Schlagwort-Archive: Investorschutz

Bundesverfassungsrichter i.R. Siegfried Broß mit Friedlaender Preis geehrt

Am 24. November 2017 hat Professor Siegfried Broß den diesjährigen Max Friedlaender Preis des Bayerischen Anwaltverbandes erhalten.

In seiner Laudatio auf Broß sagte Professor Stürner u.a.: „Gerade weil Siegfried Broß der europäischen Idee zutiefst verbunden ist, wendet er sich gegen die Aufweichung rechtsstaatlichen Rechtsschutzes und den Abbau sozialstaatlicher öffentlicher Daseinsvorsorge in der Erkenntnis, dass in Europa und Deutschland gesellschaftliche Stabilität nicht durch einseitige Orientierung an einem möglichst alle Lebensbereiche erfassenden Privatisierungs- und Marktmodell erreicht werden kann, sondern nur durch eine gemischte Struktur, die Markt und staatlich organisierte Solidarität sowie staatliche Gewalt und private Gestaltungsmacht in wohlorganisierter Balance hält, ein Realismus, der sich auf ein zutreffendes Menschenbild zu stützen vermag und auf die historische Erfahrung, wie teuer die Hinwendung zu theorieorientierten Gesellschaftsmodellen mit ihren oft monistischen Grundansätzen bezahlt zu werden pflegt. […]“ (Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner, Freiburg: Laudatio auf Richter des Bundesverfassungsgerichts Dr. Dr. h.c. Siegfried Broß anlässlich der Verleihung des Max- Friedländer-Preises 2017 am 24.11.2017 im Künstlerhaus München (pdf))

Zum Abschluss seiner Dankesrede ging Professor Broß auch auf das Problem der Schiedsgerichtsbarkeit ein: „Mit der Schiedsgerichtsbarkeit und Näheverhältnissen zwischen staatlichen Institutionen wie der Justiz über Outsourcing von Gesetzesinitiativen, gemeinsame Vortrags- und Fortbildungsveranstaltungen werden intransparente Institutionen geschaffen und Grenzen verwischt, die das rechtsstaatlich-demokratische System der Bundesrepublik Deutschland schwächen und bei ungehindertem Fortschreiten substantiell aushöhlen. […] Bei den Schiedsgerichten im Rahmen der Freihandelsabkommen springt die Gefährdung des rechtsstaatlich – demokratischen Staates ins Auge: Durch Investorschutz, regulatorische Zusammenarbeit und Schiedsgerichtsbarkeit wird das parlamentarisch-demokratische System zentral getroffen und in vielen Bereichen beseitigt; denn die Definitionshoheit dessen, was vereinbart ist, geht auf die intransparenten Schiedsgerichte über und diese bestimmen für die Zukunft die Richtlinien der Politik. Ein Paradebeispiel für Entparlamentarisierung des demokratischen Rechtsstaats.“ (Dankesrede am 24. November 2017 anlässlich der Verleihung des Max-Friedlaender-Preises 2017 im Künstlerhaus am Lenbach-Platz in München (pdf))

Der Berliner Wassertisch gratuliert Professor Broß herzlich zum verdienten Max Friedlaender Preis.

 

CETA-Vertragstext veröffentlicht. CETA muss gestoppt werden!

Am 29. Februar 2016 teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) mit, dass die EU-Kommission den rund 1.600 Seiten starken ausgehandelten CETA*-Vertragstext veröffentlicht habe. Es zeigt sich, dass die gefährliche Paralleljustiz für Konzerne (lediglich leicht modifiziert) in CETA verankert wurde. Während der Europa-Abgeordnete der SPD Bernd Lange (Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments) einen vermeintlichen Etappensieg feiert, übt der Europa-Abgeordnete der Linken Helmut Scholz harsche Kritik. So erschien am 1. März folgender Beitrag:

DLFEuropäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA

(01.03.2016) „Investoren haben ein Sonderklagerecht gegen Regierungen“
Beim Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ist nun der ausgehandelte Vertragstext veröffentlicht. Trotz einiger Änderungen sei aber weiter ein Sonderklagerecht von Investoren gegen Regierungen vorgesehen, sagte der Europa-Abgeordnete der Linken, Helmut Scholz, im DLF. Eine Grenze nach oben bei den Schadenersatzforderungen werde nicht gesetzt.

