Gemeinsame Kommentierung der AG Wasser zur Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016

AG Wasser im Forum Umwelt und Entwicklung (FUE)
29.07.2016

AG_Wasser

Kommentar zum Entwurf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016

In der AG Wasser im Forum Umwelt und Entwicklung (FUE) sind Organisationen und Gruppen aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung vernetzt. Neben der bereits eingebrachten themenübergreifenden Stellungnahme des FUE möchten wir hiermit unsere Ausführungen auf den Bereich Wasser/Gewässerschutz konzentrieren.

Aus der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland 2016 (DNS) sind vor allem die Ausführungen zum Wasserziel (SDG 6) für uns relevant. Gerade Wasser hat Wirkungszusammenhänge mit anderen relevanten Themenbereichen aus der DNS. Wichtig ist, dass die DNS die Probleme in Verbindung mit Wasser deutlicher berücksichtigt, als dies im Entwurf der Fall ist.

Die Thematisierung von Gesamt-Phosphor/Phosphat-Eintrag in Fließgewässer, Nitrat im Grundwasser sowie Anzahl der Menschen, die neu Zugang zu Trinkwasser und Sanitärversorgung erhalten, erachten wir für richtig. Hierzu haben wir ergänzende Anmerkungen/Forderungen.

Gesamt-Phosphor / Phosphat-Eintrag in Fließgewässer (S.109, Punkt 8a)

In der DNS muss die Schlüsselrolle der Landwirtschaft bei der Reduzierung der Phosphateinträge deutlich hervorgehoben werden, während in der Wasserwirtschaft als wichtige Punktquelle in den vergangenen Jahrzehnten immense Erfolge bei der Reduktion der Nährstoffeinträge in die Gewässer erzielt wurden. Die Landwirtschaft muss unserer Ansicht nach viel mehr Beiträge zum Gewässerschutz leisten, so wie andere Akteure dies bereits getan haben. Es muss sichergestellt werden, dass die im DNS-Entwurf genannten „weitergehenden Maßnahmen“ wirkungsvoll umgesetzt werden.

Nitrat im Grundwasser (S.110 f., Punkt 8b)

Die Nitratbelastung in Deutschland ist derzeit ein akutes Problem. Eine Reduzierung ist auch für den Meeresschutz in Nord- und Ostsee bedeutsam. Hauptursachen sind der starke Anstieg der Biomasseproduktion, die hohe Menge an Gärresten in Biogasanlagen, die Intensivtierhaltung, der verstärkte Grünlandumbruch sowie der sogenannte „Gülle-Tourismus“. Hierdurch werden die bisher – auch von der Landwirtschaft – erreichten Erfolge zunichte gemacht: Die Überdüngung von Natur und Landschaft nimmt wieder zu. Dieser Entwicklung kann nur Einhalt geboten werden, und die Ziele der WRRL erreicht werden, wenn sich die Landwirtschaft konsequent am Gewässerschutz orientiert: Gewässerschutz muss Vorrang vor übermäßigen landwirtschaftlichen Nitrateinträgen haben.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat bereits in einem Sondergutachten aus 2015 („Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem“) herausgestellt, dass beim reaktiven Stickstoff global betrachtet die Grenze der Tragfähigkeit bereits weit überschritten ist. In diesem Gutachten wird davon ausgegangen, dass mindestens eine Halbierung der Stickstoffeinträge in Deutschland notwendig wäre, um nationale und internationale Umweltqualitätsziele zu erreichen. In stark belasteten oder empfindlichen Gebieten seien zudem noch weitergehende Minderungen erforderlich. Nach unserer Ansicht besteht gerade deshalb im Bereich Landwirtschaft ein immenser Handlungsbedarf, um die eigenen Ziele zum Gewässerschutz (Ziele der WRRL) zu erreichen.

In der DNS wird der Handlungsbedarf aus den aktuellen Daten des EUA-Messnetzes hergeleitet. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Abbaubarkeit von Nitrat im Boden begrenzt ist. Das bedeutet, dass die Belastungen in naher Zukunft exproportional steigen werden, wenn nicht sofortige wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Nitrateinträge ergriffen werden.

