Schlagwort-Archive: TTIP

Nur noch 34 % Zustimmung zu TTIP in Deutschland

SPIEGEL online
16.10.2015

Umfrage zu Freihandelsabkommen:
Zustimmung zu TTIP sinkt auf neuen Tiefstand

Der Widerstand gegen TTIP wächst. Bei einer Großdemo am vergangenen Samstag machten Kritiker gegen die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada mobil. Jetzt zeigt auch eine aktuelle Umfrage, dass die Zustimmung zu TTIP in der Bevölkerung weiter gesunken ist.

anti TTIP Demo am 10.10.2015

  FotoCredit: Jakob Huber | CC BY-NC-SA 2.0

46 Prozent der Bürger halten TTIP inzwischen für „eine schlechte Sache“, ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Emnid, die im Auftrag der Organisationen Foodwatch und Campact durchgeführt wurde – beide entschiedene TTIP-Gegner. Nur noch 34 Prozent hielten TTIP demnach für „eine gute Sache“. Dies sei der niedrigste Wert seit Februar 2014. Damals bewerteten den Angaben zufolge noch 55 Prozent das Handelsabkommen als „gute Sache“ und 25 Prozent als „schlechte Sache“. Die Umfrage wurde seither sechs Mal mit identischer Fragestellung durchgeführt, um die Haltung der Bevölkerung in Deutschland gegenüber dem Abkommen abzufragen.

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250.000 demonstrieren in Berlin gegen TTIP, CETA und TiSA

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Zur Rolle der Medien:
Die Berichterstattung spielte die Zahl der TeilnehmerInnen herunter (hier war von 100.000 Teilnehmerinnen die Rede), und der Spiegel erzählte gar „Schauermärchen vom rechten Rand“.
Alexander Neubacher (Spiegel online): „Stoppt TTIP“-Demo: Schauermärchen vom rechten Rand.
„Doch bei den TTIP-Protesten sind die Rechten nicht Mitläufer, sondern heimliche Anführer. Die Geisteshaltung vieler Anti-TTIP-Aktivisten ist im Kern eine dumpf nationalistische. Offene Grenzen sind ihnen einen Gräuel, ob es nun um Menschen oder um Handelsbeziehungen geht. Die Kampagne gegen den Freihandel ist wie auf dem braunen Mist gewachsen.“
Dass es sich hier um eine Diffamierung der Demonstrierenden handelt, beweist die Studie vom ipb – Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Die WissenschaftlerInnen stellten fest: „Ein Großteil der TTIP-Demonstrierenden positioniert sich politisch eindeutig links. Linke und Grüne hätten unter den Demonstrierenden eine komfortable absolute Mehrheit. Nur die wenigsten würden für eine Partei stimmen, die sich für die Fortführung der TTIP-Verhandlungen ausgesprochen hat. Nur ein sehr geringer Anteil ordnet sich politisch rechts ein und hat an Pegida-Demonstrationen teilgenommen. Die vereinzelt in der Medienberichterstattung geäußerte Vermutung, dass sich ein beträchtlicher Teil rechtsstehender Menschen in der Mobilisierung gegen TTIP und CETA beteiligt habe, kann auf Grundlage unserer Daten nicht bestätigt werden.
sonntagsfrage

Bezüglich Marginalisierung der Demo stellt die Studie fest:
„Angesichts der Größe der Demonstration bemerkenswert ist es allerdings auch, wie wenige Spuren der Protest in der medialen Öffentlichkeit hinterlassen hat. Zwar haben alle größeren Zeitungen und Nachrichtensendungen über die Demonstration berichtet, aber über die abgesehen von ihrer Größe wenig spektakuläre, friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufene Demonstration wurde in den überregionalen Medien nicht ausführlich auf der Titelseite, sondern nur im Innenteil der Zeitungen berichtet.“ (S. 19)

Schon vor Erscheinen der Studie, nämlich am 14. Oktober, reagierte Petra Sorge (Cicero): TTIP-Demo in den Medien. War da was?
„Egal ob man für oder gegen TTIP ist: Das geplante Freihandelsabkommen verdient es, in den Medien diskutiert zu werden. Wird es aber nur unzureichend. Und, schlimmer: Wer gegen TTIP und CETA protestiert, droht in die rechte Ecke gestellt zu werden.“

Ebenso: 19. Oktober 2015 von Annette Sawatzki (Lobbycontrol): Diffamierung des TTIP-Protests: Einige Hinweise zu „heimlichen Anführern“

Im Ausland wurde über die Demo berichtet (vgl. bspw. Le Monde: A Berlin, des milliers de manifestants protestent contre le projet d’accord de libre-échange, 10.10.2015; The Guardian: Berlin anti-TTIP trade deal protest attracts hundreds of thousands, 10.10.2015)


Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat anlässlich der Großdemo eine TTIP-Werbeaktion gemacht. Dafür gab er Steuergelder in Höhe von 235.794 Euro aus. (vgl. Heise)

Die Politik war über die Größe der Demo überrascht. Sie macht allerdings weiter, als wäre nichts passiert.

