Fragen und Antworten zur Organklage gegen die Wasserverträge

Berlin, den 4. April 2013


                        Fragen und Antworten zum Organstreitverfahren

  1. Was ist eine Organklage?
    Eine Organklage setzt die Verletzung der Rechte eines Verfassungsorgans durch ein anderes voraus. Das Organstreitverfahren dient zur Abwehr von Verletzungen der garantierten Verfassungsrechte. Zuständig ist der Verfassungsgerichtshof von Berlin.
  1. Was soll mit der angestrebten Organklage erreicht werden?
    Ziel ist es, eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe durch Rückabwicklung der verfassungswidrigen Teilprivatisierungsverträge zu erreichen.
  1. Warum ist die Rekommunalisierung durch Rückabwicklung billiger als durch Rückkauf?
    Erweist sich der Vertrag als nichtig, dann muss die Teilprivatisierung vom 29. Oktober 1999 rückabgewickelt werden. Bei einer Rückabwicklung werden der Kaufpreis mit den bis heute geflossenen Gewinnen aufgerechnet. Die privaten Anteilseigner haben jedoch aufgrund der Gewinngarantie und der verfassungswidrigen Kalkulationsmodalitäten ihre Kaufsumme schon lange rekapitalisiert. Hinzu kommt, dass der Rückkaufpreis der privaten Anteile auf der Grundlage der verfassungswidrigen Gewinngarantie (§ 23.7 des Konsortialvertrages) berechnet wird und allein schon deswegen überteuert ist.
  1. Wie erreichen wir die Nichtigkeit der Verträge?
    Die Nichtigkeit der Verträge lässt sich durch ein zweistufiges Klageverfahren erreichen:
  1. durch ein Organstreitverfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit der Verträge festgestellt wird;
  2. durch eine anschließende Feststellungsklage, mit der die Verträge für nichtig erklärt werden.
  1. Wodurch eröffnet sich die Klagemöglichkeit?
    Der Senat von Berlin hat im RWE-Rückkaufvertrag unverändert den Konsortialvertrag fortgeführt. Er enthält im § 23.7 eine staatliche „Gewinngarantie“, die als Sicherheits­übernahme durch das Land Berlin zu werten ist. Das Budgetrecht des Parlaments verletzt worden, weil der Senat zum Parlamentsbeschluss über den Rückkauf am 25. Oktober 2012 den § 23.7 nicht abgeändert bzw. kein Gesetz vorgelegt hat, wie es Art. 87.1 der Verfassung von Berlin vorschreibt.
  1. Welche Klagefristen sind zu beachten?
    Die Frist beginnt mit der parlamentarischen Verabschiedung des Rückkaufvertrages am 25. Oktober 2012 und endet sechs Monate nach Eintreten des verfassungswidrigen Zustands am 25. April 2013. (Nur) hilfsweise kann die Vorlage des Abschlussberichts des Sonderausschusses „Wasserverträge“ im Abgeordnetenhaus am 17. Januar 2013 als Fristbeginn angenommen werden.
  1. Bis wann muss der Anwalt beauftragt werden?
    Bis zum 12. April 2013.
  1. Welche Kosten fallen an?
    Die Anwaltskosten betragen 30.000 EUR zzgl. MwSt. Gerichtskosten fallen nicht an. Bei einem Erfolg werden die Honorare erstattet.
  1. Wäre ein ausgewiesener Verfassungsjurist zur Klagevertretung bereit?
    Ja. Einer der führenden Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Deutschlands Prof. Dr. Christian Kirchberg hat sich dazu bereit erklärt. Er ist Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und …
  1. Verhindert das Organstreitverfahren die Rekommunalisierung der Veolia-Anteile?
    Wie oben dargestellt, ist die Rückabwicklung günstiger als der Rückkauf. Mit dem Organstreitverfahren erschweren wir den überteuerten Rückkauf der Veolia-Anteile im Schnellverfahren.
  1. Würde ein Rückkauf oder Teilrückkauf der Veolia-Anteile die Organklage entbehrlich machen?
    Nein, grundsätzliche Verfassungsklagen werden von den zuständigen Gerichten auch dann behandelt, wenn sich die Bedingungen zwischenzeitlich geändert haben. Das zeigt die Praxis der bundesdeutschen Verfassungsgerichte.
  1. Würden Änderungen des Konsortialvertrages das Organstreitverfahren überflüssig machen?
    Nein. Siehe Antwort Nr. 11.
  1. Steht die Organklage in Konkurrenz zu einer Normenkontrollklage?
    Nein. Die von den Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Piraten“ bereits eingereichte Normenkontrollklage zur fehlenden Normenbestimmtheit des § 16 Abs. 5 Satz 3 des BerlBetrG und eine weitere von der Fraktion „Die Linke“ angestrebte Normenkontrollklage zur fehlenden Umsetzung des Demokratiegebots gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG stehen nicht in Konkurrenz zur Organklage. Eine Normenkontrollklage wendet sich gegen verfassungswidrige Gesetze. Das Organstreitverfahren wendet sich direkt gegen die berühmt-berüchtigte „Gewinngarantie“ in § 23.7 der Teilprivatisierungsverträge. Der Berliner Wassertisch ist der Ansicht, dass alle Klagemöglichkeiten gegen das verfassungswidrige Vorgehen des Senats genutzt werden müssen!
  1. Könnten die Oppositionsfraktionen gemeinsam klagen?
    Ja. In ihren grundsätzlichen Positionen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe unterscheiden sich die Oppositionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus nicht (vgl. dazu die veröffentlichten Minderheitsstellungnahmen im Abschlussbericht des Sonderausschuss „Wasserverträge“). Alle Fraktionen unterstützen die preiswerte und bürgernahe Rekommunalisierung. Es wäre zu begrüßen, wenn alle betreffenden Fraktionen gemeinsam klagten und anteilig die Kosten übernehmen würden. Zwei der Oppositionsfraktionen haben 1999 bereits gegen die Teilprivatisierung vor dem Verfassungsgerichtshof Berlin mit einem Teilerfolg geklagt. An dieser Politik sollten die betreffenden Fraktionen festhalten.Die Berliner Bevölkerung, die 2011 ihre Meinung im Volksentscheid UNSER WASSER deutlich zum Ausdruck gebracht hat, würde es nicht verstehen, wenn diese Parteien und ihre Fraktionen nun aus formalen oder bürokratischen Gründen eine solche einmalige Chance platzen ließen – zumal sie den Klageweg weitgehend zustimmend zur Kenntnis genommen haben.Mit der Einleitung des Organstreitverfahrens würden die Oppositionsfraktionen hinsichtlich einer grundsätzlichen, öffentlichen Beurteilung von verfassungswidrigem, skandalösem Verhalten der Exekutive Geschichte schreiben und damit dem Erhalt unserer Demokratie dienen. Ein solches Urteil würde auch bundesweit Maßstäbe setzen.
  1. Rekommunalisierung, und was dann?
    Eine beispielgebende Rekommunalisierung wurde in Paris durchgeführt (ehemals Suez u. Veolia). Seit der Rekommunalisierung sind die Preise gesunken und die Wasserqualität ist gestiegen. Vorbildlich ist diese Rekommunalisierung außerdem, weil Einrichtungen für ein höheres Maß an Transparenz und Bürgerbeteiligung geschaffen wurden – wie es der Berliner Wassertisch auch für Berlin fordert (siehe beiligende Wassercharta).

Berliner Wassertisch (Plenum Muskauer Str.)

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