Siegfried Broß*, Vortrag bei dem Markenforum des Markenverband e.V. in München am 23. November 2018
Marke und Schutz des Eigentums – Überlegungen zur Einschränkung von Marken unter Gemeinwohlsaspekten
I. Einführung
Das Thema des heutigen Vortrags betrifft eine überaus reizvolle Problemstellung. Diese hat durch die Entscheidung des WTO-Schiedsgerichts zu Plain Packaging für Tabakerzeugnisse in Australien und eine Vorlage des Staatsrats von Frankreich an den EuGH im Zusammenhang mit Beschränkungen des Warenverkehrs mit Tabakerzeugnissen in jüngster Zeit an ganz erheblicher Aktualität gewonnen. Das hat mich bewogen, die Behandlung des Themas aufzuteilen, weil andernfalls der Rahmen der Tagung gesprengt würde. Dem Markenforum ist ein umfangreicherer rein wissenschaftlicher Text zur Verfügung gestellt und nachfolgend nehme ich vor dem aufgezeigten Hintergrund punktuell zu den zentralen Problemen Stellung.
1. Ein grundlegendes Problem in Bezug auf den Schutz der Marke als Eigentum beruht darauf, dass es regelmäßig in den rechtlichen Grundlagen an einer Legaldefinition dafür, was Gegenstand des Eigentums und damit schutzfähig ist, fehlt. So formuliert etwa die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (Abl. Nr. C 303 S. 1) in Art. 17 Abs. 1 S. 1 schlicht, „jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben.“ Ähnlich ist in Art. 1 Abs. 1 S. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952 niedergelegt, dass jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) bestimmt dem entsprechend in Art. 14 Abs. 1 S. 1 „das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“
2. Im Hinblick auf diese Offenheit des Rechtsinstituts „Eigentum“ stellen sich nahe liegend verschiedene Fragen. Wenn – wie vorstehend deutlich geworden – die Verfassungen zur näheren Beschreibung des Inhalts des Eigentums schweigen, ist zunächst die Frage zu erörtern und zu beantworten, welche individuellen Positionen der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgabe „Schutz des Eigentums“ als Eigentum zu definieren hat und sie folglich rechtlich unter Schutz stellt. Daran anschließend und damit eng zusammenhängend muss bedacht und in die Überlegungen für die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers einbezogen werden, ob sich hierfür in der jeweiligen Verfassung Vorgaben oder anderweitig Anhaltspunkte finden.
Erst wenn dieser Hintergrund aufbereitet und ausgeleuchtet ist, kann man sich seriös der Frage zuwenden, ob und mit welcher Intensität auf ein so definiertes Eigentum von vornherein für die Anerkennung oder danach für spätere Einschränkungen von staatlicher Seite eingewirkt werden darf. Insoweit ist der Entzug des Eigentums sicher der stärkste Eingriff, der allgemein sehr engen Voraussetzungen unterliegt und in der rechtsstaatlichen Demokratie nur gegen eine angemessene Entschädigung zulässig ist [1]. Die Anordnung eines Plain Packaging wie auch gleich wirkende gesetzliche Maßnahmen weisen allerdings auf ein weiteres Problem hin, dem der Entwertung des Eigentums, ohne dass dies mit einer Enteignung verbunden wäre. Die Enteignung dient allgemein dazu, das Eigentum zu entziehen und auf einen anderen Inhaber zu übertragen, wie etwa bei staatlichen Infrastrukturmaßnahmen.
3. Da die Marke im Wirtschaftsverkehr nicht nur national, sondern infolge der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen weltweit von erheblicher politischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist, bedarf die rechtliche Betrachtung einer Abstraktion von nationalen verfassungsrechtlichen Besonderheiten, aber auch von nationalen Befindlichkeiten. Es gilt, die verbindenden Grundgedanken, die allen modernen rechtsstaatlichen Demokratien eigen sind, zu identifizieren. Das ist legitim, weil sich die Wirtschaftsbeziehungen, wie sie in den internationalen Abkommen ihren Niederschlag gefunden haben, hieran überwiegend ausrichten, aufgrund immer wieder zu beobachtender Fehlleistungen und Umgehungen lebensnäher ausgedrückt „ausrichten sollten“. Das gilt vor allem in dem Umfang, in dem allgemein Menschen- und Grundfreiheiten anerkannt sind. Diese Forderung folgt nicht zuletzt aus Art. 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948. Dort ist in Abs. 1 ein interessanter Aspekt angesprochen, wonach jeder Mensch allein oder mit anderen (ein) Recht auf Eigentum hat.
