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Mit der Großen Koalition kommt CETA. Darum: NoGroKo

Berlin, 11. Febuar 2018) 250.000 Menschen gingen im Oktober 2015 in Berlin auf die Straße, um gegen TTIP und CETA zu protestieren, mehr als 320.000 im September 2016.

Doch das interessiert weder die CDU/CSU noch die SPD. Sie machen weiter als sei nichts gewesen. So steht im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 unter der Rubrik Außenhandel:

„Wir wollen freien und fairen Handel in der Welt. Es gilt, in Zeiten der Globalisierung als Europäische Union stärker und einheitlicher in der Handelspolitik aufzutreten. Internationale Organisationen wie Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Weltbank haben sich in den letzten Jahren zu zentralen Foren der Gestaltung multilateraler Standards und Regeln entwickelt. Sie wollen wir weiter unterstützen und stärken. Protektionismus lehnen wir ab und setzen vorrangig auf multilaterale Vereinbarungen. Wir sind fest davon überzeugt, dass neben den Verhandlungen auf multilateraler Ebene bilateralen und plurilateralen Abkommen eine entscheidende Bedeutung für eine aktive Gestaltung der Globalisierung zukommt. Im europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA sind zukunftsweisende Regelungen für den Schutz von Umwelt und Gesundheit, Arbeitnehmerrechten, öffentlicher Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsschutz vereinbart worden. Dies muss auch für künftige Handelsabkommen gelten. Wir wollen in Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das CETA-Abkommen umfassend in Kraft treten kann. Wir wollen umfassende, moderne bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum [gemeint u.a.: JEFTA] und Lateinamerika [gemeint u.a.: Mercosur-Abkommen] abschließen und unterstützen gleichzeitig das Ziel einer weiteren Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen [gemeint: TTIP reloaded]. Wir wollen das Außenwirtschaftsförderinstrumentarium, insbesondere in Bezug auf neue Märkte und mit dem Schwerpunkt Afrika [gemeint: EPAs], weiterentwickeln. Wir nehmen bewusst die Zukunftsthemen des afrikanischen Kontinents in den Fokus – Digitalisierung, Innovation und Ausbildung – und setzen zu diesem Zwecke das Eckpunktepapier zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas um, u. a. durch die Stärkung privater Investitionen, Hermes-Bürgschaften und innovativer Finanzierungsinstrumente. Das Netzwerk der Deutschen Außenhandelskammern ist ein wichtiger Pfeiler unserer Außenwirtschaftspolitik, das wir weiter stärken und ausbauen wollen.
Wir werden Deutschland als einen offenen Investitionsstandort erhalten, achten aber auf faire Wettbewerbsbedingungen. Wir unterstützen die EU-Initiative für ein verbessertes Investitions-Screening.“ (Koalitionsvertrag (pdf), Zeilen 3002-3034)

Offener Brief an die SPD-Koalitionäre: CETA nicht ratifizieren!

2. Februar 2018

CETA nicht ratifizieren!
Offener Brief an die SPD-Parteispitze und die sozialdemokratischen TeilnehmerInnen der Koalitionsverhandlungen

Sehr geehrte Damen und Herren,
anlässlich der aktuell stattfindenden Koalitionsverhandlungen der SPD mit CDU/CSU bitten wir Sie darum, auch in einer möglichen Großen Koalition das Handelsabkommen der EU mit Kanada, CETA, nicht zu ratifizieren. In der SPD ist CETA sehr umstritten, viele Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen haben sich in den vergangenen Jahren an Protesten gegen das Abkommen beteiligt. Einige Landesverbände der SPD haben sich gegen die Ratifizierung von CETA ausgesprochen; die Berliner Landesregierung, an der die SPD beteiligt ist, hat angekündigt, im Bundesrat gegen die Ratifizierung zu stimmen. Im Sondierungspapier, das den Koalitionsverhandlungen zugrunde liegt, wird die handelspolitische Ausrichtung einer möglichen Großen Koalition jedoch wie folgt skizziert:

„Wir wollen freien und fairen Handel in der Welt. Protektionismus lehnen wir ab und setzen vorrangig auf multilaterale Vereinbarungen. Im europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA sind zukunftsweisende Regelungen für den Schutz von Arbeitnehmerrechten, öffentlicher Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsschutz vereinbart worden.“

