(10. Mai 2017) Der Berliner Wassertisch begrüßt das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG): „Das Gericht der Europäischen Union erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig, mit dem die Registrierung der geplanten Europäischen Bürgerinitiative ,Stop TTIP‘ abgelehnt wurde. Die geplante Bürgerinitiative stellt keine unzulässige Einmischung in den Gang des Gesetzgebungsverfahrens dar, sondern löst zur rechten Zeit eine legitime demokratische Debatte aus.“ Pressemitteilung des EuGH hier und als pdf in den Sprachen: bg es cs de el en fr hr it hu nl pl pt ro sk sl)
Der Hintergrund:
Text unserer EBI: „Wir fordern die Institutionen der Europäischen Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, die Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zu stoppen, sowie das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada nicht zu ratifizieren.“
Ablauf der EBI: „Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative:
Als selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (sEBI) Stop TTIP haben wir vom 7. Oktober 2014 bis zum 6. Oktober 2015 Unterschriften gegen TTIP und CETA gesammelt. In einem Jahr haben 3.284.289 Bürger/innen aus Europa die sEBI unterschrieben und damit ein klares Zeichen gegen TTIP und CETA gesetzt.
Das Länder-Quorum, also eine Mindestanzahl von benötigten Stimmen laut EU-Verordnung für eine EBI, haben wir in 23 Staaten überschritten (7 wären bei einer offiziellen EBI nötig gewesen).
TTIP und CETA werden hinter verschlossenen Türen vorbereitet. Auf Seiten der EU werden die Verhandlungen von der Europäischen Kommission geführt. Wie können wir direkt auf die Europäische Kommission Einfluss nehmen? Das bisher einzige Instrument, das uns zur Verfügung steht, ist die EBI. Sie gab uns die Chance, gemeinsam die Europäische Kommission aufzufordern, sich mit einem Thema zu befassen und eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Gleichzeitig erzwingt eine erfolgreiche EBI eine Anhörung im EU-Parlament.
Am 15. Juli 2014 reichten wir unseren Antrag auf Registrierung einer EBI „Stop TTIP“ bei der Europäischen Kommission ein. Dann passierte etwas Unvorhergesehenes: Die Europäische Kommission verweigerte die Zulassung unserer EBI. [„Begründung der Ablehnung: Ihre geplante Bürgerinitiative liegt offenkundig außerhalb des Rahmens, in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen.“] Sie beruft sich auf zwei Hauptargumente: Erstens, das Verhandlungsmandat zu TTIP sei ein interner Vorbereitungsakt und kein Rechtsakt mit Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger. Zweitens könne eine EBI nur positiv formuliert werden, also darauf hinwirken, einen Rechtsakt zu erlassen, nicht aber einen solchen zu unterlassen. Beide Begründungen sind unserer Ansicht nach rechtsfehlerhaft und politisch motiviert. Eine detailiertere Erklärung finden Sie hier.
Klage vor dem EuGH
Am 10. November 2014 reichte das Stop TTIP Bündnis beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eine Klage gegen die Europäische Kommission ein. Falls die Klage erfolgreich sein sollte, hätte die Initiative die Kommission dazu gezwungen, ihre Politik im Hinblick auf die Abkommen zu überdenken, und eine Anhörung im Europäischen Parlament zu ermöglichen.
– Hintergrundinformationen zur Klage vor dem EuGH
– Rechtsgutachten zum Thema ob eine EBI wie wir sie durchführen wollten rechtmäßig sei von Professor Dr. jur. Bernhard Kempen, Universität Köln.
Auch ohne die Erlaubnis aus Brüssel führten wir die EBI durch – und nannten sie eine selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (sEBI). Wir sind der Ansicht, dass es unser demokratisches Recht als Bürger*innen Europas ist, uns in eine Angelegenheit einzumischen, die uns in großem Maße betrifft – und TTIP und CETA werden ohne Zweifel große Auswirkungen auf unsere Leben und unsere Gesellschaft haben!“ (https://stop-ttip.org/de/ueber-stop-ttip/)
Materialien:
Die eingereichte Klage: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62014TN0754:DE:HTML
Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache T-754/14:
http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=T-754/14
URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer): http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d0f130d67f3a38eaad0141b7bd7ab3d15953c132.e34KaxiLc3eQc40LaxqMbN4Pax4Pe0?text=&docid=190563&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=697927
URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer): eingestellt auf Berliner Wassertisch hier
Reaktionen auf das EuG-Urteil:
Von NGOs:
Bürgerinitiative StopTTIP: TTIP / CETA: People power prevails over political pressure (pdf). 10.05.2017.
BUND: Umweltschützer loben Urteil des Gerichts der Europäischen Union zur Unrechtmäßigkeit der Ablehnung ihrer TTIP- und Ceta-kritischen Bürgerinitiative durch die EU-Kommission. 10.05.2017.
Umweltinstitut München: Stop TTIP besiegt EU-Kommission vor Gericht. 10.05.2017.
Mehr Demokratie e.V.: Erfolg für Stop TTIP vor dem EuGH / Bürgerrechte bei der Entwicklung internationaler Verträge gestärkt. 10.05.2017.
Attac Österreich: EuG-Urteil: Ablehnung der TTIP und CETA-Bürgerinitiative war rechtswidrig. 10.05.2017.
Attac Deutschland: EuG-Urteil: Ablehnung der Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA war rechtswidrig. 10.05.2017.
Foodwatch: Presse-Statement zu Gericht der Europäischen Union / EU-Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA. 10.05.2017.
Deutscher Kulturrat: TTIP, CETA & Co.: Europäischer Gerichtshof weist Europäische Kommission in die Schranken. 11.05.2017.
Berliner Wassertisch: STOP TTIP & CETA Initiative obsiegt gegen EU-Kommission. 11.05.2017.
Von Parteien/PolitikerInnen:
Sven Giegold: EuGH-Urteil zur TTIP-Bürgerinitiative: Ein Signal gegen den Populismus. 10.05.2017.
DIE LINKE: EuG erklärt Europäische Bürgerinitiative „STOP TTIP“ für zulässig. 10.05.2017.
Medien:
Tagesschau: EuG-Entscheidung EU muss Anti-TTIP-Initiative zulassen. 10.05.2017. (Video)
Focus: Gegen den Willen der Kommission: EU-Gericht erlaubt die Bildung EU-kritischer Bürgerinitiativen. 10.05.2017.
Handelsblatt: EU muss Bürgerinitiative „Stop TTIP“ zulassen. 10.05.2017.
Wirtschaftswoche: Später Triumph für TTIP-Gegner. Gericht weist EU-Kommission zurecht. 10.05.2017.
DPA: Später Triumph für TTIP-Gegner: Gericht weist EU-Kommission zurecht. 10.05.2017.
SRF: Ohrfeige für EU-Kommission: «Stop TTIP»-Initiative ist gültig. 10.05.2017.
NZZ: EU-Urteil zur Bürgerinitiative. Späte Genugtuung für TTIP-Gegner. 10.05.2017.