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CETA-Vertragstext veröffentlicht. CETA muss gestoppt werden!

Am 29. Februar 2016 teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) mit, dass die EU-Kommission den rund 1.600 Seiten starken ausgehandelten CETA*-Vertragstext veröffentlicht habe. Es zeigt sich, dass die gefährliche Paralleljustiz für Konzerne (lediglich leicht modifiziert) in CETA verankert wurde. Während der Europa-Abgeordnete der SPD Bernd Lange (Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments) einen vermeintlichen Etappensieg feiert, übt der Europa-Abgeordnete der Linken Helmut Scholz harsche Kritik. So erschien am 1. März folgender Beitrag:

DLFEuropäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA

(01.03.2016) „Investoren haben ein Sonderklagerecht gegen Regierungen“
Beim Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ist nun der ausgehandelte Vertragstext veröffentlicht. Trotz einiger Änderungen sei aber weiter ein Sonderklagerecht von Investoren gegen Regierungen vorgesehen, sagte der Europa-Abgeordnete der Linken, Helmut Scholz, im DLF. Eine Grenze nach oben bei den Schadenersatzforderungen werde nicht gesetzt.

Wasserqualität, Energiewende, CETA, TTIP - alles hängt zusammenHelmut Scholz im Gespräch mit Jule Reimer

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Pia Eberhardt hat unlängst ihre Kritik an dieser vermeintlich neuen Form zum Ausdruck gebracht und fordert auf, „gegen diese Investor-Staat-Klagen zu handeln: durch die Aufkündigung aller bestehenden Verträge, die es Konzernen ermöglichen, vor internationalen Schiedsgerichten zu klagen, wenn Gesetze und Regulierungen ihre Profitmöglichkeiten einschränken.“ (Eberhardt 2016, S. 4).

Der Bundesverfassungsrichter a.D. Siegfried Broß forderte bereits im November 2015 allgemein, „den Investorschutz und die private Schiedsgerichtsbarkeit durch schlichte Streichung aus den Vertragstexten zu entfernen. […] Desgleichen müssen alle Klauseln über eine kooperative regulatorische Zusammenarbeit der Vertragspartner beseitigt werden.“ (Broß 2016, S. 10)

Die Position des Berliner Wassertischs: CETA darf nicht ratifiziert werden! CETA muss gestoppt werden!!!

Mit CETA kommt Fracking!

Die unlängst veröffentlichte Studie Wie Investorenrechte in EU-Handelsabkommen
die Energiewende blockieren zeigt, „wie die hochgefährlichen Investor-Staat-Schiedsgerichte (ISDS) klima­freundliche Gesetzgebung verhindern können. Durch entsprechende Klauseln in Handels­verträgen würde es ausländischen Unternehmen erlaubt, Regierungen vor eigens eingerichteten Schiedsgerichten wegen klima- und energiepolitischer Maßnahmen zu verklagen. Dabei betreffen 35% aller bekannten derartigen Forderungen die Bereiche Öl, Bergbau, Erdgas oder Elektrizität. Klagen im Energiesektor steigen stetig an. Vom deutschen Atomausstieg bis hin zum FrackingMoratorium der kanadischen Provinz Quebec* – große Konzerne nutzen die unfairen Schiedsgerichtsklauseln, um praktisch jede Form progressiver Gesetzgebung zu verhindern oder deren Kosten zu sozialisieren.“ (ebd.) Wegen des Fracking-Moratoriums verklagt nun der kanadische Rohstoffkonzern Lone Pine Kanada über eine Tochterfirma in den USA auf der Grundlage des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) auf 250 Millionen US$ (ZEIT, 6. März 2014). Solche Klagen drohen hierzulande, wenn CETA verabschiedet ist. Es ist bekannt, dass von kanadischer Seite gerade die Bergbauunternehmen („mining companies“) CETA vorantreiben. CEO schreibt: „Die Investitionsströme aus Kanada in die EU sind von erheblicher Bedeutung in diesen Sektoren und zahlreiche kanadische Bergbauunternehmen sind in der EU bereits an umstrittenen Projekten zur Rohstoffgewinnung beteiligt. Branchen-Insider feiern CETA bereits als ,bahnbrechendes‘ Abkommen, das ,mit weitreichenden Auswirkungen für Bergbauunternehmen‘.“ (CETA. Verkaufte Demokratie, 19.11.2014)

Wichtige Links zum Fall:
ICSID – International Center for Settlement of Investment Disputes: Lone Pine Resources Inc. v. Canada (ICSID Case No. UNCT/15/2)
Proceeding
Materials
Procedural Details

Aus: Studie 2015, veröffentlicht von: PowerShift e.V. et al.

Aus: Studie 2015, veröffentlicht von: PowerShift e.V. et al.

