Einleitende Worte:
Die Organklage gegen die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe war ein voller Erfolg der Piratenpartei. Noch im Monat der Einreichung machte Veolia den Weg zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe frei. Aber noch aus einem zweiten Grund war die Klage sehr wichtig. Obwohl sie letztendlich mit einer unbefriedigenden Begründung wegen Verfristung abgewiesen wurde, bewies das Urteil dennoch, dass die Organklage vorher auf jeden Fall möglich gewesen war. Das Urteil offenbarte die große Repräsentanzlücke für Bürgerbeteiligung und Rekommunalisierung im Berliner Abgeordnetenhaus vor dem Einzug der Piratenpartei. Die Abgeordnetenhaus-Fraktionen von SPD, CDU, LINKE und GRÜNE, die vor dem Wasser-Volksentscheid nicht hatten wissen wollen, was in den Verträgen steht, wollten nach deren Offenlegung offensichtlich nicht dagegen klagen. Die Piratenpartei hat sich dagegen als einzige Partei erwiesen, die bereit war, die Interessen des Wasser-Volksentscheids und damit der Zivilgesellschaft gegenüber dem Filz aus Senat und Wasserkonzernen wahrzunehmen – auch wenn einzelne Piraten-Abgeordnete von Beginn an mit der Wasser-Klage gefremdelt haben.
Welchen Handlungsbedarf hat es für die Spendenvereinbarung gegeben?
Am 9. April 2013 beschloss die Piratenfraktion, dass bis zum 12. April 2013 Prof. Christian Kirchberg oder ein anderer Anwalt mit der Klage zu beauftragen sei. Die Piraten hatten in ihren Beschluss geschrieben, noch wegen des Rechtsanwaltshonorars verhandeln zu wollen, „da das derzeitige Angebot mit 30.000 € zzgl. Mwst. die finanziellen Möglichkeiten der Fraktion wohl übersteigen“ würde. Die Einhaltung des Termins war wichtig, um die Klageschrift noch rechtzeitig anfertigen zu können. Doch noch am 15. April hatte der Fraktionsgeschäftsführer und heutige Ex-Pirat Heiko Herberg weder Prof. Kirchberg noch einen anderen Anwalt beauftragt. Am 12. April hatte er sich für einen Tag krank gemeldet und die Frist tatenlos verstreichen lassen.
Der Piraten-Basis war die Bummelei nicht entgangen. Am 14. April wurde eine Liquid-Feedback-Abstimmung eingestellt, in der die Basis forderte, dass Prof. Kirchberg beauftragt werden solle, da sich ein anderer Anwalt in der knappen Zeit nicht mehr würde einarbeiten können. Die Abstimmung erhielt 100 Prozent Zustimmung. Ebenfalls am 14. April bot ein Wassertisch-Mitglied auf der Bezirksmailingliste Mitte der Piratenpartei an, Kosten, die sich die Fraktion nicht leisten könne, zu übernehmen.
Auf Anfrage des Wassertisches bot Prof. Kirchberg eine letzte Verlängerung bis zum 16. April an. Wassertisch-Sprecher Wolfgang Rebel sandte am 15. April eine Zuwendungserklärung an Heiko Herberg. Hierin wurde die Zuwendungs-Zusage für den Fall ausgesprochen, dass wegen der Kosten der Klage „die Aufrechterhaltung der Fraktionsarbeit“ sonst nicht gewährleistet wäre. Heiko Herberg übersandte jedoch kurze Zeit später stattdessen eine mit seinem Justitiar entworfene Erklärung zur „Übernahme von Prozesskosten“ in gleicher Höhe, die diese Bedingung nicht mehr enthielt und wich damit vom Angebot des Wassertisches ab. Diese Vorgehensweise war durch den Fraktionsbeschluss vom 9. April nicht abgedeckt. Zeit für eine Diskussion über den Text dieser Kostenübernahme-Erklärung gab es jedoch am Nachmittag des 15. April nicht mehr. Daher unterzeichneten Wolfgang Rebel (Pressesprecher Berliner Wassertisch) und Sigrun Franzen (Berliner Wassertisch) dieses Dokument am 15. April stellvertretend für den Berliner Wassertisch.
Nach der Spendenzusage des Wassertisches – obwohl diese im Fraktionsbeschluss nicht gefordert wurde – beauftragte Herberg schließlich den Anwalt – drei Tage später, als in der Fraktionssitzung beschlossen.
Es ist fraglich, ob Herberg ohne die Bemühungen des Wassertisches und der Piratenbasis einen Anwalt beauftragt hätte. Aus welchen Gründen Heiko Herberg die Beauftragung verschleppte, ist dem Berliner Wassertisch nicht bekannt – es ist jedoch offensichtlich, dass die Klage von Beginn an mit ,angezogener Handbremse‘ gefahren wurde.
