In der 10. Sitzung des Sonderausschusses Wasserverträge am 24. August 2012 fand eine Anhörung von Prof. Andreas Musil (Universität Potsdam, Lehrstuhl für Öffentliches Recht) statt. Grundlage war ein Fragenkatalog der SPD- und der CDU-Fraktion
- Zum Abschluss welcher Art von Verträgen ermächtigt die Bewilligung eines Haushaltes
die Exekutive? - Unter welchen Umständen verletzt es den Haushaltsgesetzgeber in seiner alleinigen Entscheidungskompetenz und Feststellungskompetenz, wenn eine Regierung einen Vertrag über eine zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltes nicht vorgesehenen Angelegenheit abschließt,
a) durch den sich die Regierung zur Zahlung von Geldbeträgen verpflichtet bzw.
b) durch den sich die Regierung zum Verkauf von Landeseigentum verpflichtet? - Könnte ein solcher Vertragsschluss unter Umständen auch gegen das
Demokratieprinzip verstoßen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? - Stellt aus Ihrer Sicht der Abschluss des Konsortialvertrages der Berliner
Wasserbetriebe einen Eingriff in das parlamentarische Budgetrecht dar? Wenn ja,
welchen Effekt hätte dies ggf. auf die Wirksamkeit der einzelnen Vertragsbestandteile? - Wie schätzen Sie die Risiken einer rechtlichen Klärung dieser Fragestellung ein und
wie viel Zeit würde ein solcher Rechtsstreit ggf. beanspruchen?
Die Antwort auf die obigen Fragen folgen hier: Sie sind dem Wortprotokoll der betreffenden Sonderausschuss-Sitzung entnommen. (Im Wortprotokoll sind darüberhinaus weitere Fragen der Abgeordneten an Prof. Musil und dessen Antworten enthalten)
Prof. Andreas Musil (Universität Potsdam, Lehrstuhl für Öffentliches Recht):
Vielen herzlichen Dank! Sie haben seitens der SPD- und der CDU-Fraktion einen Fragenkatalog mit fünf Fragen vorgelegt, die ich gern kurz beantworten möchte, allerdings nicht sehr ausführlich, weil ich der Meinung bin, dass Sie mir die Sie interessierenden Fragen konkret stellen können und ich dann konkreter auf diese Dinge eingehen kann.
Es wurde zunächst gefragt, zum Abschluss welcher Art von Verträgen die Bewilligung eines Haushalts die Exekutive ermächtige. Das ist eine sehr allgemein gehaltene Frage. Dazu muss man sagen, dass der Haushaltsplan die Grundlage jeglicher Ausgabenentscheidung der Exekutive ist. Das heißt, außerhalb des Haushaltsplans dürfen grundsätzlich überhaupt keine Verträge geschlossen werden. Verträge, egal welcher Art, müssen sich immer nach dem Gegenstand und Höhe im Rahmen des Haushaltsplans halten. Das ist der eherne Grundsatz des parlamentarischen Budgetrechtes. Das Parlament soll für ein Haushaltsjahr immer den Daumen darauf haben, was finanziell passiert. Davon gibt es natürlich Ausnahmen, die intensiv genutzt werden. Man kann auf unvorhergesehene Bedarfe seitens der Exekutive reagieren. Man kann außer- und überplanmäßige Ausgaben haben, die in einem verfassungsmäßig vorgesehenen Verfahren beschlossen werden können. Hier hat der Finanzsenator eine herausgehobene Stellung. Man kann auch Nachtragshaushalte ins Parlament einbringen und in diesem Rahmen neue Verträge schließen. Sofern Verträge über ein Haushaltsjahr hinausgehen, muss im Haushaltsplan dazu eine Verpflichtungsermächtigung erteilt werden, um diese Ausgaben zu legitimieren, die auf mehrere Jahre hinausgehen. Gerade bei Personal ist klar, dass das über mehrere Jahre geht. Darüber gibt es extra Vorschriften, und da ist klar, dass Stellenpläne besonders wichtig sind. – So weit die grundlegende Theorie.
