Schlagwort-Archive: TTIP

Leseempfehlung: Siegfried Broß zur Entstehung von Parallelwelten

Siegfried Broß*: Wenn rechtsstaatlich-demokratische Ordnungsrahmen stören oder hinderlich sind – Überlegungen zur Entstehung von Parallelwelten. In: Simplex Sigillum Veri. Festschrift für Wolfgang Krüger. Hrsg. v. Christian Hertel, Stephan Lorenz u. Christina Stresemann. München 2017, S. 533-544.

(Beck-Shop)

Ausschnitt: „Hingegen haben die regulatorische Zusammenarbeit, der Investorschutz und die private Schiedsgerichtsbarkeit eine ganz andere Qualität: In Anbetracht der Breite und Tiefe der im geplanten Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (wie auch Kanada) wird eine diese und die Europäischen Union mit ihren 28 Mitgliedstaaten umfassende autonome Rechtsordnung geschaffen. In der Zukunft hätte sich alles, was sich die Parlamentarier auf beiden Seiten des Atlantiks, die Regierungen der Mitgliedstaaten und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sowie der Kongress politisch gestaltend und in die Zukunft weisend für die Menschen, ihre Staaten und letztlich auch für die Weltgemeinschaft vorstellen, an dieser Vereinbarung auszurichten. Was aber vereinbart wurde und wie das in der Zukunft zu verstehen ist, bestimmen dann diese von den Wirtschaftsunternehmen und Vertragsbeteiligten nach deren Gutdünken zusammengesetzten privaten Schiedsgerichte. Auf diese Art und Weise gibt sich die parlamentarische rechtsstaatlich-demokratische staatliche Ordnung auf. Sie wird intransparenten wirtschaftlichen Interessengruppen ausgeliefert.“ (S. 540)

*Dr. h.c. Universitas Islam Indonesia – UII – Yogyakarta
Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D.
Richter am Bundesgerichtshof a.D.
Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau
Ehrenvorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Juristenkommission e.V. und der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe
Mitglied des Internationalen Beratungskomitees und Ehrenvorsitzender des Think tank Africacast von CAFRAD

Broß: Das Krankenhaus – ein kommerzieller Wirtschaftsbetrieb?

Siegfried Broß*: Das Krankenhaus – ein kommerzieller Wirtschaftsbetrieb?
Festvortrag auf dem 17. Bundeskongress des Bundesverband Deutscher Pathologen e.V. am 23. September 2017 in Berlin

A. Die Fragestellung

1. Aktualität
Das Thema des heutigen Vormittags ist nicht erst seit einigen Jahren aktuell. Vielmehr ist es in einen gesellschaftlichen Entwicklungsprozess eingebettet, der vor nunmehr etwa 30 Jahren (in einigen Bereichen auch schon früher) eingesetzt hat. Die Tragweite und Tiefe der Fragestellung, die Sie mir erfreulicherweise als Thema für den heutigen Vortrag vorgegeben haben, sind überaus vielschichtig, sehr komplex und zunehmend auch in der rechtsstaatlich-demokratischen Staatlichkeit intransparent. Letzteres wird seit nunmehr schon geraumer Zeit an bedrückenden Erscheinungsformen und Entwicklungen wie Finanzmarkt- und Euro-Krise wie auch der Manipulationen von Weltunternehmen bezüglich des Ausstoßes von Schadstoffimmissionen bis hin zu weit gespannten Kartellen im Automobilbereich deutlich. Nebenbei ist – wenn auch von der Politik nicht selten klein geredet – auf die für die Staatenwelt systemrelevanten Manipulationen von weltweit agierenden Bankinstituten hinzuweisen.
Was hat das mit der heutigen Fragestellung zu tun? Die Antwort erschließt sich erst bei einer umfassenden Betrachtungsweise und einer sehr differenzierten Herangehensweise an die vielfältigsten Ursachen.

Ob das Krankenhaus ein kommerzieller Wirtschaftsbetrieb ist, wird in der gesamten Tragweite nicht bei einer sehr eingeengten und vordergründigen, geradezu kleinkarierten betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise, erkennbar. Vielmehr ist die Problematik und dem entsprechend die Antwort unmittelbar und substantiell mit einem Kulturwandel verbunden. Möchte man – und das allein wird der Verantwortung gegenüber den Menschen und einer sich seit Jahrhunderten ändernden Welt mit vielen Rückschlägen und großen Opfern für die Menschen und persönliche Schicksale gerecht – zu einer ethisch und die Würde der Menschen wahrenden Antwort gelangen, kann dies angemessen nur mit den nachfolgenden weit ausgreifenden Überlegungen gelingen. weiterlesen

CETA stoppen! Gerechter Welthandel muss im Bundestagswahlkampf ein Thema sein!

ceta20170908

Foto: Uwe Hiksch

(Berlin, 8.9.2017) Das Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen! gab heute mit fast 100 Teilnehmer*innen den Auftakt vor dem Bundestag zum dezentralen CETA-Aktionstag. Bundesweit hat das Netzwerk Gerechter Welthandel anlässlich der Bundestagswahl am 24. September zum dezentralen CETA-Aktionstag am 9. September aufgerufen.

Ziel ist es, das Thema Gerechter Welthandel in den Wahlkampf zu tragen. Die Bevölkerung hat gezeigt, dass ihr das Thema sehr am Herzen liegt: Mehr als 250.000 Menschen sind 2015 gemeinsam gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen und mehr als 320.000 folgten dem Aufruf 2016. Über eine Million BundesbürgerInnen haben die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterzeichnet.

CETA-Aktionstag 2017
Foto: BUNDjugend Berlin

David Geier (NaturFreunde): „Es ist ein Skandal, dass CETA im Wahlkampf bislang kaum eine Rolle spielt. Wir von den NaturFreunden haben darum einen Wahlkampfspot für Kinos erstellt, in dem wir die Menschen auffordern, ihre Abgeordneten zur Rede zu stellen.“

Carmen Schultze (BUND Berlin): „Abkommen wie CETA schaden Mensch und Umwelt. Klimaschutz, Energie- und Agrarwende, Sozialstandards und Arbeitsrechte werden ausgehebelt.“

Wolfgang Rebel (Berliner Wassertisch): „Mit CETA wird gezielt die öffentliche Daseinsvorsorge angegriffen. Wer für eine öffentliche Daseinsvorsorge ist, der muss gegen CETA sein!“

Die Forderungen des Netzwerks lauten:

  • Nein zu CETA! – Keine Ratifikation des CETA-Vertrags durch den Deutschen Bundestag
  • Neoliberale Freihandelsabkommen verhindern! TTIP, JEFTA und TiSA stoppen!
  • Für einen gerechten Welthandel!

Mehr zum dezentralen Aktionstag hier und hier

logoleiste

Zum Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TISA stoppen! gehören:

NaturFreunde Berlin, Greenpeace Berlin, Berliner Wassertisch, DGB Region Berlin, GRÜNE LIGA, Attac Berlin, BUNDjugend Berlin, Mehr Demokratie, Arbeitskreis Internationalismus (IG Metall Berlin), Gen-ethisches Netzwerk, Anti Atom Berlin, PowerShift, BUND Berlin, FIAN Berlin

Fotos von der Aktion unter:
https://www.flickr.com/photos/uwehiksch/albums/72157686345937003/with/37106141875/

8.9. vor dem Bundestag: CETA stoppen – Für einen gerechten Welthandel!

Protest vor dem Bundestag:

CETA stoppen – Für einen gerechten Welthandel!

stopceta

Im Rahmen des bundesweiten dezentralen CETA-Aktionstages werden wir in Berlin eine Kundgebung und Aktion vor dem Deutschen Bundestag durchführen. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass unsere Forderungen für einen gerechten Welthandel im Wahlkampf gehört werden.

