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Welt-Anti-Chevron-Tag: Offener Brief an den Präsidenten von Ecuador

Offener Brief an den Präsidenten von Ecuador
Zum Fall Chevron-Texaco in Ecuador

21. Mai 2019

Sehr geehrter Herr Präsident Lenín Boltaire Moreno Garcés,

als Teil der Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von sozialen Organisationen, die sich für Menschenrechte und soziale, wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit einsetzen, wenden wir uns mit großer Sorge über die Situation im Fall Chevron-Texaco im ecuadorianischen Amazonasgebiet an Sie.

Dieser Fall ist ein klarer Beweis dafür, wie Strukturen funktionieren, die darauf abzielen, für transnationale Unternehmen Straffreiheit auf der ganzen Welt zu gewährleisten. Obwohl von allen Gerichtsinstanzen Ecuadors bestätigt, wurde nach 25 Prozessjahren das Urteil, das Chevron (ehemals Texaco) verpflichtete, 9,5 Milliarden Dollar für die Behebung der angerichteten Umweltschäden zu zahlen, bis heute nicht vollstreckt. Um die Vollstreckung zu verhindern, zog Chevron alle seine Vermögenswerte aus Ecuador zurück. Infolgedessen mussten die Betroffenen ausländische Gerichte (in Argentinien, Brasilien und Kanada) anrufen, um die Strafe amtlich zu bestätigen und zu vollstrecken, was bisher jedoch ohne Erfolg blieb. Unterdessen leiden nach wie vor Zehntausende von Betroffenen unter schweren gesundheitlichen Folgen. Die Krebsrate in den verschmutzten Regionen ist 8 bis 10 mal höher im Vergleich mit dem nationalen Durchschnitt. Im Boden befinden sich mehr als 880 mit Rohöl gefüllte Gruben, die von Texaco – nur teilweise oder gar nicht gereinigt – verlassen wurden, Flüsse im Amazonasgebiet, eine der an biologischer Vielfalt reichsten Regionen der Welt, sind weiterhin mit Kohlenwasserstoffsedimenten gefüllt und durch Ölverschmutzungen verunreinigt. Seit mehr als 40 Jahren werden diese Auswirkungen nicht ausreichend behoben. Die vom Konzern verursachte kriminelle Umweltverschmutzung bleibt weiterhin bestehen.

Schlimmer noch, im Jahr 2009 verklagte Chevron den ecuadorianischen Staat vor dem Den Haager Schiedsgericht und beantragte den Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus (ISDS). Die Ölgesellschaft forderte nicht nur wirtschaftlichen Ausgleich, sondern auch, dass das Tribunal in die ecuadorianische Justiz selbst eingreift. Im August 2018 entschied das Schiedsgericht zugunsten von Chevron und verurteilte Ecuador dazu, dem transnationalen Unternehmen einen noch unbekannten Betrag zu zahlen. Er wies die ecuadorianische Regierung auch an, die Vollstreckung der von den ecuadorianischen Gerichten verhängten Strafen zu verhindern. Diese Anweisungen sind verfassungswidrig und in Ecuador nicht anwendbar. Würde die Regierung diesen Schiedsspruch anwenden, würde sie gegen ihre eigene Verfassung verstoßen, die Rechte der 30.000 Betroffenen aufheben und die Interessen von Chevron offen vertreten. Eine solche Entscheidung würde daher einen gefährlichen Präzedenzfall auf internationaler Ebene schaffen, der andere ähnliche Schiedsgerichte dazu verleiten könnte, sich über die nationalen Gerichte zu stellen und damit die Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.

Herr Präsident, heute leitet Ihre Regierung den Prozess zur Einführung des UN-Binding Treaty über transnationale Unternehmen und Menschenrechte, der der Straffreiheit von Unternehmen ein Ende setzen könnte und der im Menschenrechtsrat verhandelt wird. Es sei daran erinnert, dass dieser Vertrag einer Forderung von Millionen von Menschen nachkommt, die sich in Hunderten von sozialen und umweltorganisationen Organisationen, Gewerkschaften und betroffenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt zusammen geschlossen haben.

Heute gibt es eine wachsende internationale Mobilisierung der Bevölkerung gegen das ISDS-System. Als Beweis dafür wurden in den letzten Tagen mehr als eine halbe Million Unterschriften von EU-Bürger*innen an den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission übermittelt, in denen die Europäische Union aufgefordert wurde, jegliche Form von Schiedgerichen (ISDS, ICS, MIC) abzulehnen und den UN-Binding Treaty sowie andere Normen zur Verpflichtung transnationaler Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte zu unterstützten.