Es gab allerdings in den letzten Jahren auch Ansätze, wonach das alles gelockert wird und man bestimmten Einrichtungen Globalbudgets gibt oder dass man Übertragungen in nächste Haushaltsjahre zulässt usw. Das sind die Grundlagen. Grundsätzlich lautet die Antwort: Alle Verträge müssen sich im Rahmen des Haushaltsplans halten, aber es gibt eine ganze Reihe von Ausnahmemöglichkeiten, die ich kurz zu skizzieren versucht habe.
Die zweite Frage lautet: Unter welchen Umständen verletzt es den Haushaltsgesetzgeber in seiner alleinigen Entscheidungskompetenz und Feststellungskompetenz, wenn eine Regierung über einen Vertrag über eine zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts nicht vorgesehene Angelegenheit abschließt, a) durch den sich die Regierung zur Zahlung von Geldbeträgen verpflichtet, und b) durch den sich die Regierung zum Verkauf von Landeseigentum verpflichtet? – Die Frage ist durchaus sinnvoll gestellt, weil es ganz unterschiedliche Antworten darauf gibt. Ausgaben sind immer viel prekärer als Einnahmen. Das heißt, für Ausgaben muss man als Exekutive wirklich eine Ermächtigung haben, und man kann nicht einfach irgendetwas ausgeben, was nicht im Haushaltsplan festgeschrieben ist. Deswegen habe ich schon gesagt: Es gibt verfassungsrechtlich vorgegebene Notkompetenzen oder auch nachträglich Kompetenzen, die die Exekutive hat, um zusätzliche Ausgaben zu machen, insbesondere Nothaushalte, wenn der Haushaltsplan noch nicht steht, oder über- und außerplanmäßige Ausgaben und die Befugnis, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Da muss das Parlament aber zustimmen. Das heißt, auch in Berlin hat das Parlament bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben eine starke Stellung. Wenn es um zusätzliche Ausgaben geht, hat das Parlament eine sehr starke Stellung.
Bei zusätzlichen Einnahmen ist die Situation ein bisschen anders. Man weiß am Anfang des Jahres noch nicht so genau, was überhaupt reinkommt, weil das Steueraufkommen unklar ist und auch sonstige Ertragsmöglichkeiten unklar sind, und es wäre ziemlich sinnlos, wenn man sagen würde: Die Exekutive hat nur die Befugnis, im vorgesehenen Rahmen Einnahmen zu erzielen. Das wäre absurd. Man freut sich ja über zusätzliche Einnahmen. Insofern ist das verfassungsrechtlich nicht ganz so prekär. Gleichwohl kann es auch da zu schwierigen Situationen kommen, wenn Veräußerungen von Landesvermögen im Raum stehen. Die sind unter Umständen auch sehr bedeutsam, und deswegen gibt es in der Landeshaushaltsordnung dazu klare Vorgaben, ab welchem Umfang und ab welcher Bedeutung das Abgeordnetenhaus haushaltswirksamen Einnahmeentscheidungen zustimmen muss. Zum Beispiel bei Grundstücksverkäufen ab einer bestimmten Größenordnung muss das Abgeordnetenhaus zustimmen. Bei bestimmten Anteilsveräußerungen, wenn Berlin dadurch Einfluss auf bestimmte Gebilde, bestimmte Firmen usw. verliert, dann muss das Abgeordnetenhaus zustimmen. Das können Sie im Einzelnen alles in der Landeshaushaltsordnung nachlesen. Das kommt wieder sehr dem Budgetrecht des Parlaments entgegen und dem Demokratieprinzip, dass man auch hier nicht völlig frei agieren kann. Allerdings gibt es keine absolute Verbotsnorm, die das Veräußern von sogenanntem Tafelsilber oder so etwas verbieten würde. Das gibt es nicht. Man könnte höchstens aus allgemeinen Verfassungsnormen ableiten, wenn die Funktionsfähigkeit von zwingenden staatlichen Aufgaben durch Veräußerung von Vermögen nicht mehr gewährleistet wäre, dass da eine Grenze wäre, also aus dieser Funktionsargumentation heraus. Das ist aber relativ schwer zu begründen.