Im Hinblick auf die bestehenden internationalen Abkommen und Regelwerke, die Frau Cheng Tan vorhergehend dargestellt und erörtert hat, sind einige Hinweise vor allem wegen der aktuellen Entwicklungen in Europa und weltweit hinsichtlich der Freihandelsabkommen geboten:
Bei Eingehen einer Verbindung von Staaten zur Erledigung einer die Staaten übergreifenden Aufgabe wie z.B. der Überwachung des internationalen Flugverkehrs durch EuroControl, die Einrichtung von Europa-Schulen bei Gründung internationaler Vereinigungen wie auch der Europäischen Patentorganisation wird regelmäßig übersehen, dass die Internationalisierung von staatlichen Aufgaben und Verbindungen nicht dazu legitimiert oder gar als „Blankoscheck“ benutzt werden darf, den Menschen- und Grundrechtsschutz zu vernachlässigen. Die vertragschließenden Staaten haben – so auch bei der Gestaltung von Handels- und Wirtschaftsverträgen – die weiter wirkende und nicht abdingbare Pflicht, den Menschen- und Grundrechtsschutz der ihnen anvertrauten Menschen bei Übertritt in eine solche internationale Organisation sicherzustellen oder die Möglichkeit von Zugriffen durch ausländische Staaten im Rahmen einer solchen vertraglichen und institutionellen Verbindung nur entsprechend den mit dem Schutz des Eigentums verbundenen Gewährleistungen zu eröffnen.
II. Einzelheiten
1. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die erwähnte WTO-Entscheidung, wird man nachdenklich. Schon der enorme Umfang von annähernd 900 Seiten wirkt auf einen Richter mit jahrzehntelanger Berufserfahrung und Erfahrung bei der Gestaltung völkerrechtlicher Verträge wenig überzeugend.
Zunächst ist die Annahme, die Gestaltung des zu Grunde liegenden Vertragswerks könnte gleichwohl gelungen sein, eher fern liegend. Bei der Beschreibung dessen, was schutzfähiges Eigentum ist und welche Verpflichtungen die Gesetzgeber zur Festsetzung entsprechender Regelungen haben, bedarf es größter Sorgfalt. Das ist allerdings Aufgabe der Vertragsstaaten und muss explizit in einen Vertragstext aufgenommen werden. So ist bei der Anordnung einer Plain Packaging die Substanz des Eigentums der Produzenten von Tabakerzeugnissen betroffen. Aus diesem Grunde ist nach rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen das Parlament eines Vertragsstaates zuständig. Es ist wegen des beschriebenen und allgemein anerkannten Standards des Eigentumsschutzes nicht angängig, solche Entscheidungen, die geeignet sind, das Eigentum in der Substanz zu entwerten, auf Gerichte zu übertragen. Hierbei handelt es sich um eine Systemwidrigkeit in der rechtsstaatlich-demokratischen Organisationsstruktur.
Solche offene Regelungen widersprechen auch den allgemein anerkannten rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es ist der falsche Ansatzpunkt, bei der im Mittelpunkt stehenden Frage bei dem zu Grunde liegenden Abkommen – hier TRIPS – anzusetzen. Vielmehr ist von der übergeordneten Ebene des Verfassungsrechts her und den allgemein gültigen rechtsstaatlichen Grundlagen – nicht nur für den Schutz des Eigentums, sondern generell – zu fragen, wie hätte eine rechtsstaatlich-demokratischen Anforderungen gerecht werdende vertragliche Regelung ausgeformt werden müssen. Keinesfalls ist es angängig, solche Beurteilungen auf Schiedsgerichte außerhalb des demokratischen Kontextes zu übertragen. Was in der Substanz zwischen den Vertragsstaaten vereinbart ist, darf nicht der Definition von Institutionen außerhalb der Staatsorganisation übertragen werden, das umso weniger, wenn existenzielle Grundrechtspositionen betroffen sind.
