Schlagwort-Archive: Kommission

Fracking-Bundestagsabstimmung findet möglicherweise erst in der 19. Legislaturperiode statt

Bürgerinitiative STOP Fracking Wittenwitten
Presseerklärung

Bürgerinitiative STOP Fracking spricht mit Wittener Bundestagsabgeordneten:
Fracking soll nicht in dieser Legislaturperiode kommen!

2. Januar 2016

Mitglieder der Bürgerinitiative STOP Fracking haben mit den für Witten zuständigen Bundestagsabgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe (CDU) und Ralf Kapschack (SPD) gesprochen. Die Bürgerinitiative wollte bei beiden für ein umfassendes Fracking-Verbot werben. Die Bundesregierung hatte Rechtsänderungsgesetze zur Ermöglichung von Fracking auf den Weg gebracht. Ein Inkrafttreten der Gesetze sollte verhindert und ein umfassendes Frackingverbot erreicht werden.

„Die Gespräche verliefen in großer Offenheit und geprägt von gegenseitigem Respekt. Ralf Kapschack kann Fracking im Moment nicht verantworten. Fracking sollte aus seiner Sicht auf absehbare Zeit verboten sein, wenn Chemikalien dabei zum Einsatz kommen“, erläutert Richard Stanek das erste Gespräch. „Leider befürwortete Herr Kapschack (SPD) Forschungsbohrungen. Es ist nicht einzusehen, warum die Gasförderung mit der
umstrittenen Fracking-Technologie mit Steuermitteln erforscht werden soll, wenn aus Klimaschutzgründen das geförderte Gas nie verbrannt werden sollte“
, resümiert Richard Stanek von der Bürgerinitiative STOP Fracking das erste Gespräch.

Eindeutiger äußerte sich Dr. Brauksiepe auf die Fragen der Bürgerinitiative STOP Fracking. „Aus Sicht von Herrn Dr. Brauksiepe (CDU) ist das Thema Fracking in dieser Legislaturperiode vom Tisch. Der Gesetzentwurf wird aus seiner Sicht bis September 2017 nicht mehr behandelt werden. U. a. die im Gesetz geplante Kommission* zur Entscheidung über umstrittene Bohrungen im Schiefergestein und im Kohleflöz flacher als 3000 Meter sei nicht akzeptabel. Dr. Brauksiepe will diese wichtigen Entscheidungen im Parlament beraten und abstimmen und nicht einer Kommission überlassen“, erläutert Melanie Kalle von der Bürgerinitiative STOP Fracking. „Zudem hat uns gefreut, dass Herr Dr. Brauksiepe Fracking, wenn überhaupt, nur als Zwischenlösung akzeptieren könnte,“ fasst Melanie Kalle die Gespräche zusammen. Aus Sicht der Bürgerinitiative wird durch die Weiterentwicklung der regenerativen Energien das mit Fracking gewonnene Gas noch nicht einmal als Zwischenlösung benötigt.

Die Bürgerinitiative STOP Fracking – Bürgerinitiative Witten für sauberes Wasser ist mit den Ergebnissen der Gespräche sehr zufrieden. „Unser kontinuierlicher Kampf gegen Fracking trägt erste Früchte. Wir können bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 etwas aufatmen und neue Kräfte sammeln, um Fracking dann endgültig zu stoppen. In der Zwischenzeit werden wir selbstverständlich weiter Aktionen machen und Unterschriften sammeln“, schließt Melanie Kalle von der Bürgerinitiative STOP Fracking.

Kontakt:
Melanie Kalle
Email: stelmel@web.de

 

* Zur Kommission vgl. Gesetzentwurf ermöglicht kommerzielles Fracking durch das Votum einer nicht demokratisch legitimierten Expertenkommission. Kurzgutachten der Rechtskanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. im Auftrag des Naturschutzbund Deutschland. (2015); Michael Bauchmüller: Fracking-Gesetz könnte verfassungswidrig sein. In: SZ, 5.6.2015.

