Rede von Wolfgang Rebel
Pressesprecher Berliner Wassertisch / Muskauer Str.
anlässlich der Pressekonferenz vom 4. April 2013
Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Berliner Wassertischs möchte ich mich herzlich für Ihr Kommen bedanken. Außerdem bedanke ich mich für die Unterstützung unseres Anliegens durch den Bund der Steuerzahler, den Verein deutscher Grundstücksnutzer und durch die GRÜNE LIGA, die freundlicherweise diesen Raum zur Verfügung gestellt hat. Wir haben Sie eingeladen, weil wir Sie darüber informieren möchten, dass eine Klage gegen die skandalösen Wasser-Privatisierungsverträge endlich in greifbare Nähe gerückt ist – Privatisierungsverträge, die nach wie vor „in Betrieb“ sind mit allen ihren negativen Auswirkungen.
Erlauben Sie mir, bevor ich auf die erwähnte Klagemöglichkeit eingehe, noch kurz die entscheidenden Umstände in Erinnerung zu rufen, die zum heutigen Stand der Dinge geführt haben. Bekanntlich wurde mit dem Volksentscheid UNSER WASSER mit großer Mehrheit für die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge gestimmt; Verträge, die der CDU/SPD -Senat 1999 mit den privaten Wasserkonzernen RWE und Veolia abgeschlossen hatte. Schon bald gab es deutliche Indizien für das Vorhandensein einer rechtswidrigen Gewinngarantie in den geheimen Verträgen.
Was damals vermutet wurde, konnte durch die Offenlegung bestätigt werden: Die Gewinngarantie, der § 23.7 des Konsortialvertrags, ist verfassungswidrig. Auf der Basis dieser Vertragklausel wurde das Verfassungsgerichtsurteil vom 21.Okt.1999, das Teile der Gewinnkalkulation für verfassungswidrig erklärt hatte, bewusst umgangen. Selbst der von der Großen Koalition in den Sonderausschuss „Wasserverträge“ eingeladene Verfassungsrechtler Professor Dr. Andreas Musil hält diese Klausel für verfassungswidrig. Zutreffend bezeichnen die Oppositionsparteien deshalb die Gewinngarantie als die „Grundlage der Raub- und Beutegemeinschaft von Senat und Privaten“. Auch die SPD-CDU Koalition hat sich von ihrem ehemaligen Werk distanziert. Michael Müller sagte in der ersten Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses nach dem Volksentscheid als damaliger Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD: „Niemand würde heute wieder einen solchen Vertrag schließen.“
Trotz aller Lippenbekenntnisse wurde jedoch mit dem Rückkauf der RWE-Anteile das komplette Vertragswerk einschließlich der verfassungswidrigen Gewinngarantie weitergeführt. Wie schon beim Verkauf 1999 wurden auch beim Rückkauf 2012 allein die Interessen der privaten Anteilseigner bedient. Der Rückkaufpreis errechnete sich aus den Gewinnerwartungen bis 2028 auf der Basis des unverändert geltenden Konsortialvertrages. Auch die betriebliche Führung der Wasserbetriebe liegt trotz des Zukaufs der RWE-Anteile nach wie vor bei Veolia. Dieses Ergebnis entspricht dem Ziel der Geheimverhandlungen, die CDU-Senator Heilmann mit Lobbyisten von Veolia in einem Moratorium vereinbart hatte, wie im September 2012 der Öffentlichkeit bekannt wurde. Entgegen den Beteuerungen der Großen Koalition kann man beim Rückkauf der RWE-Anteile daher nur von einer Schein-Rekommunalisierung sprechen.
Zwar ist diese Art von Rückkauf keinesfalls im Sinne der Berlinerinnen und Berliner, die beim Volksentscheid für das Volksgesetz gestimmt haben, aber paradoxer Weise ergibt sich gerade aus der Fortschreibung des Vertrages nun die Möglichkeit, ihn juristisch anzugreifen.
Nachdem die Abgeordneten der Großen Koalition im Sonderausschuss „Wasserverträge“ die durch das Volksgesetz vorgeschriebene Prüfung der Privatisierungsverträge durch unabhängige Sachverständige verhindert haben, haben wir unsererseits eine Prüfung veranlasst. Über den Kontakt zu dem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Siegfried Broß bekamen wir die Empfehlung, uns an den renommierten Verwaltungs- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christian Kirchberg zu wenden. Prof. Broß beschäftigt sich mit der Privatisierung der Daseinsvorsorge aus unterschiedlichsten Perspektiven. Vor seiner Zeit am Bundesverfassungsgericht war er Richter am Bundesgerichtshof und davor in der bayerischen Staatskanzlei tätig. Von ihm sind mehrere Aufsätze zum Thema erschienen, die ihn als langjährigen Kenner der Materie ausweisen.