Sehr geehrter Herr Präsident, wir möchten Sie daran erinnern, dass der erwähnte Fall keine Ausnahme ist. Chevron hat in anderen Ländern soziale und ökologische Auswirkungen verursacht, zum Beispiel durch die Ausbeutung von Fracking-Projekten in Argentinien, die die indigenen Gemeinschaften der Mapuche ernsthaft treffen. Darüber hinaus haben Ölkonzerne wie Chevron eine starke und direkte Verantwortung für den Klimawandel, der heute zu Hunderttausenden von Opfern führt, zur Vertreibung von Millionen von Menschen aus ihren Häusern, zu Klimaflüchtlingen und nicht zuletzt dazu, den gesamten Planeten in die größte je gekannte Umweltkrise zu stürzen.
Herr Präsident, wir sagen Ihnen, dass wir nicht verstehen, welche Richtung Ihre Regierung in diesem Fall einschlägt. Wir erinnern Sie daran, dass es die Pflicht aller Staaten ist, die Menschenrechte ihrer Bevölkerung vor Verletzungen durch Dritte zu schützen.

Wir fordern Sie auf, sich nicht dem Druck der Regierung der Vereinigten Staaten oder von Chevron zu beugen und den Rechten der Ecuadorianer*innen, im Einklang mit der Verfassung von Ecuador, Vorrang einzuräumen. Wir bitten Sie, sich nicht in den Rechtsstreit zwischen den betroffenen Gemeinschaften, die sich in der UDAPT (Union of Affected by Chevron-Texaco Oil Operations) und auf internationaler Ebene zusammengeschlossen haben, einzumischen und im Gegenteil, den indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften Ihre Unterstützung und Ihren Schutz anzubieten. Respektieren Sie ihre Rechte und schützen Sie sie vor den Übergriffen transnationaler Unternehmen, darum bitten wir Sie.

Wir verfolgen weiterhin aufmerksam den Fortgang des Chevron-Falls in Ecuador. Darüber hinaus mobilisieren wir heute, am 21. Mai, dem Welt-Anti-Chevron-Tag, massiv in verschiedenen Regionen und Ländern, um die Straffreiheit von Unternehmen zu verurteilen und unsere Solidarität mit den betroffenen Gemeinschaften zum Ausdruck zu bringen. weiterlesen

Pressemitteilung zum globalen Anti-Chevron-Tag am 21. Mai 2019

Massive Antwort der internationalen Zivilgesellschaft am globalen Anti-Chevron Day

PRESSEMITTEILUNG

Amsterdam/Genf/Quito 21. Mai 2019

Mehr als 260 Organisationen, Netzwerke, Gewerkschaften und soziale Bewegungen weltweit, die über 280 Millionen Menschen vertreten, verurteilen die Straffreiheit von Chevron in Ecuador und bitten den Präsidenten von Ecuador in einem offenen Brief, den Fall Chevron zugunsten der indigenen Gemeinschaften zu unterstützen.

Nach 25 Jahren Prozessführung zur Behebung der größten Umweltkatastrophe im ecuadorianischen Amazonasgebiet, gewann eine Koalition mit über 30.000 indigenen Bewohnern ihre Klage gegen den Ölriesen Chevron. Das Unternehmen weigerte sich jedoch stets zu zahlen und nutzte erfolgreich das System des Investor State Dispute Settlement (ISDS, Abkürzung auf Englisch) gegen den Staat. Mehr als 260 Organisationen, soziale Bewegungen und Gewerkschaften weltweit, die mehr als 280 Millionen Menschen vertreten, verurteilen die Straffreiheit des Unternehmens und fordern die ecuadorianische Regierung auf, sich nicht in den Prozess zwischen den Gemeinschaften der UDAPT (Vereinigung der von Texcao Betroffenen) und des transnationalen Unternehmens einzugreifen und sich für die betroffenen Gemeinschaften einzusetzen.

