Weltfrieden – nicht weniger wollte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) erreichen, als sie 1919 in den Nachwehen des Ersten Weltkrieges gegründet wurde. Die Grundidee: Eine friedliche Welt kann nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden.
Seit 1946 ist die ILO eine Organisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Das Besondere: Sie ist die einzige UN-Organisation, in der neben Repräsentanten der Mitgliedsstaaten auch Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sitzen.
Am Auftrag der ILO hat sich seit der Gründung nichts geändert: Sie will weltweit menschenwürdige Arbeitsbedingungen durchsetzen. Die Globalisierung soll sozial und fair verlaufen. Doch was bedeutet das konkret?
Um zu definieren, was gute Arbeits- und Lebensbedingungen ausmacht, hat die ILO über Jahrzehnte ein Regelwerk erarbeitet. Herzstück sind die sogenannten Kernarbeitsnormen. Sie definieren grundlegende Rechte, die allen Beschäftigten zustehen.
Die acht Kernarbeitsnormen der ILO:
1. Beseitigung der Zwangsarbeit
Bereits im Jahr 1930 verpflichteten sich die ILO-Staaten, Zwangsarbeit „möglichst bald zu beseitigen“. Gemeint sind Arbeiten, die „unter Androhung irgendeiner Strafe“ verlangt werden und die nicht freiwillig erfolgen. Ausgenommen sind: Militärdienst, von Gerichten verhängte Arbeitsstrafen und „übliche Bürgerpflichten“ (z.B. Kehrpflicht).
2. Vereinigungsfreiheit
Aus dem Jahr 1948 stammt das Recht für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Organisationen zu bilden – zum Beispiel Gewerkschaften.
3. Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen
Arbeitgeber dürfen Beschäftigte oder Bewerber nicht benachteiligen, weil sie Mitglieder einer Gewerkschaft sind. Scheingewerkschaften, die von Arbeitgebern abhängig sind, dürfen die Arbeit regulärer Gewerkschaften nicht behindern (beschlossen 1949).
4. Gleichheit des Entgelts
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Frauen und Männer sollen für „gleichwertige Arbeit“ auch in gleicher Höhe entlohnt werden. Die ILO-Staaten verpflichten sich, diesen Grundsatz „zu fördern und sicherzustellen“ (beschlossen 1951).
5. Abschaffung der Zwangsarbeit
Verschärfung des Übereinkommens von 1930. Die Staaten verpflichten sich, Zwangsarbeit „in keiner Form zu verwenden“ (1957).
6. Diskriminierungsverbot
Auf den Arbeitsmarkt darf es keine Diskriminierung geben – weder aufgrund der Hautfarbe noch aufgrund von Geschlecht, Glaube, politischer Meinung, Nationalität, sozialer Herkunft (1958).
7. Kinderarbeit
Kinderarbeit ist abzuschaffen. Jugendliche dürfen erst arbeiten, wenn ihre „volle körperliche und geistige Entwicklung gesichert ist“ – frühestens mit 14 Jahren (1973).
8. Verbot und Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
1999 befasste sich die ILO erneut mit Kinderarbeit: Die Staaten verpflichteten sich, „unverzügliche und wirksame Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vordringlich verboten und beseitigt werden.“
Die USA drücken sich
Die ILO-Kernarbeitsnormen bieten ein Grundgerüst für menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Das Problem: Manche ILO-Mitgliedsstaaten lassen sich mit der Ratifizierung der Abkommen viel Zeit. Deutschland hat das Übereinkommen 29 (Beseitigung der Zwangsarbeit) aus dem Jahr 1930 erst 1956 völkerrechtlich bindend verabschiedet.
Heute tun sich die USA negativ hervor: Sie haben sechs der acht Kernnormen nicht ratifiziert – obwohl die meisten schon vor Jahrzehnten beschlossen wurden. Darunter sind auch Konventionen, die elementare Arbeitnehmerrechte garantieren, wie etwa die Bildung von Gewerkschaften (Übereinkommen 87 und 98).
Für die IG Metall ist die Ratifizierung dieser Normen eine Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung der Handelsbeziehungen mit den USA.