Dann bin ich bei Frage 3, die lautet: Könnte ein solcher Vertragsabschluss unter Umständen auch gegen das Demokratieprinzip verstoßen, wenn ja, unter welchen Bedingungen? – Die Frage ist ganz klar mit Ja zu beantworten. Natürlich verstößt ein Vertrag, der über den Haushaltsansatz hinausgeht, gegen das parlamentarische Budgetrecht und hat damit auch verfassungsrechtliche Folgen, die man auch verfassungsrechtlich geltend machen kann. Damit ist auch das übergeordnete Demokratieprinzip verletzt. Allerdings würde man als Jurist sagen, man nimmt immer eher das speziellere Prinzip, um das verfassungsrechtlich zu messen und nicht das allgemeinere. Das Demokratieprinzip ist das allgemeinste Staatsprinzip, das wir in dem Bereich haben, und das Budgetrecht ist eine Konkretisierung davon. Die Tatsache, dass das Parlament dieses Haushaltsbeschlussrecht hat, folgt unmittelbar aus dem Demokratieprinzip, weil das Parlament das Zentrum des demokratischen Prinzips ist. Das heißt, es liegt immer gleichzeitig ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip vor, wenn man gegen das Budgetrecht verstößt. Das hilft einem aber vor Gericht nicht weiter. Das sind keine zwei Verstöße, sondern einer, und zwar gegen das Budgetrecht, der gleichzeitig noch das übergeordnete Prinzip tangiert.
Die Frage ging meines Erachtens eher in die Richtung, ob es darüber hinaus auch noch selbstständige Verstöße gegen das Demokratieprinzip gibt, ohne dass das Haushaltsrecht beeinträchtigt ist. Das kann auch sein. Das hatten wir bei einigen Berliner Privatisierungsvorgängen in der Diskussion, also ob bestimmte Privatisierungsvorgänge ganz unabhängig von Haushaltsentscheidungen gegen das Demokratieprinzip verstoßen. Es geht insbesondere um die Frage der Mitwirkung des Parlaments bei unternehmerischen Entscheidungen. Wenn man zum Beispiel einen großen Teil der bisherigen Landesverwaltung privatisiert, dann ist klar, dass der Einfluss des Parlaments dann schwindet, also dass sich die Leute nach unternehmerischen und privatrechtlichen Entscheidungen und Kriterien verhalten und das Parlament weniger Einfluss hat. Hier kann man auch die Frage nach der demokratischen Legitimation solcher Staatstätigkeit stellen. Allerdings gibt es dazu weitreichende Rechtsprechung, insbesondere auch zu den Wasserbetrieben. Das war ja von ca. 10, 15 Jahren Gegenstand beim Landesverfassungsgerichtshof. Da wurde dann differenzierend geantwortet. Es wurde sozusagen gesagt: Solange die rein hoheitlichen Entscheidungen weiterhin vom Staat getroffen werden können – in diesem Holdingmodell, das meines Wissens immer noch existiert –, dann ist das unter Demokratieaspekten in Ordnung, dann ist auch nicht zu beanstanden, dass in der Holdingkonstruktion die unternehmerischen Entscheidungen quasi von den Privaten dominiert werden. Das ist die Krux bei diesem Holdingmodell, dass einerseits die Anstalt existiert, die hoheitlich tätig ist, und andererseits die Holding, in der die Privaten die Mehrheit haben und dort auch die unternehmerischen Entscheidungen treffen können. Das ist also eine Hybridkonstruktion, die meines Erachtens sehr unschön ist, das kann ich ganz deutlich sagen, aber die juristisch funktioniert. Das ist meines Erachtens gerade noch in Ordnung. Es ist eine schlaue Konstruktion, aber wenn ich als politisch denkender Mensch gefragt würde, fände ich sie nicht gut. Aber dazu werde ich ja hier nicht befragt.
