(Berlin, 5. Juni 2012) Ein Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes ist in zentralen Fragen selbstwidersprüchlich und daher wertlos. Der Wassertisch fordert die gerichtliche Klärung der Frage, ob die Wasserverträge rechtswidrig sind oder nicht.
Mitte letzten Jahres hatte der Arbeitskreis unabhängiger Juristen (AKJ) auf einer Pressekonferenz zusammen mit der Verbraucherzentrale Berlin und dem Bund der Steuerzahler in einem juristischen Leitfaden eine Klagemöglichkeit gegen die verfassungswidrigen Wasserverträge aufgezeigt. Rund ein Jahr später stellt nun der wissenschaftliche Parlamentsdienst (WPD) im Auftrag des „Sonderausschusses Wasserverträge“ ebenfalls ein Gutachten vor. Dieses befasst sich ausschließlich mit dem Leitfaden des AKJ. Ergebnis: Eine Klage sei „als wenig erfolgversprechend anzu¬sehen“, und außerdem seien die Klagefristen schon verstrichen. In den zentralen Fragen trägt das Gutachten jedoch nichts zur Klärung bei. Dazu Wolfgang Rebel, Sprecher des Berliner Wassertischs: „Dass hier zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen existieren, ist ja nichts Ungewöhnliches. Jetzt kommt es aber darauf an, dass sich endlich Gerichte mit der Frage der Rechtswidrigkeit der Verträge befassen. Es kann nicht sein, dass Rechtsauffassungen des WPD in der Öffentlichkeit fast wie Rechtsentscheidungen von zuständigen Gerichten behandelt werden. Dass RWE, Veolia und der Senat jetzt mit dem WPD-Gutachten argumentieren, liegt aufgrund ihrer Interessenlage auf der Hand.“
Schon dem Laien fällt auf, dass sich das Gutachten in der Frage der Gewinngarantie selbst wider-spricht. Zwar stellt der WPD fest, dass diese der „weitgehenden Absicherung der Renditeinteressen für die privaten Anteilseigner“ dient. Andererseits sei sie aber nicht als „Garantie oder sonstige Gewährleistung“ anzusehen. Mangelnden Realitätssinn beweisen die Gutachter mit der Feststellung, dass die Gewinngarantie für die Wasserkonzerne nicht der zentrale Passus des Vertragswerks sei. Ohne dieses Füllhorn, aus dem die Konzerne den Kaufpreis schon wieder erlösen konnten, wäre der Vertrag wohl kaum zustande gekommen. Eine materielle Klärung dieser und anderer maßgeblicher Fragen erfolgt nicht. Dass die Verträge damals ohne sinnvollen Grund als geheim eingestuft wurden, lässt es zudem – entgegen dem Gutachten – durchaus als möglich erscheinen, dass Senat und private Anteilseigner sich sehr wohl bewusst waren, dass das Vertragswerk einer gerichtlichen Prüfung nicht würde standhalten können.
Genau diese gerichtliche Klärung fordert der Wassertisch jetzt. Rund 1,3 Milliarden Euro, die das Land durch die Rückabwicklung der rechtswidrigen Wasserverträge gegenüber einem Rückkauf sparen könnte, verpflichten im Sinne der „sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung“ sowohl den Senat als auch die Abgeordneten, für die Verteidigung des „parlamentarischen Budgetrechts“ und zur Wiederherstellung demokratischer Strukturen vor Gericht zu ziehen. Die Verletzung der demokratischen Legitimation der Geschäftsführung bei den BWB hat der Wirtschaftsexperte Rainer Heinrich dargestellt (http://www.scribd.com/doc/94872672/SZR-Heinrich2012) – auch hier steht noch eine gerichtliche Prüfung aus.
Am 08.06.2012, 12.00 Uhr, Raum 311, Abgeordnetenhaus, findet die nächste Sitzung des Sonderausschusses „Wasserverträge“ statt. In der dortigen Anhörung werden die Juristen Sabine Finkenthei und Olav Sydow den Leitfaden für das Organstreitverfahren vorstellen und erläutern. Es wäre schön, wenn auch ein Mitarbeiter des WPD dort erscheinen würde.
Kontakt :
Wolfgang Rebel
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