2. Weitere kritische Gesichtspunkte kommen hinzu. Da die Anordnung einer Plain Packaging materiell zumindest den weit gehenden Verlust des Eigentums zur Folge hat, muss man auch über den Investorschutz nachdenken. Dieser hat zwar flankiert durch eine entsprechende private Schiedsgerichtsbarkeit seit vielen Jahren eher ein geruhsames Dasein erlebt, ist aber im Zusammenhang mit der Freihandels-Bewegung der letzten Jahre und dem abrupten Atomausstieg der Bundesrepublik Deutschland in das grelle Licht der Öffentlichkeit gelangt. Es könnte sein, dass etwa für das Thema die entsprechenden völkerrechtlichen Verträge nicht aufeinander abgestimmt sind. Mit dieser Problematik beschäftige ich mich nunmehr seit mehr als 20 Jahren, weil ich mit großer Sorge beobachte, dass zwar fortwährend internationale Verträge und Staatenverbindungen wie EPO und andere und nunmehr eine neue Patentgerichtsbarkeit auf EU-Ebene gegründet und eingegangen werden, ohne dass die unabdingbare Abstimmung und Harmonisierung mit dem schon vorhandenen Bestand an Verträgen vorgenommen würde.
Diese Problematik wird auch deutlich an der Vorlage des Staatsrats Nr. 411717 der französischen Republik an den EuGH. Es ist nicht auszuschließen, dass Regelungen, die in internationalen Abkommen wie vorliegend TRIPS und WTO getroffen werden, nicht unbedingt mit EU-Recht vereinbar sind. Selbst wenn die EU-Kommission mitwirkt – wie bei den Freihandelsabkommen, aber auch bei der geplanten europäischen Patentgerichtsbarkeit-, bietet dies noch keine Gewähr dafür, dass die eingegangenen und getroffenen vertraglichen Regelungen frei von Bedenken wären und mit den Grundrechtsgewährleistungen in Einklang stünden. Der Vollständigkeit wegen ist im Hinblick auf die französische Vorlage an die Entscheidung des EuGH in dem Rechtsstreit „ACHMEA“ zu erinnern, die wegen Entzugs der Kontrollmöglichkeiten des EuGH über die Tangierung der EU-Rechtsordnung durch außerhalb stehende Institutionen allgemeine Bedeutung für Schiedsgerichte und „Gerichte“ innerhalb von Staatenverbindungen unter Beteiligung der EU oder ihrer Mitgliedstaaten hat, so etwa für die EPO oder die geplante EU-Patentgerichtsbarkeit.
3. Die vorstehend erläuterten Überlegungen kann man noch anhand weiterer Kriterien verdeutlichen. Es besteht bei distanzierter Betrachtung der Eindruck, dass bei der Frage der Anordnung einer Plain Packaging und ähnlicher möglicherweise geplanter Maßnahmen in anderen Wirtschaftsbereichen wie etwa Zucker, Alkohol oder Fast Food, die Vergewisserung der Akteure darüber fehlt, in welcher sozialer und staatlicher Regelungskategorie der ins Auge gefasste Gegenstand anzusiedeln ist.
a. Bei den Beschränkungen für den Vertrieb von Tabakerzeugnissen geht es um die staatliche Fürsorge für die Volksgesundheit. Die staatliche Fürsorge ist deshalb der Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit zuzuordnen. Herkömmlich – darauf ist nachfolgend noch einzugehen – ist die Marke (vormals das Warenzeichen) dem Wettbewerb des privaten Wirtschaftsverkehrs zuzuordnen. In diesem Bereich stehen sich allerdings gleichgeordnete private Teilnehmer in Wirtschaft und Wettbewerb gegenüber, die um denselben Adressatenkreis mit ihrer Marke und Werbung – allgemein den Kunden – „ringen“.
Hingegen gelten im Bereich der Gefahrenabwehr wegen des durch die Grundrechte konturierten Über-Unterordnungs – Verhältnisses andere Grundsätze für staatliche Regelungen, hier in Bezug auf den Schutz des Eigentums an Marken. Staatliche Eingriffe im Bereich der Gefahrenabwehr unterliegen aus rechtsstaatlich-demokratischen Gründen für die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes engeren Voraussetzungen als dies beim Ausgleich von widerstreitenden Grundrechtspositionen bei einem privaten Rechtsverhältnis der Fall ist.
