Bald auf dem Trockenen?
21. August 2020
Es ist ein Skandal: Die Berliner Wasserbetriebe fördern seit Jahrzehnten Trinkwasser ohne ordentliche Genehmigung, was die Moore und Wälder in der Stadt schädigt. Das ist nur eines von vielen Beispielen für den verschwenderischen Umgang mit einem kostbaren Gut, von dem es in der Trockenregion Berlin-Brandenburg zu wenig gibt.
Neun Wasserwerke betreiben die Berliner Wasserbetriebe, um die Hauptstadt mit Trinkwasser zu versorgen. Obwohl sie schon seit rund 100 Jahren Wasser fördern, haben nur drei von ihnen die offizielle Bewilligung zur Entnahme von Grundwasser. Zwar startete 1996 das Bewilligungsverfahren, doch nach Auskunft der zuständigen Senatsumweltverwaltung ist sein Ende nicht abzusehen. Währenddessen genehmigt die Verwaltung weiterhin den Um- oder Neubau einzelner Brunnen und ganzer Brunnengalerien auf Basis einer Duldung. Das ist kein rein formales Problem, sondern hat handfeste und negative Folgen für Wälder und Moore. Das weiß auch die Behörde der grünen Senatorin Regine Günther sehr genau, schließlich hat sie selbst eine Managementplanung für die Berliner Moore in Auftrag gegeben, die die Schädigungen durch den sinkenden Grundwasserpegel detailliert auflistet.
Das Grundproblem ist bei allen neun Wasserwerken gleich. Doch bei vier von ihnen ist die rechtliche Situation besonders, denn sie senken durch ihren Betrieb den Grundwasserstand in Gebieten, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) geschützt sind. Das Wasserwerk Friedrichshagen beeinträchtigt das FFH-Gebiet Müggelsee-Müggelspree, das Wasserwerk Spandau das FFH-Gebiet Spandauer Forst und die Wasserwerke Tiefwerder und Beelitzhof das FFH-Gebiet Grunewald.
Das Verschlechterungsverbot gilt
Die EU-Vorgaben zum Schutz von FFH-Gebieten sind im Bundesnaturschutzgesetz eindeutig formuliert. Der Zustand der durch die FFH-Gebiete geschützten Lebensraumtypen – in den konkreten Fällen sind es Moore in den städtischen Wäldern – darf sich nicht verschlechtern. Sobald der begründete Verdacht besteht, dass ein benachbarter Betrieb das Gebiet oder seinen Schutzzweck beeinträchtigt, muss die Oberste Naturschutzbehörde, hier also die Senatsumweltverwaltung, Maßnahmen ergreifen, die an der Quelle der Verschlechterung ansetzen. Bis heute wurde noch nicht einmal eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt.
Um es deutlich zu sagen: Was mit den Berliner Mooren und Wäldern passiert, ist eine eklatante Verletzung des Naturschutzrechts. Wenn sie noch länger anhält, wird sie juristische Konsequenzen nach sich ziehen müssen. Was soll der Berliner Senat in dieser schwierigen Situation tun, in der Trinkwasserförderung und Naturschutz in Konkurrenz zu stehen scheinen? Zunächst einmal darf er den Konflikt nicht ignorieren. Es ist nun einmal seine Pflicht, geltendes Recht umzusetzen.
Wo bleibt die Gesamtbetrachtung?
Einen Generalplan zur naturschutzverträglichen Wasserförderung können die Umweltverbände nicht erarbeiten, das muss der Senat schon selbst machen (lassen). So unglaublich es klingt: Bislang beschäftigten sich die Konzepte nur mit dem Wasserbedarf, nicht aber mit den Bedingungen und Folgen der Wasserförderung. Die Frage, welche Ansprüche die betroffenen Naturräume haben, soll nach Willen der Wasserbetriebe in den ausstehenden Bewilligungsverfahren geklärt werden. Abgesehen davon, dass diese Verfahren nicht vorankommen, laufen sie für jedes Werk einzeln und weitgehend unabhängig voneinander.
Es fehlt der Blick auf das Ganze. Zwar lässt sich die Fördermenge nicht beliebig zwischen den Wasserwerken umverteilen, um die FFH-Gebiete zu schonen, dazu fehlen ausreichende Verbindungsleitungen der Teilnetze. Die werden aber nie gebaut, wenn es keine Gesamtbetrachtung gibt. Um die Förderung besser zu verteilen, fordert der BUND unter anderem, den vor 20 Jahren geschlossenen Standort Johannisthal wieder in Betrieb zu nehmen.
Wenn sich die Förderung nicht optimieren lässt, muss sie wohl reduziert werden. Wir alle in Berlin und in Brandenburg müssen uns darüber klar werden, dass Wasser knapp ist. Jahrelang hatten die Wasserbetriebe gepredigt, man müsse Wasser nicht sparen, sondern nur ordentlich klären, schließlich bleibe alles im Kreislauf. Das stimmte schon früher nicht und wird in immer trockener werdenden Zeiten noch falscher. Berlin fördert sein Trinkwasser zu 70 Prozent aus dem Uferfiltrat von Spree und Havel. Dieser Zufluss wird dank Braunkohleförderung und Klimawandel immer schwächer; 2020 liefern die sächsischen Talsperren nur ein Drittel der üblichen Wassermenge. Folge: Das restliche Spreewasser ist umso stärker mit Sulfat aus den Lausitzer Tagebauen belastet.
Trinkwasser ist zum Trinken da
Sparen ist nicht unbedingt beim Kochen und Waschen und schon gar nicht beim Trinken angesagt, schließlich hat kein Getränk eine bessere Ökobilanz als Leitungswasser. Umso mehr aber bei den Vorgängen, die nicht bestes Trinkwasser benötigen, etwa Rasen sprengen, private Schwimmbäder füllen und regelmäßiges Durchspülen des Abwassersystems. Für diese Zwecke sollte vor allem Regenwasser zum Einsatz kommen.
Die entscheidende Frage ist eine politische. Müssen die Wasserbetriebe Rendite abliefern? Auch im neuen, Anfang 2020 in Kraft getretenen Unternehmensvertrag nötigt der Senat den landeseigenen Betrieb dazu. Darum gibt es keine Appelle zum Wassersparen, schließlich würde ein sinkender Verbrauch die Ausschüttungsziele gefährden. Dieses Dilemma können die Wasserbetriebe nicht lösen, Rot- Rot-Grün muss es tun, schließlich steht der ökologische Umgang mit dem Grundwasser im Koalitionsvertrag. Der Erhalt von Mooren und Wäldern ist ebenso wichtig wie sozialverträgliche Wasserpreise – weder das eine noch das andere darf der Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen.
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