Interview des Berliner Wassertischs mit Prof. Markus C. Kerber

Der Berliner Wassertisch befragte den Berliner Rechtsprofessor Dr. Markus C. Kerber zur Auflösung seines Mandats im Kartellamtsverfahren, zu Möglichkeiten der Rückabwicklung, der Rekommunalisierung und zum geplanten Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe.

Interview des Berliner Wassertischs mit Prof. Markus C. Kerber
Fragen: Rainer Heinrich, stellvertretender Pressesprecher des Berliner Wassertischs

Berliner Wassertisch:
Konsortialverträge sind bekanntlich von unterschiedlicher Qualität. Die Berliner Teilprivatisierung wird allgemein als misslungen bezeichnet. Das Berliner Modell ist sonst nirgendwo nachgeahmt worden. Der Berliner Wassertisch hat auf einem Tableau unterschiedliche Klagewege skizziert. Wie beurteilen Sie die Aussichten auf eine juristische Anfechtung dieser Verträge – unabhängig von den zu erwartenden Folgen? Sehen Sie noch weitere Möglichkeiten?

Prof. Kerber:
Es besteht für mich kein Anlass, über die vom Berliner Wassertisch erwogenen und vorgeschlagenen juristischen Verfahren zu urteilen, die eine Revision der Konsortialverträge ermöglichen. Das Land Berlin praktiziert zusammen mit den privaten Gesellschaftern diese Konsortialverträge und weiß selbst um ihre Unvorteilhaftigkeit. Es nützt aber nichts, den Versuch zu machen, die Verträge ex tunc für nichtig zu erklären, sondern es ist unter den Geboten der Realpolitik sinnvoller, das Kartellverfahren, das bislang sehr erfolgreich war zu nutzen, um sich unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage von den Konsortialverträgen zu befreien.

Berliner Wassertisch:
Sie haben die Wasserverträge kürzlich in Übereinstimmung mit der allgemeinen Kritik als „außerordentlich unvorteilhaft“ für das Land Berlin bezeichnet. Worin bestehen die Nachteile für das Land Berlin?

Prof. Kerber:
Die wesentlichen Nachteile des Landes Berlin liegen im Verlust der preisregulatorischen Hoheit. Trink- und Abwasserpreise sind nicht umsonst Gegenstand einer landespreisrechtlichen Regulierung. Werden diese durch das Land geändert, muss das Land die finanziellen Folgen gegenüber den privaten Gesellschaftern tragen. Wer das unterschrieben hat, wollte das Land zum finanziellen Selbstmord treiben. Ein Verfahren gem. § 266 StGB und Art. 91 VvB bietet sich an.

Berliner Wassertisch:
Wie ist es Ihrer Meinung nach zu erklären, dass diese Nachteile den professionell beratenen Vertretern des Landes Berlin entgangen sind?

Prof. Kerber:
Ich kann nur annehmen, dass es keine professionellen Berater gegeben hat. Anderenfalls hätten sie das Land aufgeklärt oder das Land hätte mangels einer entsprechenden Aufklärung Schadensersatzklage gegen sie erhoben.

Berliner Wassertisch:
Der damalige Wirtschaftssenator Wolf hat Sie damit beauftragt, das Bundeskartellamt in die Überprüfung der Wasserpreise einzuschalten. Nun hat seine Nachfolgerin Wirtschaftssenatorin Frau von Obernitz Sie von Ihren Aufgaben freigestellt. In einem Interview hat sie dazu gesagt, dass sie als Wirtschaftssenatorin keinen Anwalt verpflichten könne, der juristisch eine Position aufbereitet, die sie als Aufsichtsratsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe nicht vertreten kann. Wie kommt sie zu diesem Schluss, und wie sind Sie und Herr Wolf damals mit diesem Interessenkonflikt umgegangen?

Prof. Kerber:
Die Äußerungen von Frau von Obernitz sind nicht nur in der Wasserangelegenheit sondern ganz allgemein von intellektueller Konfusion gekennzeichnet. Daher ersparen Sie mir bitte, darauf im Einzelnen einzugehen. Es gibt im Übrigen keinen Konflikt der Tätigkeit im Aufsichtsrat der BWB und der Führung eines Kartellverfahrens. Das kartellrechtliche Preismissbrauchsverfahren gegen die BWB hat eine vermeintliche Ordnungswidrigkeit zum Gegenstand. Es fällt in die Pflicht des BWB-Aufsichtsratsvorsitzenden dafür zu sorgen, dass unter seiner Präsidentschaft das Unternehmen keine Ordnungswidrigkeiten begeht. Insofern ist das Gerede vom angeblichen Spannungsverhältnis zwischen Kartellverfahren und Pflichten des Aufsichtsratsvorsitzes eben doch nur Gerede.

Berliner Wassertisch:
Wie schätzen Sie angesichts Ihrer erzwungenen Demission durch Wirtschaftssenatorin von Obernitz die Beteuerungen des Senats ein, dass er bemüht ist, die Wasserpreise zu senken?

Prof. Kerber:
Darf ich bitte richtigstellen: Ich habe das Mandatsverhältnis durch Schreiben an Frau von Obernitz aufgelöst, nachdem ich bereits im Dezember letzten Jahres den Eindruck gewonnen hatte, dass die Wirtschaftssenatorin an diesem Verfahren nicht nur kein Interesse hatte, sondern sie darum bemüht war, sich mit den Privatgesellschaftern ins Benehmen zu setzen.

Berliner Wassertisch:
Der Senat hat einen Rückkaufvertrag mit dem BWB-Anteilseigner RWE unterzeichnet. Die Rückkaufsumme liegt unterhalb des ehemaligen Kaufpreises. Warum halten Sie den Kaufpreis immer noch für zu hoch?

Prof. Kerber:
Angesichts des schwebenden Kartellverfahrens und damit der Preissenkungsverfügung ist davon auszugehen, dass der Unternehmenswert für den RWE-Anteil an BWB noch sinken wird. Warum Finanzsenator Dr. Nussbaum in dieser Situation hastig bemüht ist, RWE einen relativ hohen Kaufpreis zu zahlen, lässt sich überhaupt nicht nachvollziehen.

Berliner Wassertisch:
Wissen Sie, wie der Rückkaufpreis kalkuliert wurde?

Prof. Kerber:
Nein.

Berliner Wassertisch:
Senator Nussbaum bezahlt RWE offensichtlich mehr Geld als nötig. Bestehen hier möglicherweise Parallelen zum Rückkauf der EnBW durch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus, gegen den nun wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder ermittelt wird?

Prof. Kerber:
Parallelen zum Mappus-Fall liegen auf der Hand. Auch für Senator Nussbaum gilt § 266 StGB, d. h. eine Vermögensbetreuungspflicht. Er ist dazu verpflichtet, Sorge zu tragen, dass Haushaltsmittel nicht für den überpreisigen Erwerb von Anteilen verwandt werden.

***

Interview als PDF

Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.