Das ist das Problem: Hat man genug Entscheidungseinfluss als Parlament auf die wirklich hoheitlichen Entscheidungen? – Das ist in diesem Fall dadurch gewährleistet, dass die Anstalt diese hoheitlichen Aufgaben bündelt, und darauf hat der Staat weiter Einflussmöglichkeiten und das Parlament eben auch. Das ist die Frage, die ich vielleicht übergeordneter sehe, und so verstehe ich die Frage. Das hat nur indirekt etwas mit Budgetrecht zu tun.
Die vierte Frage ist die konkreteste, und die fünfte auch, mit Blick auf die Problematik heute: Stellt aus Ihrer Sicht der Abschluss des Konsortialvertrags der Berliner Wasserbetriebe einen Eingriff in das parlamentarische Budgetrecht dar, wenn ja, welchen Effekt hätte dies gegebenenfalls auf die Wirksamkeit der einzelnen Vertragsbestandteile? – Das ist die spannendste Frage. Die muss ich als Jurist differenzierend beantworten, das ist nicht so einfach. Es liegen mir auch die beiden Gutachten vor, einerseits der unabhängigen Juristen, andererseits der Parlamentsverwaltung. Ich habe sie mir genau angeschaut und stimme teilweise dem einen und teilweise dem anderen Gutachten zu. Das ist bei Juristen ganz typisch. Man kann jetzt dafür keine einfache Lösung finden.
Die Ausgangsfrage ist, ob dieser Konsortialvertrag gegen Artikel 87 der Verfassung von Berlin verstößt, und das wird von den unabhängigen Juristen bejaht und von der Abgeordnetenhausverwaltung verneint. Ich würde mich da den unabhängigen Juristen anschließen und sagen: Es liegt in der Tat ein Verfassungsverstoß vor, weil wir hier eine Absprache haben, die tatsächlich das Budgetrecht des Parlaments berührt, und es lag – soweit ich informiert bin – vorher keine parlamentarische Befassung damit vor. Wenn das schon so war, würde mir das fehlen. Falls es keine parlamentarische Befassung vor dem Vertragsschluss gab, wäre das ein verfassungsmäßig sehr problematischer Punkt, weil in Artikel 87 steht, dass man Sicherheiten nur leisten darf, wenn das vom Parlament abgesegnet worden ist. Jetzt ist die Frage, die zwischen den beiden Gutachten umstritten ist, ob sich das hier um einen Haupt- oder Nebenzweck des Vertrags handelt, weil man nur dann, wenn es sich um einen Hauptzweck des Vertrags handelt, in diesen Verfassungsartikel reinkommt.
Die entscheidende Frage ist: Ist der Vertrag oder dieser in Rede stehende Paragraf des Vertrags einer der Hauptzwecke des Vertrags oder nur Nebengeplänkel? – Es ist ungefähr so: wenn Sie ein Auto kaufen. Da ist Hauptpflicht Auto bekommen und Geld zahlen, aber Nebenpflicht ist zum Beispiel, dass da keine Mängel vorliegen usw. Das muss dann auch abgewickelt werden. Jetzt wird vom Abgeordnetenhausgutachten gesagt: Diese Abrede, wonach für die privaten Partner Gewinn garantiert wird, sei nur eine Nebenabrede –, und die anderen sagen, das sei eine Hauptabrede. Ich bin nicht so in die ganzen Prozesse involviert, aber als auswärtiger Betrachter würde ich sagen, dass der Vertrag hauptsächlich zu dem Zweck geschlossen wurde, um auch die Gewinne zu garantieren. Wenn das der Fall ist, müsste man von der Hauptpflicht ausgehen. Das ist zumindest für mich als Außenstehenden so evident. Wenn ich Informationsdefizite in dem Bereich habe, dann sagen Sie es mir, dann würde ich das eventuell noch modifizieren. Aber so wie es sich mir jetzt darstellt, würde ich das so sagen. Deswegen wäre es zustimmungspflichtig gewesen, solche Abreden, die Wirkung für die Zukunft haben, auch mit dem Abgeordnetenhaus zu besprechen.