Vor dem Deutschen Bundestag werden wir ein Aktionsbild mit einem großen CETA-Vertrag und einem bunten Wimmelbild organisieren. Bringt bitte viele Fahnen und Transparente mit, damit wir unseren bunten und breiten Widerstand gegen CETA zeigen können. Von Parteifahnen bitten wir abzusehen.

Gemeinsam fordern wir:

Nein zu CETA! – Keine Ratifikation des CETA-Vertrags durch den Deutschen Bundestag!
Neoliberale Freihandelsabkommen verhindern! TTIP, JEFTA und TiSA stoppen!
Für einen gerechten Welthandel!

Wir treffen uns

Freitag, 08.09.2017
13.00 Uhr
Platz der Republik
(befestigte Fläche vor dem Deutschen Bundestag)

Organisator:
Berliner Netzwerk TTIP |CETA | TiSA stoppen!

Zum Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TISA stoppen! gehören:
NaturFreunde Berlin, Greenpeace Berlin, Berliner Wassertisch, DGB Region Berlin, GRÜNE LIGA, Attac Berlin, BUNDjugend Berlin, Mehr Demokratie, Arbeitskreis Internationalismus (IG Metall Berlin), Gen-ethisches Netzwerk, Anti Atom Berlin, PowerShift, BUND Berlin, FIAN Berlin

Vernissage „Von 7 bis 250 000 – Der Protest gegen TTIP & CETA in Berlin“

Einladung zur Ausstellungseröffnung
„Von 7 bis 250 000 – Der Protest gegen TTIP & CETA in Berlin“

Die Ausstellungseröffnung findet statt:
Freitag, 25.08.2017, 18.00 Uhr
NaturFreunde-Galerie, Paretzer Str. 7, 10718 Berlin
(S- und U-Bahnhof Heidelberger Platz)

Das Berliner „Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen!“ und die NaturFreunde Berlin laden zur Ausstellungseröffnung „Von 7 bis 250 000 – Der Protest gegen TTIP & CETA in Berlin“ ein. Mit einer Fotoausstellung mit mehr als 70 Bildern wird der Protest der letzten Jahre in Berlin gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen TTIP & CETA in eindrucksvollen und ausdrucksstarken Impressionen und Bildern gezeigt.

Das Motto „Von 7 bis 250 000 – Der Protest gegen TTIP & CETA in Berlin“ soll dabei aufzeigen, dass sich Bewegung nicht nur in Großdemonstrationen und spektakulären Aktionen zeigt, sondern in vielen kleinen Aktionen, Kundgebungen und Veranstaltungen. Die Ausstellung lässt Akteur*innen, Demonstrierende und Aktionen Revue passieren.
Der Protest hat aktiv dazu beigetragen, die Probleme der neoliberalen Freihandelsabkommen in eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Jetzt soll die Ausstellung anregen, mit dem Widerstand nicht nachzulassen und in den nächsten Jahren für eine Beendigung der neoliberalen Freihandelsabkommen zu streiten.

Die Ausstellung wird vom 25.08.2017 bis 29.09.2017 werktags von 10.00 bis 17.00 Uhr zu sehen sein. Bei Interesse können auch individuelle Termine und Führungen durch die Ausstellung abgesprochen werden. Bitte bei Uwe Hiksch, hiksch@naturfreunde.de, Tel.: 0176-62015902 melden.

Während der Ausstellung finden weitere Informationsveranstaltungen statt:
Politik konkret: Das Freihandelsabkommen EU-Japan JEFTA
Ort: NaturFreunde Berlin, Paretzer Str. 7, 10713 Berlin
Zeit: 07.09. 2017, 19.00 Uhr
Referenten:
David Geier, Beauftragter der NaturFreunde Deutschlands für Freihandelspolitik
Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands

Politik konkret: Geopolitische Hintergründe von TTIP, CETA & Co.
Ort: NaturFreunde Berlin, Paretzer Str. 7, 10713 Berlin
Zeit: 21.09. 2017, 19.00 Uhr

Zum Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TISA stoppen gehören:

NaturFreunde Berlin, Greenpeace Berlin, Berliner Wassertisch, DGB Region Berlin, GRÜNE LIGA, Attac Berlin, BUNDjugend Berlin, Mehr Demokratie, Arbeitskreis Internationalismus (IG Metall Berlin), Gen-ethisches Netzwerk, Anti Atom Berlin, PowerShift, BUND Berlin, FIAN Berlin

Erfolgreiche G20-Protestwelle

Trägerkreis G20 Protestwelle 02.07.2017 Bunt, friedlich und ausdrucksstark: Über 18.000 BürgerInnen trotzen dem schlechten Wetter und fordern einen Politikwechsel Hamburg, den 02. Juli 2017 – Mit einem Protestmarsch durch die Innenstadt, mit mehr als 130 Booten auf der Alster und einem Meer aus Bannern und Transparenten demonstrierten am Sonntag dem schlechten Wetter zum Trotz über … weiterlesen

Gutachten EuGH: Das Freihandelsabkommen mit Singapur kann in seiner derzeitigen Form nicht von der Europäischen Union allein geschlossen werden

www.curia.europa.eu
Presse und Information
Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 52/17
Luxemburg, den 16. Mai 2017
Gutachten 2/15

Das Freihandelsabkommen mit Singapur kann in seiner derzeitigen Form nicht von der Europäischen Union allein geschlossen werden

Die Bestimmungen des Abkommens zu anderen ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen und zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten fallen nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union, so dass das Abkommen in unveränderter Form nicht ohne die Mitwirkung der Mitgliedstaaten geschlossen werden kann weiterlesen

ZDF: TTIP – Totgesagte leben weiter: Wenn auch unter einem neuen Namen

Europ. Bürgerinitiative StopTTIP-StopCETA. URTEIL DES GERICHTS in der Rechtssache T‑754/14

InfoCuria – Rechtsprechung des Gerichtshofs

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. Mai 2017(*)

„Institutionelles Recht – Europäische Bürgerinitiative – Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen – Offenkundiges Fehlen von Befugnissen der Kommission – Vorschlag für einen Rechtsakt zur Anwendung der Verträge – Art. 11 Abs. 4 EUV – Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑754/14

Michael Efler, wohnhaft in Berlin (Deutschland), und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger(1), Prozessbevollmächtigter: Prof. Dr. B. Kempen,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch J. Laitenberger und H. Krämer, dann durch H. Krämer und schließlich durch H. Krämer und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C (2014) 6501 final der Kommission vom 10. September 2014, mit dem der Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter E. Buttigieg (Berichterstatter) und L. Calvo‑Sotelo Ibáñez‑Martín,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2016

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1 Der Rat der Europäischen Union ermächtigte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften durch Beschluss vom 27. April 2009 zur Aufnahme von Verhandlungen mit Kanada über den Abschluss eines Freihandelsabkommens, das später die Bezeichnung „Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen“ (Comprehensive Economic and Trade Agreement, im Folgenden: CETA) erhielt. Durch Beschluss vom 14. Juni 2013 ermächtigte der Rat die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über den Abschluss eines Freihandelsabkommens, das später die Bezeichnung „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (Transatlantic Trade and Investment Partnership, im Folgenden: TTIP) erhielt.

