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Privatisierung der Wasserversorgung durch TTIP/CETA/TiSA. Christa Hecht (AöW) schreibt den Abgeordneten des EU-Parlaments

Brief vom 4. Juni 2014AöW e.V.

AöW zu den INTA-Empfehlungen über einen EP-Bericht zu den TTIP-Verhandlungen [A8-0175/2015 v. 01.06.2015] :

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

aus dem Verfahrensgang für das Europäische Parlament können wir ersehen, dass Sie sich mit den o.g. Empfehlungen über die laufenden TTIP-Verhandlungen befassen und am 10. Juni 2015 im Plenum über einen EP-Bericht (sogenannte „Resolution“) abstimmen werden. Als Interessenvertretung der sich in öffentlicher Hand befindlichen Betriebe, Unternehmen und Verbände der Wasserwirtschaft wenden wir uns an Sie. Wir möchten Ihnen hierzu kurze Hinweise geben und bitten um Unterstützung der Belange der Wasserwirtschaft als Hüterin des besonderen Gutes Wasser, das gerade keine Handelsware ist.

Im Einzelnen zum konsolidierten INTA-Berichtsentwurf vom 01.06.2015 [Dok-Nr. A8-0175/2015] :
[expand title=“weiterlesen …“ swaptitle=“ “ trigclass=“arrowright“ alt=“zur Fortsetzung des Briefs“]
Hybridlisten-Ansatz [Punkt 1.(b).(v)]
In den Empfehlungen zum Marktzugang für Dienstleistungen erachten wir den Hybridlisten-Ansatz nach wie vor für nicht ausreichend zur Absicherung des Gemeinwohls. Erforderlich ist nach unserer Ansicht eine ausdrückliche Ablehnung des Negativlisten-Ansatzes und die Forderung nach einem Positivlisten-Ansatz sowohl für den Marktzugang als auch für die Inländerbehandlung.
Wir befürchten mit einer Negativliste für die Inländerbehandlung als Auswirkung eine Verstärkung von Privatisierung und Liberalisierung im Wassersektor. Dies gilt selbst dann, wenn einige Mitgliedstaaten bestimmte Bereiche der Wasserwirtschaft aus den Verpflichtungen zur Inländerbehandlung ausdrücklich herausnehmen. Solange nicht alle Mitgliedstaaten diesen Vorbehalt haben, kann bei einer solchen Negativliste über die Regelungen im Freihandelsabkommen durch die Hintertür Liberalisierung- und Privatisierung erwirkt werden und eine solche Ausnahme in einzelnen Mitgliedstaaten ausgehebelt werden.

Stillstands- und Ratchet-Klauseln [Punkt 1.(b).(v)]
Zu den Stillstands- und Ratchet-Klauseln weisen wir darauf hin, dass diese nicht nur den Entscheidungsspielraum von Kommunen für Rekommunalisierungen einschränken, sondern solche Entscheidungen von vornherein möglicherweise ausschließen. Dies gilt selbst dann, wenn wie in dem Berichtsentwurf die Stillstands- und Ratchet-Klauseln auf die Nichtdiskriminierung beschränkt sind. Mit diesen Klauseln können insbesondere zukünftige restriktive Privatisierungsbedingungen verhindert werden. Auch die kommunale Entscheidung, eine Privatisierung rückgängig zu machen und zu rekommunalisieren, könnte als Diskriminierung ausgelegt werden. Wir weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips hin.
Daneben schränken die Stillstands- und Ratchet-Klauseln die zukünftige Entwicklung kommunaler Daseinsvorsorge sowie die kommunale Organisations- und Gestaltungsfreiheit ein. Dem steht u.a. aber Artikel 345 AEUV, wonach die Eigentumsordnungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt gelassen werden, entgegen.

Gemeinsame Erklärung der Verhandlungsführer [Punkt 1.(b).(vii)]
Die gemeinsame Erklärung der Verhandlungsführer vom 20.03.2015 zu öffentlichen Dienstleistungen zerstreut unsere Bedenken gerade nicht, dass öffentliche Dienste von den Freihandelsabkommen betroffen sein könnten und damit eine Kommerzialisierung öffentlicher Aufgaben eintreten könnte bei der das Gemeinwohl in den Hintergrund rückt.
Insoweit sollte in dem Bericht des EP ausdrücklich und deutlich ein wirksamer Ausschluss der „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ und „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ aus dem TTIP gefordert werden. Auch sollte in der Empfehlung formuliert werden, dass dabei die Mitgliedstaaten und die Kommunen einen weiten Spielraum haben, der nicht lediglich in „Ausnahmeregelungen“ für öffentliche Dienstleistungen besteht, sondern durch primäre Absicherung öffentlicher Verantwortung für solche (kommunalen) Angelegenheiten im Interesse der Bürger.