Zum Spendenangebot:
Die LINKE wollte sich ebenfalls beteiligen, wie Klaus Lederer zugesagt hatte. Da Heiko Herberg nicht die Fraktionssitzung der LINKEN am 16.04. abwarten wollte, sondern noch am 15. April. entgegen der bis dahin gezeigten Bummelei mit seiner Pressemitteilung vorgeprescht war, sprang die LINKE ab. Damit entfiel eine Summe von ca. 12.000 EUR, die einen Teil des Betrages darstellen, die jetzt eingeklagt wird.
Wie sollten die Kosten für die Klage finanziert werden?
Die Abgeordnetenhaus-Fraktionen erhalten Steuergelder auch für solche Zwecke. Von diesen Finanzmitteln hätten die drei Oppositions-Fraktionen die Organklage bezahlen können. Die LINKE hatte auf dieser Basis schon am 09.04. einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Nach dem Ausscheren der GRÜNEN bot der Wassertisch den Piraten für den Fall an, dass sie sich die Klage nicht leisten könnten, eine Spendensammlung durchzuführen. Doch zeigte sich, dass von einem Geldmangel keine Rede sein konnte: Die Piratenfraktion nahm am Jahresende einen Übertrag von knapp einer halben Million Euro (460.000) an Steuergeldern mit ins nächste Jahr. Auch in den nachfolgenden Jahren wurden jeweils mehrere hunderttausend Euro ins Folgejahr übertragen.
Dem Wassertisch wurde entsprechend nie mitgeteilt, dass ein Finanzierungsbedarf bestehen würde. Da es keinen Beschluss der Piratenfraktion gab, ob sie das Geld annehmen würden, hat es auch nie eine Spendensammlung gegeben. Der Berliner Wassertisch hätte für solch eine Spendensammlung einen klaren Spendenzweck angeben müssen.
Die weitere Entwicklung der Klage ließ eine Geldanforderung von der Piratenfraktion an den Wassertisch ohnehin obsolet erscheinen. Nachdem die Klage schon mit ,angezogener Handbremse‘ gestartet wurde, wurden der Klage weitere Steine in den Weg gelegt. Im November 2013 wurde der Kontakt zwischen Wassertisch und Prof. Kirchberg ohne Angabe von plausiblen Gründen untersagt. Es gebe die Befürchtung, der Wassertisch wolle als „Nebenkläger“ auftreten. Im Februar 2014 schrieb Ex-Pirat Martin Delius in einem Blogbeitrag, dass die juristische Aufarbeitung der BWB-Teilprivatisierung „rückwärtsgewandt“ sei. Am 6. Mai 2014 wurde der Fraktion vorgeschlagen, die Klage langsam oder sofort zu beerdigen – ebenfalls ohne den Wassertisch zu konsultieren. Die Fraktion hatte durch den ,kalten‘ Klageabbruch die gemeinsame Zielvereinbarung gebrochen. Das Spendenangebot war, wie aus den Fraktionssitzungen ersichtlich, klar an die Durchführung und nicht an die ,Beerdigung‘ der Klage gebunden. Der damalige Fraktionsvorsitzende Alexander Spies gab zu verstehen, dass die Spende nicht mehr angefordert werden würde.
Vorbereitungskosten:
Die Vorbereitungskosten hatte der Wassertisch ohnehin allein finanziert. Zur Vorbereitung der Organklage gehörte die Erstellung einer Klageskizze durch Prof. Christian Kirchberg. Die Beauftragung erfolgte durch den Berliner Wassertisch. Die Erstellung der Klageskizze durch Prof. Kirchberg kostete: 6.806,80 EUR. Dafür gab es im Mai 2013 einen Spendenaufruf bei Betterplace. Zusammen kamen: 6.806,00 EUR, wovon ein hoher Anteil von Wassertisch-Mitgliedern stammte. Zur Vorbereitung der Organklage gehörte eine Veranstaltung des Wassertisches (Vortrag und Podiumsdiskussion) in der Urania, die den Berliner Wassertisch inkl. Reise- und Hotelkosten rund 2.000 EUR gekostet hat. Eine Beteiligung an diesen Kosten ist von den Fraktionen nie thematisiert worden.
Wer hat konkret persönlich diese Absprachen und Verhandlungen von beiden Seiten geführt?
Beteiligt an den Absprachen bzgl. der Spendenzusage waren:
Für die Piratenfraktion: Heiko Herberg (parlamentarischer Geschäftsführer der Piratenfraktion) und Dr. B. (Justiziar der Piratenfraktion)
Für den Berliner Wassertisch: Wolfgang Rebel (Pressesprecher) und Sigrun Franzen (Mitglied von Berliner Wassertisch und Piratenpartei)
Die Gespräche wurden auf Wassertisch-Seite in Abstimmung mit den anderen Wassertisch-Mitgliedern geführt. Die Spendenzusage unterschrieben schließlich Wolfgang Rebel und Sigrun Franzen, da der Berliner Wassertisch als Bürgerinitiative keine eigenständige juristische Person ist.