Wer Fracking verhindern will, der muss mit uns gegen die Investitionsschutzabkommen TTIP und CETA auf die Straße gehen – zum Beispiel auf der überregionalen Demonstration in Hannover am 23. April anlässlich des Treffens von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel bei der Hannover-Messe!
Berliner Wassertisch: Stoppt Fracking!

* CETA = Comprehensive Economic and Trade Agreement; Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen Kanada und Europa.

Nachtrag:

Rolf-Henning Hintze: „Abertausende Akteure könnten mit CETA klagen“. Handelsexpertin Pia Eberhardt: Neues Investitionsgericht hebt grundsätzliche Kritik am Investorenschutz nicht auf. In: Telepolis, 2.3.2016.

 

„Reformierter“ Investitionsschutz in TTIP: Zwei Schritte voran – und gegen die Wand

Verfassungsblog
3.12.2015

„Reformierter“ Investitionsschutz in TTIP: Zwei Schritte voran – und gegen die Wand
Malte Marwedel

Die Europäische Kommission verspielt gerade ihre Chance, das umstrittene internationale Investitionsschutzrecht ernsthaft zu reformieren und am Gemeinwohl auszurichten. In ihrem nun vorgelegtem Vorschlag an die USA für ein Investitionsschutzkapitel in TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) lässt sie die wesentlichen Probleme des Investitionsschutzrechts weitgehend unberührt. Nur auf den ersten Blick bietet sie Lösungen etwa für die strukturelle Einseitigkeit des Schiedsgerichtssystems.

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Investitionsschutz in TTIP: Kommission verweigert Systemwechsel

Halbherzige Reformen sollen massive Ausweitung des weltweiten Investitionsschutzes rechtfertigen

bündnisttip

Download der Analyse als PDF

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 16.09.2015 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Reform privater Schiedsgerichte im Rahmen des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) vor. Der heftig umstrittene ISDS-Mechanismus (Investor-State Dispute Settlement) erlaubt es Investoren, Staaten vor so genannten Schiedsgerichten auf enorme Entschädigungszahlungen zu verklagen. Dieses Mittel haben Konzerne in der Vergangenheit unter anderem dazu eingesetzt, Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz von Umwelt, Gesundheit oder VerbraucherInnen dienen.

Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission immer noch nicht zu einer grundlegenenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Unsere Analyse zeigt: Die Interessen von Investoren werden denen von Staaten und BürgerInnen übergeordnet, eine richterliche Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet. Zudem soll der Vertragstext zu CETA (Comprehensive Economy and Trade Agreement) von den Änderungen unberührt bleiben.

Der Vorschlag der EU-Kommission bietet keine überzeugende Antwort auf die Kritik an TTIP und kann nur als Versuch der kosmetischen Übertünchung von systemimmanenten Schwachstellen dienen.

Die Europäische Kommission versucht erfolglos, die breite öffentliche Kritik am geplanten Investitionsschutz im transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) durch den Vorschlag eines neuen „Investitionsgerichts“ zu besänftigen. Sie hält dabei weiter an den besonders umstrittenen Sonderklagerechten für ausländische Investoren fest (sog. Investor-State Dispute Settlement – ISDS). Sie erlauben es Investoren, vor internationalen Spruchkörpern mitunter enorme Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz der Gesundheit, der Umwelt, der Verbraucher oder der Beendigung von Finanz- und Wirtschaftskrisen dienen. Durch die Einführung solcher Klagerechte in TTIP würde die globale Reichweite von ISDS erheblich ausgedehnt und das Klagerisiko für die Staaten nochmals deutlich steigen – zulasten des Gemeinwohls auf beiden Seiten des Atlantiks.

Nach einer längeren europaweiten Reformdebatte hatte zuletzt auch das Europäische Parlament ein „neues System“ für die Streitbeilegung angemahnt, das demokratischen und rechtsstaatlichen Standards genügt. Zudem forderte es, dass ausländische Investoren nicht „über größere Rechte als inländische Investoren verfügen“ dürften. Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission noch immer nicht zu einer derart grundlegenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Eine nähere Analyse ergibt, dass der Entwurf sich trotz einiger positiver Ansätze weitgehend auf kosmetische Korrekturen des bestehenden ISDS-Systems beschränkt. Auch ist es der Kommission nicht gelungen, die materiellen Investorenrechte effektiv einzugrenzen. Sie würden ausländische Investoren gegenüber dem Gemeinwohl und konkurrierenden Unternehmen klar privilegieren. Auf den Kern der ISDS-Kritik geht sie kaum ein (siehe im Anhang die detaillierte Übersicht zu den einzelnen Kritikpunkten).

Festzuhalten ist zunächst, dass es noch immer keine überzeugenden Gründe für den Investitionsschutz in TTIP gibt. Ausländische Investoren genießen sowohl in der EU als auch in den USA starken Schutz durch das jeweilige nationale bzw. europäische Recht, der vor Gericht wirksam durchgesetzt werden kann. Einer besonderen völkerrechtlichen Absicherung bedarf es daher nicht. Dies hat auch die jetzige Bundesregierung stets betont.