Staatliche Unternehmen [Punkt 1.(b).(xv)]
Wir erachten die Formulierung „to ensure that private companies can compete fairly with state-owned or state-controlled companies;“ zu staatlichen und staatlich kontrollierten Unternehmen in Punkt 1.(b).(xv) äußerst kritisch. Sie bedeutet, dass private Unternehmen uneingeschränkt mit staatlichen Unternehmen in Wettbewerb treten können sollen. Für Bereiche, in denen ein Wettbewerb aber der Aufgabenerbringung mehr schaden als nutzen kann. Für den Bereich der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ finden sich in dieser Empfehlung keine Ausnahmen, obwohl gerade solche in Art. 106 Abs. 2 AEUV für „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ festgelegt sind. Ohne den Bezug auf Art. 106 Abs. 2 AEUV bedeutet dies für solche Dienstleistungen die Liberalisierung und damit die Öffnung für den Wettbewerb. Davon wäre sogar die Wasserversorgung betroffen.
Mit dieser Formulierung wird der gesamteuropäische Konsens, wie er sich im Vertrag von Lissabon und in den AEUV findet, dass die Aufgaben der Daseinsvorsorge eine besondere vom Wettbewerb auszunehmende Bedeutung für das Gemeinwohl und für wirtschaftliche Stabilität haben, unterlaufen. Auch die Beteuerungen der EU-Verhandlungsführer, dass es in den Freihandelsabkommen gerade nicht um Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Aufgaben gehe, werden dadurch in Frage gestellt. Damit wird ein Einfallstor für den Privatsektor in den Bereich der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ erschaffen. Das bestätigt unsere Befürchtungen über die Auswirkungen der Freihandelsabkommen.

Bei Ihrer Resolution sollte aber berücksichtigt werden, dass in der ersten erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative „right2water“ rund 1,9 Mio. EU-Bürger und über 1,3 Mio. aus Deutschland den Appell „Wasser ist ein Öffentliches Gut und keine Handelsware“ unterstützt haben und unter anderem gefordert haben: „Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darf nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden. Die Wasserwirtschaft ist von der Liberalisierungsagenda auszuschließen.“

Verhandlungen zu den Beschaffungsmärkten [Punkt 1.(b).(xxi)]
Die Verhandlungen zu den Beschaffungsmärkten sehen wir kritisch. Eine Übereinstimmung („compliance“) mit den neuen EU-Vergaberichtlinien, wie im Berichtsentwurf formuliert, erachten wir für nicht ausreichend. Wir befürchten vielmehr weitreichende Sonder-Vergaberegeln für Investoren aus den USA, die einerseits neue Konstruktionen im Bereich PPP (Public Private Partnerschaft) ermöglichen, zum anderen aber die Formen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit oder vergaberechtsfreien Inhouse-Geschäfte (bzw. Formen der Interkommunalen Zusammenarbeit) erschweren. Wir bitten zu den Regeln zum Vergaberecht, einschließlich der über Konzessionen, ausdrücklich zu fordern, nicht über das bestehende EU-Vergaberechtsregime hinauszugehen und deren einzelstaatliche Umsetzung ausdrücklich anzuerkennen.

„Regulatorische Zusammenarbeit“ [Punkt 1.(c).]
Große Bedenken haben wir auch bezüglich des geplanten Verfahrens einer „Regulatorischen Zusammenarbeit“. Wir befürchten, dass damit kommerzielle Interessen und die Kosten von Regulierungen in den Vordergrund rücken, Gesichtspunkte wie Gemeinwohl, Gesundheits- und Umweltschutz jedoch dabei in den Hintergrund geraten. Dadurch können sich negative Auswirkungen für die Umwelt, den Gewässerschutz und letztlich auch für die Wasserversorgung ergeben.

Exploration und Nutzung von Energiequellen [Punkt 1.(d).(viii)]
Hinsichtlich der Exploration und Nutzung von Energiequellen begrüßen wir die Forderung, wonach jeder Partner die Exploration und Nutzung von Energiequellen selbst regeln kann. Wir weisen dabei ausdrücklich auch darauf hin, dass dies das Recht beinhalten sollte, für bestehende Erlaubnisse oder Genehmigungen zusätzliche Anforderungen zu regeln, wie z.B. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder die Nachholung einer wasserrechtlichen Erlaubnis.

Investitionsschutz und ISDS-Mechanismus [Punkt 1.(d).(xiii bis xv)]
Zum Investitionsschutz und ISDS-Mechanismus möchten wir zusätzlich darauf hinweisen, dass auch Entscheidungen von rein öffentlichen Unternehmen in kommunaler Hand Gegenstand von ISDS-Verfahren sein können. Im Übrigen verweisen wir auf unsere Stellungnahme zur Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Insbesondere im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie und das Subsidiaritätsprinzip lehnen wir Sonderrechte und ISDS-Verfahren in diesem Bereich entschieden ab.

Unsere Hinweise gelten entsprechend auch für CETA, TISA und alle weiteren Abkommen.
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Zusammenfassend möchten wir bemerken, dass das EU-Parlament mit dieser sogenannten Resolution hinter den bisherigen Diskussionen und Erwartungen weit zurück bleibt.