 

Investitionsschutz in TTIP: Kommission verweigert Systemwechsel

Halbherzige Reformen sollen massive Ausweitung des weltweiten Investitionsschutzes rechtfertigen

bündnisttip

Download der Analyse als PDF

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 16.09.2015 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Reform privater Schiedsgerichte im Rahmen des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) vor. Der heftig umstrittene ISDS-Mechanismus (Investor-State Dispute Settlement) erlaubt es Investoren, Staaten vor so genannten Schiedsgerichten auf enorme Entschädigungszahlungen zu verklagen. Dieses Mittel haben Konzerne in der Vergangenheit unter anderem dazu eingesetzt, Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz von Umwelt, Gesundheit oder VerbraucherInnen dienen.

Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission immer noch nicht zu einer grundlegenenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Unsere Analyse zeigt: Die Interessen von Investoren werden denen von Staaten und BürgerInnen übergeordnet, eine richterliche Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet. Zudem soll der Vertragstext zu CETA (Comprehensive Economy and Trade Agreement) von den Änderungen unberührt bleiben.

Der Vorschlag der EU-Kommission bietet keine überzeugende Antwort auf die Kritik an TTIP und kann nur als Versuch der kosmetischen Übertünchung von systemimmanenten Schwachstellen dienen.

Die Europäische Kommission versucht erfolglos, die breite öffentliche Kritik am geplanten Investitionsschutz im transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) durch den Vorschlag eines neuen „Investitionsgerichts“ zu besänftigen. Sie hält dabei weiter an den besonders umstrittenen Sonderklagerechten für ausländische Investoren fest (sog. Investor-State Dispute Settlement – ISDS). Sie erlauben es Investoren, vor internationalen Spruchkörpern mitunter enorme Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz der Gesundheit, der Umwelt, der Verbraucher oder der Beendigung von Finanz- und Wirtschaftskrisen dienen. Durch die Einführung solcher Klagerechte in TTIP würde die globale Reichweite von ISDS erheblich ausgedehnt und das Klagerisiko für die Staaten nochmals deutlich steigen – zulasten des Gemeinwohls auf beiden Seiten des Atlantiks.

Nach einer längeren europaweiten Reformdebatte hatte zuletzt auch das Europäische Parlament ein „neues System“ für die Streitbeilegung angemahnt, das demokratischen und rechtsstaatlichen Standards genügt. Zudem forderte es, dass ausländische Investoren nicht „über größere Rechte als inländische Investoren verfügen“ dürften. Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission noch immer nicht zu einer derart grundlegenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Eine nähere Analyse ergibt, dass der Entwurf sich trotz einiger positiver Ansätze weitgehend auf kosmetische Korrekturen des bestehenden ISDS-Systems beschränkt. Auch ist es der Kommission nicht gelungen, die materiellen Investorenrechte effektiv einzugrenzen. Sie würden ausländische Investoren gegenüber dem Gemeinwohl und konkurrierenden Unternehmen klar privilegieren. Auf den Kern der ISDS-Kritik geht sie kaum ein (siehe im Anhang die detaillierte Übersicht zu den einzelnen Kritikpunkten).

Festzuhalten ist zunächst, dass es noch immer keine überzeugenden Gründe für den Investitionsschutz in TTIP gibt. Ausländische Investoren genießen sowohl in der EU als auch in den USA starken Schutz durch das jeweilige nationale bzw. europäische Recht, der vor Gericht wirksam durchgesetzt werden kann. Einer besonderen völkerrechtlichen Absicherung bedarf es daher nicht. Dies hat auch die jetzige Bundesregierung stets betont.

Der Kommissionsvorschlag sieht einen privilegierten Schutz des Eigentums und der Gewinnerwartungen ausländischer Investoren vor und gibt ihnen also „größere Rechte“ als anderen. Sie gehen deutlich über ein Diskriminierungsverbot hinaus und können Investoren auch gegen einen legitimen demokratischen Politikwechsel absichern. Dabei wäre es leicht möglich, den materiellen Investitionsschutz stattdessen auf die bereits enthaltenen Diskriminierungsverbote zu reduzieren. Nur so wäre auch ein wirksamer Schutz staatlicher Regulierungsspielräume zur Verfolgung von Gemeinwohlinteressen gewährleistet. Der Ansatz der Kommission, dieses staatliche „right to regulate“ durch einen eigenen Vertragsartikel zu gewährleisten hat sich in der Praxis dagegen nicht bewährt. Er spielt bei der Entscheidung von Investorenklagen meist keine Rolle. In der nun vorgeschlagenen Fassung stellt das right to regulate nämlich nur eine vage Leitlinie bei der Interpretation der Investorenrechte dar – und bietet den Schiedsrichtern weiter viel Spielraum für eine investorenfreundliche Auslegung..