Der Kommissionsvorschlag sieht einen privilegierten Schutz des Eigentums und der Gewinnerwartungen ausländischer Investoren vor und gibt ihnen also „größere Rechte“ als anderen. Sie gehen deutlich über ein Diskriminierungsverbot hinaus und können Investoren auch gegen einen legitimen demokratischen Politikwechsel absichern. Dabei wäre es leicht möglich, den materiellen Investitionsschutz stattdessen auf die bereits enthaltenen Diskriminierungsverbote zu reduzieren. Nur so wäre auch ein wirksamer Schutz staatlicher Regulierungsspielräume zur Verfolgung von Gemeinwohlinteressen gewährleistet. Der Ansatz der Kommission, dieses staatliche „right to regulate“ durch einen eigenen Vertragsartikel zu gewährleisten hat sich in der Praxis dagegen nicht bewährt. Er spielt bei der Entscheidung von Investorenklagen meist keine Rolle. In der nun vorgeschlagenen Fassung stellt das right to regulate nämlich nur eine vage Leitlinie bei der Interpretation der Investorenrechte dar – und bietet den Schiedsrichtern weiter viel Spielraum für eine investorenfreundliche Auslegung..

Die Investoren erhalten diese Privilegien, ohne selbst irgendwelche Pflichten auferlegt zu bekommen – etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen oder zur Beachtung von Menschen-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten sowie Gesundheits- und Umweltschutzstandards.

Das vorgeschlagene „Investment Court System“ (ICS) wäre nur dem Namen nach ein „Gericht“. Es dient allein der Durchsetzung von Investorenrechten gegenüber den Vertragsstaaten. Menschen, die von den Unternehmenspraktiken globaler Konzerne wie Lohndumping, fehlendem Arbeitsschutz, Landnahme und Umweltzerstörung betroffen sind, erhalten auch weiterhin keine Gelegenheit, notfalls internationalen Rechtsschutz gegen davon profitierende ausländische Investoren zu erlangen. Diese Einseitigkeit birgt die Gefahr, dass die Mitglieder des ICS sich ebenso wie die bisherigen ISDS-Schiedsrichter als institutionelle „Hüter der Investorenrechte“ verstehen – und deren Privilegien entsprechend weit auslegen. Wie alle mächtigen Institutionen neigen internationale Spruchkörper zur Erweiterung ihrer Kompetenzen. Umso bedenklicher ist, dass die Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit auch hier hinter gängigen rechtsstaatlichen Standards zurück bleibt. Die Schiedsrichter des ICS wären nebenamtlich tätig und würden im Wesentlichen pro Fall bezahlt, so dass sie auch ein finanzielles Interesse an einer hohen Zahl von Investorenklagen hätten. Gerade diese strukturellen Anreize für eine investorenfreundliche Rechtsprechung sind ein zentrales Problem der bisherigen Schiedsgerichtsbarkeit. Die naheliegende Lösung wären hauptberufliche Richter mit fallunabhängiger Besoldung und einem grundsätzlichen Nebentätigkeitsverbot, um Interessenkonflikte besser auszuschließen. Die Kommission hat dies selbst erkannt.. Dennoch begnügt sie sich insofern mit einer bloßen Option für nachträgliche Änderungen, die politisch kaum durchzusetzen sein werden.

Das ICS ist daher insgesamt keine überzeugende Antwort auf die Gefahren des ISDS-Systems. Dennoch enthält der Kommissionsentwurf einige Verbesserungen etwa gegenüber den Entwürfen der geplanten Abkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) und Singapur. So sollen die klagenden Investoren keinen Einfluss mehr auf die Auswahl der Schiedsrichter haben. Sie würden von den Vertragsstaaten vorab für eine feste Amtszeit bestimmt und für die einzelnen Fälle zufällig ausgewählt. Die Rechtssicherheit und die Kontrolle der Schiedsrichter würden durch eine neue Berufungsinstanz (Appeal Tribunal) und umfangreichere Anfechtungsmöglichkeiten gestärkt.

Umso bedenklicher erscheint es daher, dass die Kommission entschlossen ist CETA sogar ohne diese minimalen Änderungen zu ratifizieren. Der Investitionsschutz in CETA und TTIP kann nicht getrennt voneinander behandelt werden. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung Nordamerikas könnten die vielen US-Investoren mit Tochterfirmen in Kanada sich das jeweils günstigere Abkommen aussuchen. Die EU braucht daher ein einheitliches Konzept, das von vornherein in beiden Verträgen durchgehalten wird. In der jetzigen Fassung wären aber weder CETA noch TTIP zustimmungsfähig.

Wir wünschen eine spannende Lektüre!“

Zur Analyse (pdf)

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