2 Am 15. Juli 2014 übermittelten die Kläger, Herr Michael Efler und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des zu diesem Zweck gegründeten Bürgerausschusses der Kommission einen Antrag auf Registrierung der geplanten Europäischen Bürgerinitiative (im Folgenden: EBI) „Stop TTIP“ (im Folgenden: geplante Bürgerinitiative). Die geplante Bürgerinitiative gibt als ihren Gegenstand an, „dass die Europäische Kommission dem Rat empfiehlt, das Verhandlungsmandat für das [TTIP] aufzuheben und das [CETA] nicht abzuschließen“. Die geplante Bürgerinitiative nennt als verfolgte Ziele: „TTIP und CETA [zu] verhindern, da sie mehrere kritische Punkte enthalten wie die Beilegung von Investor‑Staat‑Streitigkeiten und Regeln zur Zusammenarbeit in Regulierungsangelegenheiten, die eine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit darstellen[, zu] verhindern, dass Standards in den Bereichen Arbeit, Soziales, Umwelt, Privatsphäre und Verbraucherschutz in intransparenten Verhandlungen gesenkt und öffentliche Dienstleistungen (wie beispielsweise die Wasserversorgung) und Kulturgüter dereguliert werden“, und „eine alternative Handels- und Investitionspolitik der [Europäischen Union]“ zu unterstützen. Die geplante Bürgerinitiative führt die Art. 207 und 218 AEUV als ihre Rechtsgrundlage an.

3 Mit dem Beschluss C (2014) 6501 vom 10. September 2014 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) lehnte die Kommission unter Berufung auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative (ABl. 2011, L 65, S. 1) die Registrierung der geplanten Bürgerinitiative ab.

4 Es heißt darin im Wesentlichen, dass ein Beschluss des Rates über die Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens mit einem Drittland kein Rechtsakt der Europäischen Union sei und eine hierauf bezogene Empfehlung daher keinen geeigneten Vorschlag im Sinne von Art. 11 Abs. 4 EUV und Art. 2 Nr. l der Verordnung Nr. 211/2011 darstelle, da es sich bei einem solchen Beschluss um eine vorbereitende Maßnahme im Hinblick auf den späteren Beschluss des Rates handele, die Unterzeichnung des Abkommens in der verhandelten Fassung zu genehmigen und abzuschließen. Eine solche vorbereitende Maßnahme entfalte nur zwischen den betreffenden Organen Rechtswirkungen, verändere aber nicht das Unionsrecht, im Gegensatz zu dem Beschluss, ein bestimmtes Abkommen zu unterzeichnen und abzuschließen, der Gegenstand einer EBI sein könnte. Die Kommission schließt daraus, dass die Registrierung der geplanten Bürgerinitiative, soweit sie darauf gerichtet sei, sie aufzufordern, dem Rat eine Empfehlung für einen Beschluss vorzulegen, mit dem die Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss von TTIP aufgehoben werde, abzulehnen sei.

5 In dem angefochtenen Beschluss heißt es weiter, soweit die geplante Bürgerinitiative so verstanden werden könne, dass sie die Kommission dazu auffordere, dem Rat keine Vorschläge für Beschlüsse über die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA oder TTIP vorzulegen, oder dazu, ihm Vorschläge für Beschlüsse vorzulegen, die Unterzeichnung dieser Abkommen nicht zu genehmigen oder sie nicht abzuschließen, falle eine solche Aufforderung auch nicht in den Anwendungsbereich von Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 211/2011, wonach die EBI auf den Erlass von Rechtsakten der Union abziele, deren es bedürfe, um die Verträge umzusetzen, und die selbständige Rechtswirkungen erzeugten.

6 Der angefochtene Beschluss schließt mit dem Ergebnis, dass die geplante Bürgerinitiative daher offenkundig außerhalb des Rahmens liege, in dem die Kommission befugt sei, im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union zu unterbreiten, um die Verträge umzusetzen.

Verfahren und Anträge der Parteien

7 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 10. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

8 Die Kläger haben mit besonderem Schriftsatz, der am 15. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der mit Beschluss vom 23. Mai 2016, Efler u. a./Kommission (T‑754/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:306), zurückgewiesen wurde. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 17. Juli 2016 ein Rechtsmittel gemäß Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegt, das durch Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 29. September 2016, Efler u. a./Kommission (C‑400/16 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2016:735), zurückgewiesen wurde.

9 Die Kläger beantragen,

– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

10 Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

11 Zur Stützung ihrer Klage berufen sich die Kläger auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 4 EUV sowie die Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 211/2011 und zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend machen.

12 Was den ersten Klagegrund angeht, tragen die Kläger erstens vor, soweit die Ablehnung der Registrierung der geplanten Bürgerinitiative darauf beruhe, dass Beschlüsse des Rates, mit denen der Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft zugestimmt werden solle, vorbereitende Handlungen darstellten, bestritten sie nicht, dass diese Beschlüsse einen vorbereitenden Charakter hätten. Das sei jedoch auch bei Beschlüssen des Rates, mit denen der Unterzeichnung einer internationalen Übereinkunft zugestimmt werde, der Fall. Außerdem betreffe die Verordnung Nr. 211/2011 allgemein jeden Rechtsakt, ohne sich auf Rechtsakte mit endgültiger Wirkung zu beschränken. Weder die Entstehungsgeschichte der betreffenden Normen noch ihr systematischer Zusammenhang böten Anlass für eine enge Auslegung des Begriffs „Rechtsakt“. Schließlich würde ein Beschluss über die Aufhebung des Verhandlungsmandats der Kommission die Verhandlungen beenden, wäre rechtlich verbindlich und hätte demnach endgültigen Charakter.

13 Die Kläger tragen zweitens vor, soweit die Ablehnung der Registrierung der geplanten Bürgerinitiative darauf beruhe, dass Beschlüsse des Rates, mit denen der Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft zugestimmt werde, nur Wirkungen zwischen den fraglichen Organen entfalteten, verbiete es der weite Begriff des Rechtsakts in den Art. 288 bis 292 AEUV, Beschlüssen der Kommission, die außerhalb eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ergingen, die Qualität eines Rechtsakts abzusprechen und sie vom Anwendungsbereich der Bestimmungen über die EBI auszunehmen, da diese Beschlüsse rechtlich verbindlich seien. Weder aus dem Wortlaut, aus dem systematischen Zusammenhang noch aus dem Ziel der Verträge ergebe sich, dass der Grundsatz der Demokratie, auf dem die Union beruhe, nur auf von einem Rechtsakt betroffene Personen anwendbar sein solle. Die Kommission gerate auch in einen Widerspruch zu sich selbst, wenn sie im Übrigen anerkenne, dass eine bejahende europäische Akklamations-Bürgerinitiative, die auf die Unterzeichnung und den Abschluss eines thematisch und inhaltlich bereits festgelegen Abkommens gerichtet sei, zulässig sein solle.

14 Die Kläger tragen drittens vor, soweit der angefochtene Beschluss mit einem behaupteten „destruktiven“ Charakter der vorgeschlagenen Rechtsakte begründet werde, mit denen der Kommission das Verhandlungsmandat für den Abschluss von TTIP entzogen und dem Rat der Vorschlag unterbreitet werden solle, die Unterzeichnung von TTIP und CETA nicht zu genehmigen oder sie nicht abzuschließen, stehe solchen Vorschlägen nicht entgegen, dass der intendierte Rechtsakt nach Art. 11 Abs. 4 EUV und Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 der „Umsetzung der Verträge“ dienen müsse, da die angestrebten Maßnahmen auf eine wie auch immer geartete Operationalisierung der primärrechtlichen Kompetenzgrundlagen hinausliefen. Das allgemeine Recht der Bürger, sich am demokratischen Leben der Union zu beteiligen, schließe die Möglichkeit ein, darauf hinzuwirken, dass geltende Sekundärrechtsakte modifiziert, geändert und ganz oder teilweise aufgehoben würden. Die Registrierung der geplanten Bürgerinitiative führe zu einem deutlichen Mehr an öffentlicher Diskussion, was das primäre Ziel jeder EBI sei.