Der Fall der UDAPT (Vereinigung der von Texaco Betroffenen) gegen Chevron (früher Texaco) stellt den größten Umweltprozess weltweit dar. Infolge einer Klage, die im Namen von 30.000 Indigenen und Bauern aus Ecuador 1993 eingereicht wurde, wurde Chevron (ehemals Texaco) im Jahr 2011 zu einer Zahlung von 9,5 Milliarden US-Dollar verurteilt, ein Betrag, der für die Beseitigung der zwischen 1964 und 1992 im ecuadorianischen Amazonasgebiet entstandenen Umwelt-, Kultur- und Sozialschäden verwendet werden soll. Im Jahr 2018 gewann Chevron jedoch vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag mittels ISDS eine Klage gegen Ecuador mit dem Argument, der Staat habe gegen die bilateralen Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten verstoßen. Die Schiedsrichter ordneten den ecuadorianischen Staat an, Chevron eine finanzielle Entschädigung zu zahlen und das Urteil zugunsten der betroffenen Gemeinschaften aufzuheben, was bedeutet, dass der Staat gegen seine eigene Verfassung verstoßen sollte. Dies wäre ein gefährlicher internationaler Präzedenzfall, da es ein Schiedsgericht über nationale Gerichte stellt.

Die «Global Campaign to Reclaim Peoples Sovereignty, Dismantle Corporate Power and Stop Impunity» hat in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Europäischen Kampagne « Menschenrechte schützen, Konzernklagen stoppen- Stopp-ISDS » und anderen internationalen Netzwerken, in enger Abstimmung mit der Vereinigung der von Texaco-Chevron Betroffenen in Ecuador (UDAPT) eine Initiative eingeleitet, durch die mehr als 260 Organisationen, Sozialbewegungen und Gewerkschaften, in einem Brief den ecuadorianischen Präsidenten Lenin Moreno bitten, den Schiedsspruch zugunsten von Chevron abzulehnen und stattdessen bei den betroffenen Gemeinschaften zur Seite zu stehen. Am 21. Mai, dem Globalen Anti-Chevron-Tag, zur Unterstützung der grossen in Ecuador organiserten Mobilisation durch die betroffenen Gemeinschaften, werden lokale Gruppen in Europa, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten mobilisiert und den Brief an die ecuadorianischen Regierungsvertreter übergeben. Das Schreiben prangert die Straflosigkeit von Chevron in Ecuador und anderen Ländern (Argentinien, Brasilien, Kazakstan, USA und Indonesien) an und weist auch auf die gravierenden Auswirkungen von Ölgesellschaften wie Chevron auf den globalen Klimawandel hin. Das Ecuadorianische Volk und Organisationen auf der ganzen Welt werden sich gegen ISDS-Fälle wie den Fall Chevron gegen Ecuador steelen und die Ausarbeitung eines internationalen rechtsverbindlichen Instruments für transnationale Unternehmen und Menschenrechte bei den Vereinten Nationen unterstützen.

Pablo Fajardo (UDAPTs Hauptanwalt) erklärte: «Nach 15 Jahren Rechtsstreit in Ecuador hat die gesamte ecuadorianische Justiz aufgrund der Rechtsstaatlichkeit das Urteil gegen die Ölgesellschaft vollständig ratifiziert. Doch Chevron beabsichtigt die Betroffenenen, durch das ISDS-System daran zu hindern, Gerechtigkeit zu erlangen. Für uns ist das ISDS-System zum Haupthindernis für den Zugang zur Justiz für alle geworden, deren Menschenrechte durch Konzernen verletzt werden.»

Das ISDS-System ermöglicht es ausländischen Investoren, Länder zu verklagen, wenn ihre Politik ihren erwarteten Gewinnen im Wege steht. Viele dieser Fälle werden von Gas- und Erdölunternehmen gegen Staaten eingereicht, die versuchen, Richtlinien zum Schutz ihrer Bürger und der Umwelt umzusetzen. Für die betroffenen Gemeinschaften in diesen Ländern hat es sich dort als fast unmöglich erwiesen, diese Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu machen. In Europa hat eine laufende zivilgesellschaftliche Mobilisierung gegen ISDS eine halbe Million mehr als Unterschriften erhalten.

 

Für mehr Informationen: http://www.udapt.org/21-mayo-2019/

Brief an die ecuadorianische Regierung: http://www.udapt.org/movilizacion-internacional/

Informationsflyer: https://www.stopcorporateimpunity.org/21st-may-the-global-antichevron-day-of-action-is-coming/

Global campaign: https://www.stopcorporateimpunity.org/binding-treaty-un-process/

Kampagne ISDS: https://stopisds.org/de/

Fotos von Mobilisierungen vom 21. Mai: https://flic.kr/s/aHsmDz3XE3

#AntiChevron #BindingTreaty #StopISDS