Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen!
Veranstaltung, 14. Februar 2017
DGB-Gewerkschaftshaus, Keithstr. 1+3, 10787 Berlin
Referent: Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung; http://www.forumue.de/)
TiSA – Der neoliberale Traum
Jürgen Maier, Forum Umwelt & Entwicklung, Berlin
Die weitreichenden Pläne der EU und der USA für die Liberalisierung des Welthandels finden in der Welthandelsorganisation WTO seit vielen Jahren keine Mehrheiten und erst recht keinen Konsens mehr. Die allermeisten Staaten finden das jetzige Liberalisierungs-Niveau ausreichend und zeigen wenig Bereitschaft, sich durch Handelsverträge eine weitere Marktöffnung oder Deregulierung von ganzen Sektoren wie den Dienstleistungsbranchen vorschreiben zu lassen. Daher wird in Europa und den USA offiziell von der »Lähmung« der WTO gesprochen – dabei ist die WTO alles andere als gelähmt, sie funktioniert und nach ihren Regeln verläuft der Welthandel. Was allerdings gelähmt ist, ist die vom neoliberalen Geist der letzten 20 Jahre geprägte Agenda der EU und der USA, immer weiter zu liberalisieren und immer mehr sogenannte »nichttarifäre Handelshemmnisse« abzubauen. Aus gesellschaftlicher Sicht sind das nämlich meist keine »Handelshemmnisse«, sondern sinnvolle Regulierungen, ob es Lebensmittelstandards sind oder Finanzmarktregulierung oder Datenschutzvorschriften.
Den Ausweg aus dieser Sackgasse sollen gemäß der EU-Handelsstrategie »Global Europe« aus dem Jahr 2006 bilaterale, regionale und sektorale Handelsabkommen außerhalb der WTO eröffnen. Damit soll der Druck v.a. auf Entwicklungsländer erhöht werden, sich einer Liberalisierungsagenda der EU-Kommission zu unterwerfen, die sie aus guten Gründen ablehnen. Dabei geht es keineswegs nur um Agrar- und Industriemärkte, sondern immer mehr auch um Dienstleistungen. Da gibt es für europäische Konzerne noch viele Marktanteile zu holen – und daran haben viele Entwicklungsländer kein Interesse. Indien braucht kein Lidl oder Aldi, Malaysia braucht keine DHL (vormals Deutsche Post), Südafrika braucht keine Veolia. Dazu muss man diese Länder auch nicht zwingen – das ist ihr gutes Recht solchen Konzernen keinen Marktzugang zu gewähren.
Genau darum aber geht es bei TiSA. TiSA ist ein geplantes sektorales Abkommen für Dienstleistungen, dessen marktliberale Ambitionen weit über das Dienstleistungsabkommen der WTO (GATS, General Agreement on Trade in Services) hinausgehen soll. Das GATS sieht zwar vor, weitere Liberalisierungsschritte in weiteren Verhandlungen zu erzielen, aber das klappt eben nicht. Das Abkommen umfasst einen Hauptvertragstext, Marktzugangsangebote der Vertragsstaaten, sektorspezifische Anhänge (Finanz-DL, E-commerce, Telekommunikation, Energie-DL, Schiffsverkehr, Luftverkehr, Postdienste, Güterverkehr), sowie institutionelle Bestimmungen. Bei TiSA geht es um die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen aller Art: Verkehr, Gesundheit, Wasser, Telekommunikation, Finanzen, Datentransfer, Energie, Abfall, Post, Bildung, usw. Ziel ist die möglichst irreversible weitere Öffnung der Binnenmärkte für die internationale Dienstleistungsindustrie über die bereits bestehenden Verpflichtungen im Rahmen des GATS-Abkommens der WTO hinaus. Die Unterzeichner des Abkommens verpflichten sich wechselseitig, allen ausländischen Anbietern von Dienstleistungen die gleichen Konditionen zu gewähren, wie den jeweiligen inländischen – und Regulierungen möglichst abzubauen. TiSA ist Ausdruck einer spätestens seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr zeitgemäßen Deregulierungs- und Liberalisierungsagenda, die gesellschaftlich längst nicht mehr mehrheitsfähig ist. Daher wurde es geheim verhandelt. Veröffentlicht hat die Kommission lediglich, unter massivem Druck, das Verhandlungsmandat. Es umfasst nicht einmal vier Seiten und ist so unpräzise, dass man daraus kaum etwas entnehmen kann. Würde die Öffentlichkeit wissen und verstehen, was hier vor sich geht, würde sie es empört stoppen. Die notwendige Transparenz wurde bisher in erster Linie durch Wikileaks sichergestellt, das sehr viele Verhandlungstexte veröffentlicht hat und damit bis zu einem gewissen Ausmaß wirklich für Transparenz gesorgt hat, gegen den Willen von Kommission und Bundesregierung. Allerdings bedeutet auch dies nur Transparenz für Leser mit guten Englischkenntnissen und erheblichem Fachwissen.