Christa Hecht, Geschäftsführerin Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V.
Reinhardtstr. 18a, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 39 74 36 06
Fax: +49 30 39 74 36 83

Zum Brief

TTIP-Abstimmung im EU-Parlament steht auf der Kippe

euractiv.de
04.06.2015

EU_Plenarsaal

Plenarsaal des Europaparlaments

Die Abstimmung im Europaparlament zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) in der kommenden Woche steht in Frage: Die Sozialdemokraten (S&D) wollen von einer Absprache über das Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) mit der Europäischen Volkspartei (EVP) nichts mehr wissen. EurActiv Brüssel berichtet.

Bei einem Treffen am Mittwoch bekräftigte die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament (S&D) ihre ursprüngliche Position zum Schlichtungsverfahren im Freihandelsabkommen vom März. Diese sieht vor, keine Schlichtungsklausel in das Abkommen aufzunehmen.

Zum Artikel

 

Wikileaks veröffentlicht neue geheime Dokumente von TiSA: dem noch schlimmeren Bruder von TTIP und TPP

ars technica UK
03.06.2015

WikiLeaks releases secret TISA docs: The more evil sibling of TTIP and TPP

The new agreement that would hamstring governments and citizens even further.
by Glyn Moody

zum englischsprachigen Artikel hier

Teil-Übersetzung des Artikels durch Wassertisch:
A cartoon by WikiLeaksWikileaks veröffentlicht neue geheime Dokumente von TiSA: dem noch schlimmeren Bruder von TTIP und TPP

Das neue Abkommen würde Regierungen und Bürger*innen noch weit mehr handlungsunfähig machen.
von Glyn Moody

WikiLeaks hat 17 geheime Dokumente von den TISA-Verhandlungen (Trade In Services Agreement) veröffentlicht, die seit 2013 weitgehend unbeachtet hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Haupt-Teilnehmer sind die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und 23 andere Länder, darunter die Türkei, Mexico, Canada, Australien, Pakistan, Taiwan und Israel, die zusammen zwei Drittel der globalen Wirtschaftsleistung (GDP) umfassen. […]

Auf der dem TISA-Abkommen von der EU-Kommission gewidmeten Seite heißt es: „Mit TiSA sollen Märkte geöffnet und die Regelungen in Bereichen wie Lizensierung, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, elektronischer Handel, Seeverkehr und grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität im Dienstleistungssektor verbessert werden.“

[expand title=“ weiterlesen …“ swaptitle=“ “ trigclass=“arrowright“ alt=“weiterer Text der Übersetzung“]TISAs Schwerpunkt auf Dienstleistungen ergänzt die beiden anderen globalen Handelsabkommen, die ebenfalls gegenwärtig geheim verhandelt werden: die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und das gleichartige Abkommen für die Pazifik-Region, die Trans-Pacific Partnership (TPP), bei denen es um Güter und Investitionen geht. Wie bei TTIP und TPP ist eines der zentralen Ziele von TISA, Hemmnisse im Handel mit Dienstleistungen zu beseitigen und über die teilnehmenden Länder eine regulatorische Sperre zu verhängen. Im Fall von TISA soll diese Sperre sicherstellen, dass Dienstleistungen dereguliert werden und für private Unternehmen überall in der Welt geöffnet werden können – und, sobald diese Dienstleistungen einmal privatisiert wurden, sie nicht mehr rekommunalisiert werden können.

Die 17 heute veröffentlichten Dokumente beinhalten Entwürfe und Anhänge, die sich auf Gegenstände beziehen wie Luftverkehr, Seetransporte, Planungsleistungen, E-Commerce, logistische Dienstleistungen, Transparenz und inländische Regulation. Außerdem gibt es einige Dokumente zur Position der verhandelnden Parteien. Der Anhang zum Thema e-commerce ist wahrscheinlich für Ars Technica – Leser bsonders interessant, da er – sofern er angenommen würde – eine große Wirkung auf einige sehr sensible Bereiche im digitalen Gefilde haben würde.

Du sollst nicht …
So ist z.B. die Frage der Datenströme – besonders der Strom der persönlichen Daten von europäischen Bürgern in die Vereinigten Staaten – der Kern der Verhandlungen über die von der EU vorgeschlagenen Datenspeicherungsregeln, die Safe Harbour Vereinbarung und TTIP. Folgendes würde der Artikel 2.1 des TISA-e-commerce Anhangs für seine Unterzeichner zwangsweise einführen: „Keine der Parteien darf einen Service Anbieter einer anderen Verhandlungspartei davon abhalten, Informationen – einschließlich persönlicher Informationen – innerhalb oder außerhalb des Territoriums dieser Partei zu übermitteln [darauf zuzugreifen, zu verarbeiten oder zu speichern], wo solche Aktivitäten in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Service Providers ausgeführt werden.“

Das würde in der Praxis bedeuten, dass der EU untersagt würde, von US-Firmen wie Google oder Facebook zu verlangen, persönliche Daten europäischer Bürger in Europa zu speichern – eine der Ideen, die gegenwärtig in Deutschland im Umlauf sind. Artikel 9.1 verbietet den Unterzeichner-Staaten noch grundsätzlicher, von Unternehmen zu verlangen, dass sie ihre Computer-Infrastruktur in einem bestimmten Territorium platzieren. […]
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EU Handelsausschuss bereitet ISDS-Zustimmung im Europaparlament vor