Weiterer Bericht über die Demo: Pascal Beucker: Protest gegen Freihandelsabkommen. Links der Mitte. Wissenschaftler haben Anti-TTIP-Demonstranten befragt und herausgefunden: Die Mehrzahl ist hoch gebildet und protesterfahren. In: TAZ, 2.2.2016.

Die Studie vom Göttinger Institut für Demokratieforschung: „Stop-TTIP-Proteste in Deutschland“ (28.01.2016) ist hier als pdf downloadbar.

Pharmakonzerne wollen über TTIP unliebsame Beschränkungen loswerden

correctiv.org
10.10.2015

Weniger Transparenz, höhere Gewinne
von Justus von Daniels und Marta Orosz

Interne Dokumente zeigen: Die Pharma-Lobby möchte die TTIP-Verhandlungen nutzen, um die Karten im Gesundheitssektor neu zu mischen – und unliebsame Beschränkungen über Bord zu werfen. Im geplanten CETA-Abkommen hat sich die EU-Kommission schon Forderungen der Pharmaindustrie zu eigen gemacht.

Medikamente

  Foto: Wassertisch

Arzneimittelhersteller sehen in TTIP eine Chance, bestehende Beschränkungen in ihrem Sinne zu verändern. Hinter den Kulissen arbeiten ihre Lobbyisten unter anderem darauf hin:

  • dass Biopharmaka (biotechnologisch hergestellte Arzneimittel) länger von Patenten geschützt werden.
  • dass die Ergebnisse von klinischen Tests wie Geschäftsgeheimnisse behandelt werden und Forscher sie nur eingeschränkt verwenden dürfen.
  • dass Firmen mehr Einsicht in die Preisgestaltung der Mitgliedsstaaten bekommen.

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KMU: „Industrieverband spricht nicht für den Mittelstand“

Pressemitteilung

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Industrieverband spricht nicht für den Mittelstand“ – Initiative KMU gegen TTIP weist Aussagen der neuen BDI-Werbekampagne zurück

(Frankfurt, 5.10.2015) Die Wirtschaftsinitiative „KMU gegen TTIP“ verwahrt sich gegen den Anspruch des BDI, für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland zu sprechen. „So wie TTIP geplant ist, kann es die Existenz gerade vieler regional agierender Unternehmen gefährden“, so die Initiatorin der Kampagne Martina Römmelt-Fella, Geschäftsführerin Fella Maschinenbau GmbH.
Am kommenden Wochenende findet in Berlin die gemeinsame Anti-TTttip-demoIP-Demonstration von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und einem breiten Bündnis gesellschaftlicher Gruppen statt. Mit Blick auf die entscheidenden Wochen für TTIP hat der BDI eine von der Werbeagentur MSL Group gestaltete Plakatkampagne „Ein starkes TTIP für Deutschland“ an mehreren großen Plätzen gestartet. Darin sollen die „Vorteile und Chancen von TTIP für den deutschen und europäischen Handel, Arbeitnehmer, den Mittelstand und Verbraucher“ aufgezeigt werden.
„Dass der Mittelstand geschlossen hinter TTIP steht, ist eine mutwillige Falschaussage. Allein aus dem Kreis der Unternehmen hat der Aufruf ,KMU gegen TTIP‘ binnen kürzester Zeit rund 1250 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden, die sich weder vom BDI noch von den Industrieund Handelskammern vertreten fühlen“, erklärt Römmelt-Fella.
Während der BDI behauptet, KMU würden von „klaren und fairen Regeln profitieren“, wissen die Praktiker der betroffenen Unternehmen: So wie TTIP heute angelegt ist, nutzt es vor allem den großen Konzernen, die sich leichter neue Absatzmärkte erschließen und ihre Interessen wirkungsvoll gegen lokale Standards durchsetzen können. Unter den deutschen KMU exportiert dagegen nur eine sehr kleine Minderheit in die USA.