Die entscheidende Frage ist aber: Wie wirkt sich das auf den Vertrag aus? – Wir haben jetzt ein verfassungswidriges Handeln der Exekutive – zumindest, wie ich es sehe – gegenüber dem Parlament. Das ist nicht schön, aber das passiert häufig. Dementsprechend ist die Frage: Wie wirkt sich das auf Dritte aus? – Denn die Außenstehenden, gerade die privaten Investoren, haben mit diesem internen Organverhältnis erst mal nichts zu tun. Die werden auch Verträge schließen und denken, der Vertragspartner wird schon wissen, was er tut. Er wird im Grunde schon geprüft haben, ob er das darf oder nicht. Von daher sind die Interessenlagen sehr unterschiedlich, und dementsprechend ist die Frage: Wirkt sich ein eigenmächtiges – sage ich jetzt mal in Anführungsstrichen – Handeln der Exekutive auch auf die Außenbeziehungen außerhalb der staatlichen Organbeziehungen aus? – Dazu gibt es eine widersprüchliche Meinungslage in der Literatur und auch in der Rechtsprechung. Die herrschende Meinung, wie man bei uns Juristen immer sagt, also die Mehrheit der Leute, sagt: Das wirkt sich nicht aus. Egal, ob so ein Vertrag verfassungswidrig ist oder nicht, das wirkt sich auf die Gültigkeit des zivilrechtlichen Vertrags mit anderen – es könnte auch ein öffentlichrechtlicher Vertrag sein, das ist bei dieser Frage egal – nicht aus. Allerdings gibt es mittlerweile beachtliche Gegenstimmen in der Literatur. Das wurde im Parlamentsgutachten auch hervorgehoben. Es gibt einen Aufsatz von 2012, wo ausgeführt wurde, die Vertretungsmacht fehle für einen Außenvertragsschluss, wenn das Parlament keine Ermächtigung erteilt habe. Man könne dann als Senator oder als Senatsverwaltung Berlin nicht wirksam vertreten, wenn das nicht innerhalb des Haushaltsrechts wäre. Das ist ein Ansatz, um diese Verfassungswidrigkeit in die Vertragswirksamkeit hineinzubekommen. Ich habe anlässlich dieser Anhörung mit einigen Kollegen länger darüber diskutiert, was davon zu halten ist. Die waren alle skeptisch und haben gemeint, das wäre eine Frage, die man wirklich mal gerichtlich klären müsste. Das Interessante ist nämlich: Es gibt dazu keine aktuelle verfassungsgerichtliche Rechtsprechung. Es gibt keine wirkliche gerichtliche Auseinandersetzung dazu. Es gibt nur ein BGH-Urteil von 1967, das ich mal herausgesucht habe, das in diese Richtung geht und tatsächlich gesagt hat: Hier wirkt sich so ein haushaltsrechtliches Verbot auch auf den zivilrechtlichen Vertrag aus. Das ist aber ein Einzelfall geblieben. Die Verfassungsgerichte der Länder und auch das Bundesverfassungsgericht haben sich dazu nie geäußert, sondern man hat immer nur gesagt: Haushaltsrechtliche Beziehungen betreffen immer nur den Organkreis zwischen Exekutive und Legislative. Dementsprechend hat man sich – das weiterdenkend – auch dagegengestellt zu sagen, die zivilrechtlichen Verträge seien nichtig. Die neuen Ansätze versuchen das über die Vertretungsmacht eben doch anders zu sehen. Man kann es auch über § 134 machen. Das ist auch der Ansatz dieses unabhängigen Gutachtens. Man kann sagen, das sei ein