EU_Handelsausschuss

EU Handelsausschuss

In der Abstimmung der Mitglieder des EU-Handels­aus­schusses setzte sich die vom Ausschuss­vorsitzen­den Bernd Lange (SPD) eingebrachte „Kompromiss“-Formulierung durch, nach der die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr – wie noch im ursprünglichen Entwurf gefordert – grundsätzlich abgelehnt werden, sondern nur noch vage Reformen am ISDS-Verfahren verlangt werden. Der im Ausschuss mit 28 gegen 13 Stimmen abgesegnete Resolutionsentwurf wird nun am 10. Juni dem gesamten EU-Parlament vorgelegt. Indem es zunächst so klingt, als würde die Ablehnung der Schiedsgerichtsverfahren in der europäischen Bevölkerung aufgegriffen, wird indes davon abgelenkt, dass mit dieser Resolution ISDS im TTIP tatsächlich verankert wird. Ein internationaler Investitions-Gerichtshof würde aber – wenn überhaupt – erst mittelfristig eingerichtet werden können. Für CETA oder TTIP käme das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr in Frage.

Der Blogbeitrag von Sven Giegold (MEP) bringt dazu die Details:
28. 05.2015

Beschämend! Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale stimmen für TTIP-Schiedsgerichte

Heute stimmte der Handelsausschuss des Europaparlaments über die Position zu TTIP ab. Die Abstimmung ist die Basis für die kommende Plenumsabstimmung. Hier der abgestimmte Text, der die Reform der ISDS-Schiedsgerichte begrüßt und damit die privaten Schiedsgerichte grundsätzlich akzeptiert, statt ISDS abzulehnen. [mehr …]

Zum vollständigen Blogbeitrag von Sven Giegold

Weitere Blogbeiträge dazu: Die Linke: hier     War On Want: hier

Hier noch ein Link zur offiziellen Pressemitteilung des EU Handelsausschusses aus. Was ISDS angeht findet man die zugehörigen Ausführungen nach der Zwischenüberschrift „Reform des Anlegerschutzes“. Nur: das wird ISDS in TTIP nicht verhindern!

 

US-TTIP-Dokumente für Abgeordnete weiterhin geheim

Deutsche Wirtschafts Nachrichten
30.05.2015

Aktionstag vor US-Botschaft

Aktionstag gegen TTIP & CETA vor der US-Botschaft – Foto: Uwe Hiksch


FREIHANDEL
Bundestags-Abgeordnete dürfen TTIP-Dokumente nicht lesen

In einem Leseraum der US-Botschaft in Berlin liegen seit einigen Tagen die amerikanischen Dokumente zum TTIP aus. Zutritt erhalten jedoch nur von der Bundesregierung autorisierte Personen. Ein Zugang für Abgeordnete des Bundestags sei „derzeit nicht vorgesehen“, teilt die US-Botschaft mit.

Seit einigen Tagen liegen in der amerikanischen Botschaft in Berlin die Dokumente zum geplanten EU-Freihandelsabkommen TTIP zur Einsicht auf. Doch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dürfen sich, die AFP berichtet, nicht darüber informieren, worüber sie am Ende im Namen der deutschen Bürger abstimmen müssen. Das gehe aus einem Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums an den Bundestags-Wirtschaftsausschuss hervor.

Zum Artikel

 

TTIP und CETA bedrohen Kulturbetrieb

ZEIT ONLINE
30.05.2015

BuecherKulturschaffenden drohen Klagen vor Schiedsgerichten
Von Petra Pinzler

Jüngst gab die Bundesregierung noch Entwarnung – jetzt räumt sie ein: Dank Ceta und TTIP könnten künftig Verlage oder Museen vor Schiedsgerichte gezogen werden.

Drohen Orchestern, Museen und Verlagen künftig doch Klagen ausländischer Investoren? Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) kann auch Folgen für den Kultursektor in Deutschland haben, gibt die Bundesregierung erstmals zu. Der Ceta-Vertrag sieht die Einführung von privaten Schiedsgerichten vor – und die werden auch für ausländische Investitionen im Kulturbereich zuständig sein.

Zum Artikel

 

Bertelsmann als TTIP-Strippenzieher

27.05.2015
Bertelsmann als TTIP-Strippenzieher
Die Machenschaften des einflussreichsten TTIP-Lobbyisten und seiner Netzwerke
Studie von Wilhelm Neurohr

BertelsmannDer Weltkonzern Bertelsmann aus Gütersloh, einer der 500 größten Familienunternehmen weltweit, ist mit 16 -19 Mrd. € Umsatz und 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 50 Ländern sowie 6 Tochter-Unternehmen das größte europäische Medienunternehmen und weltweit auf Platz 8 oder 9. Es unterhält zudem mehrere Institute und mit der Bertelsmann-Stiftung die größte und reichste Unternehmensstiftung. Für die strategische Vorbereitung und Umsetzung ihrer gesellschafts­politi­schen Projekte stehen der Stiftung 350 hauptamtliche und eine Vielzahl nebenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung sowie erhebliche finanzielle Ressourcen mit fast 1 Mrd. € seit Gründung (und einem jährlichen 60-Mio.-Etat z. B. in 2010).

zur Studie hier

 

Was das Abkommen TTIP für die Literatur bedeutet

FAZ
26.05.2015

Georg M. Oswald im Gespräch
Was das Abkommen TTIP für die Literatur bedeutet
von Jan Wiele

Buecher

Die Buchpreisbindung schützt Verlage und Buchhandel. Warum wir fürchten müssen, dass sie beim Handelsabkommen TTIP geopfert wird: Ein Gespräch mit dem Verlagsleiter, Autor und Juristen Georg M. Oswald.