Nach 21 Verhandlungsrunden seit 2013 ist das Projekt zwar schon relativ weit gediehen, aber jetzt festgefahren. Beteiligt sind bisher etwa 50 Länder, die Hälfte davon die EU. Dabei sind fast alle Industrieländer sowie einige Entwicklungsländer. Auffällig ist die Abwesenheit sämtlicher Schwellenländer bei den Verhandlungen; ein Beitrittsantrag Chinas wird von den USA blockiert. Die TiSA-Staaten umfassen etwa 70 % des Welthandels mit Dienstleistungen.
Die Idee für dieses Abkommen entstand bei den Lobbyisten transnationaler Unternehmen des Dienstleistungssektors, wie etwa dem European Services Forum, denen das WTO-Dienstleistungsabkommen GATS nicht ausreicht und die nicht akzeptieren wollen, dass ihre Privatisierungs-, Liberalisierungs- und Deregulierungsforderungen von der großen Mehrheit der WTO-Mitgliedsstaaten abgelehnt werden. Die sogenannte »Coalition of Services Industries« war maßgeblich daran beteiligt, dass eine Staatengruppe mit dem absurden Namen »Really Good Friends of Services« 2012 unter maximaler Geheimniskrämerei die Verhandlungen zu einem Dienstleistungsabkommen außerhalb der WTO angestoßen hat, maßgeblich betrieben von den Industrieländern und einigen Steueroasen wie Panama, Liechtenstein oder Hong Kong. Statt multilateral die Interessen aller Staaten auszugleichen, torpedieren diese Länder den Multilateralismus, zu dem sie sich rhetorisch immer wieder bekennen. Der Chef der CSI Samuel di Piazza glaubt, Banken, Versicherungen, Medien und andere globale Unternehmen sollten in einem Umfeld mit »marktorientierten und nicht vom Staat vorgegebenen« Bedingungen handeln können. In einer TiSA-Zukunft würden nach di Piazzas Visionen öffentlich erbrachte oder regulierte Dienstleistungen nicht mehr existieren, sondern »die Prinzipien der freien Marktwirtschaft sind bestimmend für Investitionen und Erbringung von Dienstleistungen in einem transnationalen Maßstab.«
Es gab in keinem Parlament der Welt eine Debatte oder gar Abstimmung darüber, ob man ein solches Projekt möchte oder unter welchen Bedingungen man es möchte – die Regierungen haben einfach Fakten geschaffen. Und die Parlamente haben, wie es so ihre Art ist, das halt so hingenommen, egal welche Mehrheit, links, rechts, rot-grün, schwarz, egal, spielt keine Rolle. Was genau geplant und verhandelt wird, erfährt die Öffentlichkeit – und Parlamente übrigens auch – in erster Linie durch sogenannte »Whistleblower«. Ziemlich oft sind Vertragstexte durchgesickert, so dass wir einigermaßen beurteilen können was da läuft. Auf jeden Fall ist der Einfluss der Industrielobbys bei TiSA noch weit grösser als das bei anderen Handelsabkommen der Fall ist, sie haben dieses Abkommen regelrecht erfunden und den Regierungen untergejubelt.