15 Des Weiteren könne zwar, wie die Kommission erstmals in ihrer Klagebeantwortung geltend gemacht habe, jede Art eines völkerrechtlichen Vertrags, mit dem ein bestehender Vertrag außer Kraft oder ein völlig neuer Vertrag in Kraft gesetzt werden solle, von einer EBI angestoßen werden, jedoch sei es widersprüchlich, dass sie nicht darauf gerichtet sein könne, den Abschluss eines in Verhandlung befindlichen Vertrags zu verhindern.

16 Zudem schließe ein Vorschlag an den Rat, CETA nicht zuzustimmen, nicht aus, dass geänderte Entwürfe transatlantischer Freihandelsabkommen später erarbeitet werden könnten.

17 Schließlich liege die geplante Bürgerinitiative jedenfalls nicht „offenkundig“ außerhalb des Rahmens der Befugnis der Kommission, wie es in Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 211/2011 verlangt sei.

18 Die Kommission bemerkt zunächst, dass die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 11 Abs. 4 EUV ins Leere gehe und dass die auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 AEUV erlassene Verordnung Nr. 211/2011 den Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Kommission betreffend die Registrierung einer EBI bilde.

19 Die Kommission macht sodann geltend, dass ein Beschluss des Rates, mit dem sie zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ermächtigt werde, im Gegensatz zu einem Beschluss des Rates, eine solche Übereinkunft zu unterzeichnen, einen lediglich vorbereitenden Charakter habe, da er nur im Verhältnis zwischen den Organen Rechtswirkungen entfalte. Eine systematische und teleologische Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 211/2011 führe jedoch zu der Schlussfolgerung, dass ein Rechtsakt mit lediglich vorbereitendem Charakter keinen Rechtsakt im Sinne dieser Bestimmungen darstelle.

20 Im Übrigen könnten nur Rechtsakte, die Rechtswirkungen über das Verhältnis zwischen den Unionsorganen hinaus entfalteten, Gegenstand einer EBI sein, da die demokratische Teilnahme, die sie fördern solle, darauf abziele, dass die Bürger an der Entscheidung über Angelegenheiten mitwirkten, die ihre eigene Rechtssphäre zumindest potenziell beträfen. Der Rat und die Kommission verfügten über hinreichende mittelbare demokratische Legitimation, um Rechtsakte zu erlassen, deren Rechtswirkungen sich auf die Organe beschränkten.

21 Des Weiteren werde mit der geplanten Bürgerinitiative die Regel umgangen, wonach die Kommission durch eine EBI nicht aufgefordert werden könne, einen bestimmten Rechtsakt nicht vorzuschlagen oder einen Beschluss vorzuschlagen, einen bestimmten Rechtsakt nicht zu erlassen. Der Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 211/2011 setze nämlich mit der Bezugnahme auf „ihr weiteres Vorgehen“ voraus, dass eine EBI nur dann zulässig sei, wenn sie auf den Erlass eines Rechtsakts bestimmten Inhalts – oder auf die Aufhebung eines bestehenden Rechtsakts – abziele. Würde die Kommission in ihrer Mitteilung gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 211/2011 ankündigen, keinen Vorschlag für einen entsprechenden Rechtsakt vorzulegen, würde dies zu einer nicht hinnehmbaren politischen Beschränkung ihres Initiativrechts führen. Außerdem könne die Funktion der EBI, die darin bestehe, die Kommission zu veranlassen, sich mit dem den Gegenstand der EBI bildenden Thema öffentlich auseinanderzusetzen und auf diese Weise eine politische Debatte in Gang zu setzen, nur durch eine geplante Bürgerinitiative, die auf den Erlass eines Rechtsakts mit bestimmtem Inhalt – oder auf die Aufhebung eines bestehenden Rechtsakts – abziele, in vollem Maße erfüllt werden. Eine EBI, die auf den Nicht-Erlass eines Ratsbeschlusses abziele, könne nicht mehr die Funktion erfüllen, eine solche politische Debatte überhaupt erst in Gang zu setzen, und würde eine unzulässige Einmischung in den Ablauf eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens bedeuten.

22 Schließlich habe ein Ratsbeschluss über die Nicht-Annahme von TTIP oder CETA, wie er in der geplanten Bürgerinitiative vorgeschlagen werde, keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem bloßen Nicht-Erlass eines Ratsbeschlusses über die Genehmigung des Abschlusses des Abkommens, so dass ein solcher Beschluss rechtlich überflüssig sei. Eine EBI mit einem solchen Ziel sei daher funktional äquivalent zu einer EBI, die auf das Unterlassen eines Vorschlags für einen Rechtsakt abziele, und als solche somit unzulässig.

23 Das Gericht weist darauf hin, dass gemäß Art. 11 Abs. 4 EUV Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern können, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.

24 Wie es im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 211/2011 heißt, mit der das Europäische Parlament und der Rat gemäß Art. 24 Abs. 1 AEUV die Bestimmungen über die Verfahren und Bedingungen, die für eine EBI im Sinne des Art. 11 EUV gelten, festgelegt haben, stärkt der EU-Vertrag die Unionsbürgerschaft und führt zu einer weiteren Verbesserung der demokratischen Funktionsweise der Union, indem u. a. festgelegt wird, dass jeder Bürger das Recht hat, sich über eine EBI am demokratischen Leben der Union zu beteiligen (Urteile vom 30. September 2015, Anagnostakis/Kommission, T‑450/12, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2015:739, Rn. 26, und vom 19. April 2016, Costantini u. a/Kommission, T‑44/14, EU:T:2016:223, Rn. 53 und 73). Weiter heißt es in diesem Erwägungsgrund, dass dieses Verfahren den Bürgern, ähnlich wie dem Parlament gemäß Art. 225 AEUV und dem Rat gemäß Art. 241 AEUV, die Möglichkeit bietet, sich direkt an die Europäische Kommission zu wenden, damit sie einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union zur Umsetzung der Verträge unterbreitet.

25 Zu diesem Zweck definiert Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 die EBI als eine Initiative, die der Kommission vorgelegt wird und in der die Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse „geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Bürgern eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen“, und die die Unterstützung von mindestens einer Million teilnahmeberechtigten Unterzeichnern aus mindestens einem Viertel aller Mitgliedstaaten erhalten hat.

26 Gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung Nr. 211/2011 verweigert die Kommission die Registrierung einer geplanten Bürgerinitiative, wenn sie offenkundig außerhalb des Rahmens liegt, in dem die Kommission befugt ist, einen „Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen“.

27 Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmt, dass die Kommission, wenn bei ihr eine EBI gemäß Art. 9 der Verordnung eingeht, innerhalb von drei Monaten ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zur EBI sowie „ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür“ darlegt.

28 In Bezug auf die Tragweite der geplanten Bürgerinitiative haben die Kläger auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage klargestellt, dass sie nicht zum Ziel habe, die Kommission dazu aufzufordern, dem Rat keinen Vorschlag für einen Rechtsakt über die Zustimmung zur Unterzeichnung von TTIP und CETA und zum Abschluss dieser Abkommen zu unterbreiten, sondern dass sie darauf gerichtet sei, die Kommission aufzufordern, dem Rat zum einen einen Vorschlag für einen Rechtsakt des Rates zu unterbreiten, mit dem das Verhandlungsmandat für den Abschluss von TTIP aufgehoben werde, und zum anderen einen Vorschlag für einen Rechtsakt des Rates, der der Kommission untersage, TTIP und CETA zu unterzeichnen und diese Übereinkünfte abzuschließen.