Die Investoren erhalten diese Privilegien, ohne selbst irgendwelche Pflichten auferlegt zu bekommen – etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen oder zur Beachtung von Menschen-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten sowie Gesundheits- und Umweltschutzstandards.

Das vorgeschlagene „Investment Court System“ (ICS) wäre nur dem Namen nach ein „Gericht“. Es dient allein der Durchsetzung von Investorenrechten gegenüber den Vertragsstaaten. Menschen, die von den Unternehmenspraktiken globaler Konzerne wie Lohndumping, fehlendem Arbeitsschutz, Landnahme und Umweltzerstörung betroffen sind, erhalten auch weiterhin keine Gelegenheit, notfalls internationalen Rechtsschutz gegen davon profitierende ausländische Investoren zu erlangen. Diese Einseitigkeit birgt die Gefahr, dass die Mitglieder des ICS sich ebenso wie die bisherigen ISDS-Schiedsrichter als institutionelle „Hüter der Investorenrechte“ verstehen – und deren Privilegien entsprechend weit auslegen. Wie alle mächtigen Institutionen neigen internationale Spruchkörper zur Erweiterung ihrer Kompetenzen. Umso bedenklicher ist, dass die Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit auch hier hinter gängigen rechtsstaatlichen Standards zurück bleibt. Die Schiedsrichter des ICS wären nebenamtlich tätig und würden im Wesentlichen pro Fall bezahlt, so dass sie auch ein finanzielles Interesse an einer hohen Zahl von Investorenklagen hätten. Gerade diese strukturellen Anreize für eine investorenfreundliche Rechtsprechung sind ein zentrales Problem der bisherigen Schiedsgerichtsbarkeit. Die naheliegende Lösung wären hauptberufliche Richter mit fallunabhängiger Besoldung und einem grundsätzlichen Nebentätigkeitsverbot, um Interessenkonflikte besser auszuschließen. Die Kommission hat dies selbst erkannt.. Dennoch begnügt sie sich insofern mit einer bloßen Option für nachträgliche Änderungen, die politisch kaum durchzusetzen sein werden.

Das ICS ist daher insgesamt keine überzeugende Antwort auf die Gefahren des ISDS-Systems. Dennoch enthält der Kommissionsentwurf einige Verbesserungen etwa gegenüber den Entwürfen der geplanten Abkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) und Singapur. So sollen die klagenden Investoren keinen Einfluss mehr auf die Auswahl der Schiedsrichter haben. Sie würden von den Vertragsstaaten vorab für eine feste Amtszeit bestimmt und für die einzelnen Fälle zufällig ausgewählt. Die Rechtssicherheit und die Kontrolle der Schiedsrichter würden durch eine neue Berufungsinstanz (Appeal Tribunal) und umfangreichere Anfechtungsmöglichkeiten gestärkt.

Umso bedenklicher erscheint es daher, dass die Kommission entschlossen ist CETA sogar ohne diese minimalen Änderungen zu ratifizieren. Der Investitionsschutz in CETA und TTIP kann nicht getrennt voneinander behandelt werden. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung Nordamerikas könnten die vielen US-Investoren mit Tochterfirmen in Kanada sich das jeweils günstigere Abkommen aussuchen. Die EU braucht daher ein einheitliches Konzept, das von vornherein in beiden Verträgen durchgehalten wird. In der jetzigen Fassung wären aber weder CETA noch TTIP zustimmungsfähig.

Wir wünschen eine spannende Lektüre!“

Zur Analyse (pdf)

PowerShift - Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- &
Weltwirtschaft e.V.
Greifswalder Str. 4 (Haus der Demokratie & Menschenrechte, Aufgang A, R.
1308) 10405 Berlin ** Deutschland/ Germany
Tel.: +49-(0)30-420 85 295
Alessa.Hartmann@power-shift.de ** http://power-shift.de