Monatsarchive: November 2022

Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft warnt vor CETA: Mit dem jetzigen CETA-Text wird der Schutz der öffentlichen Wasserwirtschaft vor einer Kommerzialisierung weiter geschwächt

EU-Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (CETA):
AöW zur Abstimmung im Bundestag am 01.12.2022

AöW-Präsident Prof. Lothar Scheuer: „Angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges und der Klimakrise erkennen wir die Bedeutung von zukunftsorientierten Wirtschafts- und Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern an – dazu gehört in jedem Falle auch Kanada. Gleichzeitig erfordern die Krisen und Herausforderungen neue Prioritäten – und dazu gehört auch die Stärkung der Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand. Diesem Zeitenwandel und den Erfordernissen muss auch das CETA-Abkommen gerecht werden. Mit dem jetzigen CETA-Text wird der Schutz der öffentlichen Wasserwirtschaft vor einer Kommerzialisierung weiter geschwächt. Es ist zu erwarten, dass dies sich in weiteren Abkommen weiter fortsetzen wird. Es kommt jetzt und für die zukünftigen Herausforderungen darauf an, dass auf nationaler und vor allem kommunaler Ebene die Strukturen für die öffentliche Wasserwirtschaft bekräftigt werden.

Hinsichtlich des nun relevanten Investitionsschutzes bezweifeln wir weiterhin, ob das Joint Committee mit einer Erklärung eine ausreichende Verbindlichkeit erreichen kann oder doch nur als Auslegungsinterpretation nachrangig herangezogen wird.

Wasser muss insgesamt von Investitionsstreitigkeiten ausgeklammert sein, andernfalls riskiert der Staat mit der Einführung des Investorenschutzes in CETA seine Handlungsfähigkeit bei der zukünftig wichtigsten Ressource: sauberes Wasser. Dazu darf es keinesfalls kommen.“ weiterlesen

Siegfried Broß: Überlegungen zur Neueinteilung der Welt – zur Rolle des Rechts, internationale Entwicklungen und ein Blick auf Deutschland

Vortrag in Karlsruhe am 24.10.2022 – Bildungszentrum Roncalli-Forum Karlsruhe

Fotografie: ZAK

I. Vorbemerkung

Meine nachfolgenden Ausführungen beruhen auf meiner jahrzehntelangen beruflichen und wissenschaftlichen Erfahrung, vor allem aber auch auf meinen über 50 Auslandsdienstreisen seit dem Jahr 2000 in mehr als 20 Staaten im Zusammenhang mit der Entwicklung rechtsstaatlich-demokratischer Kulturen einschließlich des arabischen Frühlings in neuerer Zeit. Der nachfolgende Text speist sich aus vielen Vorträgen, zahlreichen Gastvorlesungen und Beiträgen in Festschriften und Tagungsbänden.

Ich verzichte auf Nachweise im Einzelnen. Interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern wie auch Leserinnen und Lesern des Textes erschließt sich mein Gedankengerüst ohne Schwierigkeiten aus zahlreichen Beiträgen im Broß-Archiv des Bayerischen Anwaltverbandes in den Jahren nach 1998 in PDF-Form, frühere sind mit der jeweiligen Fundstelle nachgewiesen ebenso die Veröffentlichungen des Berliner Wassertischs in zwei Schriftenreihen zu Privatisierung und Rekommunalisierung öffentlicher Versorgungsleistungen. weiterlesen

Chemikalien und PFAS unter dem CETA-Abkommen 

26. November 2022

Das CETA-Abkommen (Handels und Investitionsabkommen) ist seit 2017 vorläufig in Kraft und soll im Dezember vom Bundestag ohne nennenswerte Debatte verabschiedet werden.

Chemikalien und PFAS unter dem CETA-Abkommen 

Die staatliche Handlungsfähigkeit bei der Regulierung von Chemikalien muss inzwischen als außerordentlich schwach und völlig unzureichend erachtet werden. Dem Verbot einer Einzelsubstanz geht ein jahre- teils jahrzehntelanges Ringen voraus, an dessen Ende nicht selten ein Scheitern des Verbotsverfahrens steht. Dass diese enorme Schieflage durch Freihandelsabkommen verstärkt wird, räumt auch die Bundesregierung ein (https://www.bmuv.de/faq/weshalb-sind-noch-nicht-alle-pfas-verboten) und nennt als einer der Gründe, warum PFAS kaum verboten sind, auch die „Anforderungen der internationalen Handelsbestimmungen, nach denen nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen erhebliche Anforderungen an den Nachweis der Umwelt- und Gesundheitsgefährlichkeit stellen“. Insbesondere das CETA-Abkommen nimmt als erstes „Abkommen der neuen Generation“ von Freihandelsabkommen eine Sonderstellung ein: Weitreichende Befugnisse intransparenter CETA-Ausschüsse zur Weiterentwicklung des Abkommens mit dem Ziel des „Abbaus nicht-tarifärer Handelshemmnisse“ (unter die auch Bestimmungen zum Gesundheits- und Umweltschutz fallen, das ist das Problem) werden voraussichtlich zu einer weiteren Verdrängung des für die Chemikalienregulierung entscheidenden Vorsorgeprinzips führen und in Kombination mit neuartigen Klagebefugnissen für Investoren, mit denen allein die bloße Androhung einer Klage ausreichend Einschüchterung entfalten kann, ein Verbotverfahren einer Substanz weitgehend aussichtslos machen (vgl. IAWR-CETA-Stellungnahme). weiterlesen

Kritik an CETA-Ratifizierung: Verfahren ist undemokratisch und intransparent

25.11.2022

In weniger als einer Woche stimmt der Bundestag über CETA, das umstrittene Handelsabkommen der EU mit Kanada, ab. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren das Verfahren bis zur Ratifizierung als undemokratisch und intransparent.  