29 Des Weiteren betrifft die vorliegende Klage nicht die Zuständigkeit der Union zur Verhandlung von TTIP und CETA, sondern die Kläger beanstanden die Gründe, die im angefochtenen Beschluss für die Weigerung angeführt wurden, die geplante Bürgerinitiative zu registrieren, soweit diese darauf abzielt, das Verhandlungsmandat für den Abschluss von TTIP zu beenden sowie die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA und TTIP zu verhindern.

30 In diesem Zusammenhang geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Kommission der Auffassung ist, der Umstand, dass ein Beschluss des Rates, mit dem sie zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ermächtigt werde, einen lediglich vorbereitenden Charakter habe und ausschließlich im Verhältnis zwischen den Organen Rechtswirkungen entfalte, verwehre es, diesen Beschluss als Rechtsakt im Sinne der fraglichen Regelungen einzustufen und die geplante Bürgerinitiative zu registrieren, soweit sie auf die Aufhebung eines solchen Beschlusses abziele. Das gelte auch für die geplante Bürgerinitiative, soweit die Kommission mit dieser aufgefordert werde, dem Rat einen Vorschlag über einen Beschluss vorzulegen, der Unterzeichnung der fraglichen Abkommen oder ihrem Abschluss nicht zuzustimmen, da ein solcher Beschluss keine eigenständigen Rechtswirkungen entfalte, wohingegen die EBI gemäß Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 auf den Erlass von Rechtsakten hinwirken wolle, deren es bedürfe, „um die Verträge umzusetzen“; das sei vorliegend nicht der Fall.

31 Wie bereits ausgeführt verweigert die Kommission die Registrierung geplanter Bürgerinitiativen, die offenkundig außerhalb des Rahmens liegen, in dem sie befugt ist, einen „Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen“.

32 Es steht fest, dass die Kommission dem Rat auf eigene Initiative einen Vorschlag für einen Rechtsakt unterbreiten kann, mit dem ihr das Verhandlungsmandat entzogen wird, durch das sie zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ermächtigt wurde. Auch ist die Kommission nicht daran gehindert, dem Rat einen Vorschlag für einen Beschluss vorzulegen, mit dem er der Unterzeichnung einer ausgehandelten Übereinkunft letztlich nicht zustimmt oder diese nicht abschließt.

33 Dennoch macht die Kommission geltend, dass solche Rechtsakte nicht Gegenstand einer geplanten EBI sein könnten, und trägt zum einen vor, der Akt, Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Vereinbarung aufzunehmen, habe vorbereitenden Charakter und entfalte keine Rechtswirkungen außerhalb der Organe, und zum anderen bedürfe es dieser Rechtsakte, deren Erlass vorgeschlagen werde, nicht, „um die Verträge umzusetzen“.

34 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien darin einig sind, dass ein Beschluss des Rates, mit dem die Kommission gemäß den Art. 207 und 218 AEUV zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ermächtigt wird, eine vorbereitende Handlung im Hinblick auf einen späteren Beschluss über die Unterzeichnung und den Abschluss einer solchen Übereinkunft darstellt und dass sie lediglich Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Organen der Union entfaltet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Kommission/Rat, C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 40, und vom 16. Juli 2015, Kommission/Rat, C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 28).

35 Nach zutreffender Ansicht der Kläger ist der Begriff des Rechtsakts im Sinne von Art. 11 Abs. 4 EUV, Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 211/2011 jedoch mangels gegenteiliger Hinweise und entgegen der Auffassung der Kommission nicht dahin zu verstehen, dass er ausschließlich auf endgültige Rechtsakte der Union beschränkt ist, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten.

36 Weder der Wortlaut der fraglichen Bestimmungen noch die mit ihnen verfolgten Ziele rechtfertigen insbesondere, dass ein Beschluss, mit dem der Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines internationalen Abkommens zugestimmt wird, wie hier von TTIP und CETA, der auf der Grundlage von Art. 207 Abs. 3 und 4 AEUV und Art. 218 AEUV erlassen wurde und der offensichtlich einen Beschluss gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Kommission/Rat, C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 40, und vom 16. Juli 2015, Kommission/Rat, C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 28), für die Zwecke einer EBI nicht unter den Begriff des Rechtsakts fällt.

37 Der Grundsatz der Demokratie, der, wie u. a. in der Präambel des EU‑Vertrags, in Art. 2 EUV sowie in der Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgeführt wird, zu den grundlegenden Werten gehört, auf die die Union sich gründet, und das mit dem Instrument der EBI spezifisch verfolgte Ziel, die demokratische Funktionsweise der Union zu verbessern, indem jedem Bürger ein allgemeines Recht auf Beteiligung am demokratischen Leben eingeräumt wird (vgl. oben, Rn. 24), erfordern es vielmehr, eine Auslegung des Begriffs des Rechtsakts zugrunde zu legen, die Rechtsakte wie den Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft mit einschließt, die unbestreitbar eine Änderung der Rechtsordnung der Union herbeiführen soll.

38 Die von der Kommission vertretene Auffassung, wonach sie und der Rat über hinreichende mittelbare demokratische Legitimation verfügten, um Rechtsakte zu erlassen, die keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten, hätte nämlich zur Folge, die Inanspruchnahme des Instruments der EBI als Instrument der Beteiligung der Unionsbürger an der Rechtssetzungstätigkeit der Union im Wege des Abschlusses internationaler Übereinkünfte stark einzuschränken. Sofern die im angefochtenen Beschluss angeführte Begründung gegebenenfalls so verstanden werden kann, dass sie die Unionsbürger letzten Endes daran hindert, eine Aufnahme von Verhandlungen über einen neuen zu verhandelnden Vertrag mit Hilfe einer EBI vorzuschlagen, widerspräche dies offensichtlich den mit den Verträgen sowie mit der Verordnung Nr. 211/2011 verfolgten Zielen und wäre demnach nicht zulässig.

39 Die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung, wonach der Beschluss, die Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss von TTIP aufzuheben, für die Zwecke einer geplanten EBI deswegen nicht unter den Begriff des Rechtsakts falle, da diese Zustimmung selbst wegen ihres vorbereitenden Charakters und mangels Außenwirkung nicht unter diesen Begriff falle, ist folglich ebenfalls zurückzuweisen. Wie die Kläger zutreffend ausgeführt haben, gilt das umso mehr, als ein Beschluss, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft aufzuheben, nicht als vorbereitende Handlung einzustufen ist, da er diese Verhandlungen beendigt, sondern insoweit endgültigen Charakter hat.

40 Ferner führt die Kommission als weiteres Argument gegen die Registrierung der geplanten Bürgerinitiative an, dass die Rechtsakte des Rates, auf deren Erlass diese Initiative hinwirken wolle, namentlich Beschlüsse des Rates, TTIP und CETA nicht zu unterzeichnen oder nicht abzuschließen, „destruktive“ Rechtsakte seien, die nicht „zur Umsetzung der Verträge“ erfolgten und folglich nicht Gegenstand einer EBI sein könnten.

41 Hierauf ist zu antworten, dass die Regelungen über die EBI keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, dass es undenkbar wäre, mit der Bürgerbeteiligung den Erlass eines Rechtsakts zu verhindern. Gewiss muss der intendierte Rechtsakt nach Art. 11 Abs. 4 EUV und Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 zwar der Umsetzung der Verträge dienen, dies ist jedoch durchaus der Fall bei Rechtsakten, die die Verhinderung des Abschlusses von TTIP und CETA zum Gegenstand haben, mit denen die Rechtsordnung der Union geändert werden soll.