Herr Oswald, viele sehen im derzeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union verhandelten Freihandelsabkommen eine Bedrohung. Welche Auswirkungen könnte es für den deutschen Buchmarkt haben?

Ein Instrument wie die Buchpreisbindung ist dem amerikanischen Buchmarkt fremd. Es ist anzunehmen, dass die Vereinigten Staaten sie als ein Handelshemmnis betrachten, das fallen sollte.

Zum Artikel

 

EU stoppte Anti-Pestizid-Gesetz nach US-Druck bei TTIP-Verhandlungen

the guardian
22.05.2015

Pesticides
EU dropped pesticide laws due to US pressure over TTIP, documents reveal
by Arthur Neslen, Brussels

US Handelsbevollmächtigte sollen die EU dazu gedrängt haben, Maßnahmen gegen hormonaktive Chemikalien, die Krebs und Unfruchtbarkeit bei Männern auslösen können, zurückzustellen.

Schritte der EU hin zu einer Regulierung von hormonaktiven Chemikalien, die zu Krebs und zu Unfruchtbarkeit von Männern führen können, wurden aufgegeben, nachdem US Beamte über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) Druck ausgeübt hatten, wie kürzlich veröffentlichte Dokumente zeigen.

Nach einem EU Gesetzentwurf hätten 31 Pestizide verboten werden sollen, die endokrine Disruptoren (EDCs) enthalten. Dies wurde jedoch fallengelassen aus Furcht vor einer Gegenreaktion bei den Verhandlungen, angefacht durch einen Vorstoß einer agressiven US-Lobby, wie der Zugang zu entsprechenden Dokumenten durch „Pesticide Action Network (PAN) Europe“ zeigt.

zum vollständigen Artikel in englischer Sprache hier
zum Thema siehe auch hier

 

Junckers Kommission führt Europa tiefer in die Post-Demokratie

Der Tagesspiegel
22.05.2015

Junckers Kommission führt Europa tiefer in die Post-Demokratie
von Harald Schumann

Logo der EU-Kommission

 

Der Plan kommt ganz harmlos daher. Die „Recht­setzung“ in Europa solle besser werden, erklärt Frans Timmermans, Vizechef der EU-Kommission. Darum solle es künftig „mehr Transparenz und Kontrolle“ geben, wenn die EU neue Gesetze beschließe, verspricht der Kommissar. Und dafür sollten sich auch das EU-Parla­ment und der Rat der EU-Regierungen vertraglich verpflichten, alle Gesetzesänderungen noch vor jeder Abstimmung einer „rigorosen“ Prüfung zu unterwerfen, fordert Timmermans und legt jetzt einen ent­spre­chen­den Vertragsentwurf vor.

Zum Artikel

Kommentar Wassertisch:
Was die EU-Kommission hier vorhat, würde die Möglichkeiten der nationalen Parlamente, ihre Bürger mit Regulierungen etwa im Bereich von Umwelt und Gesundheit besser zu schützen, erschweren oder sogar unmöglich machen. Dies ist eine besorgniserregende Parallele zur „
Regulatorischen Kooperation„, die im TTIP-Freihandelsabkommen geplant ist. Die Demokratie wird entkernt: Die demokratische Hülle bleibt bestehen und dient zur Rechtfertigung der neoliberalen Akteure im politischen Raum.

 

Bundeswirtschaftsminister Gabriel glaubt nicht an Zustimmung zu TTIP, wenn die Kultur gefährdet wird

Bundeswirtschaftsminister Gabriel glaubt nicht an Zustimmung zu TTIP, wenn die Kultur gefährdet wirdKulturrat

 

Kulturrat: Wir werden Sigmar Gabriel beim Wort nehmen und erwarten jetzt Taten

 

Berlin, den 21.05.2015. Heute am internationalen Tag der kulturellen Vielfalt finden in verschiedenen Städten Aktionen unter dem Motto „Kultur braucht kein TTIP“ statt. Das Kulturmagazin „Kulturzeit“ (3sat) strahlt bereits seit Montag dieser Woche in jeder Sendung einen Beitrag zum Thema TTIP und Kultur aus. Gestern Abend wurde Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, MdB zu den möglichen Auswirkungen von TTIP auf den Kulturbereich befragt.
Er versuchte in der Sendung die Bedenken aus dem Kulturbereich zu zerstreuen und machte gleich zwei Mal deutlich, dass es sich eine Zustimmung des Deutschen Bundestags und auch der Französischen Nationalversammlung zu TTIP nicht vorstellen könne, wenn die Kultur nicht ausreichend gesichert ist. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, MdB sagte im Kulturzeit-Interview: Wenn wir den Eindruck haben, die Texte sind nicht gut genug, die Kultur ist nicht gut genug geschützt, dürfen wir nicht zustimmen.