Staatliche Eingriffe müssen erforderlich sein und dürfen nur in einem verhältnismäßigen Umfang wahrgenommen werden. Der Staat darf also nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, um ein beliebiges Ziel zu verwirklichen. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu. Der Adressat der staatlichen Fürsorge ist ein autonomes selbstbestimmtes Individuum. Der Adressat der Werbung und damit des mit der Marke versehenen Produkts kann frei entscheiden, ob er einer „Kauflust“ erliegt. Aus diesem Grunde ist der staatliche Eingriff hier bei Plain Packaging anders zu beurteilen, als dies aktuell geschehen ist; denn selbst bei Annahme der Erforderlichkeit zur effektiven Wahrnehmung der staatlichen Fürsorge für die Volksgesundheit bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass alle beliebigen Maßnahmen rechtsstaatlich-demokratischen Anforderungen genügen könnten. Vielmehr sind diese mit Rücksicht und unter Beachtung der staatlichen Pflicht zum Schutz des Eigentums des Markeninhabers aus Gründen der Verhältnismäßigkeit so zu wählen, wie es der Horizont des selbst bestimmten autonomen und potentiellen Kunden als Adressat erfordert.
b. Die konstruktive Fehlleistung in der Vertragsgestaltung wird durch die WTO-Entscheidung deutlich gekennzeichnet. Die Klagen wurden mangels Substantiierung oder mangels Nachweisen in tatsächlicher Hinsicht abgewiesen. Ein solches Vorgehen widerspricht rechtsstaatlich-demokratischen Grundsätzen. Die schwerwiegende Grundrechtsbetroffenheit der Produzenten von Tabakerzeugnissen ist durch die weit gehende Beseitigung ihrer Marke offenkundig. Für die Legitimität seines Vorgehens trägt der Staat im Bereich der Gefahrenabwehr die Verantwortung. Damit obliegen ihm im Rechtsstreit vor den zuständigen Gerichten die Beweisführungslast und für die Erweislichkeit der Legitimität seiner getroffenen Anordnungen letztlich die materielle Beweislast. Das bedeutet, dass ein Gericht bei solchen Konstellationen von Grundrechtsbetroffenheit von Amts wegen die von ihm für geboten erachteten Beweise zu erheben hat. Die Verlagerung dieser Pflicht auf die in ihren Grundrechten betroffenen Rechtsträger steht in eklatantem Widerspruch zu den allgemein gültigen und anerkannten rechtsstaatlich-demokratischen Grundsätzen, wie sie von der EU und einem Teil ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU und andere auch gegenwärtig angemahnt werden.
c. Mit Rücksicht auf die hier einschlägigen Grundsätze und Beschränkungen für staatliches Handeln der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit ist auf die Funktionen der Marke zurückzukommen. Auch wenn im allgemeinen Markenrecht traditionell der Herkunftsfunktion die Hauptbedeutung zugemessen wird und die Garantie- und Werbefunktionen demgegenüber geringer bewertet werden, verkehren sich bei der hier inmitten stehenden Problematik die Gewichte. Wenn es um das weitgehende Verbot des Vertriebs von Tabakerzeugnissen mit einer aussagekräftigen Marke geht, sind nahe liegend die Garantie- und Werbefunktion zentral, weil es nach der Intention des Gesetzgebers um die Eindämmung oder das gänzliche Unterbinden des Vertriebs von Tabakerzeugnissen als solchen geht und es für den Schutz der Volksgesundheit unter diesem Gesichtspunkt völlig unerheblich ist, welcher Produzent hinter dem Anknüpfend hieran wird den rechtsstaatlich-demokratischen Anforderungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit für belastende staatliche Eingriffe – zumal in einem existenziellen Umfang – allein gerecht, sachgerechte und geeignete Hinweise mit einer Marke zu verbinden. Zudem müssen solche Hinweise allgemein verständlich und altersgerecht gefasst sein je nach dem, welche Adressaten ein Produzent als Kunden gewinnen möchte. Jedenfalls war zu meiner Jugendzeit das Rauchen in der Öffentlichkeit für Jugendliche unter 16 Jahren verboten.
Es ist deshalb nicht angezeigt, zu resignieren und sich in Bezug auf den Tabakbereich mit der jetzt bestehenden Lage abzufinden. Vielmehr ist es gerade in Bezug auf die möglichen Entwicklungen in der Zukunft für andere Bereiche angezeigt, diese Zusammenhänge energisch ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Ungeklärt ist noch, ob und in welchem Umfang jeweils die nationale Verfassungsgerichtsbarkeit hier rechtsstaatlich-demokratisch auf Antrag unterstützend tätig werden könnte.