Wasserqualität, Energiewende, CETA, TTIP - alles hängt zusammenHelmut Scholz im Gespräch mit Jule Reimer

Zum Beitrag

Pia Eberhardt hat unlängst ihre Kritik an dieser vermeintlich neuen Form zum Ausdruck gebracht und fordert auf, „gegen diese Investor-Staat-Klagen zu handeln: durch die Aufkündigung aller bestehenden Verträge, die es Konzernen ermöglichen, vor internationalen Schiedsgerichten zu klagen, wenn Gesetze und Regulierungen ihre Profitmöglichkeiten einschränken.“ (Eberhardt 2016, S. 4).

Der Bundesverfassungsrichter a.D. Siegfried Broß forderte bereits im November 2015 allgemein, „den Investorschutz und die private Schiedsgerichtsbarkeit durch schlichte Streichung aus den Vertragstexten zu entfernen. […] Desgleichen müssen alle Klauseln über eine kooperative regulatorische Zusammenarbeit der Vertragspartner beseitigt werden.“ (Broß 2016, S. 10)

Die Position des Berliner Wassertischs: CETA darf nicht ratifiziert werden! CETA muss gestoppt werden!!!

Mit CETA kommt Fracking!

Die unlängst veröffentlichte Studie Wie Investorenrechte in EU-Handelsabkommen
die Energiewende blockieren zeigt, „wie die hochgefährlichen Investor-Staat-Schiedsgerichte (ISDS) klima­freundliche Gesetzgebung verhindern können. Durch entsprechende Klauseln in Handels­verträgen würde es ausländischen Unternehmen erlaubt, Regierungen vor eigens eingerichteten Schiedsgerichten wegen klima- und energiepolitischer Maßnahmen zu verklagen. Dabei betreffen 35% aller bekannten derartigen Forderungen die Bereiche Öl, Bergbau, Erdgas oder Elektrizität. Klagen im Energiesektor steigen stetig an. Vom deutschen Atomausstieg bis hin zum FrackingMoratorium der kanadischen Provinz Quebec* – große Konzerne nutzen die unfairen Schiedsgerichtsklauseln, um praktisch jede Form progressiver Gesetzgebung zu verhindern oder deren Kosten zu sozialisieren.“ (ebd.) Wegen des Fracking-Moratoriums verklagt nun der kanadische Rohstoffkonzern Lone Pine Kanada über eine Tochterfirma in den USA auf der Grundlage des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) auf 250 Millionen US$ (ZEIT, 6. März 2014). Solche Klagen drohen hierzulande, wenn CETA verabschiedet ist. Es ist bekannt, dass von kanadischer Seite gerade die Bergbauunternehmen („mining companies“) CETA vorantreiben. CEO schreibt: „Die Investitionsströme aus Kanada in die EU sind von erheblicher Bedeutung in diesen Sektoren und zahlreiche kanadische Bergbauunternehmen sind in der EU bereits an umstrittenen Projekten zur Rohstoffgewinnung beteiligt. Branchen-Insider feiern CETA bereits als ,bahnbrechendes‘ Abkommen, das ,mit weitreichenden Auswirkungen für Bergbauunternehmen‘.“ (CETA. Verkaufte Demokratie, 19.11.2014)

Wichtige Links zum Fall:
ICSID – International Center for Settlement of Investment Disputes: Lone Pine Resources Inc. v. Canada (ICSID Case No. UNCT/15/2)
Proceeding
Materials
Procedural Details

Aus: Studie 2015, veröffentlicht von: PowerShift e.V. et al.

Aus: Studie 2015, veröffentlicht von: PowerShift e.V. et al.

Wer Fracking verhindern will, der muss mit uns gegen die Investitionsschutzabkommen TTIP und CETA auf die Straße gehen – zum Beispiel auf der überregionalen Demonstration in Hannover am 23. April anlässlich des Treffens von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel bei der Hannover-Messe!
Berliner Wassertisch: Stoppt Fracking!

* CETA = Comprehensive Economic and Trade Agreement; Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen Kanada und Europa.

Nachtrag:

Rolf-Henning Hintze: „Abertausende Akteure könnten mit CETA klagen“. Handelsexpertin Pia Eberhardt: Neues Investitionsgericht hebt grundsätzliche Kritik am Investorenschutz nicht auf. In: Telepolis, 2.3.2016.