen Interesse auch ohne konkrete Anfrage, Informationen beispielsweise der folgenden Art weiterzugeben oder zu veröffentlichen, die bisher als „Geschäftsgeheimnisse“ geheim gehalten werden:

  • Beantragte Ölbohrungen einschließlich des betroffenen Gebiets und des beabsichtigten Einsatzes der Fracking-Methode
  • Meldung gelagerter bzw. geförderter Gefahrenstoffe an Kommunen, Rettungsdienste, Krankenhäuser und Feuerwehren zur Vorbereitung auf Katastrophenfälle
  • Veröffentlichung mutmaßlicher Korruptionsfälle bei Baugenehmigungen, Grundstücksverkäufen oder Auftragsvergaben

Im Bereich Wasserschutz will das Volksbegehren erreichen:

  • besserer Schutz vor Verpressung wassergefährdenden Flowbacks bei Ölbohrungen
  • Zuständigkeit unserer Kreise für den Schutz des Wassers bei Bohrungen (bisher: niedersächsisches Bergamt)
  • sofortiger Bohrstopp bei unerwartetem Wasserfund
  • Haftung von Ölkonzernen für Schäden“

Der Berliner Wassertisch unterstützt das Volksbegehren.

 

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