Als Netzwerk Gerechter Welthandel – dem unter anderem Attac, BUND, Campact, der Deutsche Kulturrat, Greenpeace, Mehr Demokratie und Naturfreunde angehören – begrüßen wir das Bekenntnis zu einem fairen Handel. Deutlich widersprechen müssen wir jedoch den Aussagen zu den Inhalten von CETA:

  1. Der in CETA enthaltene Schutz von Arbeitnehmerrechten ist äußerst schwach. Das dem europäischen Umwelt- und Gesundheitsschutz zu Grunde liegende Vorsorgeprinzip ist ebenfalls nicht geschützt. Das Kapitel zu Handel und Arbeit ist nicht mit einem funktionierenden Sanktions- und Durchsetzungsmechanismus verbunden und ist von der allgemeinen Streitschlichtung des Abkommens ausgeschlossen. Ein effektives Vorgehen gegen Verstöße von Arbeitnehmerrechten ist damit nicht garantiert, was die Einhaltung von Arbeitsstandards schwächt. Auch das europäische Vorsorgeprinzip im Umwelt- und Gesundheitsschutz wird weder zur Grundlage des Vertrags gemacht noch bezogen auf die EU ausreichend geschützt, sondern durch Verweis auf WTO-Regeln verwässert. Im Regierungsprogramm 2017 hat sich die SPD das Ziel gesetzt, „in allen Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Regeln für die verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher, ökologischer, verbraucherpolitischer und sozialer Standards wie der ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen zu vereinbaren“. Dieses Ziel wurde in CETA nicht erreicht.
  2. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist in CETA nur unzureichend geschützt. CETA verfolgt einen Negativlisten-Ansatz bei der Dienstleistungsliberalisierung. Damit hängt der Umfang der Liberalisierungsverpflichtungen von in den Annexen formulierten Ausnahmen ab. Die komplizierte Struktur dieser Ausnahmen in den Annexen führt zu einer hohen Rechtsunsicherheit, ob alle wichtigen, schützenswerten Bereiche ausgenommen wurden. Auch zukünftige Dienstleistungsarten können naturgemäß nicht auf einer Negativliste vermerkt werden. Außerdem führt die so genannte „Sperrklinken-Klausel“ dazu, dass einmal vollzogene Liberalisierungsschritte nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Somit gefährdet CETA weiterhin öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge.
  3. Nach der vollständigen Ratifizierung wird CETA ausländischen Investoren weiterhin ein eigenes, privilegiertes Klagerecht außerhalb des deutschen und europäischen Rechtssystems gewähren, das demokratische Handlungsspielräume von Politik einschränkt. Investoren werden weitgehende Rechte gewährt, die über den Eigentumsschutz des Grundgesetzes hinausgehen – ohne dass diesen Rechten Pflichten, etwa zum Schutz des Gemeinwohls, gegenübergestellt werden.

Aus all diesen Gründen weisen die in CETA enthaltenen Regelungen nicht in eine bessere Zukunft, sondern in eine schlechtere. Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Jahren gegen das Abkommen demonstriert, über eine Million Menschen aus Deutschland hat die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterschrieben. Dennoch wird das umstrittene Abkommen seit September 2017 vorläufig angewendet. Um vollständig in Kraft zu treten, muss es von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Auf Antrag Belgiens prüft der Europäische Gerichtshof (EuGH) derzeit, ob der Investitionsschutz in CETA mit dem EU-Recht vereinbar ist. Dass eine Ratifizierung nicht stattfindet, bevor der EuGH entschieden hat, halten wir für eine demokratische Selbstverständlichkeit. Zudem bitten wir Sie darum, den vorliegenden CETA-Entwurf angesichts des enthaltenen weitreichenden und einseitigen Investitionsschutzes sowie der Gefahren für Arbeitnehmerrechte und öffentliche Daseinsvorsorge nicht zu ratifizieren – auch nicht in einer möglichen Großen Koalition mit CDU und CSU.

Mit freundlichen Grüßen
Netzwerk Gerechter Welthandel
www.gerechter-welthandel.org

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Der Berliner Wassertisch ist Mitglied im Netzwerk Gerechter Welthandel