Wassertisch-Beschwerde erfolgreich. Presserat erkennt in Berichterstattung Verstoß gegen Pressekodex

Der Berliner Wassertisch war mit seiner Beschwerde beim Presserat gegen die Tageszeitung Junge Welt erfolgreich.

(4. August 2016) Der Autor der Jungen Welt Benedict Ugarte Chacón hat bei verschiedenen Artikeln nicht kenntlich gemacht, dass er an den von ihm dargestellten Vorgängen in der Berliner Wasserthematik beteiligt war. Ugarte Chacón ist Aktivist der Initiative Berliner Wassertisch e.V. „um die SPD-Frau Gerlinde Schermer“ (berliner-wassertisch.net), die sich 2011 vom Berliner Wassertisch (berliner-wassertisch.info) abgespalten und selbstständig gemacht hat. Sowohl der sogenannte SPD-Wassertisch als auch Ugarte Chacón haben mehrfach versucht, die juristische Aufarbeitung der Wasser-Privatisierung zu verhindern. Der Berliner Wassertisch bemängelte das Vorgehen der Jungen Welt und des Autors Ugarte Chacón, da dieser seine Position in die Wasser-Berichterstattung einfließen ließ, ohne dass dies für die Leser erkennbar gewesen wäre.

Der Berliner Wassertisch sah darin einen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Deutsche Presserat bestätigte jetzt die Auffassung des Wassertischs: „Den Lesern hätte [..] transparent gemacht werden müssen, dass der Autor aus dem Blickwinkel eines am politischen Prozess nicht nur Interessierten, sondern prinzipiell auch Beteiligten schreibt.“ Einstimmig beschloss der Ausschuss: „Als Ergebnis seiner presseethischen Bewertung erteilt der Beschwerdeausschuss der Redaktion gemäß § 12 der Beschwerdeordnung einen Hinweis.“

Quellen

1) Mail von Wolfgang Rebel (Pressesprecher Berliner Wassertisch), 18. Februar 2016

„Sehr geehrter Herr … ,

namens des Berliner Wassertisches / Muskauer Straße lege ich nachstehende Beschwerde ein gegen die Tageszeitung Junge Welt und das Kundenmagazin der Berliner Mieter-Gemeinschaft Mieter-Echo aufgrund Ziffer 6 des Pressekodex, Trennung von Tätigkeiten. Die Beschwerde betrifft Artikel, die nicht älter als ein Jahr sind. [Liste]

Sachverhalt: In beiden Publikationen werden Artikel des Autors Benedict Ugarte Chacón zur Thematik der Berliner Wasser-Privatisierung und Rekommunalisierung veröffentlicht, ohne kenntlich zu machen, dass der Autor Mitglied einer Organisation ist, die in diese Vorgänge involviert ist. Die Darstellungen des Autors sind einseitig und spiegeln vorrangig die Sicht seiner Organisation wider. Die Leser müssen in einem solchen Fall die Information über die Mitgliedschaft enthalten, damit sie den Text entsprechend einordnen können.

Hintergrund: Nach einem Volksentscheid zur Offenlegung der Geheimverträge der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB), die der Berliner Wassertisch initiiert hat, hat sich die Bürgerinitiative in zwei Gruppierungen aufgespalten. Die Gruppierung, der der Antragsteller angehört, der Berliner Wassertisch (Muskauer Straße), forcierte nach der Offenlegung die juristische Aufarbeitung der Teilprivatisierung und erreichte durch eine von der Piratenpartei eingereichte und vom Berliner Wassertisch vorbereitete Klage, dass der letzte verbliebene private Anteilseigner Veolia den Weg zur Rekommunalisierung der BWB frei machte – zumindest gab Veolia seinen Rückzug im Monat der Klageeinreichung bekannt.

Die andere Gruppierung, der Berliner Wassertisch (Mehringdamm) um die Politikerin der Regierungspartei SPD, Gerlinde Schermer, legte auf die juristische Aufarbeitung keinen Wert und behinderte sogar die Aktivitäten des Berliner Wassertisch (Muskauer Straße) bei seinen Bemühungen. Sogar die Organklage der Piraten, die die vollständige Rekommunalisierung einleitete, sollte im letzten Moment durch eine Email verhindert werden; die Email liegt dem Berliner Wassertisch (Muskauer Straße) vor. Der Autor Benedict Ugarte Chacón hat für diese Zwecke seine journalistische Tätigkeit instrumentalisiert. (Der Berliner Wasserpresseblog, ein Watch-Blog, der sich anlässlich des Wasser-Volksentscheids gegründet hat, weist Benedict Ugarte Chacón in zwei älteren Artikeln vier Verstöße gegen den Pressekodex nach http://presseblog.blogsport.de/2012/11/11/stoermanoever-eines-gewissen-benedict-ugarte-chacon/ )

Sowohl der Jungen Welt als auch dem Mieter-Echo ist die Mitgliedschaft Ugarte Chacóns bekannt. Es müsste daher selbstverständlich sein, dass die Nennung der Mitgliedschaft Benedict Ugarte Chacóns im Berliner Wassertisch (Mehringdamm) / Berliner Wassertisch e.V. erfolgt. Es ist unstrittig, dass Benedict Ugarte Chacón Gründungsmitglied des Berliner Wassertisch e.V. ist.

