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IVKK erfreut über Entscheidung der EU-Kommission, nach der Krankenhäuser keine Angelegenheit des Binnenmarktes sind

IVKK

 

 

 

Krankenhäuser keine Angelegenheit des Binnenmarktes

(Berlin, 14.07.2015) Zur Entscheidung der Europäischen Kommission C (2015) 2796 über die Einordnung von öffentlichen Ausgleichszahlungen an fünf Krankenhäuser in Tschechien (Verfahren SA.37432 (2015/NN)) erklärt der Vorsitzende des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser, Bernhard Ziegler:

„Es handelt sich dabei um einen Fall, der für das laufende Verfahren am Bundesgerichtshof gegen den Landkreis Calw*, aber auch grundsätzlich für das deutsche Krankenhauswesen relevant sein dürfte.

Unabhängig von der Frage, dass wir als IVKK davon ausgehen, dass solche Themen überhaupt nicht Sache der Europäischen Union sein dürfen, weil das Grundgesetz dies in seinem nicht veränderbaren Teil verbietet (>Lissabon-Urteil< des Bundesverfassungsgerichts), sieht auch die Kommission nach dieser Entscheidung staatliche Verlustausgleiche an öffentliche Kliniken dann nicht als unerlaubte Beihilfen an, wenn es an einem grenzüberschreitenden Einzugsbereich (um den Begriff >Markt< bewusst nicht zu verwenden) mangelt. Eben das ist sowohl in Calw als auch regelmässig an deutschen Kliniken der Fall: Keine Patienten aus dem EU-Ausland, keine Zuständigkeit für die EU.
Auch die andere Komponente des europäischen Wettbewerbsrechts, wonach ein ausländischer Betreiber (mit Sitz und Steuerpflicht in einem anderen EU-Mitgliedsland) in dem jeweiligen lokalen Einzugsbereich Leistungen anbietet, ist ganz regelmässig in Deutschland im Krankenhausbereich nicht der Fall.

Wir glauben, wie Sie wissen, dass die Anwendung des EU-Rechts hierzu grundgesetzlich unzulässig sein dürfte, weshalb wir auf grundsätzliche Klärung vor dem BVerfG drängen.  Dennoch begrüßen wir, dass die EU-Kommission auch für diesen Teil der Daseinsvorsorge anerkennt, dass Krankenhausleistungen ohne grenzüberschreitende Effekte/Einzugsbereiche (dies ist im Krankenhauswesen allein schon abrechnungstechnischen Gründen die Regel) nicht Angelegenheiten des >Binnenmarktes< sind und demzufolge auch keine unerlaubten Beihilfen sein können.

Die Entscheidung wurde am 19.06.2015 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Materialien:

EUROPEAN COMMISSION: Subject: SA.37432 (2015/NN) – Czech Republic Funding to
public hospitals in the Hradec Králové Region (pdf)
* Zum Fall Calw vgl. Jens Flintrop und Sabine Rieser: Streit um Krankenhaussubventionen. In: ÄrzteZeitung. Januar 2014.
Aus verfassungsrechtlicher Perspektive vgl. Siegfried Broß: Krankenhäuser – kommerzielle Wirtschaftsbetriebe oder Teil der Daseinsvorsorge des Staates? (2014)
Weitere Berichte und Artikel zum Thema Calw finden sich hier: IVKK und hier: Berliner Wassertisch

 
Wie der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser (IVKK) ist auch der Berliner Wassertisch erfreut über die Entscheidung der EU-Kommission. Danach darf die Krankenhausversorgung auch weiterhin staatlich subventioniert werden. Wäre dem nicht so, müssten die Kliniken auf kurz oder lang privatisiert werden. Eine Privatisierung der Daseinsvorsorge, worunter die Krankenhausversorgung zählt, lehnt der Berliner Wassertisch ab. Im Mittelpunkt der Krankenversorgung muss das Wohl des Patienten (auch der Angestellten und Ärzte) stehen – und nicht die Renditeerwartung von Konzernen.

DGB: EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen gefährdet Presse- und Meinungsfreiheit!

Deutscher GewerkschaftsbundDGB
08.06.2015
www.dgb.de

Pressemitteilung: EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen gefährdet Presse- und Meinungsfreiheit: Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Schutz von Journalisten und Whistleblowern

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju), der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), LobbyControl, die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, das Whistleblower-Netzwerk und das gemeinnützige Recherchebüro CORRECT!V erklären:

Das Gesetzgebungsverfahren zur EU-Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformation (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ gefährdet in erheblichem Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Arbeit von Journalisten und den Schutz von Whistleblowern.

[expand title=“weiterlesen …“ swaptitle=“ “ trigclass=“arrowright“ alt=““]Die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission hat unter Beteiligung der Akteure aus der Wirtschaft den Entwurf zur Richtlinie ausgearbeitet, ohne die Journalistenverbände und Interessenvertretungen auf Arbeitnehmerseite aktiv einzubinden. Die Folge ist ein Entwurf, der vor allem den geschäftlichen Schutzinteressen der Unternehmen Rechnung trägt und die etablierte Balance in einem demokratischen Gemeinwesen zu Lasten der anerkannten Medienpraktiken und dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit verzerrt.

