Schlagwort-Archive: Kartellamtsverfügung

Preismissbrauchs-Klage gegen Berliner Wasserbetriebe vor Landgericht. PRESSEMITTEILUNG VOM 1.10.2015

Pressemitteilung vom 1. Oktober 2015

Preismissbrauchs-Klage gegen Berliner Wasserbetriebe vor Landgericht / Berliner Wassertisch fordert die BWB auf, die Verjährung von Schadensersatz-Ansprüchen zu verhindern

Berliner Wassertisch

(Berlin, 1. Oktober 2015) Eine Berliner Wohnungseigentümer-Gemeinschaft [WEG] klagt seit Anfang des Jahres gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB), um Schadensersatz wegen der missbräuchlich überhöhten Trinkwasserpreise in den Jahren 2010 und 2011 zu fordern. Das Amtsgericht Mitte hat das Verfahren nun an das Landgericht verwiesen. Der Berliner Wassertisch hat für Kunden der BWB, die ebenfalls Schadensersatz geltend machen möchten, einen Musterbrief vorbereitet, mit dem sie sich an die BWB wenden können, um für die Dauer der WEG-Klage eine drohende Verjährung ihrer Ansprüche zu verhindern.

Preissenkungsverfügung und Preismissbrauchs-Urteil

Grundlage der Forderung der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft ist ein Beschluss des Oberlandesgericht Düsseldorf vom 24. Februar 2014. In dem Verfahren wies das Gericht eine Beschwerde der BWB gegen die Preissenkungsverfügung des Bundeskartell­amts zurück, das gefordert hatte, die Trinkwasserpreise um ca. 18 Prozent zu senken (Az: VI-2 Kart 4/12). Das OLG Düsseldorf bestätigte jedoch, dass die Trinkwasserpreise der BWB unter der Leitung der privaten Wasserkonzerne Veolia und RWE um mindestens 30 Prozent über denen der Vergleichsunternehmen lagen. Die BWB haben auf das Urteil hin die Trinkwasserpreise für die Jahre 2012–2015 um ca. 15 Prozent gesenkt. Ein Ausgleich für die Jahre 2009–2011, in denen ebenfalls missbräuchlich überhöhte Preise festgestellt worden waren, erfolgte nicht.

Der „Deal“ zwischen BWB und Bundeskartellamt

Statt einer Rückzahlung schlossen die BWB am 6. Mai 2014 mit dem Bundeskartellamt einen Vergleich, der als Ausgleich für den Preismissbrauch in den Jahren 2009-2011 vorsieht, die Preise von 2016 bis 2018 nicht zu erhöhen.

Der Schadensersatz-Prozess vor dem Amtsgericht Mitte

Der „Deal“ zwischen BWB und Bundeskartellamt ändert nach Ansicht der WEG nichts daran, dass der Preismissbrauch in den Jahren 2009-2011 zu Schadensersatzforderungen berechtigt. Die Berliner Wasserbetriebe bestreiten zwar die Berechtigung der Schadensersatzforderungen, doch ist ihre Verteidigungsstrategie mehr als zweifelhaft. Hatten die Wasserbetriebe vor dem Amtsgericht entgegen dem eindeutigen Urteil des OLG Düsseldorf zunächst behauptet, die Wasserpreise seien angemessen gewesen, beriefen sie sich danach zusätzlich darauf, die überhöhten Wasserpreise nicht verschuldet zu haben. Vor „dem Hintergrund eines in sich ge­schlossenen, landesrechtlichen Kalkulationssystems“, so die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, sei angeblich nicht vorhersehbar gewesen, dass die kartellrechtlichen Missbrauchs­vorschriften auch für die BWB gelten würden. Das Amtsgericht folgte dem Antrag auf Klageabweisung jedoch nicht. Die Berliner Wasserbetriebe sind damit im ersten Anlauf mit dem Versuch gescheitert, die Klage zu stoppen.