In diesem Zusammenhang muss die Bundesregierung auch die Regelung von Jauche-, Gülle- und Silagesickersaftanlagen (JGS-Anlagen) endlich bundeseinheitlich gemacht und verschärft werden. Wir unterstützen die Forderung des UBA und ihre Erklärung: „Jauche, Gülle und Sickersäfte (JGS) sind zwar keiner Wassergefährdungsklasse zugeordnet, führen bei größeren Einträgen in die Gewässer jedoch zur Eutrophierung. […] Im Jahr 2012 entfielen auf JGS-Unfälle rund 70 Prozent der nach Angaben des Statistischen Bundesamtes freigesetzten Mengen von wassergefährdenden Stoffen. Eine AwSV ohne JGS-Regelung bliebe daher höchst unvollständig und ergäbe aus Sicht des Gewässerschutzes wenig Sinn.“ (UBA-Position, Nov. 2014 zur DüngeV-Novelle).
Deshalb fordern wir, ergänzend zu den Maßnahmen in der DNS, eine auf den Gewässerschutz gerichtete Umsetzung der Nitratrichtlinie und der WRRL durch eine Novellierung des Düngerechts. Hierzu gehören vor allem eine Verschärfung der Vorschriften für das Ausbringen von Düngemitteln, die Hoftor-Billanz und ein umfassender und konsequenter Vollzug dieser Regelungen.

Anzahl der Menschen, die neu Zugang zu Trinkwasser und Sanitärversorgung erhalten (S.111 Punkt 9)

Nach unserer Ansicht muss die Bundesregierung bei den geplanten weiteren Maßnahmen hinsichtlich des Zugangs zu Trinkwasser und Sanitärversorgung folgende Aspekte ausdrücklich benennen: Der Zugang zu Trinkwasser und Sanitärversorgung ist besonders wichtig für arme Bevölkerungsschichten. Da Wasser ein Gemeingut und der Zugang ein Menschenrecht ist, sollte die Nutzung für die ärmsten in der Bevölkerung als Grundsicherung gewährleistet sein. Der Fokus sollte stärker auf die Wasserqualität, die Zugangsbedingungen sowie Bezahlbarkeit für besonders vulnerable Gruppen gerichtet werden. Daher ist es wichtig, dass sich die Bundesregierung für die schrittweise Verwirklichung des Rechtes auf Trinkwasser und Sanitärversorgung einsetzt, indem sie den Aufbau nationaler Strukturpolitiken, Infrastruktur und Kontrollinstanzen unter Beteiligung der betroffenen Bevölkerungsgruppen im Sinne von SDG 6b) (lokale Gemeinwesen) und der Zivilgesellschaft fördert.

Die Menschenrechte auf Zugang zu Trinkwasser und auf Sanitärversorgung können nur in öffentlichen Strukturen und durch die Einbindung lokaler Gemeinwesen gewährleistet werden. Dies war auch ein Grundanliegen der europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ mit immerhin über einer Million Unterschriften aus Deutschland. Dazu gehört auch, dass von Seiten Deutschlands und der EU keine Liberalisierung oder Privatisierung der öffentlichen Wasserwirtschaft in Drittländern direkt oder indirekt vorangetrieben wird. Stattdessen bedarf es größerer Anreize für internationale Kooperationen zwischen öffentlichen Unternehmen aus der Wasserwirtschaft.

Das Thema Zugang zu Trinkwasser ist nach unserer Ansicht nach wie vor auch für Deutschland relevant. Zwar haben wir eine gute leitungsgebundene Trinkwasserversorgung, trotzdem ist auch in Deutschland Trinkwasser nicht überall verfügbar. An vielen Orten, zum Beispiel an wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen oder auch in öffentlichen Gebäuden, gibt es keine kostenfrei zugänglichen Trinkbrunnen und die Menschen sind gezwungen Flaschenwasser zu
kaufen. Durch die Nutzung von Plastikwasserflaschen werden jedoch wertvolle Ressourcen sinnlos verbraucht, die Umwelt und das Klima geschädigt und dazu noch Müll produziert, der sogar schon in den Weltmeeren sichtbar wird. Wir fordern daher von der Bundesregierung den Aufbau von öffentlichen Trinkbrunnen an wichtigen öffentlichen Orten. Hierzu gehören Verkehrsknotenpunkte wie Bahnhöfe und Flughäfen, wichtige Plätze und Parks sowie öffentliche Gebäude (wie Schulen und Universitäten). Darüber hinaus sollte sich die Bundesregierung für eine noch breitere Trinkwasserversorgung aus der Leitung im Verhältnis zu abgepacktem Wasser einsetzen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen – zum Beispiel durch die Umstellung von Flaschenwasser auf Leitungswasser in öffentlichen Einrichtungen und der Verwaltung.