Das Abkommen wird seit 2017 vorläufig angewendet. Der handelspolitische Teil ist überwiegend in Kraft, 98 Prozent der Zölle sind weggefallen. Ausgenommen ist bisher der Investitionsschutz. Damit das Abkommen in Kraft tritt, müssen es alle EU-Mitgliedstaaten ratifizieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren vor allem den Investitionsschutz, weil er einseitige Klagemöglichkeiten ausländischer Investoren und globaler Konzerne gegen staatliche Regulierungen vorsieht. Nun will die Bundesregierung den Vertrag offenbar im Eilverfahren ratifizieren und behält dabei der Öffentlichkeit wichtige Informationen vor.

“Das Verfahren zur Ratifizierung des CETA-Abkommens ist von Intransparenz geprägt. Bei so weitreichenden Entscheidungen bedarf es einer öffentlichen Debatte”, sagt Ludwig Essig, Referent für Handelspolitik am Umweltinstitut München. “Unter diesen Umständen darf CETA nächste Woche nicht dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden. Wir halten es für untragbar, dass die Bundesregierung im Vorfeld der Entscheidung die Abgeordneten und die Öffentlichkeit unzureichend informiert. Handelspolitik muss transparent und demokratisch gestaltet und an den Leitplanken einer sozial-gerechten und ökologischen Außenwirtschaftspolitk ausgerichtet werden. Die Ratifizierung von CETA muss gestoppt werden.” 

Die Kritikpunkte im Einzelnen:

  • Zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden im Vorfeld der ersten Lesung nicht einmal 24 Stunden zur Anhörung eingeräumt. Auch bei der Expert:innenanhörung waren sie im Gegensatz zu Industrievertretern nicht eingeladen.

  • Um der  Kritik an der Inkraftsetzung des Investitionsschutzkapitels mit Sonderklagerechten für Konzerne entgegenzuwirken, ließ die Bundesregierung im Juni eine Interpretationserklärung für den Gemeinsamen CETA-Ausschuss (aus Vertreter:innen der EU Kommission und der kanadischen Regierung) erarbeiten, die laut Handelsagenda der Ampelkoalition vom 24. Juni den “Missbrauch des Investitionsschutzes rechtssicher ausschließen” sollte. Nachdem  eine erste Version der Interpretationserklärung Gegenstand  kritischer Gutachten und der Expert:innenanhörung war, wurde in der weiterentwickelten Handelsagenda vom 11. November mitgeteilt, die Bundesregierung habe ihre Initiative zu einer “Interpretationserklärung im EU-Kreis finalisiert”; in Gesprächen mit der kanadischen Regierung bereite die EU die Interpretationserklärung für den Gemeinsamen Ausschuss vor. Obwohl die Interpretationserklärung zum Investitionsschutz als Voraussetzung für die zweite und dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes angekündigt worden war, ist die finalisierte Fassung eine Woche vor der entscheidenden Abstimmung weder der Öffentlichkeit noch den Bundestagsabgeordneten bekannt.

  • Auch das Begleitgesetz zur demokratischen Legitimierung des Gemeinsamen Ausschusses ist bisher nicht öffentlich .

  • Der angekündigte Unterausschuss für Handelsfragen im Bundestag wartet noch immer auf die konkrete Ausgestaltung und Einsetzung.

Das ist eine gemeinsame Pressemitteilung von Attac Deutschland, Naturfreunde Deutschland und dem Umweltinstitut München.

Link zur PM

209 Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern: EU-Handelsabkommen dürfen demokratische Teilhaberechte nicht untergraben!

Um die Kritik einiger EU-Regierungen und -Parlamente zu umgehen, will die Europäische Kommission das Abstimmungsverfahren für anstehende Handelsabkommen mit Mexiko, Chile und den Mercosur-Ländern (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) ändern und die Abkommen leichter und schneller von der EU durchsetzen lassen. Wir, die Organisationen der Zivilgesellschaft, lehnen diesen Schritt ab, da er demokratischen Teilhaberechte untergraben würde!

Dieser so genannte “Splitting”-Versuch der Europäischen Kommission würde bedeuten, dass die handelspolitischen Säulen der Assoziierungsabkommen mit Drittländern ohne die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten im Rat der EU und ohne jegliche nationale Ratifizierung angenommen würden. Dies wäre ein Angriff auf die Demokratie und eine schwerwiegende Abkehr von den Regeln für handelspolitische Entscheidungen und der derzeitigen Praxis, wonach Assoziierungsabkommen einstimmig von den EU-Regierungen sowie von einer Mehrheit im Europäischen Parlament und von allen Parlamenten auf nationaler Ebene gebilligt werden müssen.

Der Schritt der Europäischen Kommission ist ein zynischer technischer Weg, um sicherzustellen, dass die von ihr ausgehandelten Handelsabkommen trotz ihrer Kontroversen über Abholzung, Klimawandel und Menschenrechtsverletzungen schnell in Kraft treten. Das Manöver würde den Widerstand einiger EU Regierungen und nationaler und/oder regionaler Parlamente aushebeln. weiterlesen