Warum der Berliner Wassertisch die Klage der WEG* unterstützt

Die BWB ignorieren in ihrer Klageerwiderung, dass der Preismissbrauch nur durch eine undurchsichtige Gesetzes- und Firmenkonstruktion ermöglicht wurde, die der CDU-/SPD-geführte Senat in Zusammenarbeit mit Konzernlobbyisten selbst entwickelt hatte. Sinn und Zweck der Konstruktion war es, den Wasserkonzernen RWE und Veolia durch eine Gewinn­garantie illegale Profite auf Kosten der Wasserkunden zu sichern. Gleichzeitig wurde über die Wassereinnahmen des Senats eine verdeckte „Sondersteuer“ eingeführt, welche die Einkom­men von sozial Schwachen überproportional belastet. Auch nach der Rekommunalisierung hat der Senat die für den Missbrauch verantwortlichen Preisfindungs-Systeme nicht geändert. Sie wirken einschließlich der berüchtigten Gewinngarantie weiter fort und verteuern nicht nur die Trinkwasserpreise, sondern auch die Abwassergebühren, die ca. 60 Prozent des Gesamt­wasserpreises ausmachen. Der kürzlich erfolgte, vermeintlich großzügige Verzicht des Senats auf weitere Erhöhungen bis 2020 kann daher nicht als ein Entgegenkommen betrachtet werden. Er kompensiert nicht den Preismissbrauch der Jahre 2009–2011, sondern er zementiert die derzeit überhöhten Wasserentgelte bis ins Jahr 2020.

Dazu Wolfgang Rebel, Sprecher des Berliner Wassertischs:

„Die Verteidigung der BWB ist hanebüchen. Der Senat aus SPD und CDU hat den Preis-missbrauch der BWB durch entsprechende Gesetzesänderungen erst ermöglicht und von sich aus nichts unternommen, um ihn abzustellen. Die Weigerung, nun ein ,Verschulden‘ für die missbräuchlich überhöhten Preise der Jahre 2009-2011 anzuerkennen, um die Wasserkunden um ihre Schadensersatzansprüche zu prellen, zeigt, dass auch nach der Rekommunalisierung kein Umdenken stattgefunden hat. Wir warten weiterhin darauf, dass sich der Senat endlich offiziell für den Preismissbrauch entschuldigt und wirkliche Konsequenzen aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zieht. Bezogen auf den Prozess wäre es das Mindeste, dass die BWB bis zum Ausgang des Verfahrens eine Verjährungsverzichtserklärung an die Wasserkunden abgeben.“

Der Musterbrief für die Verjährungs-Verzichtserklärung

Sollten die BWB auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche für die Jahre 2009–2011 nicht freiwillig verzichten, fordern wir die Berliner Wasserkunden auf, sich mit dem anhängenden Musterbrief persönlich an die Wasserbetriebe zu wenden.

Weitere Forderungen des Berliner Wassertischs

Darüber hinaus fordern wir den Senat auf:

1. sich bei den Berliner Bürgern für den gerichtlich festgestellten Preismissbrauch zu entschuldigen, die Verantwortlichkeiten festzustellen und eine unbelastete Unternehmensleitung zu berufen;

2. die immer noch bestehende Holding-Konstruktion abzuschaffen und die Berliner Wasserbetriebe als nachhaltige, kundenfreundliche, transparente und demokratisch kontrollierte Eigenbetriebe zu führen; [vgl. Berliner Wassercharta, Punkt: 2b]

3. die für die Überteuerung verantwortlichen Preisfindungs-Systeme und Kalkulationsschemata, einschließlich der Gewinngarantie, abzuschaffen und die Trinkwasserpreise zumindest auf das Niveau der Vergleichsunternehmen zu senken;

4. die Höhe der Abwassergebühren, bei denen der Preismissbrauch vermutlich in ähnlicher Höhe wie beim Trinkwasser fortgeführt wird, von unabhängiger Stelle nach dem Verfahren des Bundeskartellamts überprüfen zu lassen.