[expand title=“           weiterlesen …“ swaptitle=“ “ trigclass=“arrowright“ alt=“weiterer Text der Erklärung“]

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte heute: „Wir werden Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel beim Wort nehmen. Es reicht allerdings nicht, die fertigen, kaum mehr änderbaren Texte zu lesen, sondern bereits jetzt müssen die Bundesregierung und die Europäische Kommission dafür Sorge tragen, dass sowohl die öffentlichen Kultureinrichtungen, die Institutionen der kulturellen Bildung als auch die Kulturwirtschaft einen ausreichenden Schutz erfahren und vor allem ihre Entwicklungsfähigkeit gerade auch im digitalen Raum über Jahrzehnte gesichert wird. Wir erwarten nach den Worten von Sigmar Gabriel jetzt Taten und fordern eine Offenlegung der Verhandlungstexte, um prüfen zu können wie der Schutz des Kultur- und Medienbereiches umgesetzt wird.“

 

  • Das Interview zum Nachsehen finden Sie hier.
  • Informationen zum Aktionstag finden Sie hier.

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Deutscher Kulturrat e.V.
Mohrenstr. 63
10117 Berlin
Telefon: 030-226 05 28-0
Fax: 030-226 05 28 -11
E-Mail: o.zimmermann@kulturrat.de
Web: http://www.kulturrat.de
Zur Person: http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=173&rubrik=1

Erinnerung:

Heute findet am internationalen Tag der kulturellen Vielfalt der Aktionstag „Tag gegen TTIP“ des Deutschen Kulturrates statt. In vielen Städten u.a. in Berlin, Bonn, Darmstadt, Fürstenfeldbruck, Gießen, Hamburg, Hildesheim, Karlsruhe, Lübeck, Ludwigshafen, Magdeburg, Mannheim, Mühldorf, Nürnberg, Saarbrücken, Wien und Wuppertal finden Aktionen, Diskussionen und Demonstrationen statt.

Tag gegen TTIP

TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union.

  • Vor dem Brandenburger Tor in Berlin werden Musiker und Sänger aus zehn Nationen zwischen 15.00 und 18.30 ihre Stimmen gegen TTIP erheben. Hier kann auch die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und CETA durch eine Unterschrift unterstützt werden. Als Redner hat sich u.a. der Präsidenten des Deutschen Kulturrates, Prof. Christian Höppner, angesagt. Alle sind eingeladen am Brandenburger Tor mit dabei zu sein.
  • Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat Bundesweit zum „Tag gegen TTIP“ die Aktion „Buchhandel statt Freihandel“ gestartet.
  • Informationsveranstaltungen, Fachtagungen und Podiumsdiskussionen kann man u.a. in Berlin, Bonn und Hildesheim besuchen.
  • Zum Aktionstag erscheint außerdem ein umfangreiches Handbuch (274 Seiten) zu den Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Kultur und Medien. 34 Autorinnen und Autoren beleuchten TTIP, CETA & Co. und ihre Wirkungen auf den Kulturbereich.
  • Auf der Aktionshomepage „Tag gegen TTIP“ erhält man tagesaktuell wichtige Informationen zu TTIP, CETA & Co.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Die Menschen wollen endlich wissen, ob TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, denn wirklich sinnvoll ist und welche Auswirkungen auf ihr Leben zu erwarten sind. Gerade der Kulturbereich ist sensibilisiert. Beim heutigen Aktionstag wird bundesweit informiert, diskutiert und protestiert. TTIP-Kritiker wie TTIP-Befürworter kommen zu Wort. TTIP schadet der kulturellen Vielfalt in Europa nachhaltig. Noch ist Zeit diesen Irrweg zu verlassen und vernünftige internationale Handelsvereinbarungen zu treffen, die die kulturelle Vielfalt nicht bedrohen und die den Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern eine lebenswerte Zukunft eröffnen. Es geht also um viel, am heutigen Aktionstag und danach.“

Artikel hier
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Ärzte/Apotheker: TTIP gefährdet Patienten

19.05.2015 – Gemeinsame Erklärung der Präsidenten und Vorsitzenden der Heilberufe
Vielfalt des europäischen Gesundheitswesens und Freiberuflichkeit bewahren
 
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Freihandelsabkommen dürfen die Behandlungsqualität, den schnellen Zugang zur Gesundheitsversorgung und das hohe Patientenschutzniveau in Deutschland und der EU nicht beeinträchtigen. Das deutsche Gesundheitswesen ist geprägt von den Prinzipien der Selbstverwaltung und der Freiberuflichkeit. Gerade die Gemeinwohlbindung, der die Kammern und Freien Berufe unterliegen, trägt in erheblichem Maß zu diesem hohen Niveau bei.