In dieses Abkommen wurde zu viel hinein gepackt: Öffentliche Daseinsvorsorge, Kultur, Landwirtschaft und mehr. Wir mussten zu dem Schluss kommen, dass diese Verhandlungen erst einmal gestoppt werden müssen, da das Abkommen von Grund auf zu breit angelegt ist. Für einen Neustart der Verhandlungen bestehen wir darauf, zur Positivliste zurückzukehren – also zu ,wissen, was drin ist‘. Verbunden mit konkreten Anforderungen an Standards, Transparenz und demokratischen Abläufe. Bei Neuverhandlungen darf es auch keine Einschränkung der Demokratie durch Regulierungsräte oder andere Verfahren mehr geben, die parlamentarische Entscheidungsverfahren aushöhlen würden“, so Initiatorin Martina Römmelt-Fella.

Frank Immendorf, Mitinitiator und Inhaber Messebau Egovision GmbH, ergänzt: „Dass der BDI hunderttausende Euro in die Hand nimmt, um ganz Berlin zu plakatieren, wird nichts nützen. Die Bürgerinnen und Bürger und die Vertreter der Unternehmen, die an fairem Handel interessiert sind, werden viel zahlreicher sein als die Plakate der Werbeagentur. Die Mittel des BDI hätte der deutsche Mittelstand für andere Projekte weit besser ausgeben können: Für die Stärkung von Umwelt-, Sozialund Verbraucherschutzstandards sowie für Maßnahmen zum Schutz regionaler
Wirtschaftsstrukturen etwa durch regionale Herkunftsnachweise.“

Mehr über die Initiative und unterzeichnen auf „KMU gegen TTIP“ – eine von mehr als 150 Unterstützerorganisationen der Demonstration
Pressekontakt: Kai Weller, Agentur Ahnen&Enkel
Mobil: 0176 24569084
Email: weller@ahnenenkel.com

Hintergrund:

Initiatoren des Aufrufes unter www.kmu-gegen-ttip.de sind die Inhaber/innen der Unternehmen Fella Maschinenbau GmbH (Odenwald bei Frankfurt a.M.), der Brauerei Clemens Härle KG (Leutkirch im Allgäu), der Egovision GmbH (Lohmar), der Ulrich Walter GmbH /Lebensbaum (Diepholz) und der Velokonzept Saade GmbH (Berlin). Aus ihrer Sicht verstößt TTIP gegen demokratische Verfahren, gefährdet die Standards in Europa und bringt Nachteile für ihre Unternehmen und die regionale Wirtschaft.

Dazu: Frankfurter Rundschau: „Firmen rebellieren gegen TTIP

 

3 Millionen Unterschriften für StopTTIP StopCETA

3mio

Hier kann noch unterschrieben werden!

Das Schiedsgericht (ISDS)

The Guardian / Der Freitag
30.09.2015

Das Schiedsgericht

von Claire Provost, Matt Kennard
Übersetzung von Michael Ebmeyer

Vor 50 Jahren wurde ein internationales Rechtssystem geschaffen, um Investoren zu schützen. Heute streichen Firmen damit Milliarden an Schadenersatz ein.

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Investitionsschutz in TTIP: Kommission verweigert Systemwechsel

Halbherzige Reformen sollen massive Ausweitung des weltweiten Investitionsschutzes rechtfertigen

bündnisttip

Download der Analyse als PDF

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 16.09.2015 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Reform privater Schiedsgerichte im Rahmen des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) vor. Der heftig umstrittene ISDS-Mechanismus (Investor-State Dispute Settlement) erlaubt es Investoren, Staaten vor so genannten Schiedsgerichten auf enorme Entschädigungszahlungen zu verklagen. Dieses Mittel haben Konzerne in der Vergangenheit unter anderem dazu eingesetzt, Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz von Umwelt, Gesundheit oder VerbraucherInnen dienen.

Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission immer noch nicht zu einer grundlegenenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Unsere Analyse zeigt: Die Interessen von Investoren werden denen von Staaten und BürgerInnen übergeordnet, eine richterliche Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet. Zudem soll der Vertragstext zu CETA (Comprehensive Economy and Trade Agreement) von den Änderungen unberührt bleiben.