Weitere Hinweise in der Zeitleiste

*Aktenzeichen: 6 O 348/15 (Kart)

Musterbrief doc

Pressemitteilung als pdf


Folgt Musterbrief:

[Absender] [Datum]

Berliner Wasserbetriebe
10864 Berlin

Kundennummer: …
Verbrauchsstelle: …

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe u. a. in den Jahren 2009, 2010 und 2011 von Ihnen Wasser bezogen. Wie Ihnen bekannt ist, hatte das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 4. Juni 2012, Az: B8-40/10, festgestellt, dass Ihre Wasserpreise in dieser Zeit kartellrechtswidrig überhöht waren. Das OLG Düsseldorf hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 24. Februar 2014,
Az: VI-2 Kart 4/12 (V), als rechtmäßig bestätigt.

Vor diesem Hintergrund steht mir als Wasserkunde ein Anspruch auf Rückzahlung der von mir für den Zeitraum 2009 bis 2011 geleisteten und kartellrechtswidrig überhöhten Wasserentgeltzahlungen zu. Dieser Anspruch kann u. a. auf § 33 GWB gestützt werden. Zu dieser Frage ist derzeit am Landgericht Berlin unter dem Az: 6 O 348/15 (Kart) bereits ein vergleichbares Klageverfahren einer Wasserkundin gegen Ihr Unternehmen anhängig.

Zur Vermeidung einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung biete ich Ihnen an, zunächst den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Hierfür ist es allerdings erforderlich, dass Sie mir gegenüber eine Verjährungsverzichtserklärung für die von mir geltend gemachten Rückforderungsansprüche abgeben. Sollten Sie hierzu nicht bereit sein, müsste ich selbst rechtliche Schritte gegen Sie einleiten.

Ich sehe Ihrer Antwort innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

—— Ende des Musterbriefs ——

Kontakt: Berliner Wassertisch

Wolfgang Rebel     Telefon: 0152 57 23 34 84                 c/o GRÜNE LIGA Berlin e.V.
Rainer Heinrich      Telefon: 030 / 915 092 41                  Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin
E-Mail:   webmaster@berliner-wassertisch.info                 Web: www.berliner-wassertisch.info
Twitter:   @BWassertisch                                             Facebook: http://facebook.com/BWassertisch

 

Rekommunalisierung paradox – Senatsverordnung sorgt weiterhin für Luxusgewinne aus überhöhten Wasserpreisen – PRESSEMITTEILUNG VOM 17.02.2015

Pressemitteilung vom 17. Febr. 2015 Mit Zinsen von 6,1%, die auf ein Kapital von ca. 4 Mrd. € berechnet werden, gehen weiterhin hohe Beträge in die Kalkulation der Frischwasser- und Abwasserpreise ein, die in Wirklichkeit gar nicht als Kosten entstehen. (Berlin, 17. Februar 2015) Wie in der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und … weiterlesen

Preismissbrauch BWB: Rückzahlungen für überhöhte Wasserpreise zwischen 2009 und 2011

Warum es richtig ist, Rückzahlungen für überhöhte Wasserpreise zwischen 2009 und 2011 auf privatrechtlichem Wege einzufordern

Berliner Wassertisch

Am 7. Mai 2014 hat das Bundeskartellamt in einer Presseerklärung über einen Vergleich mit den Berliner Wasserbetrieben berichtet. Danach verzichtet die Behörde darauf „eine Rückerstattung von überhöhten Preisen aus den Jahren 2009 bis 2011 anzuordnen“. Im Gegenzug verpflichten sich die BWB dazu, die für die Jahre 2012 bis 2015 vom Bundeskartellamt verfügte Senkung der Wasserpreise um weitere drei Jahre bis 2018 zu verlängern.

Es ist deutlich festzuhalten: Der Deal, den das Bundeskartellamt mit den BWB vereinbart hat, macht den Preismissbrauch in den Jahren 2009 – 2011 nicht ungeschehen. Die Wasserkunden werden für den von 2009 – 2011 festgestellten Preismissbrauch nicht entschädigt. Deshalb hätte dieser Deal nicht abgeschlossen werden dürfen.