[expand title=“weiterlesen …“ swaptitle=“ “ trigclass=“arrowright“ alt=“weiterer Text der Erklärung“]Art. 168 Abs. 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stellt klar, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung zu wahren ist. Die sich daraus ergebende Vielfalt kommt den Patienten zugute, denn sie trägt den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsstaaten Rechnung. Darüber hinaus hat die Europäische Union die Sonderstellung des Gesundheitssystems anerkannt. Gesundheitsdienstleistungen sind besonders sensibel, allgemeinwohlbezogen und schützenswert und können nicht mit marktorientierten Dienstleistungen gleichgesetzt werden. Daher sind sie von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen.

Wir erwarten, dass die Verhandlungsführer der Europäischen Union diese Grundsätze bei den Verhandlungen beachten und unsere erfolgreichen Gesundheitssysteme – auch in Teilen – schützen. Die Rechte der Patienten wie auch die Freiberuflichkeit von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und Apothekern sowie die Kompetenzen ihrer Selbstverwaltungsorgane dürfen nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre Souveränität behalten. Wir fordern daher eine Positivliste, die klarstellt, dass TTIP keine Anwendung auf das Gesundheitswesen und die Heilberufe findet.

Patienteninteressen vor Kapitalinteressen
Kapitalinteressen dürfen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen. In Deutschland existiert ein weitgehend selbstverwaltetes, am Gemeinwohl orientiertes Gesundheitswesen. Das US-amerikanische Gesundheitssystem ist im Gegensatz dazu stark marktwirtschaftlich geprägt und weist deutlich weniger solidarische Elemente auf. Die Struktur unseres Gesundheitswesens ist maßgeblich gekennzeichnet durch Schutzmechanismen wie die Zulassungsvoraussetzungen für Vertrags(zahn)ärzte, die Bedarfsplanung oder den Sicherstellungsauftrag der Körperschaften. Diese dürfen nicht durch Freihandelsabkommen aufgebrochen werden, um rein gewinnorientierten Unternehmen Profitmöglichkeiten durch das Betreiben von (Zahn)Arztpraxen, Apotheken oder MVZs zu eröffnen.

Die Heilberufe sichern trotz sinkender Ressourcen und angesichts einer alternden Gesellschaft mit zunehmend multimorbiden Patienten weiterhin einen hohen Qualitätsstandard im Gesundheitswesen. Eine weitere Verschärfung der Versorgungslage durch eine noch stärkere Ökonomisierung der Medizin würde das bisherige Niveau der Patientenversorgung jedoch nachhaltig gefährden. Darüber hinaus führt ein stark marktwirtschaftlich geprägtes Gesundheitswesen die Patienten und somit auch die Heilberufe in die Abhängigkeit von konjunkturellen Entwicklungen. Patientenversorgung darf aber keine Frage der Konjunktur sein. Im Mittelpunkt der medizinischen Versorgung muss der Patient und nicht die wirtschaftlichen Interessen einzelner stehen.

Wir sind davon überzeugt, dass jeder Patient auch zukünftig eine seinen Bedürfnissen entsprechende hochwertige medizinische Versorgung erhalten muss – flächendeckend und wohnortnah. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Gesund­heitswesen vor Fehlentwicklungen im Zuge von Öffnungs- und Privatisierungs­verpflichtungen zu schützen. Freihandelsabkommen dienen der wirtschaftlichen Entwicklung, aber sie müssen dort ihre Grenzen haben, wo sie die medizinische Versorgung der Patienten beeinträchtigen.

Freihandelsabkommen dürfen den Patientenschutz nicht gefährden
Die Vorschriften für den Berufszugang und die Berufsausübung der Heilberufe dienen dem Schutz der Patienten und der Sicherung einer qualitativ hochwertigen gesundheitlichen Versorgung. Sie dürfen nicht durch die geplanten Freihandelsabkommen ausgehöhlt werden.

Die Heilberufe sind besorgt, dass der Anwendungsbereich der Freihandelsabkommen Gesundheitsdienstleistungen erfassen, deregulieren und darüber hinaus einer Normung unterziehen könnte. Damit würde die den Mitgliedstaaten vorbehaltene Gestaltung der Gesundheitssysteme nicht nur durch private internationale industrie­getragene Normungsgremien, sondern letztlich durch internationale Freihandels­abkommen insgesamt ausgehebelt.

Die Aufgaben der Kammern der Heilberufe sind im Wesentlichen in den Heilberufe- und Kammergesetzen verankert. Sie beinhalten die Förderung der Qualitätssicherung und der Fortbildung, die Gestaltung der Weiterbildung ihrer Mitglieder, die Mitwirkung an der Berufsausbildung, die Wahrung der Interessen des Berufsstandes und die berufsrechtliche Überwachung ihrer Mitglieder. Diese Bestimmungen sind notwendig, um ein hohes Qualitätsniveau der medizinischen Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind die Gewährleistung des Patientenschutzes und der qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. Die Grundsätze der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung durch Kammern sowie die Vorschriften für den Berufszugang und die Berufsausübung müssen daher auch unter der Geltung von TTIP beibehalten werden.

Die Verhandlungsführer der Europäischen Union müssen zwingend dafür Sorge tragen, dass der Patientenschutz und die hohe Qualität der medizinischen Versorgung nicht einem rein marktwirtschaftlich motivierten Liberalisierungsstreben zum Opfer fallen. Wir fordern daher, dass Gesundheitsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich von Freihandelsabkommen ausgeschlossen werden.