Die Spendenzusage:
Das Angebot wurde am 15. April in Form einer Spendenzusage schriftlich fixiert. Doch waren sich die Piraten in der Fraktionssitzung vom 23. April 2013 immer noch nicht im Klaren, ob sie überhaupt eine Spende annehmen wollten. In der gleichen Sitzung stellte Heiko Herberg im Diskussionsverlauf entsprechend klar, dass die Spendenzusage keinen Zwang bedeute, die Spende einzufordern: „Also niemand kann uns Geld spenden, wenn wir das nicht wollen, man kann immer sagen: gut, zurück und tschüss.“ Heiko Herberg kündigte in der Sitzung zudem an, dass die Summe im Bedarfsfall mit dem Wassertisch abgesprochen werden würde.
Der Jahresübertrag von fast einer halben Million Euro zeigte schließlich deutlich, dass die Fraktion sich die Klage sehr wohl leisten konnte. Als die Fraktion zudem am 6. Mai 2014 ohne Rücksprache mit dem Wassertisch deutlich machte, die Klage langsam ,beerdigen‘ zu wollen, war auch die Legitimation für die Spendenforderung nicht mehr gegeben.
Wahl des Rechtsanwalts. a) Hat man sich auf einen Rechtsanwalt beschränkt? b) War er nicht verhandelbar?
a) Es wäre jeder Fraktion und jedem Abgeordneten möglich gewesen, einen Anwalt zu beauftragen, um eine Organklage vorzubereiten und einzureichen. Der Wassertisch war jedoch der einzige, der sich überhaupt um einen erstklassigen Juristen bemüht und diesen den Oppositionsparteien vorgestellt hatte. Der Berliner Wassertisch war ansonsten selbstverständlich nicht in der Position, die Wahl des Anwalts oder des Honorars zu bestimmen.
b) Der Auftrag der Fraktion an Heiko Herberg lautete, zu prüfen, ob es nicht auch einen preiswerteren Anwalt gäbe. Ob eine Suche nach einem anderen Anwalt stattgefunden hat, kann der Wassertisch nicht sagen.
Die Rechtsanwaltswahl:
Schon 2012 hat Prof. Dr. Keßler, Vorsitzender der Berliner Verbraucherzentrale und ein erfahrener Verfassungs- und Wirtschaftsjurist, im AGH-Wasser-Sonderausschuss darauf hingewiesen, dass eine Organklage das „naheliegendste“ sei. Dies wäre direkt nach Offenlegung der Wasserverträge, Beschlüsse und Nebenabreden (2011) geboten gewesen, insbesondere, da mit dem von der Verbraucherzentrale vorgestellten juristischen Leitfaden des Arbeitskreis unabhängiger Juristen (AKJ) ein Weg aufgezeigt worden war. Für eine solche Organklage waren jedoch nur die Fraktionen des Abgeordnetenhauses berechtigt, die für solche Zwecke extra Gelder vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen.
Der Grund, warum man bei Prof. Dr. Kirchberg geblieben ist, liegt darin, dass er ein hervorragender Jurist ist und mit der Angelegenheit bestens vertraut war. Da die Gegenseite sich von den teuersten Kanzleien vertreten lässt (in diesem Fall Luther), war die Wahl eines erfahrenen und renommierten Juristen geboten. Prof. Kirchberg war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses und des Menschenrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sowie Präsident des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg. Er wurde dem Berliner Wassertisch von dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Prof. Siegfried Broß als Verfassungsrechtsexperte empfohlen. Im Auftrag des Berliner Wassertischs fertigte Prof. Kirchberg eine Klageskizze auf Basis des bereits vorliegenden juristischen Leitfadens des AKJ an. Die Klageskizze wurde am 21. März 2013 von RA Prof. Kirchberg im Berliner Abgeordnetenhaus in Anwesenheit von Bundesverfassungsrichter a.D. Siegfried Broß allen Oppositionsparteien vorgestellt. Anwesend waren Vertreter folgender Fraktionen: für die LINKSFRAKTION: Dr. Klaus Lederer und Malte Krückels, für die Fraktion der GRÜNEN Canan Bayram und Heidi Kosche sowie als Justitiar Günter K., für die PIRATENFRAKTION: Gerwald Claus-Brunner (Der Justiziar der Piratenfraktion Dr. B. fehlte). Hier teilte Prof. Kirchberg auch seine Honorarkosten mit.
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