Sehr geehrte Damen und Herren,
am 25.10.2012 beschloss das Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD den Rückkauf der RWE-Anteile für eine Kaufsumme von rund 658 Millionen. Am 7.11. 2013 folgte der Beschluss für den Rückkauf der Veolia-Anteile für 590 Millionen. Insgesamt wurden die BWB also für 1,25 Milliarden Euro rekommunalisiert – eine Summe, die unserer Ansicht nach wesentlich zu hoch war. Der Unternehmenswert der Berliner Wasserbetriebe berechnet sich nach ihrem Ertragswert, das heißt: Je mehr Gewinne die BWB machen, um so höher ist ihr Kaufpreis anzusetzen. Die Kaufsummen wurden jedoch festgelegt, bevor der Ausgang verschiedener Gerichtsverfahren abgewartet wurde, deren Urteile erhebliche Auswirkungen auf den Wert der Anteile von Veolia und RWE gehabt hätten.
Dies betrifft zunächst die Organklage der Piratenfraktion, die vom Wassertisch vorbereitet wurde. Nebenbei bemerkt, hat Veolia sein Verkaufsangebot in dem Monat gemacht, als die Klage bei Gericht einging. Diese Klage richtet sich gegen die skandalöse Gewinngarantie, mit der den Konzernen ein fester Gewinn, unabhängig von ihrer unternehmerischen Leistung, zugesichert wurde. Sollte der garantierte Gewinn nicht über die Wasserpreise finanziert werden können, hätte das Land Berlin Gelder letztlich aus seinem Haushalt beisteuern müssen. Diese Gewinngarantie war den Konzernen 1999 rund ein Drittel des damaligen Kaufpreises wert. Es ist leicht nachvollziehbar, dass ihr Wegfall ein Sinken des Kaufpreises um die gleiche Summe zur Folge haben müsste. Abgesehen von dem Wertverfall der privaten Anteile würde bei einer gerichtlich festgestellten Verfassungswidrigkeit eine Rückabwicklung der Teilprivatisierung in den Bereich der Möglichkeiten rücken, die womöglich sogar kostenneutral vollzogen werden könnte.
Das nächste relevante Verfahren ist die Klage der BWB gegen die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts. Diese erging bekanntlich, weil der Senat und die Konzerne jahrelang Missbrauch mit den Wasserpreisen betrieben haben. Die Privatisierung führte zu Erhöhungen um 35 Prozent, und das Bundeskartellamt kam zu dem Ergebnis, dass das jetzige Frischwasserpreisniveau um 20-30 Prozent zu hoch ist. Die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts beträgt für 2012 um 18% und für die Jahre 2013 bis 2015 um durchschnittlich 17%. Statt sich bei den Bürgern zu entschuldigen und die Preise zu senken, haben die Wasserbetriebe mit Billigung des Senats gegen die Rechtmäßigkeit der Kartellamtsverfügung geklagt. Die Kosten für dieses Verfahren dürfen die betrogenen Wasserkunden bezahlen. Durch wurde jedoch der Schein eines weiterhin hohen Unternehmenswertes aufrechterhalten, was nach unserer Meinung mit zu den überteuerten Rückkaufpreisen beigetragen hat.
Nächste Woche wird das Urteil vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf hierzu verkündet. Die Preissenkungsverfügung wird den Anteilswert der Privaten senken, weil die Gewinne entsprechend sinken werden. Das neue neoliberale sogenannte Optimierungsprogramm NEO zur Kostensenkung ist erlassen worden, um die Gewinnausfälle auf Kosten der Beschäftigten und der Unternehmenssubstanz zu kaschieren. Dies ist allerdings nicht dass, was sich der Berliner Wassertisch unter einer nachhaltigen Unternehmensführung und unter einer bürgernahen, kostengünstigen Rekommunalisierung vorgestellt hat.