Ziel der Richtlinie ist es, unfaire Praktiken im Wettbewerb zwischen Unternehmen und die Ausspähung von Konkurrenten und Verwertung dieser Vorteile zum wirtschaftlichen Nutzen zu unterbinden. Wirtschaftliche Konkurrenten sind aber nicht die einzigen, die Interesse an Informationen haben, die Unternehmen geheim halten wollen. Über die Hälfte wirtschaftskrimineller Taten in Unternehmen wird durch Anzeigen von Beschäftigten aufgedeckt. In Zusammenhang mit zahlreichen Skandalen, u. a. in der Lebensmittelindustrie (in Deutschland der sog. Gammelfleisch-Skandal) ist deutlich geworden, dass Schaden von der Bevölkerung nur dann ferngehalten werden kann, wenn Beschäftigte bereit sind, die Verstöße öffentlich zu machen. Nicht die Schädigung des eigenen Arbeitgebers, sondern das Verantwortungsgefühl für das Wohl der Allgemeinheit sind die vordergründlichen Motive, die die Whistleblower zu ihrem Handeln bewegen. Ein solches Verhalten setzt in der Regel ein hohes Maß an Zivilcourage voraus und muss vor Sanktionen geschützt werden.

Kritische und investigative Berichterstattung ist auf Whistleblower aus Unternehmen angewiesen und hat nichts mit Industrie- und Wirtschaftsspionage zu tun. Die Medien als Intermediäre und die demokratischen Kontrollorgane brauchen Hinweise von Insidern, um Missstände aus Unternehmen an die Öffentlichkeit zu bringen. Das ist notwendig in einer demokratischen, offenen Gesellschaft.

Eine Verankerung des Geschäftsgeheimnisschutzes auf europäischer Ebene ist ein bedeutender Baustein für handelspolitische Aktivitäten der Kommission wie den Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP). Mit der Verabschiedung der Richtlinie wird Geschäftsgeheimnisschutz Bestandteil des „acquis communautaire“. Erst dann darf die EU mit alleiniger Kompetenz mit den USA über internationale Handelsabkommen im Hinblick auf Geschäftsgeheimnisse verhandeln.

Für eine freie Berichterstattung und den Schutz der Arbeitnehmer_innen als Whistleblower sollten bereits im Rechtsausschuss folgende Notbremsen gezogen werden:

  1. Im vorliegenden Entwurf werden die Geheimnisse als Geschäftsgeheimnisse definiert, die „von kommerziellem Wert sind, weil sie geheim sind“. Dies ist tautologisch. Nach der von der Kommission vorgeschlagenen Definition kann das Unternehmen willkürlich eine Angelegenheit zum Geschäftsgeheimnis erklären. Das ist inakzeptabel. Deswegen ist Änderungsantrag 102 zur Präzisierung des Begriffs „Geschäftsgeheimnis“ notwendig.
  2. Nach dem vorliegenden Entwurf kann Erwerb, Nutzung und Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses nicht geahndet werden, wenn dies „zum Zweck der rechtmäßigen Wahrnehmung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“ erfolgt. Das Wort „rechtmäßig“ ist zu streichen.
  3. Von den Whistleblowern wird erwartet, dass sie die rechtliche Relevanz des gemeldeten Verstoßes zum Zeitpunkt ihrer Meldung einschätzen können. Das kann keinem juristischen Laien zugemutet werden, der im öffentlichen Interesse handelt und unternehmensinterne Gefahren für die Öffentlichkeit aufdeckt. Hier dient Änderungsantrag 192 zur Klarstellung, dass ein Whistleblower nur gutgläubig handeln muss.
  4. Nur ordnungswidrige, strafbare und illegale Handlungen können nach dem derzeitigen Entwurf der EU-Kommission durch Whistleblower rechtmäßig offen gelegt werden. Hier ist eine breitere Definition notwendig, damit auch Informationen im Hinblick auf Risiken für Gesundheit, Umwelt, Demokratie und Frieden aufgedeckt werden dürfen.

Unsere Bedenken decken sich mit denen der OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit Dunja Mijatovic. In seltener Deutlichkeit warnte sie in einer Stellungnahme zu dem laufenden Gesetzgebungsvorhaben: „Einige der Bestimmungen verhindern nicht ausreichend die Einführung von überzogenen Beschränkungen der Freiheit der Äußerung und der Freiheit der Medien durch die europäischen Mitgliedstaaten. Insbesondere definiert der Text nicht die legitime Ausübung des Rechtes auf Äußerungsfreiheit und Information und enthält keine klare Erwähnung des öffentlichen Interesses um sachgemäß investigativen Journalismus zu schützen, der den Erwerb, Gebrauch und die Offenlegung von Geschäftsinformationen umfasst.“

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Verantwortlich: Maike Rademaker
Postfach 11 03 72, 10833 Berlin
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Telefon 030-24060-211
Telefax 030-24060-324

[/expand]Außerdem:

DGB-Stellungnahme zur EU-Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen – COM (2013) 813: Der Entwurf der Richtlinie über den Schutz der Geschäftsgeheimnissen benachteiligt Beschäftigte und ihre Interessenvertretung unangemessen. Die Richtlinie würde verhindern, dass Beschäftigte Unregelmäßigkeiten im Unternehmen an Behörden melden dürfen – eine Einschränkung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit. Zudem droht eine Erweiterung der Geheimhaltungspflichten der betrieblichen Interessenvertretung, was deren Handlungsspielräume einschränken würde. Der DGB fordert das Europäische Parlament auf, in der geplanten Regelung die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.

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