Michel Servoz, früherer Abteilungsleiter für Dienstleistungen bei der Generaldirektion Handel der Kommission, sagte das unverblümt: »für die Kommission ist der Beitrag des European Services Forum absolut entscheidend. Wir brauchen ihre Unterstützung nonstop, sonst können wir gar nicht verhandeln.« Dementsprechend fundamentalistisch ist dieses Abkommen angelegt, marktradikaler als alle anderen, getragen vom Geist, möglichst viel, einfach alles zu deregulieren und zu liberalisieren. Die Konzerne wollen das Recht, möglichst unbehelligt Informationen, Geld, Waren, Menschen über die Grenzen zu schieben – und die Möglichkeit, sie zu regulieren, auf einem Minimum begrenzen:
• Das GATS arbeitet noch nach dem Positivlistenprinzip, TiSA nach dem Negativlistenprinzip. Alles was nicht explizit als Ausnahme gelistet wird, wird liberalisiert.
• Die Stillstandsklausel im Hauptvertragstext soll sicherstellen: hinter den Liberalisierungsstand beim Inkrafttreten darf man nie wieder zurückfallen. Aber eigentlich wollen die ja keinen Stillstand, sondern deregulieren. Mehr Deregulierung ist natürlich erlaubt. Dafür gibt es die Sperrklinken-Klausel, die soll sicherstellen: jede künftige Liberalisierung oder Deregulierung oder Privatisierung darf nicht wieder rückgängig gemacht werden.
• Unter Obama übten die USA massiven Druck aus, das Meistbegünstigungsprinzip flächendeckend in TiSA zu verankern: alle TiSA-Staaten müssen automatisch allen anderen alle diejenigen Vorteile einräumen, die sie in zukünftigen sonstigen FHA irgendjemand anderem einräumen. Z.B. Australien macht ein Freihandelsabkommen mit Südkorea, und vollautomatisch bekommen Unternehmen aus allen TiSA-Staaten die gleichen Rechte in Australien wie südkoreanische Unternehmen. Mit solchen Klauseln verliert man irgendwann die Kontrolle darüber, was liberalisiert wird, es geht quasi automatisch – Ziel: man will einfach komplett liberalisieren. Sie nehmen einfach die radikalste Deregulierung irgendwo auf der Welt und machen sie zum Minimalstandard für alle.
• Obama wollte auch sämtliche „neuen Dienstleistungen“, also solche die wir heute noch gar nicht kennen, vollautomatisch deregulieren und liberalisieren. Hätten wir vor 10 Jahren TiSA mit solchen Klauseln schon in Kraft gesetzt, könnten wir heute Airbnb oder Uber nicht mehr regulieren, oder Cloud-Computer, Videostreaming, Facebook, usw. Das klingt radikal und ist radikal. Es gab aber auch Staaten, die wollten das besser kaschieren – man wollte das „Recht zur Regulierung“ wahren, aber nur in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des TiSA-Abkommens. Das ist etwa so, wie wenn ich Ihnen sage, Sie können in diesem Raum durchaus rauchen, aber nur in Übereinstimmung mit der Hausordnung. Dass die das verbietet, muss ich Ihnen ja nicht gleich dazu sagen. Selbst wenn man das nicht so knallhart beschließen würde, oft sieht es doch so aus, dass man für neue Dienstleistungsarten anfänglich eher lockere Regulierung macht, die später im Lichte neuer Erkenntnisse verschärft werden könnte– mit Stillstands-Klauseln u.dgl. können Sie das unter TiSA vergessen.
• wenn Sie sich die Verhandlungen um neue DL ansehen, stellen Sie auch fest, dass es dort den Trend zu einer sehr, sagen wir mal, expansive Definition von DL gibt. Ist ein Schuh oder Sportkleidung mit Körpermonitoringfunktion eine Ware oder eine Dienstleistung? Was ist elektronisch gehandelte Software? Was ist ein fahrerloses Auto? Oder alles was aus einem 3D-Drucker kommt? Alles das kann man auch als Dienstleistung definieren.
• Expansiv ist auch der Anwendungsbereich. Das Abkommen soll sich auf alle Maßnahmen eines Vertragsstaates beziehen, Gesetze, Verwaltungsakte, Genehmigungen usw. – egal auf welcher Ebene, alle staatlichen Maßnahmen die den Handel mit DL wie indirekt auch immer betreffen.