III. Ausgewählte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Im folgenden lege ich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland zu Grunde gelegt, soweit sich ihr allgemein gültige Aussagen entnehmen lassen, die für die hier zu behandelnde Eigentumsproblematik über Deutschland hinaus als allgemein anerkannte Grundlage angesehen werden dürfen.Tabakerzeugnis steht.
1. Man kann zunächst von einer Entscheidung im Jahr 1966 ausgehen. In BVerfGE 20, 351 < 355f.> formuliert es die Ausgangslage wie folgt:
„Da es keinen ,absoluten‘ Begriff des Eigentums gibt, ist es Sache des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Er orientiert sich dabei an den gesellschaftlichen Anschauungen seiner Zeit. Der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber hat außerdem die grundlegenden Wertentscheidungen und Rechtsprinzipien der Verfassung zu beachten (BVerfGE 14, 263 <277 f.>; 18, 121< 132>). Nur mit dem sich hieraus ergebenden Inhalt ist das Eigentum verfassungsrechtlich gewährleistet. Die Gesamtheit der in den gesetzlichen Normen sichtbar werdenden Beschränkungen des Eigentums lässt sich in dem Begriff der Sozialpflichtigkeit zusammenfassen; sie zieht der umfassenden Gebrauchs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers im Interesse des gemeinen Wohls allgemein geltende Grenzen.“
Diese Sozialbindung des Eigentums ist in Art. 14 Abs. 2 GG verfassungsgemäß abgestützt. Dem entspricht auch Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK, wenn dort festgehalten wird, dass der Schutz des Eigentums nicht das Recht des Staates beeinträchtigt, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung des Eigentums im Einklang mit dem allgemeinen Interesse…… für erforderlich hält. Auch Art. 17 Abs. 1 Grundrechte-Charta ermächtigt den Gesetzgeber zu gesetzlichen Regelungen für die Nutzung des Eigentums, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.
Allerdings wäre es verfehlt, sich aufgrund dieser Sozialbindung des Eigentums sofort der Frage zuzuwenden, welche Voraussetzungen der Gesetzgeber in Bezug auf den Schutzumfang einer Marke oder vorgelagert für die Zuerkennung als Eigentum schaffen darf. Vielmehr bedarf es der weiteren Aufhellung des Rechtsinstituts „Eigentum“ im Zusammenhang mit der Stellung des Individuums in einer rechtsstaatlichen Demokratie.
2. So ist das Privateigentum herkömmlich – wie sich aus den genannten Grundlagenbestimmungen ergibt – sowohl als Rechtsinstitut in einem Staatswesen wie auch in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen Eigentümers gewährleistet. Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht. Ihm kommt im Gesamtgefüge der Menschen- und Grundrechte, wie sie in den einzelnen Staaten wie auch nach der EMRK und der Grundrechte-Charta eingeräumt sind, die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts „Eigentum“ einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen. Die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung dient deshalb der Sicherung dieses Grundrechts. Das Grundrecht des einzelnen Individuums setzt nach allem das Rechtsinstitut „Eigentum“ voraus. Dieses Rechtsinstitut wäre nicht wirksam und seiner Bedeutung und seinem Gehalt entsprechend gewährleistet, wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums etwas setzen könnte, was den Namen „Eigentum“ nicht mehr verdient.[2]
Es besteht zwar für den Gesetzgeber für die Bestimmung des Inhalts des Eigentums nach den genannten Bestimmungen ein verhältnismäßig weit gespannter Gestaltungsbereich. Soweit etwa wie nach Art. 14 Abs. 2 GG dem Eigentümer das Gebot sozialgerechter Nutzung auferlegt ist, ist das nicht von substantieller Bedeutung; denn es handelt sich bei solchen Vorgaben in erster Linie um eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentums das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat.[3]
3. Allerdings bedarf der Beachtung, dass das durch die Rechtsordnung gewährleistete Eigentum auch in seiner personenhaften Bezogenheit gesehen werden muss – als ein Freiheitsraum für eigenverantwortliche Betätigung, wie das Bundesverfassungsgericht hervorhebt (BVerfGE 24, 367 <400>). Die Eigentumsgarantie ist nicht zunächst Sach-, sondern eine Rechtsträgergarantie. Das Grundrecht gewährt vor allem die Befugnis, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter abzuwehren.