Verbotsgesetz. Wenn der Haushalt missachtet werde, dann sei das ein gesetzliches Verbot, das auch den Vertrag nichtig mache. Mit dem § 134 ist das so eine Sache. Der klingt sehr eindeutig, ist es aber im Kern nicht. Der ist relativ schwer zu handhaben, denn das Verbotsgesetz muss sich letztlich gegen den konkreten Vertrag als solchen und seinen Inhalt richten. Das ist beim Haushaltsrecht deshalb problematisch, weil der Dritte überhaupt keinen Einblick hatte oder haben musste, wie das zwischen Exekutive und Legislative ist. Also wir haben hier einen Vertrag mit einem Dritten, und dementsprechend ist das nicht so einfach zu konstruieren. Die Frage, ob so eine Verfassungswidrigkeit einem zumindest konstruktiv unabhängigen Dritten auf die Füße fallen soll, ist problematisch. Ich würde hier große Zweifel anmelden, ob man, wenn man vor Gericht ginge, mit dieser Frage gewinnen würde. Ich kann aber nicht ausschließen, dass es ein Erfolg würde. Ich kann es im Moment wirklich nicht eindeutig sagen. Ich würde sagen, diese Klausel ist verfassungswidrig, aber ob sich das auf die Wirksamkeit dieses Konsortialvertrags auswirkt, ist offen. Die herrschende Meinung würde sich dagegen aussprechen. Das ist mein Fazit. Ich wage dazu keine Prognose, wie das vor Gericht ausgeht, weil das gerade bei Verfassungsgerichten häufig auch vom politischen Umfeld usw. abhängt. Das ist ja kein Geheimnis. Man kann Jura von politischen Einflüssen nicht trennen. Das ist so.
Die fünfte Frage: Wie schätzen Sie die Risiken einer rechtlichen Klärung dieser Fragestellung ein, und wie viel Zeit wird ein solcher Rechtsstreit beanspruchen? – Was haben Sie für ein Risiko, zum Verfassungsgericht zu gehen? – Gar keines. Wenn Sie beim Berliner Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit feststellen lassen, ist das überhaupt kein Risiko. Das würde wahrscheinlich sogar, so wie ich das sehe, bejaht werden.
Die zweite Frage ist, was in dem Gutachten angesprochen ist: Würde man es schaffen, im Wege eines Organstreits die Landesregierung dazu bringen können, die Verträge anzugreifen? – Das ist meines Erachtens nicht denkbar, weil Parlament und Regierung ihre eigenen Kompetenzen haben. Die Regierung hat natürlich die Kompetenz, nach außen tätig zu werden als vertretungsberechtigte Institution des Landes.
Das Parlament kann die Regierung in vielfacher Weise einengen und zwingen, politisch und auch durch Gesetzgebung, aber im Organstreitverfahren kann man nicht ein originär der Regierung zustehendes Handeln dieser als Parlament aufgeben, also man kann sie nicht zu Vertragsschlüssen oder so etwas zwingen. Man kann ihr natürlich Gesetze vorgeben. Man kann Gesetze machen, die die Exekutive binden, aber in einem Gerichtsverfahren, im Organstreit, ein bestimmtes Verhalten der Regierung zu erstreben, ist dem Organstreit fremd. Das heißt, man kann zwar sagen, das sei verfassungswidrig, aber daraus folgt noch lange nicht, dass die Regierung bestimmte Handlungspflichten in irgendeine Richtung hat. Insofern kommt man nicht weiter, wenn man das in diesem Bereich macht.