Der Vorschlag der EU-Kommission bietet keine überzeugende Antwort auf die Kritik an TTIP und kann nur als Versuch der kosmetischen Übertünchung von systemimmanenten Schwachstellen dienen.

Die Europäische Kommission versucht erfolglos, die breite öffentliche Kritik am geplanten Investitionsschutz im transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) durch den Vorschlag eines neuen „Investitionsgerichts“ zu besänftigen. Sie hält dabei weiter an den besonders umstrittenen Sonderklagerechten für ausländische Investoren fest (sog. Investor-State Dispute Settlement – ISDS). Sie erlauben es Investoren, vor internationalen Spruchkörpern mitunter enorme Entschädigungen für staatliche Maßnahmen einzuklagen, die etwa dem Schutz der Gesundheit, der Umwelt, der Verbraucher oder der Beendigung von Finanz- und Wirtschaftskrisen dienen. Durch die Einführung solcher Klagerechte in TTIP würde die globale Reichweite von ISDS erheblich ausgedehnt und das Klagerisiko für die Staaten nochmals deutlich steigen – zulasten des Gemeinwohls auf beiden Seiten des Atlantiks.

Nach einer längeren europaweiten Reformdebatte hatte zuletzt auch das Europäische Parlament ein „neues System“ für die Streitbeilegung angemahnt, das demokratischen und rechtsstaatlichen Standards genügt. Zudem forderte es, dass ausländische Investoren nicht „über größere Rechte als inländische Investoren verfügen“ dürften. Der nun von Handelskommissarin Malmström vorgelegte Entwurf für das Investitionsschutzkapitel in TTIP zeigt aber, dass die Kommission noch immer nicht zu einer derart grundlegenden Reform des Investitionsschutzes bereit ist.

Eine nähere Analyse ergibt, dass der Entwurf sich trotz einiger positiver Ansätze weitgehend auf kosmetische Korrekturen des bestehenden ISDS-Systems beschränkt. Auch ist es der Kommission nicht gelungen, die materiellen Investorenrechte effektiv einzugrenzen. Sie würden ausländische Investoren gegenüber dem Gemeinwohl und konkurrierenden Unternehmen klar privilegieren. Auf den Kern der ISDS-Kritik geht sie kaum ein (siehe im Anhang die detaillierte Übersicht zu den einzelnen Kritikpunkten).

Festzuhalten ist zunächst, dass es noch immer keine überzeugenden Gründe für den Investitionsschutz in TTIP gibt. Ausländische Investoren genießen sowohl in der EU als auch in den USA starken Schutz durch das jeweilige nationale bzw. europäische Recht, der vor Gericht wirksam durchgesetzt werden kann. Einer besonderen völkerrechtlichen Absicherung bedarf es daher nicht. Dies hat auch die jetzige Bundesregierung stets betont.

Der Kommissionsvorschlag sieht einen privilegierten Schutz des Eigentums und der Gewinnerwartungen ausländischer Investoren vor und gibt ihnen also „größere Rechte“ als anderen. Sie gehen deutlich über ein Diskriminierungsverbot hinaus und können Investoren auch gegen einen legitimen demokratischen Politikwechsel absichern. Dabei wäre es leicht möglich, den materiellen Investitionsschutz stattdessen auf die bereits enthaltenen Diskriminierungsverbote zu reduzieren. Nur so wäre auch ein wirksamer Schutz staatlicher Regulierungsspielräume zur Verfolgung von Gemeinwohlinteressen gewährleistet. Der Ansatz der Kommission, dieses staatliche „right to regulate“ durch einen eigenen Vertragsartikel zu gewährleisten hat sich in der Praxis dagegen nicht bewährt. Er spielt bei der Entscheidung von Investorenklagen meist keine Rolle. In der nun vorgeschlagenen Fassung stellt das right to regulate nämlich nur eine vage Leitlinie bei der Interpretation der Investorenrechte dar – und bietet den Schiedsrichtern weiter viel Spielraum für eine investorenfreundliche Auslegung..

Die Investoren erhalten diese Privilegien, ohne selbst irgendwelche Pflichten auferlegt zu bekommen – etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen oder zur Beachtung von Menschen-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten sowie Gesundheits- und Umweltschutzstandards.

