Pressemitteilung vom 23. Jan. 2016
Die LINKE hat mehrere Abgeordnete und Mitarbeiter der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus abgeworben. Die parlamentarische „Repräsentanzlücke“ bei Rekommunalisierung und Bürgerbeteiligung, die nach Ansicht von LINKEN-Chef Klaus Lederer durch den Einzug der Piraten im Wahljahr 2011 ausgefüllt wurde, ist durch diesen Akt erneut aufgerissen worden.
(Berlin, 23. Januar 2016) Vorgestern haben der Parteichef der Berliner LINKEN, Klaus Lederer, und der Fraktionsvorsitzende der Piratenfraktion, der Ex-Pirat Martin Delius, einen Aufruf von 36 Ex-Piraten zur Unterstützung der LINKEN vorgestellt. Das „lose Netzwerk“ hätte bereits seit einem Jahr in offenen LINKEN-Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Lederer und Delius werten den Seitenwechsel in einem Interview mit dem Tagesspiegel als Beweis dafür, dass die LINKE auf den Gebieten Bürgerbeteiligungen, Volksbefragungen und Rekommunalisierung dazugelernt hätte. Die Demontage der Piratenfraktion ist jedoch nach Ansicht des Berliner Wassertischs ein weiterer Rückschlag für Bürgerdemokratie und die Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge – wie die geplante Änderung des Abstimmungsgesetzes, die Aufweichung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes und die geplante Wiederauflage des bei der Wasserprivatisierung gescheiterten PPP-Modells bei den Gas- und Stromnetzen.
Dazu Wolfgang Rebel, Sprecher des Berliner Wassertischs: „Herr Lederer hat nicht Unrecht, wenn er behauptet, dass die Piraten die parlamentarischen Repräsentanten der neuen demokratischen Bewegungen waren. Die Piratenfraktion war die einzige Fraktion, die das Wasser-Volksgesetz ernst genommen hat. Es ist ein außerordentlich schlechtes Zeichen, wenn die Zivilgesellschaft diese wichtige Stütze im Parlament verlieren sollte.“
Die Bedeutung einer solchen parlamentarischen Repräsentanz zeigt die vom Berliner Wassertisch vorbereitete und von der Piratenfraktion eingereichte Organklage gegen die Wasserverträge. Mit dem Verfahren sollten die rund 1,5 Milliarden Euro zurückgefordert werden, die die jeweiligen Senatsparteien SPD, CDU und LINKE den Wasserkonzernen RWE und Veolia per Gewinngarantie zugeschoben hatten. Die Klage war ein wichtiger politischer Erfolg für die Rekommunalisierung: Kurz nach ihrer Einreichung machte der letzte verbliebene Wasserkonzern, Veolia, den Weg zu kommunalen Wasserbetrieben frei. Juristisch scheiterte die Klage zwar daran, dass die Klagefrist angeblich um vier Monate überschritten war. Doch hätte sich eine der AGH-Fraktionen bis zum 28. Dezember 2012 zur Organklage entschlossen – wozu der Wassertisch auch die LINKE mehrmals aufgefordert hatte – wäre die Klage zur Verhandlung gekommen.
Die Zusammensetzung des Ex-Piraten-Netzwerks lässt jedoch zweifeln, ob die von Lederer erhoffte Imageaufbesserung auf den Gebieten der Bürgerbeteiligung und Rekommunalisierung eintreten wird. Die Ex-Piraten-Abgeordneten Martin Delius und Dr. Simon Weiß beispielsweise haben dem Beschluss für die Organklage nicht zugestimmt. Oliver Höfinghoff ist als Beisitzer des Wasser-Sonderausschusses kaum in Erscheinung getreten. Auch zum Thema Bürgerbeteiligung hat Martin Delius eigene Ansichten. Anfang des Jahres hat er als Fraktionsvorsitzender eine Klage gegen zwei Wassertisch-Mitglieder auf Zahlung von 25.000 Euro zur Nachfinanzierung der Organklage in Gang gesetzt. Der Mitunterzeichner des Aufrufs und wissenschaftliche Referent der Piratenfraktion für den BER-Untersuchungsausschuss, Dr. Benedict Ugarte Chacón, versuchte unlängst, einer Wassertisch-Aktivistin die Dokumentation dubioser Aktivitäten von ihm zur Behinderung der Organklage unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro per Einstweilige Verfügung zu verbieten.
Dazu Rainer Heinrich, Vertrauensperson des Wasser-Volksbegehrens: „Wenn es eine Partei ernst meint mit dem Engagement für Bürgerdemokratie und Rekommunalisierung, gibt es viele Möglichkeiten, dies unter Beweis zu stellen. Dieser Hinterzimmer-Coup war es sicherlich nicht. Entgegen den demagogischen Verlautbarungen beider Gruppierungen dokumentiert sich darin vielmehr eine versteckte ‚Vereinigung im Geiste‘ gegen bürgerschaftliches Engagement.“
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„Eine echte Demokratie braucht eine unabhängige Presse.“ (Stéphane Hessel)
Anlage: 10 Gründe, warum der Berliner Wassertisch ein Spendenversprechen an die Piraten- Fraktion des AGH zurückzieht