Was man sicher erreichen kann, ist eine Äußerung des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit der Verträge. Allerdings hilft das erst mal nicht weiter. Zunächst wäre das dann so.
Dann zur Frage: Was ist denn mit der Vertragserfüllung? Muss ich die Verträge trotzdem erfüllen oder nicht? – Es ist erst mal politisch zu beurteilen, wie viel Druck man durch so eine Feststellung, dass das verfassungswidrig ist, aufbauen kann. Das ist schon ein starker Tobak. Die Frage ist: Es müsste vor dem zuständigen einfachen Gericht gefragt werden – wo jetzt noch gestritten wird, welches das ist, das ordentliche Gericht oder das Verwaltungsgericht, was meines Erachtens in der Frage aber egal ist; eines von beiden ist es, und meines Erachtens ist es das Zivilgericht, aber das ist für das Ergebnis nicht entscheidend –, ob man die Nichtigkeit geltend machen kann. Für mich als Juristen würde eher naheliegen, dass man dem Vertragspartner einfach sagt: Ich erfülle nicht –, und der muss klagen. Das wäre eigentlich die näherliegende Situation. Im Grund will ja die andere Seite Geld und nicht das Land. Wenn man unter zwei Privaten wäre, würde man das Risiko eingehen und sagen: Ich bin der Meinung, ich muss nicht erfüllen, also zahle ich nicht –, und dann müssen die klagen. Das wäre die eigentliche Situation, aber ich weiß, das ist die öffentliche Hand, und da hat man gern Klarheit, also kann man eine Feststellungsklage erheben und sagen: Wir haben hier einen nichtigen Vertrag. – Aber ich habe schon gesagt, dass man da auf unsicherem Terrain ist, dies bestätigt zu bekommen. In dem Vertrag gibt es noch eine Schiedsklausel, die auch noch überwunden werden muss. Also vor dem Zivilgericht halte ich die Erfolgsaussichten für problematisch. Das Verfassungsgericht wird Ihnen auch den Vertrag nicht überprüfen, das ist mir klar. Das Verfassungsgericht wird prüfen, ob das Handeln der Landesregierung, indem es diesen Vertrag eingegangen ist, verfassungswidrig war, und da zu einem Ergebnis kommen, aber es wird nicht prüfen, ob der zivilrechtliche Vertrag nichtig ist, weil das nicht die Aufgabe ist. Dazu wird nichts gesagt werden. Das heißt, diese Frage wird in einem anderen Verfahren geklärt werden müssen. Risiken bestehen insofern, als dass das politische Risiken sind, aber nicht juristische. Das kann auch dauern. Bei so einem verfassungsgerichtlichen Verfahren kommt es darauf an, wie prioritär es eingeschätzt wird. Ich denke, das wird als prioritär eingeschätzt, weshalb es auch schnell gehen kann, und beim Zivilgericht genauso. Insofern würde es zeitlich relativ schnell gehen, glaube ich.
Im Hinterkopf ist auch immer, ob der Vertragspartner, falls man wirklich zu einer Nichtigkeit des Vertrages käme, Schadenersatz oder so etwas verlangen könnte. Das ist auch immer die Frage. Man hat ja nichts davon, wenn der Vertrag nichtig ist und man den Vertrag nicht erfüllen muss, aber dann kommt über die Schadenersatzpflicht alles wieder zurück, und das Geld ist dasselbe. Das halte ich für relativ risikoarm, weil der Vertrag offensichtlich in Kenntnis der Risiken einvernehmlich geschlossen worden ist. Deshalb halte ich die Risiken für eher beherrschbar, wenn man Staatshaftung oder irgend so etwas ins Auge fasst.
Mein Fazit ist: Es liegt meines Erachtens ein verfassungswidriges Verhalten vor – wenn ich richtig informiert bin, das sage ich dazu –, aber es wirkt sich nicht auf die unmittelbare Vertragsbeziehung aus, sodass das eine politisch zu lösende Problematik ist.