Das vorgeschlagene „Investment Court System“ (ICS) wäre nur dem Namen nach ein „Gericht“. Es dient allein der Durchsetzung von Investorenrechten gegenüber den Vertragsstaaten. Menschen, die von den Unternehmenspraktiken globaler Konzerne wie Lohndumping, fehlendem Arbeitsschutz, Landnahme und Umweltzerstörung betroffen sind, erhalten auch weiterhin keine Gelegenheit, notfalls internationalen Rechtsschutz gegen davon profitierende ausländische Investoren zu erlangen. Diese Einseitigkeit birgt die Gefahr, dass die Mitglieder des ICS sich ebenso wie die bisherigen ISDS-Schiedsrichter als institutionelle „Hüter der Investorenrechte“ verstehen – und deren Privilegien entsprechend weit auslegen. Wie alle mächtigen Institutionen neigen internationale Spruchkörper zur Erweiterung ihrer Kompetenzen. Umso bedenklicher ist, dass die Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit auch hier hinter gängigen rechtsstaatlichen Standards zurück bleibt. Die Schiedsrichter des ICS wären nebenamtlich tätig und würden im Wesentlichen pro Fall bezahlt, so dass sie auch ein finanzielles Interesse an einer hohen Zahl von Investorenklagen hätten. Gerade diese strukturellen Anreize für eine investorenfreundliche Rechtsprechung sind ein zentrales Problem der bisherigen Schiedsgerichtsbarkeit. Die naheliegende Lösung wären hauptberufliche Richter mit fallunabhängiger Besoldung und einem grundsätzlichen Nebentätigkeitsverbot, um Interessenkonflikte besser auszuschließen. Die Kommission hat dies selbst erkannt.. Dennoch begnügt sie sich insofern mit einer bloßen Option für nachträgliche Änderungen, die politisch kaum durchzusetzen sein werden.

Das ICS ist daher insgesamt keine überzeugende Antwort auf die Gefahren des ISDS-Systems. Dennoch enthält der Kommissionsentwurf einige Verbesserungen etwa gegenüber den Entwürfen der geplanten Abkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) und Singapur. So sollen die klagenden Investoren keinen Einfluss mehr auf die Auswahl der Schiedsrichter haben. Sie würden von den Vertragsstaaten vorab für eine feste Amtszeit bestimmt und für die einzelnen Fälle zufällig ausgewählt. Die Rechtssicherheit und die Kontrolle der Schiedsrichter würden durch eine neue Berufungsinstanz (Appeal Tribunal) und umfangreichere Anfechtungsmöglichkeiten gestärkt.

Umso bedenklicher erscheint es daher, dass die Kommission entschlossen ist CETA sogar ohne diese minimalen Änderungen zu ratifizieren. Der Investitionsschutz in CETA und TTIP kann nicht getrennt voneinander behandelt werden. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung Nordamerikas könnten die vielen US-Investoren mit Tochterfirmen in Kanada sich das jeweils günstigere Abkommen aussuchen. Die EU braucht daher ein einheitliches Konzept, das von vornherein in beiden Verträgen durchgehalten wird. In der jetzigen Fassung wären aber weder CETA noch TTIP zustimmungsfähig.

Wir wünschen eine spannende Lektüre!“

Zur Analyse (pdf)

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Über das jüngste TTIP-Märchen aus Brüssel

isw-muenchen.de 01.10.2015 Über das jüngste TTIP-Märchen aus Brüssel von Conrad Schuhler Das jüngste Märchen aus Berlin und Brüssel: Investor-Staat-Klageverfahren stünden nicht mehr zur Debatte – man würde sich auf öffentliche Gerichtsverfahren einigen. Das Investor-Staat-Klageverfahren (Investor-State-Dispute-Settlement, ISDS) steht mit im Zentrum der Kritik der TTIP-Gegner. Damit würde die private Schiedsgerichtsbarkeit über Schadenersatzforderungen der Unternehmen gegenüber Staaten … weiterlesen

Bringt TTIP mehr Verbraucher­schutz nach Europa?

Zeit-online
25.09.2015

Volkswagen
Verbraucherschutz, made in USA
von Petra Pinzler

VW spürt gerade, wie in den USA Verbraucherschutz läuft: über Strafprozesse und Sammelklagen. Viele sehen darin einen Beleg für die Vorteile von TTIP. Zu Recht?