42 Wie die Kläger zu Recht ausgeführt haben, schließt das mit dem Verfahren der EBI verfolgte Ziel der Beteiligung am demokratischen Leben der Union offenkundig die Möglichkeit ein, zu beantragen, dass geltende Rechtsakte ganz oder teilweise geändert oder aufgehoben werden.

43 Somit besteht auch kein Grund, Rechtsakte, die auf die Aufhebung eines Beschlusses abzielen, mit dem der Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines internationalen Abkommens zugestimmt wird, wie auch Rechtsakte, mit denen die Unterzeichnung und der Abschluss eines solchen internationalen Abkommens verhindert werden soll, die – entgegen der Auffassung der Kommission – unbestreitbar autonome Rechtswirkungen besitzen und gegebenenfalls eine angekündigte Änderung des Unionsrechts verhindern, von der demokratischen Debatte auszuschließen.

44 Die von der Kommission vertretene Auffassung, wie sie sich aus dem angefochtenen Beschluss zu ergeben scheint, würde letzten Endes bedeuten, dass sich eine EBI nur auf den Beschluss des Rates beziehen könnte, internationale Übereinkünfte abzuschließen oder ihrer Unterzeichnung zuzustimmen, bei denen die Unionsorgane die Initiative ergriffen hätten und die sie zuvor verhandelt hätten. Dagegen wären die Unionsbürger daran gehindert, das Verfahren der EBI in Anspruch zu nehmen, um vorzuschlagen, solche Übereinkünfte zu ändern oder sie aufzugeben. Zwar hat sich die Kommission vor dem Gericht dahin eingelassen, dass eine EBI gegebenenfalls auch den Vorschlag für die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft enthalten könne. In diesem Fall besteht jedoch kein Grund, den Organisatoren einer geplanten Bürgerinitiative aufzuerlegen, den Abschluss einer Übereinkunft abzuwarten, um anschließend nur deren Zweckmäßigkeit anfechten zu können.

45 Das Argument der Kommission, dass die Rechtsakte, die sie gemäß der geplanten Bürgerinitiative dem Rat unterbreiten soll, zu einer nicht hinnehmbaren Einmischung in den Ablauf eines laufenden Rechtssetzungsverfahrens führen würden, greift daher nicht durch. Das mit der EBI verfolgte Ziel besteht nämlich darin, den Unionsbürgern zu ermöglichen, ihre Mitwirkung am demokratischen Leben in der Union zu verstärken, und zwar u. a. dadurch, dass sie der Kommission detailliert die durch die EBI aufgeworfenen Fragen darlegen, die Kommission auffordern, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union zu unterbreiten, nachdem sie die EBI gegebenenfalls im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Parlament gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 211/2011 vorgestellt und somit eine demokratische Debatte angeregt haben, ohne den Erlass des Rechtsakts abwarten zu müssen, dessen Änderung oder Aufgabe letztlich angestrebt wird.

46 Diese Möglichkeit zuzulassen, verstößt daher auch nicht gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, der für den organisatorischen Aufbau der Union kennzeichnend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2015, Rat/Kommission, C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 64), da es der Kommission obliegt, zu entscheiden, ob sie einer EBI Fortgang gewährt, indem sie gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 211/2011 in einer Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der EBI sowie ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür darlegt.

47 Demzufolge ist die geplante Bürgerinitiative, die von einer Einmischung in den Gang eines laufenden Rechtssetzungsverfahrens weit entfernt ist, Ausdruck der wirksamen Beteiligung der Unionsbürger am demokratischen Leben der Union und stellt das von den Verträgen gewollte institutionelle Gleichgewicht nicht in Frage.

48 Schließlich steht nichts dem entgegen, dass das „[weitere] Vorgehen bzw. [der] Verzicht auf ein weiteres Vorgehen“ der Kommission im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 211/2011 darin bestehen kann, dem Rat den Erlass von Rechtsakten vorzuschlagen, auf die die geplante Bürgerinitiative abzielt. Entgegen den Ausführungen der Kommission wären die Unionsorgane in einem solchen Fall durch nichts daran gehindert, neue Entwürfe transatlantischer Freihandelsabkommen zu verhandeln und die Abkommen sodann abzuschließen, nachdem der Rat die Rechtsakte erlassen hat, die Gegenstand der geplanten Bürgerinitiative sind.

49 Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission gegen Art. 11 Abs. 4 EUV und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 211/2011 verstoßen hat, indem sie die Registrierung der vorgeschlagenen Bürgerinitiative abgelehnt hat.

50 Folglich ist dem ersten Klagegrund und damit der Klage insgesamt stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, auf den zweiten Klagegrund einzugehen.

Kosten

51 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kläger die Kosten des vorliegenden Verfahrens sowie die Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Beschluss C (2014) 6501 final der Kommission vom 10. September 2014, mit dem der Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten von Herrn Efler und den weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Klägern, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Kanninen

Buttigieg

Calvo‑Sotelo Ibáñez‑Martín

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Mai 2017.

Der Kanzler

Der Präsident

E. Coulon

M. Prek

* Verfahrenssprache: Deutsch.

(1) Die Liste der weiteren Kläger ist nur der Fassung beigefügt, die den Parteien mitgeteilt wird.

Zur Website

Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-754/14 Efler u.a./ Kommission

Presse und Information
Gericht der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 49/17
Luxemburg, den 10. Mai 2017
Urteil in der Rechtssache T-754/14
Michael Efler u. a. / Kommission

Das Gericht der Europäischen Union erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig, mit dem die Registrierung der geplanten Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ abgelehnt wurde

Die geplante Bürgerinitiative stellt keine unzulässige Einmischung in den Gang des Gesetzgebungsverfahrens dar, sondern löst zur rechten Zeit eine legitime demokratische Debatte aus.

Im Juli 2014 beantragte ein Bürgerausschuss, dem Herr Michael Efler angehört, bei der Kommission, die geplante Europäischen Bürgerinitiative[1] „Stop TTIP“ zu registrieren. Mit dieser Initiative wird die Kommission im Wesentlichen aufgefordert, dem Rat zu empfehlen, das ihr erteilte Verhandlungsmandat für TTIP[2] aufzuheben, und schließlich, CETA[3] nicht abzuschließen.

So sieht der Vorschlag vor,
– TTIP und CETA zu verhindern, da die Entwürfe der Abkommen mehrere kritische Punkte enthalten würden (Verfahren zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten, Regeln zur Zusammenarbeit in Regulierungsangelegenheiten, die eine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit darstellen würden),
– zu verhindern, dass (i) Standards in den Bereichen Arbeit, Soziales, Umwelt, Privatsphäre und Verbraucherschutz in intransparenten Verhandlungen gesenkt und (ii) öffentliche Dienstleistungen (wie beispielsweise die Wasserversorgung) und Kulturgüter dereguliert würden, und
– „eine alternative Handels- und Investitionspolitik der Europäischen Union“ zu unterstützen.
Die Kommission hat mit ihrem Beschluss vom 10. September 2014[4] die Registrierung der geplanten Bürgerinitiative abgelehnt, da diese außerhalb ihrer Befugnisse liege, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union unterbreiten zu können, um die Verträge umzusetzen.
Der Bürgerausschuss hat daraufhin vor dem Gericht der Europäischen Union Klage erhoben und begehrt die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission.

