(Berlin, 4. Mai 2012) Der renommierte Juraprofessor und Vorsitzende der Verbraucherzentrale Prof. Dr. Jürgen Keßler hat die Abgeordneten auf der heutigen Sitzung des Wasserausschusses indirekt zur Organklage aufgefordert. Die Wasser-Privatisierungsverträge sind aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig.
Auf die Frage der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram im Sonderausschuss Wasserverträge, wie die verfassungswidrige „Gewinnausfallgarantie“ der ehemaligen Geheimverträge angegriffen werden könne, antwortete der Verbraucherschützer: „Am naheliegendsten ist eine Organklage.“ Einen Leitfaden zu einem solchen Organstreitverfahren der Abgeordneten gegen den Senat hat eine unabhängige Juristengruppe aus dem Umkreis des Wassertisches bereits vorformuliert. Interesse für eine Organklage wurde allerdings bislang nur aus der Piratenfraktion bekundet. Die Koalitionspartner SPD und CDU, die 1999 die Berliner Wasserbetriebe an RWE und Veolia verkauft hatten, äußerten sich dazu nicht. Wolfgang Rebel, Sprecher des Berliner Wassertischs: „Das Organstreitverfahren ist eine reale Möglichkeit, die obskuren Zustände bei den Wasserbetrieben zu beenden. Wir erwarten nach dieser profunden Rede von Professor Keßler, dass auch die anderen Fraktionen tätig werden.“
Die Privatisierungsverträge verstoßen laut Keßler jedoch nicht nur gegen die Verfassung, sondern vermutlich auch mehrfach gegen europäisches Wirtschaftsrecht. Die Verbraucherzentrale Berlin und Transparency International haben 2011 eine Beschwerde in Brüssel eingereicht, die derzeit von den EU-Behörden bearbeitet wird. Bei einer Teilnichtigkeitserklärung der Verträge nach Europarecht müssten die Konzerne Millionen unrechtmäßig erhaltener verdeckter Subventionen an den Berliner Haushalt zurückzahlen. Für die Berliner Bürger ist von besonderem Interesse, ob der Senat wenigstens in seiner Stellungnahme auf die EU-Beschwerde im Interesse der Bürger argumentiert hat. Leider wurde der Antrag der Oppositionsparteien auf Veröffentlichung dieser Stellungnahme und des zugehörigen juristischen Gutachtens von SPD und CDU vertagt.
SPD und CDU mauern weiter
Die Regierungsparteien verschleppen die Überprüfung der Wasserverträge weiter. Für die die letzte Sitzung am 30. März hatten sie den Vorstandsvorsitzenden der Berlinwasser Holding AG, den RWE-Mann Frank Bruckmann, eingeladen. Dieser machte aus seinem Auftritt eine PR-Show für die Wasserkonzerne. Zur Überprüfung der Wasserverträge konnte er dagegen – nach eigener Auskunft – nichts beitragen. Zur heutigen Sitzung luden die Koalitionsparteien Beamte der Senatsverwaltung für Justiz ein, um über Einwirkungsmöglichkeiten des Senats auf die BWB zu referieren. Doch auch hier konnten die Beamten nichts zum Thema beitragen, da – nach eigener Auskunft – Einwirkungsmöglichkeiten der Senatsverwaltung für Justiz praktisch nicht vorhanden seien.
Die Einladung von Personen, die offensichtlich nichts zum Ausschusszweck beitragen können, ist eine faktische Missachtung der Wähler, die mit 98% Mehrheit für die Offenlegung und Überprüfung der Wasserverträge gestimmt haben. Völlig deplaziert wirkte vor diesem Hintergrund die Rüge des Ausschussvorsitzenden Jupe (CDU), das Publikum möge es unterlassen, die ordnungsgemäße Arbeit des Ausschusses durch Beifalls- und Unmutsbekundungen zu behindern. Diesen Vorwurf wies die Grünen-Abgeordneten Heidi Kosche überzeugend zurück. Dazu Wolfgang Rebel: „Zuletzt war in der Presse mehrfach von einer Verrohung der Umgangsformen im Parlament die Rede. Aber damit waren vor allem Abgeordnete gemeint – der Wassertisch ist hier unbeteiligt. Statt von der Verschleppungstaktik in der Ausschussarbeit abzulenken, sollten die Regierungsparteien endlich zu einer sachlichen, effektiven Arbeitsweise finden. Dazu würde beispielsweise beitragen, wenn sie endlich die Mittel für die gesetzlich vorgeschriebenen Sachverständigen freigeben würden. Dass juristischer Sachverstand dringend benötigt wird, haben die genauen Ausführungen von Prof. Keßler heute sehr deutlich gemacht.“
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Berliner Wassertisch
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