Allerdings bestreitet er, Mitglied des Berliner Wassertischs (Mehringdamm) [zu sein], da er lediglich Mitglied des Berliner Wassertisch e.V. sei. Auf seinem Blog schrieb er 2013: „Besagter Verein wurde nicht ,vom Berliner Wassertisch Mehringdamm […] gegründet‘, sondern von seinen sieben Gründungsmitgliedern, die darüber hinaus Mitglieder der Bürgerinitiative sind. Der mittlerweile gemeinnützige Verein agiert satzungsgemäß unabhängig von anderen Gruppen und/oder Initiativen, demnach auch unabhängig vom ,Berliner Wassertisch/Mehringdamm‘.“ Diese Trennung ist jedoch gegenstandslos. Die monatlichen Treffen des Berliner Wassertisches/Mehringdamm finden unter der Bezeichnung Berliner Wassertisch e.V. statt. Zudem verwaltet der Verein die Gelder des Berliner Wassertischs (Mehringdamm). Eine Sprecherin des Berliner Wassertischs (Mehringdamm) bezeichnete Ugarte Chacón auf einer Veranstaltung 2013 in Stuttgart gar als „ihren Mann bei den Piraten“, bei deren Abgeordnetenhausfraktion Herr Ugarte Chacón als Wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitet.

Gerne sind wir bereit, weitere Belege zur Verfügung zu stellen, falls der Bedarf besteht.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Rebel (Pressesprecher Berliner Wassertisch (Muskauer Straße)“

2) Entscheidung des Beschwerdeausschusses 2 in der Beschwerdesache 0233/16/2-BA

presserat
Beschwerdeführer: Wolfgang Rebel, Berliner Wassertisch / Muskauer Straße c/o GRÜNE LIGA Berlin e.V.
Beschwerdegegner: JUNGE WELT
Ergebnis: Beschwerde begründet, Hinweis, Ziffer 6
Datum des Beschlusses: 21.06.2016

 

B. Erwägungen des Beschwerdeausschusses

„Der Beschwerdeausschuss erkennt in den streitgegenständlichen Berichterstattungen einen Verstoß gegen die in Ziffer 6* des Pressekodex definierte Trennung von Tätigkeiten.

Die Ausschussmitglieder sehen in der Funktion des Autors beim ,Berliner Wassertisch e.V.‘ eine Doppelfunktion im Sinne der Richtline 6.1** des Pressekodex. Der Autor schreibt über genau jenes Thema, für das er sich in seiner Funktion als Mitglied der Bürgerinitiative engagiert. Ihm ist daher grundsätzlich ein themenspezifisches Eigeninteresse unterstellbar. Zwar bedeutet dies nicht, dass der Autor vorliegend nicht hätte über dieses Thema schreiben dürfen. Den Lesern hätte aber transparent gemacht werden müssen, dass der Autor aus dem Blickwinkel eines am politischen Prozess nicht nur Interessierten, sondern prinzipiell auch Beteiligten schreibt.“

C. Ergebnis

„Als Ergebnis seiner presseethischen Bewertung erteilt der Beschwerdeausschuss der Redaktion gemäß § 12 der Beschwerdeordnung einen Hinweis. Die Entscheidungen über die Begründetheit der Beschwerde sowie über die Wahl der Maßnahme ergehen jeweils einstimmig.“

* „Ziffer 6 – Trennung von Tätigkeiten
Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.“

** „Richtlinie 6.1 – Doppelfunktionen
Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktion achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.“

Weiterführende Links zum Thema:

Zu den Methoden des Dr. Benedict Ugarte Chacón vgl. Blog Sigrun Franzen, insbesondere:

  1. Beispiel, wie Dr. Benedict Ugarte Chacón „andere Leute mit selbstfingierten Beweisen denunzier[t]“
  2. Beispiel, wie Dr. Benedict Ugarte Chacón „systematisch [versucht hat], einen Leitfaden des Arbeitskreises unabhängiger Juristen für die juristische Aufarbeitung der Wasserprivatisierung zu diskreditieren“
  3. Beispiel, wie Dr. Benedict Ugarte Chacón „seine Beziehungen zum berliner-wassertisch.net um die ,SPD-Frau Gerlinde Schermer‘ (Berliner Zeitung) verschleiert“

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Artikeln von Dr. Benedict Ugarte Chacón unter: Wasserpresseblog: Störmanöver eines gewissen Benedict Ugarte Chacón. 2012.

Link zum Pressekodex des Presserats

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