Mit seinem heutigen Urteil gibt das Gericht der Klage statt und erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig.
Das Gericht weist die von der Kommission vertretene Auffassung zurück, wonach der Beschluss, mit dem ihr die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss von TTIP entzogen werden soll, nicht Gegenstand einer Europäischen Bürgerinitiative sein könne. Nach Auffassung der Kommission fällt ein solcher Beschluss deswegen nicht unter den Begriff des Rechtsakts, da die Ermächtigung selbst wegen ihres vorbereitenden Charakters und mangels Außenwirkung nicht unter diesen Begriff falle.

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht u. a. fest, dass der Grundsatz der Demokratie, der zu den grundlegen[den] Werten gehört, auf die die Union sich gründet, sowie das der Europäischen Bürgerinitiative zugrunde liegende Ziel (nämlich die demokratische Funktionsweise der Union zu verbessern, indem jedem Bürger ein allgemeines Recht auf Beteiligung am demokratischen Leben eingeräumt wird), es erfordern, eine Auslegung des Begriffs des Rechtsakts zugrunde zu legen, die Rechtsakte wie den Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines internationalen Abkommens (wie TTIP und CETA) mit einschließt, das unbestreitbar eine Änderung der Rechtsordnung der Union herbeiführen soll.

Das Gericht stellt außerdem fest, dass kein Grund besteht, Rechtsakte, die auf die Aufhebung eines Beschlusses abzielen, mit dem der Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines internationalen Abkommens zugestimmt wird, sowie Rechtsakte, mit denen die Unterzeichnung und der Abschluss eines solchen internationalen Abkommens verhindert werden sollen, von dieser demokratischen Debatte auszuschließen.

Es weist das Argument der Kommission zurück, wonach die Rechtsakte, auf die die fragliche Bürgerinitiative abziele, zu einer nicht hinnehmbaren Einmischung in den Gang eines laufenden Rechtssetzungsverfahrens führen würden. Das mit der Europäischen Bürgerinitiative verfolgte Ziel besteht nämlich darin, den Unionsbürgern zu ermöglichen, ihre Mitwirkung am demokratischen Leben in der Union zu verstärken, und zwar u. a. dadurch, dass sie der Kommission detailliert die durch die Bürgerinitiative aufgeworfenen Fragen darlegen und die Kommission auffordern, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union zu unterbreiten, nachdem sie die Bürgerinitiative gegebenenfalls im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Parlament vorgestellt und somit eine demokratische Debatte angeregt haben, ohne den Erlass des Rechtsakts abwarten zu müssen, dessen Änderung oder Aufgabe letztlich angestrebt wird.

Diese Möglichkeit zuzulassen, verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, da der Kommission die Entscheidung obliegt, ob sie einer registrierten und mit den erforderlichen Unterschriften versehenen Europäischen Bürgerinitiative Fortgang gewährt, indem sie in einer Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der Bürgerinitiative sowie ihr eventuelles weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür darlegt.

Dem Gericht zufolge steht nichts dem entgegen, dass das eventuelle weitere Vorgehen der Kommission darin bestehen kann, dem Rat den Erlass von Rechtsakten vorzuschlagen, auf die die fragliche Bürgerinitiative abzielt. Entgegen den Ausführungen der Kommission wären die Unionsorgane in einem solchen Fall durch nichts daran gehindert, neue Entwürfe transatlantischer Freihandelsabkommen zu verhandeln und die Abkommen sodann abzuschließen, nachdem der Rat die Rechtsakte erlassen hat, die Gegenstand dieser Bürgerinitiative sind.

1 Nach der Regelung über die Europäische Bürgerinitiative können Unionsbürger, wenn es sich um mindestens eine Million Bürger aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten handelt, die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse dem Unionsgesetzgeber einen geeigneten Vorschlag zu Fragen zu unterbreiten, bei denen sie einen Rechtsakt der Union zur Umsetzung der Verträge für erforderlich halten. Bevor die Organisatoren beginnen können, die erforderliche Anzahl an Unterschriften zu sammeln, müssen sie die europäische Bürgerinitiative bei der Kommission registrieren lassen, die insbesondere ihren Gegenstand und ihre Ziele prüft. Die Kommission kann die Registrierung u. a. dann ablehnen, wenn der Gegenstand der Bürgerinitiative offenkundig nicht in einen Bereich fällt, in dem sie befugt ist, dem Unionsgesetzgeber einen Rechtsakt zur Umsetzung der Verträge vorzuschlagen.

2 Mit Beschluss vom 14. Juni 2013 hatte der Rat die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über den Abschluss eines Freihandelsabkommens ermächtigt, das später die Bezeichnung „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (in Englisch „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ oder „TTIP“) erhielt.

3 Mit Beschluss vom 27. April 2009 hatte der Rat die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit Kanada über den Abschluss eines Freihandelsabkommens ermächtigt, das später die Bezeichnung „Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen“ (in Englisch „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ oder „CETA“) erhielt.

4 Beschluss C (2014) 6501.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.


Pressemitteilung des EuG als pdf

Website CURIA: Nr. 49/2017 : 10. Mai 2017: Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-754/14 Efler u.a./ Kommission als pdf in den Sprachen bg es cs de el en fr hr it hu nl pl pt ro sk sl

TTIP ist nicht tot!

(5.5.2017) Wir haben das Gerede vom Ende des TTIP ohnehin nie geglaubt. Artikel zum Wiedergänger TTIP (der Name könnte in Zukunft ein anderer sein. Wir werden berichten)

Trotz TTIP-Fehlschlag. Merkel fordert neuen Anlauf für Handelspakt mit USA. In: Spiegel, 5.5.2017.

Zur Wiedervorlage von TTIP schreibt das Umweltinstitut München: Kommt TTIP mit Trump zurück?, 27.04.2017. Campact dazu: Zurück aus dem Gefrierschrank: Warum TTIP noch nicht erledigt ist. 3.5.2017.

Widerstand ist (noch) möglich:

Bereits am 2. Juli starten wir in Hamburg die Protestwelle. Wir werden gegen TTIP, CETA und die anderen Investitionsschutzabkommen auf die Straße und aufs Wasser gehen. Und am 8. Juli findet dort  eine Großdemo unter dem Motto „Global gerecht statt G20“ statt.

„Wer gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung eintritt, kann, ja muss auch der grenzenlosen Freiheit des Kapitals den Kampf ansagen.“

Mit Freihandel gegen Trump?
von Dierk Hirschel

„Nach der Wahl Donald Trumps proben die deutschen Eliten den Aufstand der Anständigen: So ruft etwa BDA-Chef Ingo Kramer die Bürger auf, sich Populismus und Nationalismus im Alltag offensiv entgegenzustellen. Die deutsche Wirtschaft verteidigt aber nicht nur die Freiheit des Individuums, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, sondern vor allem die Freiheit des Kapitals [] Die Alternative zu uneingeschränkt offenen Märkten besteht in einer sozial gerechten Gestaltung der Globalisierung. Internationale Handelsabkommen müssen Arbeitnehmerrechte, die öffentliche Daseinsvorsorge, Umwelt und Kultur schützen. Wer gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung eintritt, kann, ja muss auch der grenzenlosen Freiheit des Kapitals den Kampf ansagen.“ Zum vollständigen Artikel

Gemeinsame Abschlusserklärung der zweiten TTIPunfairHandelbar Strategie- und Aktionskonferenz

Zeit für eine neue Wirtschafts- und Handelspolitik!