Es gilt nunmehr, das Umfeld, dem die Marke zuzurechnen ist, näher zu ermitteln. Hierfür eignet sich in besonderem Maße die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Urheberrecht, im besonderen zur wirtschaftlichen Verwertung eines in den Verkehr gebrachten Werkes. Hierdurch sind nicht die künstlerische Tätigkeit und die geistige Schöpfung betroffen, sondern es geht in erster Linie um die wirtschaftliche Verwertung der geistigen Leistung. In diesem Zusammenhang ist der Eigentumsgarantie die Funktion zugewiesen, dem Träger des Grundrechts durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungs- und Verfügungsrechten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen. Hierin kommt der Bezug zur Garantie der persönlichen Freiheit zum Ausdruck. Ferner bewahrt die Eigentumsgarantie den konkreten, vor allem den durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt [4].
Vor diesem Hintergrund erlangen die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers an seinem Werk zentrale Bedeutung. Sie müssen ebenfalls dem Schutz der Eigentumsgarantie unterstellt werden, damit das „schöpferische Werk“ nicht seines Gehalts entleert wird und so seine Substanz einbüßt. Das Bundesverfassungsgericht formuliert diesen Zusammenhang dahin, dass die unlösbare Verbindung von persönlich-geistiger Schöpfung mit ihrer wirtschaftlichen Auswertbarkeit sowie die besondere Natur und Gestaltung dieses Vermögensrechts gebührend berücksichtigt wird. Nicht entschieden hat das Bundesverfassungsgericht mangels Vorliegens der sachlichen Voraussetzungen die an und für sich nächst liegende Frage, was zu gelten hat, wenn die wirtschaftliche Auswertung des Werkes durch ein Gesetz derart beschränkt würde, dass die freie künstlerische Betätigung praktisch nicht mehr möglich wäre (Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG).[5]
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nicht jede nur denkbare Verwertungsmöglichkeit verfassungsrechtlich gesichert ist. Die Institutsgarantie „Eigentum“ gewährleistet lediglich einen Grundbestand von Normen, der gegeben sein muss, um eine rechtlich geschützte Position als „Privateigentum“ bezeichnen zu können. Es obliegt dem Gesetzgeber, in der Ausgestaltung des Urheberrechts im Rahmen der ihm vom Gesetzgeber übertragenen Gestaltungsfreiheit sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung der rechtlich geschützten Position entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen. [6]
4. Weiteren Aufschluss für den Schutz der Marke lässt sich aus einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1979 gewinnen. Im damaligen Verfahren ging es um die Neuregelung von Lagebezeichnungen im Weingesetz (BVerfGE 51, 193). Im Ausgangsrechtsstreit stand inmitten, dass der als geographische Herkunftsangabe zulässige Name einer Lage, die kleiner als 5 ha ist, auch dann nicht in die Weinbergsrolle eingetragen werden darf, wenn dieser durch ein Warenzeichen geschützt ist. In diesem Zusammenhang stellt das Bundesverfassungsgericht in Leitsatz 3 kurz und bündig fest, dass das schutzfähige Warenzeichen eine durch Art. 14 Abs.1 S. 1 GG gewährleistete Rechtsposition ist.
Möchte man aus diesem Erkenntnis Gesichtspunkte gewinnen, die für die Beurteilung des Eigentumsschutzes der Marke herangezogen werden können, bedarf es zunächst der Definition des Warenzeichens nach der damaligen Rechtslage im Gegensatz zum Urheberrecht. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus [7]:
„Das eingetragene Warenzeichen verleiht dem Inhaber die alleinige Befugnis, Waren der angemeldeten Art oder ihre Verpackung oder Umhüllung mit dem Warenzeichen zu versehen, die so bezeichneten Waren in Verkehr zu bringen sowie auf Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen das Zeichen anzubringen… Seinem Zweck nach hat das Warenzeichen eine dreifache Funktion: Es kennzeichnet die Herkunft einer Ware aus einem bestimmten Gewerbebetrieb, um sie von denen anderer zu unterscheiden (Herkunftsfunktion); es bekundet eine bestimmte Beschaffenheit der Ware (Garantiefunktion) und wirbt für den Inhaber und seine Ware (Werbefunktion).“
Das Bundesverfassungsgericht stimmt auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 32,103 <113>) zu, dass das Zeichen ein mit dem Unternehmen verbundenes Vermögensrecht ist, dass nicht eine Personen –, sondern eine Sachbeziehung zum Inhalt hat (BVerfGE 51, S. 216). Des weiteren mißt das Bundesverfassungsgericht dem rechtmäßig eingetragenen Warenzeichen ein subjektives Recht bei, das dem Geschäftsinhaber eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition verleiht. Das Ausschließungsrecht mit der Befugnis, anderen die Benutzung des Zeichens zu verbieten, ist nicht nur ein Rechtsreflex des gesetzlichen Verbotes, sondern ein selbstständiges, dem Inhaber zustehendes Recht [8].
