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Neue Studie: Parlamente in den EU-Mitgliedstaaten könnten TTIP und CETA zu Fall bringen

Mehr Demokratie e.V.
16.07.2015

Neue Studie: Parlamente in den EU-Mitgliedstaaten könnten TTIP und CETA zu Fall bringen

Juli 16, 2015

Die Ratifizierung von CETA und die Verhandlungen zu TTIP gehen deutlich langsamer voran als ursprünglich geplant. Wie die heftigen Auseinandersetzungen im EU-Parlament um die TTIP-Resolution gezeigt haben, ist der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die Abkommen immer erfolgreicher. Die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ hat eine Studie beim Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Köln zur Ratifizierung von CETA und TTIP in den Mitgliedstaaten in Auftrag gegeben. Danach sind gibt es hohe Hürden für die Ratifizierung von TTIP: Denn in 27 von 28 EU-Mitgliedstaaten müssen voraussichtlich die nationalen Parlamente über die Handelsabkommen abstimmen. Zudem wäre in 14 EU-Mitgliedstaaten eine Volksabstimmung zu TTIP möglich.
Von Charlie Rutz und Anne Dänner

Studie von Dr. Anna Eschenbach: „Die Ratifizierungsprozesse in den EU-Mitgliedstaaten – Eine Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der Freihandelsabkommen TTIP und CETA“


Die Studie lässt sich wie folgt zusammenfassen: 

  • TTIP und CETA müssen sehr wahrscheinlich auch in den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
  • In allen EU-Mitgliedstaaten bis auf Malta müssten die Parlamente zustimmen und könnten demnach TTIP und CETA zu Fall bringen.
  • In der Hälfte aller EU-Mitgliedstaaten wären Volksabstimmungen möglich.
  • Ob CETA und TTIP wie geplant ratifiziert werden können, ist viel unsicherer als die Befürworter/innen es darstellen.

1. Ratifizierung von CETA & TTIP in EU-Mitgliedstaaten: Warum ist das interessant?

  • Völkerrechtliche Verträge wie die Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) können auf verschiedene Weise ratifiziert werden: Ein reines EU-Abkommen („EU only“) würde die Mitgliedstaaten nur über den Europäischen Rat beteiligen und lediglich die Zustimmung des Europäischen Parlamentes erfordern. Ein „gemischtes Abkommen“ hingegen müsste zusätzlich (mindestens in Teilen) von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten verabschiedet werden.Nötig wird die Beteiligung der einzelnen Mitgliedsländer, wenn ein Abkommen Themen beinhaltet, für die die EU keine eigene Zuständigkeit besitzt. Sie ist dann auf die Mitgliedstaaten angewiesen, damit die Verpflichtungen aus diesen Abkommen eingehalten werden. Im Fall einer solchen “Kompetenzlücke” schließen die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsam das Abkommen mit dem Vertragspartner.
  • Es kann davon ausgegangen werden, dass TTIP, wahrscheinlich auch CETA, gemischte Abkommen sind: Laut EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sind CETA und TTIP „ziemlich wahrscheinlich“ gemischte Abkommen. Der EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero ist der Auffassung, dass manche Elemente von TTIP über die EU-Kompetenz hinausgingen und deswegen einer Ratifizierung durch die EU-Mitgliedstaaten bedürften.Auch die deutsche Regierung geht davon aus, dass es sich um gemischte Abkommen handelt. Für CETA hat Prof. Dr. Franz C. Mayer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums eine Studie erstellt, die zu dem Ergebnis kommt: CETA muss als gemischtes Abkommen geschlossen werden. Da TTIP noch weit umfangreicher ist, kann man davon ausgehen, dass dies auch für TTIP gilt.
  • Vor diesem Hintergrund hat Dr. Anna Eschbach vom Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität Köln die Ratifizierungsprozesse in den einzelnen Mitgliedstaaten untersucht. (Download der Studie)

2. Ratifizierung durch die Parlamente: Ein- oder Mehrkammernsysteme

  • In allen EU-Mitgliedstaaten bis auf Malta ist ein parlamentarisches Zustimmungsverfahren nötig – die jeweiligen Landesverfassungen definieren die Voraussetzungen für das parlamentarische Zustimmungsverfahren und legen fest, welche Kammern des jeweiligen Parlaments an der Entscheidung beteiligt sind.
  • In folgenden Staaten gibt es ein Einkammersystem: Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Portugal, Schweden, Slowakei, Ungarn, Zypern.
  • Durch zwei Parlamentskammern müssen CETA und TTIP in Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechien. Großbritannien ist das einzige Land, in dem die Verträge mit der Queen sowie dem Ober- und dem Unterhaus drei Kammern passieren müssen.


3. Wo wären Volksabstimmungen zur Ratifizierung möglich?

  • In der Hälfte aller Mitgliedstaaten wären Referenden über die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen grundsätzlich möglich: Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Litauen, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Ungarn, Großbritannien. Dabei müssen in den einzelnen Ländern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
  • In folgenden Ländern können Parlamente, Präsident/innen und/oder Regierungen Referenden auslösen: Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Österreich, Polen, Rumänien, Großbritannien.
  • In folgenden Ländern kann die Bevölkerung selbst ein Referendum anstoßen:

    Kroatien:
    10 Prozent der Wahlberechtigten können vom Parlament ein Referendum verlangen.

    Litauen:
    300.000 Bürger/innen können vom Parlament ein Referendum fordern.

    Slowakei:
    Eine Frage kann u.a. durch Bürgerpetition als „von öffentlichem Interesse“ definiert werden, dann prüft das Verfassungsgericht, ob eine Abstimmung verfassungskonform wäre.

    Ungarn:
    200.000 Wahlberechtigte oder 100.000 Wahlberechtigte und der/die Präsident/in können eine Volksabstimmung vorschlagen

    Niederlande:
    300.000 Bürger/innen können seit Juli 2015 ein unverbindliches Referendum vom Parlament fordern.

4. Was fordert „Stop TTIP“?

  • TTIP und CETA greifen tief in die Regulierungskompetenzen der Politik ein. Als völkerrechtliche Verträge engen sie die Entscheidungsspielräume der Parlamente ein, die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger wird eingeschränkt. Das darf nicht geschehen.
  • Wo Referenden zu CETA und TTIP möglich wären, sollten die Parlamente und Regierungen die Abkommen nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg beschließen.
  • Auf EU-Ebene wäre das Mindeste, offizielle Europäische Bürgerinitiativen (EBI) zur Verhandlung völkerrechtlicher Verträge zu ermöglichen. Sowohl eine ablehnend formulierte EBI als auch eine EBI vor Abschluss völkerrechtlicher Verträge sollte zulässig sein. Genau das verweigerte die Europäische Kommission unserer EBI „Stop TTIP“ – deshalb klagen wir derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof. (weitere Infos zur Klage gibt es hier…)

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