Redebeitrag des Berliner Wassertischs auf der Demo „StopTTIP StopCETA“ am 17. September 2016
„Als Mitglied des Berliner Wassertisches begrüße ich Euch ganz herzlich. Vielen Dank auch an alle, die diese wichtige Demo ermöglicht haben.
Für die, die den Berliner Wassertisch nicht kennen: Wir sind eine Bürgerinitiative, die seit mittlerweile 10 Jahren für den Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge kämpft. Vor 5 Jahren haben wir zusammen mit vielen anderen den erfolgreichen Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Wasserbetriebe durchgesetzt.
Und weil wir für eine nachhaltige und bürgernahe Daseinsvorsorge sind, sind wir gegen CETA, TTIP und TISA. Wir sind gegen alle Vorhaben, die versuchen, unter dem Deckmäntelchen der „Liberalisierung“ bewährte nicht-kapitalistische, gemeinwohlorientierte Wirtschaftsmodelle sowie die demokratische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger auszuhebeln.
Dabei ist die Situation politisch eigentlich eindeutig. In Umfragen sprechen sich regelmäßig rund zwei Drittel der Bevölkerung für eine kommunale Daseinsvorsorge aus. Beim Berliner Wasservolksentscheid vor fünf Jahren waren sogar 98 % – also fast alle, die abgestimmt haben – für kommunale Wasserbetriebe.
Für diese hohen Zustimmungsraten gibt es ganz rationale Gründe, wie das Berliner Beispiel zeigt: Die von SPD und CDU durchgeführte und auch von der Linkspartei fortgeführte Wasserprivatisierung führte zu einem Preismissbrauch von mindestens dreißig Prozent. In Geheimverträgen hatte der Senat den Konzernen RWE und Veolia eine Gewinngarantie gegeben. In den knapp 10 Jahren der Privatisierung sind über die missbräuchlich überhöhten Preise knapp 1,5 Milliarden Euro an die Konzerne geflossen. Erst vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf fand diese illegale Praxis ein Ende.
Problematisch war auch das Verhalten der verantwortlichen Politiker. Ein wirkliches Unrechtsbewusstsein gab es nicht. Privatisierungen, sagten sie, seien damals der Zeitgeist gewesen. Sowohl die politisch Verantwortlichen als auch die Geschäftsführung der BWB blieben auf ihren Posten.
Eine juristische Aufarbeitung haben SPD, CDU und die LINKE genausowenig unterstützt wie vorher den Volksentscheid. Einzig einige Piratenfraktionäre haben eine vom Wassertisch vorbereitete Organklage angestrengt. Dieser Klageeinreichung haben wir schließlich auch den Rückkauf der letzten privaten Anteile an den BWB zu verdanken.
CETA und TTIP bedrohen demokratische Prozesse
Das Beispiel Berlin zeigt unübersehbar, was jetzt auch wieder bei CETA und TTIP deutlich wird: Bei den Themen Privatisierung und Liberalisierung gibt es eine Kluft zwischen der Zivilgesellschaft und den Parteien, die mehr oder weniger offen eine neoliberale Politik verfolgen.
Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft über Mittel und Einrichtungen verfügt, Fehlentwicklungen dieser Art zu korrigieren. Dies waren beim Berliner Wasser unter anderem: Erstens: Eine aufmerksame und wirkmächtige Zivilgesellschaft, zweitens: unabhängige staatliche Gerichte, die auf die demokratische Verfassung verpflichtet sind und drittens frische, demokratische Parteien, die weder neoliberal noch neovölkisch sind.
Genau diese drei Elemente werden jedoch durch die neuen Abkommen geschwächt. CETA lässt sich auf eine kurze Formel bringen: Machtverlust für die Demokratie, Machtgewinn für die Konzerne. Der antidemokratische Sprengstoff liegt in Regelungen, die mit Handel nur am Rande zu tun haben: dem Investitionsschutz, den Schiedsgerichten, der regulatorischen Zusammenarbeit und dem sogenannten „gemischten CETA-Ausschuss“.
Ich kann nicht auf alle eingehen, daher nur kurz: Die Zivilgesellschaft wird geschwächt, wenn ihre wirksamste Waffe – die öffentliche Meinung – stumpf wird. Dies ist der Fall, wenn wichtige Entscheidungen auf Einrichtungen wie die Schiedsgerichte oder den CETA-Ausschuss übertragen werden, die nur noch mittelbar demokratisch legitimiert sind.
Die staatliche Gerichtsbarkeit wird durch die CETA-Paralleljustiz unterlaufen. Mit dem sogenannten Investitionsschutz wird das Recht auf Profit ein Recht, das über der Verfassung steht – ohne dass je eine öffentliche Meinungsbildung oder gar eine Abstimmung darüber stattgefunden hätte.
Ob ein CETA-Gerichtshof beispielsweise den Preismissbrauch der Berliner Wasserbetriebe bei einer Klage als ,politisch legitim‘ oder ,illegitim‘ eingeschätzt hätte, kann niemand sagen. In Litauen hat ein Konzern bereits das Recht, Wasserpreise zu erhöhen, vor einem Schiedsgericht erfolgreich eingeklagt.
CETA und TTIP bedrohen das Friedensprojekt EU
Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir es verheerend finden, wenn neoliberale Projekte, die bei der Bevölkerung aus berechtigten Gründen keine Mehrheiten finden, über die Europäische Union durchgedrückt werden sollen. Wer das macht, riskiert, die Kluft zwischen Zivilgesellschaft und dem kapitalistischen Privatisierungswahn in eine Kluft zwischen Zivilgesellschaft und EU umzuwandeln. Das ist verantwortungslos, weil damit die EU diskreditiert wird. Frieden und Freizügigkeit sind Errungenschaften, die nicht leichtfertig geopfert werden sollten. Gerade in Zeiten des Brexit stehen wir alle in der Pflicht, die Akzeptanz der EU durch Transparenz, Demokratie und praktizierte internationale Solidarität wieder zu erhöhen. CETA und TTIP sind das Gegenteil davon.
SPD-Parteikonvent zu CETA
Und am 19. September: Auf nach Wolfsburg zum SPD-Parteikonvent.* Dort wollen wir die Delegierten auffordern, gegen CETA zu stimmen.“
Am 19. September, 7:30 fährt ein Bus vom Omnisbusbahnhof/Messedamm Berlin nach Wolfsburg. Busfahrkarten (Hin- und Rückfahrt) können für insgesamt 8 Euro bei Campact gebucht werden.
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