• Öffentliche DL sind massiv betroffen, man wollte uns Sand in die Augen streuen indem man in den Vertragstext schrieb: Alle öffentlichen DL sind ausgenommen, die in Ausübung der staatlichen Hoheitsgewalt stattfinden, das wird definiert als DL die weder auf kommerzieller Basis noch im Wettbewerb mit privaten Anbietern erbracht werden. Da bleibt nicht viel, vielleicht die Ausgabe von Personalausweisen oder Geburtsurkunden. Im Wettbewerb mit privaten Anbietern steht das Bildungs- oder Gesundheitssystem schon lange, selbst Gefängnisse werden in den USA schon privat betrieben. Öffentliche Unternehmen werden aber nicht verboten. Es soll ihnen aber vorgeschrieben werden, sich kommerziell zu verhalten. Wenn also ein Stadtwerk soziale Tarifgestaltung betreibt, verhält es sich nicht kommerziell – und das verstößt dann gegen TiSA.
• Datenfluss und Datenschutz. Unter Obama bestanden die USA darauf, dass Daten frei über die Grenzen fließen dürfen und nicht von Datenschutzgesetzen daran gehindert werden dürfen. Nachdem das Safe Harbor-Abkommen über Datenschutz EU-USA vom EuGH schon kassiert wurde und auch nicht sicher ist, ob das Nachfolgeabkommen Privacy Shield eine EuGH-Klage überstehen wird, ist das schon recht krass. So etwas ist mit europäischem Recht schlicht unvereinbar. Die Kommission ist deswegen intern paralysiert: die GD Handel würde ja gern, aber da macht die GD Justiz nicht mit. Deswegen wurde zu dieser Thematik bisher kein EU-Vorschlag auf den Tisch gelegt, was die Obama-Regierung so genervt hat, dass sie schon mal angeregt hat, man könne TiSA ja auch erstmal ohne die EU machen. Dass Safe Harbor die Daten europäischer Bürger nicht angemessen schützt, war schon lange bekannt, weshalb das Europaparlament bereits 2014 die Kündigung und Neuverhandlung des Abkommens gefordert hat. Es ist bezeichnend, dass erst der EuGH diese Kündigung erzwingen musste, weil weder Kommission noch Europäischer Rat bereit waren, Konsequenzen aus den unübersehbaren Mängeln des Safe Harbor-Abkommen zu ziehen. Stattdessen haben Kommission und Regierungen der Mitgliedsstaaten bis zuletzt behauptet, Safe Harbor entspreche den europäischen Datenschutzanforderungen. Die US-Verhandlungsposition ist eindeutig: Gesetze zur lokalen Datenspeicherung sollen in Handelsabkommen ausgeschlossen werden, weil für die USA Daten Waren bzw. Dienstleistungen sind, für die es keine Grenzen mehr geben soll. Damit wären die geltenden europäischen Datenschutzstandards hinfällig. Solche Regeln würden bedeuten, dass für Daten immer die lokalen Datenschutzgesetze am Speicherort gelten, höhere Schutzstandards wären freiwillig. Niemand könnte den grenzüberschreitenden Datenverkehr nicht mehr an die Einhaltung seiner Datenschutzgesetze binden. Die Daten werden dann dort gespeichert, wo der Datenschutz am lockersten ist. So hätten sie es gern.
• Übrigens geht es dabei um mehr als nur um Datenschutz: mit TiSA kann man auch den Ort der Wertschöpfung sehr viel leichter verschieben, also z.B. dahin wo die Steuern am niedrigsten sind, den juristischen Sitz leichter dahin verschieben wo der Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz am niedrigsten ist. Mit solchen Klauseln über freien Datenfluss kommen Sie dem neoliberalen Traum ein gehöriges Stück näher.