Wie Prof. Broß gehört auch Prof. Kirchberg zu den führenden Juristen auf seinem Gebiet. Er ist Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses in der Bundesrechtsanwaltskammer und hat wiederholt öffentliche Auftraggeber vor Gericht verteidigt. Beispielsweise hat er den Bundestag in der CDU-Spendenaffäre vertreten, auch gegen Prozessgegner aus der internationalen Wirtschaft ist er schon tätig geworden.
Mit anderen Worten, wir sind sehr froh, dass Prof. Kirchberg uns in dieser Angelegenheit beraten hat. Er hat sich ausführlich mit den Verhältnissen bei den Berliner Wasserbetrieben befasst. Als Ergebnis dieser Prüfung hat er die Möglichkeit eines Organstreitverfahrens beim Berliner Verfassungsgerichtshof aufgezeigt, die wir Ihnen nun vorstellen möchten:
Gegenstand des Verfahrens wäre die Verletzung des Budgetrechts nach Art. 87.1 der Verfassung von Berlin. Das Budgetrecht, das sogenannte „Königsrecht“ des Parlaments wurde verletzt, weil die berühmt berüchtigte Gewinngarantie gleichzeitig auch eine Sicherheits-Übernahmegarantie des Landes ist. Die Verfassung schreibt jedoch vor, dass Sicherheiten, die der Staat gewährt, eines besonderen Gesetzes bedürfen. Solch ein Gesetz wurde aber weder zur Teilprivatisierung des Jahres 1999 noch vor dem Abschluss des RWE-Rückkaufvertrages geschaffen. Daher kann das Parlament als Verfassungsorgan gegen diese Verletzung seines wichtigsten Rechtes klagen. Vereinfacht gesagt, beginnt mit der Fortschreibung des Vertrags durch den Rückkauf auch die Laufzeit der Klagefristen erneut. Da der Rückkauf am 25. Oktober letzten Jahres erfolgte, läuft die Klagefrist am 25. April ab. Nur hilfsweise könnte auch das Ende des Wasser-Sonderausschusses (17. Jan. 2013) als Beginn der halbjährigen Klagefrist angenommen werden. Klageberechtigt ist mindestens eine Fraktion des Abgeordnetenhauses. Eine ausführlichere Klageskizze finden Sie in der Pressemappe.
Ziel des Verfahrens ist es, die Verfassungswidrigkeit der Verträge feststellen zu lassen. Damit ist der Vertrag zwar noch nicht aus der Welt. In einem Folgeverfahren kann er jedoch über eine Feststellungsklage für nichtig erklärt werden, woraufhin eine Rückabwicklung erfolgen könnte. Bei einer Rückabwicklung würden die erhaltenen Gewinne mit dem 1999 gezahlten Kaufpreis verrechnet. Aufgrund von Gewinngarantie und dem einkalkulierten Preismissbrauch des Vertragswerks haben die privaten Anteilseigner ihre Kaufsumme jedoch schon längst rekapitalisiert. Eine Rückabwicklung wäre also die kostengünstigste Form der Rekommunalisierung.
Das Organstreitverfahren kollidiert nicht mit der bereits eingereichten Normenkontrollklage von Grünen und Piraten. Die Organklage ist umfassender, da sie sich direkt gegen die „Gewinngarantie“ als Hauptzweck der Teilprivatisierungsverträge richtet. Prof. Broß und Prof. Kirchberg sind hochangesehene Juristen und sprechen sich nicht leichtfertig für einen Klageweg aus. Prof. Dr. Kirchberg wäre bereit, die gerichtliche Vertretung zu übernehmen. Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen im Anschluss gern zur Verfügung.
Wir möchten mit einem Appell enden: Momentan verhandelt der Senat mit Veolia über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit kann davon ausgegangen werden, dass der Senat die von Veolia angebotenen 15% im Schnellverfahren wieder zu einem überhöhten Preis zurückkaufen könnte und Veolia die Betriebsführung überlassen würde. Eine solche erneute Schein-Rekommunalisierung würde aber nichts an den verfassungswidrigen Festlegungen ändern, an der absichtlichen Umgehung von Verfassungsgerichtsurteilen, an der missbräuchlichen Preisgestaltung und an den geheimen Schiedsverfahren, die ungeheure Anwaltskosten verursachen.
Darum kann und muss nach Ansicht des Berliner Wassertischs gegen diese Verträge geklagt werden. Die unrechtmäßige Bereicherung der Wasserkonzerne RWE und Veolia an den Berliner Bürgern ist eine direkte Folge eines Verfassungsbruchs. Die Abgeordneten, deren wichtigstes Recht – das Budgetrecht – verletzt wurde, müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und alles tun, um wieder rechtskonforme, demokratische Verhältnisse herzustellen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.