Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft fordert: Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) soll CETA ablehnen

AöW e.V.AöW zur INTA-Empfehlung zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des CETA-Abkommens [Dok.Nr. 2016/0205 (NLE) vom 31.10.2016]

An: Mitglieder aus Deutschland im Ausschuss für Internationalen Handel (INTA)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

aus den Informationen des Europäischen Parlaments haben wir entnommen, dass Sie am 5. Dezember 2016 [verschoben auf den 23./24. Januar 2017*; Anm. BWT] über die o.g. Empfehlung abstimmen werden. Als Interessenvertretung der sich vollständig in öffentlicher Hand befindlichen Betriebe, Unternehmen und Verbände der Wasserwirtschaft bitten wir Sie um Unterstützung der Belange der öffentlichen Wasserwirtschaft als Hüterin des besonderen Gutes Wasser, das keine Handelsware ist.

Wir appellieren an Sie, dem derzeitigen CETA-Abkommen nicht zuzustimmen.

Bereits im April 2016 [vgl. pdf] haben wir darauf hingewiesen, dass die Wasserwirtschaft vom CETA-Abkommen nicht deutlich ausgenommen ist (siehe AöW-Positionspapier CETA in Anlage [pdf]) – und dass das nachteilige Folgen für das Gemeinwohl haben kann. An dem CETA-Text hat sich bisher nichts geändert und auch durch die zum CETA-Text zu Protokoll abgegebenen zwei Erklärungen (das Gemeinsame Auslegungsinstrument [Rats-Dok. 13541/16] und die Erklärungen für das Ratsprotokoll [Rats-Dok. 13463/1/16]) können unsere Bedenken nicht ausgeräumt werden. Im Einzelnen:
Das gemeinsame Auslegungsinstrument greift die für uns relevanten Punkte ungenügend auf. Darin sind für uns die Formulierungen zu öffentlichen Dienstleistungen (Punkt 4.), zum Investitionsschutz (Punkt 6.) und zu Wasser (Punkt 11.) wichtig.

  • Bezüglich öffentlicher Dienstleistungen werden in Punkt 4.b) „Reinigung und Verteilung von Wasser“ erwähnt. Unklar bleibt, ob damit auch die Abwasserbeseitigung gemeint ist. In Punkt 4.b) heißt es zudem, „die Bandbreite der von ihnen für die Öffentlichkeit erbrachten Dienstleistungen zu erweitern“. Nach unserer Ansicht sind damit Teilbereiche der Abwasserbeseitigung (beispielsweise Energie(rück)gewinnung und Klärschlammverwertung) weiterhin nicht vom CETA ausgenommen, da diese nicht direkt für die Öffentlichkeit erbracht werden, sondern erst indirekt der Öffentlichkeit in stabilen Gebühren zugutekommen oder Maßnahmen zum Klima- oder Umweltschutzmaßnahmen sind und damit erst indirekt der Öffentlichkeit dienen.
  • Auch die Formulierung in Punkt 4.c), in der es um die Möglichkeit von Privatisierung und Rekommunalisierung geht, greift für die Problematik zu kurz. Denn mit Privatisierungen sind oft Liberalisierungsschritte (wie z.B. steuerrechtliche Stellung, Regulierungsbehörden, Wegenutzungsrechte, Regelungen über Zuständigkeiten) verbunden. Für die Rückgängigmachung solcher Schritte, und der damit verbundenen möglichen Gewinneinbußen von privaten Unternehmen besagt der Text nichts – auch werden bei Rückgängigmachung solcher Schritte Investitionsschutzklagen nicht ausgeschlossen.
  • Zum Investitionsschutz heißt es in Punkt 6.a) „Das CETA wird nicht dazu führen, dass ausländische gegenüber einheimischen Investoren begünstigt werden“. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass die Voraussetzungen in CETA für den Investitionsschutz andere sind als im nationalen oder EU-Recht. Des Weiteren möchten wir darauf hinweisen, dass die in Annex II genannten Vorbehalte für öffentliche Dienstleistungen, für Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung keinen ausreichenden Schutz vor Streitigkeiten vor CETA-Schiedsgerichtsverfahren geben. Dasselbe gilt im Rahmen der kommerziellen Nutzung von Wasser (Artikel 1.9). Wir lehnen deshalb nach wie vor einen besonderen Investorenschutz, auch mit einer gesonderten Gerichtsbarkeit, für von CETA begünstigte Investoren/Unternehmen ab.
  • Außerdem sind in dem gemeinsamen Auslegungsinstrument Erklärungen hinsichtlich Wasser (Punkt 11.) enthalten. Hierin wird jedoch das Verhältnis des Artikels 1.9 zur Wasserrahmenrichtlinie und nationalen Regelungen zur „Verbesserung“ der Gewässer nicht geklärt. Auch wird nicht klargestellt, was unter „kommerzieller Nutzung“ zu verstehen ist und ob auch die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung gemeint sind.