Betrachtet man die Urteilsbegründung des Bundeskartellamtes bezüglich der missbräuchlich überhöhten Frischwasserpreise, so wird klar, dass einige der beanstandeten Mängel auch auf die Abwasserpreise zutreffen, die das Kartellamt wegen des hoheitlichen Charakters der Abwasserentsorgung nicht untersuchen konnte. Aufgabe der Politik in den Wasserbetrieben wäre es gewesen, nicht nur die Kartellamtsverfügung sofort zu akzeptieren und umzusetzen, sondern auch die Abwasserpreise – die immerhin 60% der Kosten – entsprechend anzupassen. Auch im Gebührenbereich dürfen keine Phantasiepreise genommen werden. Diese längst überfällige Anpassung wird den Unternehmenswert noch stärker nach unten drücken. Auch diese Ertragsminderung ist nicht in den Rückkaufpreis eingerechnet worden.
Weiter ist noch eine Normenkontrollklage vor dem Berliner Verfassungsgericht anhängig. Die Fraktionen von Bündnis 90/Grüne und den Piraten haben Ende 2012 eine Normenkontrollklage wegen der Unbestimmtheit der Formulierung des § 16 Abs. 5 im Berliner Betriebegesetz (BerlBG) vor dem Verfassungsgerichtshof Berlin eingereicht. Die Normenkontrollklage wurde eingereicht, weil den Konzernen zu hohe Gewinne wegen der unbestimmten Regelung der Ermittlung des Kalkulationszinsfußes im Berliner Betriebegesetz zugebilligt wurde. Die überhöhte Ermittlung des Zinsfußes hat übrigens das Bundeskartellamt gerade kritisiert. Auch hier hätte die Nichtigkeit der alten Bestimmung im Berliner Betriebegesetz und eine danach festzulegende strengere Fassung dieser Bestimmung den Anteilswert der Privaten erheblich verringert. Das Ergebnis dieser Normenkontrollklage hätte deshalb vor dem Rückkauf der Veolia-Anteile abgewartet werden müssen, um dann ggfs. einen geringeren Rückkaufpreis aushandeln zu können.
Der Vollständigkeit halber möchten wir an dieser Stelle auch noch einmal auf die EU-Beschwerde wegen Verstößen gegen das Vergabe- und Wettbewerbsrecht bei der Teilprivatisierung hinweisen, die die Verbraucherzentrale Berlin und Transparency International 2011 eingerichtet haben und die immer noch anhängig ist.
Nach welchen Kriterien die Preise letztendlich ermittelt wurden, wissen wir nicht genau. Hier können wir nur spekulieren. Es fällt jedoch auf, dass die Rückkaufpreise in ihrer Summe in etwa den jährlichen Gewinnen entsprechen, die nach der Planung der Privaten bis 2028 für sie zusammengekommen wären. Hier zeigt sich dass der Senat bei dem Rückkauf lediglich die Gewinninteressen der Privaten berücksichtigt haben. Es drängt sich deshalb der Vergleich mit der EnBW-Affäre auf, bei der es durch die enge Verbandelung zwischen Politik und Wirtschaft dazu gekommen ist, dass das Unternehmen ebenfalls zu einem zu hohen Preis zurückgekauft wurde. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass die von den Privaten seinerzeit eingesetzten Vorstandsmitglieder Bruckmann (RWE) und Simon (Veolia) weiterhin an der Unternehmensspitze stehen. Während die Wasserpreise – abgesehen von einer vorübergehenden Kartellamts-Delle – in den nächsten dreißig Jahren wegen der Finanzierungskosten für die Rückkäufe nicht sinken können, führen die beiden ehemals privaten Vorstände mit Rückendeckung des Senats ein neoliberales Optimierungsprogramm in den Wasserbetrieben auf Kosten der dort Beschäftigten durch. Angeblich – so der Vorstandsvorsitzende Simon in einem Interview – müssten nun auch die Wasserbetriebe ihren Beitrag zu den Rekommunalisierungskosten leisten.
Mit der von Professor Kirchberg entwickelten Organklage der Piratenfraktion haben wir die verfassungsrechtliche Aufarbeitung in die Wege geleitet, und mit dieser Anzeige möchten wir es gerne auf strafrechtlichem Gebiet tun. Die offensichtliche Missachtung demokratischer und rechtlicher Grundsätze muss Folgen haben. Bislang ist jeder der Meinung, dass die Teilprivatisierung misslungen war, aber niemand hat daraus Konsequenzen gezogen.
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Gemeinsame Pressemitteilung zur Strafanzeige gegen Finanzsenator Nußbaum