• Besonders gefährlich ist die Stillstands-Klausel im Anhang über Finanzdienstleistungen: im durchgesickerten Text schlägt die EU gemeinsam mit den USA eine solche Klausel für die Finanzmarktliberalisierung vor (Art. X.4) – und das in einer Zeit, in der längst klar ist, dass die Politik die Deregulierung und Liberalisierung des Finanzmarktes übertrieben hat und nach der Finanzkrise versprochen hat, wieder stärker zu regulieren. Mit TiSA wird genau das verhindert oder zumindest behindert. In eine ähnliche Kategorie fällt Art. X.21 des durchgesickerten Kapitels über Finanzdienstleistungen. Dort soll festgeschrieben werden, dass Versicherungsanbieter überall in den TiSA-Ländern tätig werden dürfen und neue sogenannte »Produkte« vollautomatisch zugelassen werden, wenn sie nicht »innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne« abgelehnt werden, und dass alle TiSA-Länder ihre Verfahren zur Zulassung von sogenannten »Versicherungsprodukten« beschleunigen sollen. So etwas nützt sicherlich Versicherungen mit Sitz in Panama oder Hong Kong, die auf dem deutschen Markt tätig werden wollen. Seriöse Versicherungsanbieter in Deutschland haben davon nichts, und Versicherte auch nicht. Zur Erinnerung: Sogenannte Kreditausfallversicherungen (credit default swaps) waren der Auslöser der Finanzkrise von 2008 – eines der »innovativen Versicherungsprodukte«, das nicht ausreichend vor seiner Zulassung geprüft wurde. Mit TiSA würde eine gründliche Prüfung unmöglich, da sie länger dauert und daher mit Ablauf einer bestimmten Frist das »Produkt« automatisch zugelassen würde. Abkommen mit solchen Bestimmungen sind nicht im öffentlichen Interesse und machen künftige Finanzkrisen wahrscheinlicher.
Die EU schlägt in Art. X.7 umfassende Marktzugangserleichterungen für ausländische Banken und Finanzdienstleister vor, einschließlich durch Übernahmen inländischer Finanzdienstleister, unter X.8 umfassende Erleichterungen für die grenzüberschreitende Tätigkeit ausländischer Banken und Finanzdienstleister ohne eigene inländische Niederlassung. Es liegt auf der Hand, dass z.B. die Ausweitung der grenzüberschreitenden Tätigkeit ausländischer Banken ohne eigene inländische Niederlassung die Regulierung des Finanzmarktes noch schwieriger macht als ohnehin. Wie soll denn die Bafin eine panamaische Bank ohne Niederlassung in Deutschland regulieren? Dass diese Klauseln nicht Volksbanken oder Sparkassen nützen, sondern internationalen Banken und sogenannten »Finanzdienstleistern«, liegt auf der Hand. Selbst wenn sie einer Sparkasse oder Volksbank erleichtern sollten, weltweit tätig zu werden, ist das gar nicht sinnvoll: es haben sich schon genug solcher Sparkassen oder Volksbanken mit Abenteuern auf dem US-Immobilienmarkt und dergleichen die Finger verbrannt, statt sich auf ihren Kernauftrag zu konzentrieren. Abkommen, die solche kaum noch kontrollierbaren Aktivitäten erleichtern, sind nicht im öffentlichen Interesse.
• Mit dem Abkommen bekommen die Dienstleistungskonzerne eigentlich schon alles, was sie wollen, aber man weiß ja nie: für die wenigen neuen Regulierungen, die noch erlaubt sind, wollen sie sich mit sogenannten »Transparenzvorschriften« umfangreiche Mitspracherechte bei der Gesetzgebung sichern, also Transparenz für Konzerne, nicht für Sie oder mich.
So, jetzt habe ich einen langen Katalog aus dem Gruselkabinett vorgestellt. Aber der Herr Obama ist jetzt Geschichte, genau davor hatten sie Angst und versuchten alles, um rechtzeitig fertig zu werden, solange der noch im Weißen Haus sitzt – doch es hat nicht geklappt. Und es klemmt noch an vielen Punkten, Datenschutz, Finanzmarktregulierung, Neue DL, Meistbegünstigungsklausel – selbst wenn man sich im Prinzip über vieles einig ist, der Teufel sitzt im Detail.
Und jetzt kommt der Herr Trump und erklärt pauschal, keine neuen Handelsabkommen mehr zu machen, außer bilateralen Abkommen. Und die EU musste Ende letzten Jahren einräumen, dass TiSA ein gemischtes Abkommen ist…also die Zustimmung durch 40 Parlamente erforderlich ist. Demokratie, ein Alptraum. Für die Kommission, nicht für uns.
Wie geht es also weiter? Ist TISA tot?