Kartellamt und Wasserbetriebe behaupten zwar, dass die Vereinbarung vorteilhaft für die Wasserkunden sei. Das ist aber nicht der Fall. Von Vorteil wäre es gewesen, sie hätten für 2009 – 2011 Rückzahlungen bekommen und die Wasserpreise wären auch ohne diese Vereinbarung ab 2016 stabil geblieben. Es sind nach Aussage des BKartA schließlich mehr als 170 Mio. Euro, die nicht zurückgezahlt wurden.

Wenn Kartellamt und Wasserbetriebe so etwas vereinbaren und als vorteilhaft für die Wasserkunden propagieren, gehen sie im Grunde davon aus, dass ohne diesen Deal schon 2016 ein erneuter Preismissbrauch wie ein unvermeidbares Naturereignis stattgefunden hätte.

Unerträglich ist auch die Art und Weise, wie dieser Deal der Öffentlichkeit nach Gutsherrenart präsentiert wird. Dass die Preismissbrauchs-Summe von 170 Mio. für 2009-2011 entschädigungslos kassiert wird, ist keiner Erwähnung wert. Dass aber ab 2016 zunächst auf einen neuen Preismissbrauch verzichtet wird – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – wird als besonderes Geschenk an die BerlinerInnen hervorgehoben.

Nicht nur der Preismissbrauch beim Trinkwasser ist ein Skandal, gegen den die BerlinerInnen spätestens ab 2019 wieder werden aufstehen müssen. Die Kalkulation der Wasserpreise insgesamt – also auch der Abwasserpreise – muss auf den Prüfstand. So stellt das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 24.02.2014 (Rn 186) fest: „Letztlich beruhen die von der Betroffenen [damit sind die BWB gemeint] erzielten Gewinne fast ausschließlich auf den hohen kalkulatorischen Kosten.“ Die damals für die privaten Anteilseigner geschaffenen Kalkulationsmöglichkeiten, bei denen fiktive sogenannte kalkulatorische Kosten die Preise in die Höhe treiben, gelten immer noch und zwar – wie von Senatsseite bestätigt – für Trinkwasser und für Abwasser: „Eine Beschlusslage im Senat, die Kalkulationsgrundlagen, die für die Wasserversorgung und Entwässerung identisch sind, zu verändern, besteht derzeit nicht.“ (Quelle: Drucksache 17/14491)

Wenn jetzt Bürger versuchen, privatrechtlich gegen die Wasserpreisüberhöhung von 2010-2011* vorzugehen, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Zu tun bleibt allerdings wesentlich mehr.

Wolfgang Rebel, Pressesprecher Berliner Wassertisch

*) wegen eintretender Verjährung kann jetzt Wassergeld nur noch für das Jahr 2011 zurückgefordert werden

Mehr unter:

Pressemitteilung: VDGN und Berliner Wassertisch: Berliner Wasserkunden sollten Geld jetzt zurückfordern. (04.12.2014)

Musterschreiben (doc) aktualis. Version

Neu: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Ausfüllen eines Mahnantrags — sollten die BWB ablehnend reagieren — findet sich hier (PDF)

Zeitleiste Bundeskartellamtsverfahren

 

Berliner Wasserkunden sollten Geld jetzt zurückfordern – PRESSEMITTEILUNG VOM 04.12.2014

            Termin für Rückforderung der vom Kartellamt verordneten Preissenkung läuft ab! Am 24. Februar 2014 hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) bestätigt. Bislang haben die Wasserbetriebe jedoch nur einen Teil der missbräuchlichen Preisüberhöhung zurückgezahlt. (Berlin, 4. Dezember 2014) Die teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe (BWB) … weiterlesen

Berliner Zeitung: Berliner Wasserpreise fallen weiter

Berliner Zeitung 07.05.2014 Berliner Wasserpreise fallen weiter Von Jan Thomsen Jahrelang haben die Berliner viel für ihr Wasser gezahlt. Jetzt soll nach dem Trink- auch das Schmutzwasser günstiger werden. Einen Streit mit dem Kartellamt erklären die Wasserbetriebe für beendet. zum Artikel…