Freihandelsabkommen dürfen unsere Standards nicht senken
TTIP wie auch CETA sehen einen mit Experten besetzten Regulierungsrat vor, der sich über Regulierungsansätze etwa in den Bereichen Medizinprodukte und Arzneimittel austauschen soll. Auch wenn es hier primär darum gehen soll, Produkte und Dienstleistungen besser auf die Markteinführung vorzubereiten, befürchten wir die Einführung einer Struktur, die Mitgliedstaaten ausschließt und allein den Interessen der Industrie Vorschub leistet. Keinesfalls darf dieses Gremium über die Köpfe demokratisch legitimierter Regierungen hinweg Fakten schaffen.

Beispielhaft erinnern wir an die jahrelangen Diskussionen über das Verbot der Bewerbung verschreibungspflichtiger Arzneimittel oder den zwingend notwendigen Zugang zu den aus klinischen Prüfungen gewonnen Daten. Die Industrie verfolgt hier einen eklatant anderen Ansatz, der bislang keinen Eingang in die EU-Gesetzgebung gefunden hat. Das muss auch in Zukunft so bleiben.

Teilnahme am medizinischen Fortschritt sicherstellen
Der medizinische Fortschritt basiert auch darauf, medizinische Verfahren anzuwenden und sie stetig zu verbessern. Anders als in den USA, die sogenannte „Medical Procedure Patents“ zulassen, sind in Europa gemäß Art. 53 lit c) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Dieser Ausschlusstatbestand verhindert, dass die Wahl der Behandlungsmöglichkeiten durch den Patentschutz eingeschränkt wird. Ärzten muss die Freiheit erhalten bleiben, sich für die am besten geeignete Maßnahme zur Behandlung ihrer Patienten entscheiden zu können. Durch „Medical Procedure Patents“ können Behandlungsmöglichkeiten blockiert werden. Dies führt letztlich dazu, dass Patienten von der Teilhabe am Fortschritt in der Medizin ausgeschlossen werden. „Medical Procedure Patents“ müssen in Europa auch weiterhin verboten bleiben.

Gesundheitsschutz ist nicht verhandelbar
Im Rahmen der Freihandelsabkommen wird auch über den Investitionsschutz diskutiert. Sehen ausländische Investoren den Wert ihrer Investitionen durch politische Entscheidungen, Gesetze oder sonstige staatliche Maßnahmen geschmälert, so können sie neben dem ordentlichen Rechtsweg auch private Schiedsgerichte anrufen. Schiedsgerichtsverfahren sind mit Blick auf die Gesundheitspolitik mit erheblichen Risiken verbunden. Insbesondere die mangelnde Transparenz, die fehlende Einbettung in den europäischen Rechtsrahmen, die Rekrutierung von Schiedsrichtern aus internationalen Anwaltskanzleien und deren Fokus auf internationales Handelsrecht würden dem öffentlichen Interesse und der Komplexität der unterschiedlichen Gesundheitssysteme der Vertragsstaaten potenziell nicht gerecht.

Sollte es zu einer Auseinandersetzung über die Auslegung der Vereinbarungen kommen, so stehen den Vertragsparteien zwischenstaatliche Streitbeilegungsmechanismen zur Verfügung. Auch steht es den Vertragsparteien frei, eine ordentliche Gerichtsbarkeit zu wählen. Die Einführung intransparenter paralleler Justizstrukturen ist nicht zuletzt aus staatsbürgerlicher Sicht inakzeptabel. Selbst wenn für die Anrufung solcher Schiedsgerichte hohe Hürden errichtet würden, so reicht doch bereits das Drohpotential möglicher Schadensersatzforderungen aus, um von notwendiger Gesetzgebung zugunsten der öffentlichen Gesundheit abzusehen.
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Gemeinsame Erklärung

Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (BÄK)
Dr. med. Andreas Gassen (KBV)
Dr. med. dent. Peter Engel (BZÄK)
Dr. med. dent. Wolfgang Eßer (KZBV)
Friedemann Schmidt (ABDA)

Pressemitteilung der Hochschulrektorenkonferenz zu TTIP: Bildung ist keine Ware

idw – Informationsdienst Wissenschaft
18.05.2015

Hochschulrektorenkonferenz zu TTIP: Bildung ist keine Ware
Pressestelle der HRK

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Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordert, Bildung aus dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP, explizit auszunehmen. Bildungsdienstleistungen werden dort nicht als öffentliche Aufgabe („public services“) definiert. Nach der Logik des Abkommens müssen alle Bereiche, die von ihm nicht erfasst werden sollen, explizit ausgeschlossen werden.

„Staatliche Leistungen der Daseinsvorsorge sollten grundsätzlich von den TTIP-Verhandlungen ausgenommen werden. Bildung, Kunst und Kultur gehören nicht in das Handelsabkommen“, so HRK-Präsident Prof. Dr. Horst Hippler heute in Bonn zu der Erklärung der 18. HRK-Mitgliederversammlung.

Zur vollständigen Pressemitteilung der HRK