Auch wenn ich keine belastbaren Prognosen über Trumps Handelspolitik abgeben kann, TiSA dürfte aber tatsächlich tot sein. TiSA als Abkommen, nicht die neoliberale Agenda. Die USA sind weltweit größter DL-Exporteur, 33 % ihrer Exporte sind DL – aber nur 17% der Importe, d.h. sie haben seit langem einen Handelsbilanzüberschuss mit DL, aber dafür ein gewaltiges Defizit bei Gütern. Trumps Devise ist, America First, also was heißt das? Darüber muss man sich übrigens nicht aufregen, die EU-Handelspolitik ist auch durch und durch geprägt von einem Geist des Europe First, aber man nennt es halt nicht so. Die geltende Global Europe-Strategie will die EU zum »wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt« machen, das ist die Aussage „Europe First“, nur halt im Akademiker-Jargon.
Diese Agenda durchzieht alle FHAs, über die derzeit verhandelt wird, im Falle der EU etwa 20. Zwei Drittel des Welthandels mit DL ist Bestandteil umfassenderer Lieferketten, d.h. sie sind nicht etwa separat vom Güterhandel, sondern integraler Bestandteil. Wie auch bei TTIP wollten die beteiligten Länder mit TiSA »globale Standards« setzen – Standards, die in erster Linie ihren eigenen Interessen dienen und die deshalb multilateral nicht durchsetzbar sind. Die meisten Länder haben kein Interesse daran, dass multinationale Konzerne nahezu unbegrenzten Marktzugang bekommen und Regierungen sich selbst bei der Regulierung dieser Konzerne maximalen Restriktionen unterwerfen. Das ist die Agenda global agierender Dienstleistungskonzerne von Amazon über WalMart und DHL (vormals Deutsche Post) bis hin zu internationalen Großbanken – also all diejenigen, enorme Kreativität bei der »Steueroptimierung« (sprich Steuervermeidung) an den Tag legen. Eine Kreativität, die lokale oder regionale Dienstleistungsanbieter zum Glück niemals an den Tag legen können.
Analysiert man die Interessen der TiSA-Staaten und der Dienstleistungs-Industrieverbände, stellt man auch fest, dass es auch weiterhin erhebliche Interessen gibt, diejenigen Dienstleistungsbereiche die in Deutschland und Österreich als »öffentliche Daseinsvorsorge« bekannt sind, zu mit oder ohne TiSA kommerzialisieren. Schon in der EU ist dieses Konzept der öffentlichen Daseinsvorsorge alles andere als akzeptiert – die Abwehrkämpfe gegen die Liberalisierungsbestrebungen der Kommission im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie im Europaparlament sind noch nicht lange her. Auch die Sparkassen können davon ein Lied singen. Es ist bezeichnend, dass es erst einer »Europäischen Bürgerinitiative« mit über 1 Million Unterschriften bedurfte, bis die Kommission zusicherte, von ihren Bemühungen zur weiteren Kommerzialisierung der Wasserversorgung abzulassen. Wie glaubwürdig diese Zusage ist, ist eine andere Sache.
Liebe Freundinnen und Freunde, es ist überall auf der Welt nicht im öffentlichen Interesse, dass diese multinationalen Konzerne lokalen und regionalen Dienstleistungsanbietern noch mehr Marktanteile abjagen. Abkommen abzuschließen, die auf solche Ergebnisse abzielen, ist keine sinnvolle Politik. Es ist klar, dass die deutsche, europäische, amerikanische Öffentlichkeit immer mehr Liberalisierung des Dienstleistungssektors nicht wollen. In einer Demokratie muss es auch möglich sein, dass der Souverän der Exekutive mitteilt, dass weitere Liberalisierungen und Marktöffnungen nicht gewünscht werden und deshalb darüber auch gar keine Verhandlungen begonnen werden. Genau das wollen Bundesregierung und EU-Kommission mit aller Macht durchdrücken, und damit werden sie scheitern. Sie kennen die alte Ideologie der Sowjetunion, Geschichte geht nur in eine Richtung, Richtung Sozialismus. »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.«, wie es Honecker formulierte Der Neoliberalismus tickt genau so, Geschichte geht nur in eine Richtung, immer mehr Deregulierung, das soll TiSA festschreiben. Sie sehen gerade, dass diese Leute genau demselben Irrtum hinterherlaufen. Geschichte geht nie nur in eine Richtung. Das Pendel schlägt jetzt zurück. Heute gewinnt man Wahlen mit der Ablehnung von immer mehr Globalisierung, nicht mit der Propagierung von immer mehr Globalisierung. Vielen Dank.
Der Vortrag von Jürgen Maier als pdf