In der DNS bisher unberücksichtigte weitere Aspekte

Die DNS orientiert sich an den Sustainable Development Goals (SDGs). Hier sehen wir noch weitere Aspekte, die folglich auch in die DNS aufgenommen werden sollten.

Die miteinander zusammenhängenden Themenkomplexe Virtuelles Wasser, Wasserraub und ökologischer Fußabdruck sind wichtig und gehören in die DNS, wenn es um die Verantwortung von Deutschland in der Welt geht. Der Handel mit virtuellem Wasser, besonders in den tropischen und subtropischen Regionen, die von Wasserknappheit geprägt sind, führt durch wirtschaftliche Aktivitäten zu Wasserraub und bedroht die Existenz des kleinbäuerlichen Bevölkerungsanteils. Dem Verbrauch und Handel mit virtuellem Wasser aus Regionen, die unter Wasserstress leiden, muss entgegengewirkt werden – beispielsweise durch Einfuhrbeschränkungen für Produkte mit hohem Verbrauch an virtuellem Wasser. Dies betrifft auch Agrarexporte nach Deutschland aus Regionen mit hohen Mangelernährungsraten. An dieser Stelle möchten wir daran erinnern, dass Deutschland im Jahr 2014 die „Prinzipien für verantwortliche Agrarinvestitionen“ der Welternährungsorganisation unterschrieben hat. Deutschland muss daher die Verpflichtungen rechtlich verankern und für international betroffene Personengruppen einklagbar machen.
Auch bei anderen privatwirtschaftlichen Aktivitäten besteht eine Verantwortung Deutschlands, negative externe Effekte zu vermeiden. Dies betrifft beispielsweise die Kreditvergabepraxis der KFW und DEG, die unter sozialen und ökologischen Begründungen hoch umstrittene wasserrelevante Projekte (Wasserkraft, Staudämme, etc.) in anderen Ländern fördert. Hier muss die Bundesregierung die negativen Folgen der eigenen Politik in anderen Ländern berücksichtigen.
Bei der globalen Problembeschreibung fehlt der Bezug zum Wasserverbrauch in der Landwirtschaft, wobei zwei Drittel der Wasserentnahmen auf die Landwirtschaft zurückgehen. Allein für die Produktion der aus Brasilien und Argentinien importierten Sojabohnen, die in Deutschland in die Futtermittelproduktion fließen, werden jährlich zweieinhalb Billionen Liter verbraucht.

Verteilungskonflikte um Wasser sind heute schon Ursache für gewaltsame Auseinandersetzungen und Flucht. Um dem entgegenzuwirken muss die Bundesregierung international deutlich mehr Anstrengungen unternehmen.

Der Bedarf nach ressourcenschonenden und standortangepassten Agrarsystemen für den Erhalt intakter Wasserkreisläufe ist ein weltweites Problem, das sich durch Wetterextreme aufgrund des Klimawandels noch verschärfen wird. Dies betrifft insbesondere die Förderpolitik der Entwicklungszusammenarbeit im Agrar- und Ernährungssektor. Die Schonung von Wasserressourcen muss auch beim Thema geplante Obsoleszenz berücksichtigt werden. Durch rechtliche Vorgaben an die Wirtschaft über die Lebensdauer von Produkten können auch Wasserressourcen global geschont werden.

Hinsichtlich der wasserrelevanten Indikatoren für die DNS erachten wir die Erarbeitung von Daten über die internationale Wirkung Deutschlands für sinnvoll. Denkbar ist die Messung des Handelns Deutschlands bei der Verbesserung der Gewässerqualität durch zum Beispiel Förderung ökologischer Landwirtschaft oder Restriktionen bei der Massentierhaltung. Ergänzend schlagen wir eine Zielsetzung vor, die den Import virtuellen Wassers nach Deutschland aus Regionen unter beginnendem bis starkem Wasserstress im Fokus hat und erheblich reduziert.

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Presseberichte zur Stellungnahme:

EUWID Wasser: AG Wasser im Forum Umwelt und Entwicklung (FUE) fordert mehr öffentliche Trinkbrunnen, 4.8.2016.

Verbände für stärkere Berücksichtigung von Wasserthemen in Nachhaltigkeitsstategie. AG Wasser im FUE: Schlüsselrolle der Landwirtschaft hervorheben. In: EUWID Wasser und Abwasser, 09.08.2016, 19. Jg., H. 32, S. 1-2.

 

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