Wir haben TTIP einstweilen gestoppt. Breite Bündnisse und Bewegungen in den Ländern Europas und den USA haben dafür gesorgt, dass die geplanten Deals zugunsten von Konzerninteressen und zu Lasten von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen, der Umwelt, der bäuerlichen Landwirtschaft u.v.m. bislang verhindert werden konnten und die weiteren Verhandlungen festgefahren sind. CETA hat zwar noch die Hürde des Europaparlaments geschafft, braucht aber nun die Ratifizierung in allen EU-Mitgliedstaaten. Reißt es eine dieser Hürden, wandert es in den Mülleimer der Geschichte, und dort gehört es hin. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass CETA die Zustimmung in Bundestag und Bundesrat nicht erhält. Auch die Gefahren des geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA werden immer offensichtlicher und das Abkommen immer mehr in Frage gestellt.

Aber TTIP, CETA, TiSA und auch das europäisch-japanische Handelsabkommen JEFTA sind nur Symptome einer falschen Wirtschafts- und Handelspolitik. Auch ohne diese Abkommen ist die Welt nicht wieder in Ordnung. Jahrzehnte neoliberaler Globalisierungspolitik haben zu krasser und wachsender Ungleichheit geführt. Strukturanpassungsprogramme haben diese Probleme meist noch verschärft. Wenn es in Schwellenländern Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut gegeben hat, so sind diese oft durch den gezielten Schutz von entstehenden Industriebranchen vor Handelsliberalisierung erreicht worden. Ein Drittel der Menschen in Deutschland ist in einem weiter wachsenden Niedriglohnsektor gefangen, in Südeuropa ist die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen auf Rekordhöhe gestiegen. Von der dringend notwendigen Transformation unseres Wirtschaftens zur Nachhaltigkeit sind wir weit entfernt. Die bäuerliche Landwirtschaft kämpft weltweit ums Überleben.

Doch Europas Regierungen und die EU-Kommission setzen unbeirrt weiter auf diese zerstörerische Politik. Millionen Menschen haben nicht nur gegen TTIP und CETA demonstriert und unterschrieben, sondern gegen diese Politik. Sie machen das nicht mehr mit und sie wollen diese Politik auch nicht mehr wählen. Es ist Aufgabe der demokratischen Parteien, dieser Mehrheit eine Stimme zu geben und einen Politikwechsel herbeizuführen. Dafür werden wir auch in diesem Jahr streiten.

Wer jetzt glaubt, als Antwort auf Brexit und Trump erst recht auf die alte marktradikale Globalisierungspolitik setzen zu müssen, spielt mit dem Feuer. Neoliberalismus und Austeritätspolitik sind nicht die Alternative zu Trump, Brexit & Co, sondern eine der Ursachen dafür. Diese Politik muss deshalb endlich aufhören, sonst bekommen wir mehr Trumps und mehr Nationalismus.

Wir brauchen eine bessere Regulierung und Besteuerung von Konzernen, keine Paralleljustiz für Konzerne. Wir brauchen eine Neuorientierung hin zu globalen sozialen Rechten und Menschenrechten, keinen globalen Konkurrenzkampf aller gegen alle. Wir brauchen eine bäuerliche Landwirtschaft in der Region für die Region, keine weltmarktorientierte Agrarindustrie. Wir brauchen den Schutz und die Wiederherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge, nicht ihre Kommerzialisierung. Wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaft in den ökologischen Grenzen des Planeten, keine Intensivierung von Naturausbeutung und Umweltzerstörung.

Völkerrechtlich verbindliche Abkommen, welche lange entwickelte Kriterien wie das Vorsorgeprinzip, die Kernarbeitsnormen und den Klima- und Umweltschutz wieder in Frage stellen, nutzen nur kurzfristigen Kapitalinteressen, nicht aber den Menschen. Dafür brauchen wir eine grundlegende Neuorientierung der europäischen Wirtschafts- und Handelspolitik und wir wissen eine Mehrheit der Menschen hinter dieser Forderung.

Daher fordern wir ein Moratorium für alle derzeit verhandelten Freihandelsabkommen. Alle diese Verhandlungsmandate müssen veröffentlicht werden – und sie müssen in einer demokratischen und ergebnisoffenen breiten öffentlichen Diskussion neu ausgerichtet werden. Eine EU-Kommission, die dies weiter blockiert und die alte Politik auf Biegen und Brechen gegen die Menschen durchsetzen will, ist auf dem falschen Weg. Es ist Zeit für eine neue Politik!

Wir brauchen ein Europa der Menschen, welches nach innen und außen eine Politik der Offenheit und demokratischen, emanzipatorischen Entwicklung vertritt, in welcher die Menschen nicht aus Angst voreinander, sondern miteinander leben und arbeiten. Dabei geht es um den Schutz der Grundlagen für ein Leben in Würde – auch für die Zukunft. Es geht um gerechtere Verteilung, nicht darum, dass Shareholder immer reicher werden, während Arme und die Mittelschicht immer unsicherer leben. Es geht um Solidarität und Gemeinwohlorientierung als Wertebasis der Politik.

Geheimverhandlungen, Paralleljustiz für Konzerne, die Zustimmung der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten zu CETA trotz des Widerspruchs zu eigenen Beschlüssen, die zugegeben vorgespielten Tränen der kanadischen Ministerin bei den Verhandlungen – das nährt den Boden für Trump, AfD und den Aufstieg der Rechten in Europa. Demokratie braucht Transparenz und die Beteiligung aller, nicht weniger. Das einzufordern ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Dafür werden wir weiter arbeiten.

Wir werden in diesem Jahr verstärkt Alternativen zur herrschenden Wirtschafts- und Handelspolitik entwickeln, diskutieren und verbreiten. Wirtschaftswachstum auf Kosten von Mensch und Umwelt lehnen wir ab. Auch werden wir den Druck auf die Politik weiter erhöhen.

Auf der Konferenz haben wir uns über erfolgreiche Aktionen ausgetauscht und über eine Vielfalt von lokalen und regionalen Aktionen beraten. Wir rufen dazu auf, diese Aktionen mit Leben zu füllen und gemeinsam zum Erfolg zu führen. Insbesondere unterstützen wir:

­– Zivilgesellschaftliche Lobbyaktionen von Organisationen, regionalen Bündnissen und Einzelpersonen an Parteien und Parlamente, bundesweite Aktionen / einen bundesweiten Aktionstag gegen CETA & Co, um Druck auf die Parteien auszuüben, in Bundestag und Bundesrat gegen die Ratifizierung von CETA zu stimmen.

– Initiativen für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung und Transparenz in Politik und Verwaltung auf allen Ebenen, einschließlich der EU-Ebene, und in allen Institutionen, insbesondere vollständige Offenlegung aller Dokumente und Bürgerbeteiligung bei Handelsverträgen.

­– Aktionen auf kommunaler Ebene, wie z.B. Kommunale TTIP-kritische Zonen, Aktionen zum Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge und der öffentlichen Güter sowie gegen voranschreitenden Privatisierungen.

– Friedliche Protestaktionen zum G20-Gipfel in Hamburg.


Die Abschlusserklärung wurde im Rahmen der zweiten TTIPunfairHandelbar Strategie- und Aktionskonferenz am 24./25.03.2017 in Kassel verabschiedet.

 

Erklärung als pdf

 

 

Sehr spannend: Vortrag von Prof. Dr. Scherrer von der Universität Kassel zum Thema „US-amerikanische Handelspolitik unter Trump“.

Weitere Videos der Veranstaltung hier

Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen!

Das Berliner Netzwerk hat auf dem Aktionsaustausch zwei Aktionen aus 2016 vorgestellt: Den CETA-Markt der UnMöglichkeiten und „CETA wegbassen!“



Rezeption: taz: NGO-Chef über Freihandelsabkommen. „Martin Schulz sagt keinen Ton“, 24.03.2017.
Die Proteste gegen die Freihandelsabkommen werden weitergehen, sagt Jürgen Maier. Er ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.