Im Folgenden nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Abgrenzung des Warenzeichens gegenüber dem Urheberrecht vor. Es hebt in diesem Zusammenhang vor allem hervor [9]:
„Die verfassungsrechtliche Gewährleistung findet (für das Urheberrecht) ihre Rechtfertigung darin, dass der Künstler durch eine persönliche Leistung schutzwürdige Werte geschaffen hat. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gebietet in einem solchen Fall als Institutsgarantie die Zuordnung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnisse an den Werkschöpfer. Dagegen liegt dem Schutz des Warenzeichens eine andere Erwägung zu Grunde. Im Rahmen der Begrenzung einer schrankenlosen Gewerbefreiheit soll das Warenzeichen der durchsichtigen Gestaltung der unternehmerischen Leistung dienen und damit im Wettbewerb eine ausgleichende Wirkung entfalten. Im Warenzeichen wird ein Geschäftswert zulasten des freien Wettbewerbs monopolisiert und dem Inhaber der ausschließlichen Verwertung zuerkannt. Der Schutzgrund liegt vorrangig in der Erleichterung der gewerblichen Tätigkeit im Wettbewerb. Das Warenzeichen weist dem Inhaber nicht nur die alleinige Verfügung über den Inhalt des Zeichens zu, sondern ist – von seiner Funktion her gesehen – ein wichtiges Instrument im Bereich seiner wirtschaftlichen Betätigung und damit für den Bestand und die Erhaltung des betrieblichen Vermögens.“
Den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz können allerdings nur solche Warenzeichen beanspruchen, die schutzfähig, rechtmäßig eingetragen und aufrechterhalten wurden [10]. Durch die Neuregelung des Rechts der geographischen Bezeichnungen im Weingesetz 1971 durften solche rechtmäßig eingeräumten Warenzeichen nicht mehr verwendet werden. Der Sache nach liegt hierin ein vollständiger Entzug des Warenzeichens. Insoweit handelt es sich weder um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung noch um eine Enteignung. Die gesetzliche Neuregelung steht mit der Gewährleistung des Eigentums nicht in Einklang. Dieses schützt als Bestandsgarantie die konkrete Befugnis in der Hand des einzelnen Berechtigten.
[1] Vgl. hierzu etwa Art. 14 Abs. 3 GG.
[2] Einzelheiten hierzu in BVerfGE 24, 367 <389>.
[3] Einzelheiten hierzu in BVerfGE 21, 73 <83>.
[4] Einzelheiten hierzu BVerfGE 31,229 <239>.
[5] Einzelheiten in BVerfGE 31,229 <239 f.>
[6] Einzelheiten hierzu in BVerfGE 31,229 <241>.
[7] A.a.O., S. 216.
[8] A.a.O., S. 217.
[9] A.a.O.
[10] A.a.O., S. 218.
* Dr. h.c. Universitas Islam Indonesia – UII – Yogyakarta Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D. Richter am Bundesgerichtshof a. D. Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau Ehrenvorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Juristenkommission e.V. und der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe Ehrenmitglied des Internationalen Beratungskomitees und Ehrenvorsitzender des Think Tank Africast von CAFRAD 12.Straubinger Ethiktag am 13. November 2018
+++ Veranstaltungshinweis +++
11. Februar 2019, 19:30, Urania Berlin: Siegfried Broß: TTIP, CETA, JEFTA. Wie die neuen Freihandelsabkommen Rechtsstaat und Demokratie sowie die zwischenstaatlichen Beziehungen verändern. Vortragsveranstaltung der Urania Berlin e.V. in Zusammenarbeit mit dem Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen! Mehr hier