VW-Abgas

  Foto: Bernd Kasper | pixelio.de

Sie sammeln Beweise. Sie prüfen und schlagen dann unerbittlich zu. Der Automobilkonzern Volkswagen erlebt es gerade und wird es noch viele Jahre spüren: Wer von einem amerikanischen Staatsanwalt dabei erwischt wird, wie er die Verbraucher oder die Umwelt schädigt, der muss mit extrem unangenehmen Folgen rechnen. Mit Strafprozessen und Klagen von Privatleuten. Mit Anwaltskosten in Millionenhöhe, ganz zu schweigen von den Strafen und dem Schadensersatz.
Die ersten Kommentatoren folgern nun daraus schon: Amerikas Verbraucherschutz funktioniert besser. Denn dort muss jeder Unternehmer aufpassen. Keiner will erleben, was VW passiert. Also, so ihre Analyse, ergänzen sich auch das amerikanische und das europäische Wirtschaftssystem doch ganz gut. Also wird auch das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP nicht für weniger, sondern für mehr Verbraucherschutz sorgen. Klingt schön. Nur, leider stimmt das nicht.

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Vattenfall-Klage beleuchtet Risiken durch TTIP Schieds­gerichte

Süddeutsche Zeitung
24.08.2015

Rückschlag für Vattenfall-Klage
Ein Freund wie ein Feind
von Markus Balser, Berlin

In dem Milliardenstreit um die Folgen des Atomausstiegs springt die EU-Kommission Deutschland bei. Brüssel hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Klage bei einem Schiedsgericht in den USA.

AKW

  Foto: Rosel Eckstein | pixelio.de

Der Ort, an dem der Streit zwischen Konzernen und Staaten eskaliert, liegt nicht weit entfernt vom Weißen Haus. In einem riesigen Gebäude der Weltbank hat einer der verschwiegensten und zugleich mächtigsten Schiedshöfe der Welt seinen Sitz: das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, kurz ICSID, in Washington. Der in Deutschland bekannteste Fall trägt die Nummer ARB/12/12: Vattenfall versus Federal Republic of Germany, so steht es in den ICSID-Akten. Streitpunkt: die finanziellen Folgen des deutschen Atomausstiegs. Exakt 4 675 903 975,32 Euro fordern die Schweden von der Bundesregierung zurück, weil der Bund nach der Katastrophe von Fukushima die Pannenkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel wegen Sicherheitsbedenken aus dem Verkehr zog.

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7. Zivilgesellschaftliches Außenwirtschaftsforum

Forum Umwelt und Entwicklung
Einladung und Programm zum Thema

EU Handelspolitik – Wohin geht die Reise?

Termin: Montag, 28. September, 18 – 21 Uhr
Ort: Langenbeck-Virchow-Haus, Luisenstr. 58/59, 10117 Berlin
Anmeldung erbeten an: Benno Wilhelm (Wilhelm@forumue.de)

Die Handelspolitik der EU ist Gegenstand heftiger Kontroversen geworden. 2.5 Millionen Menschen haben EU-weit binnen einen Jahres eine Initiative gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA unterschrieben. Die europäische Öffentlichkeit nimmt nicht länger hin, dass sie in der EU-Handelspolitik weder erfahren soll, was die Exekutive macht, noch mitreden und mitbestimmen soll. Die Ratifizierung des bereits ausverhandelten Abkommens mit Kanada ist fraglich geworden, TTIP ist umstrittener denn je. Doch parallel verhandelt die EU unter strenger Geheimhaltung eine ganze Reihe weiterer Freihandelsabkommen mit anderen Ländern und Regionen. Die Agenda geht im Grundsatz immer in dieselbe Richtung: Marktöffnung, Liberalisierung, Deregulierung, ausufernde Investitionsschutzrechte – eine Agenda, die in der Welthandelsorganisation WTO nicht durchsetzbar ist und in der Öffentlichkeit in nahezu allen demokratischen Ländern weltweit massiv kritisiert wird.
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TTIP und die europäische Klimapolitik

Fracking-Pumpe

  Foto: Joshua Doubek | CC_BY-SA_3.0

Blätter für deutsche und internationale Politik
August 2015

TTIP: Freifahrt für Fracking
von Malte Daniljuk

Die EU plant, künftig im Rahmen der neuen Europäischen Energieunion in großem Maßstab Gas und Erdöl aus Nordamerika zu importieren, das mit dem umweltschädlichen Frackingverfahren gefördert wurde. Auf diese Weise will Brüssel – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – eine radikale Kehrtwende in seiner Energieversorgung vollziehen, die zugleich die Abhängigkeit von Russland verringern soll.

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Sehenswert: Heute-Show zu TTIP und CETA

ZDF, Heute-Show, 18.09.2015