Die Erklärungen für das Protokoll gehen hingegen viel weiter als das gemeinsame Auslegungsinstrument. In den Erklärungen werden unsere Bedenken bestätigt. Unklar ist aus unserer Sicht, ob die Erklärungen verbindlich für „alle“ Vertragsparteien, einschließlich für Investoren/Unternehmen, sind. Dies bezieht sich vor allem auf folgende Erklärungen:

  • Erklärung der Kommission zum Schutz des Vorsorgegrundsatzes im CETA (Punkt 7.). Die AöW fordert: Die Anwendung des Vorsorgegrundsatzes darf durch CETA nicht verhindert werden.
  • Erklärung der Kommission zu Wasser (Punkt 8.). Selbst wenn ein Mitgliedstaat die kommerzielle Nutzung erlaubt, dürfen einzelne Mitgliedstaaten ihre diesbezüglichen Beschlüsse rückgängig machen sowie das Recht, die kommerzielle Nutzung von „Wasser für Gemeinwohlzwecke“ erlauben. Die AöW fordert: Es sollte zusätzlich ausdrücklich klargestellt werden, dass die Erlaubnis zur kommerziellen Nutzung in einem Mitgliedsstaat keinerlei Auswirkung auf die kommerzielle Nutzungsmöglichkeit in einem anderen Mitgliedstaat hat.
  • Erklärung Sloweniens (Punkt 23.). Die Republik Slowenien geht davon aus, dass das CETA-Abkommen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten nicht die Verpflichtung auferlegt, über das EU-Recht hinauszugehen, oder das Recht jeder Partei einschränkt, Maßnahmen zur Bewirtschaftung, zum Schutz und zur Erhaltung seiner Wasserressourcen (sei es für kommerzielle Zwecke, zur Nutzung als Trinkwasser, zur gemischten oder einer anderen Verwendung) zu ergreifen oder beizubehalten, wozu auch das Recht jeder Partei gehört, die gewährten Wasserrechte zu beschränken oder zu entziehen. Auch geht Slowenien davon aus, dass für die Trinkwasserversorgung genutzte Wasserressourcen (einschließlich der sowohl für die Trinkwasserversorgung als auch für andere Zwecke verwendeten Wasserressourcen) nicht unter Artikel 1.9 Absatz 3 fallen. Die AöW stellt fest: Die Erklärungen Sloweniens und der EU-Kommission zu Wasser machen deutlich, dass der CETA-Text in Artikel 1.9 unklar ist und nachgebessert werden muss.
  • Erklärung der Kommission zu öffentlichen Dienstleistungen (Nr. 29). Die EU-Kommission geht lediglich davon aus („wird insbesondere davon ausgegangen“), dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem EU-Recht nach eigenem Ermessen weiterhin Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse unterhalten dürfen. Nach unserer Ansicht bedarf es eines Positivlistenansatzes für Dienstleistungen, um rechtssicher die Wasserwirtschaft von CETA auszuschließen.
  • In Erklärung Nr. 29 wird außerdem festgehalten, dass das System der Investitionsgerichtsbarkeit lediglich für Bestimmungen des Marktzugangs ausgenommen ist.

Die AöW stellt fest: Ein Schutz vor einem Investitionsschutzgericht wegen Verstoßes gegen die Inländergleichbehandlung wird nicht erklärt.

aoew-appell

Wir sind verwundert, dass der Entwurf zur INTA-Empfehlung keinen Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. September 2015 zu den Folgemaßnahmen zur Europäischen Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser (Dok.-Nr. P8_TA (2015)0294) enthält. Hatte doch in dieser Entschließung das Europäische Parlament die Kommission deutlich aufgefordert, „Wasserversorgung und sanitäre Grundversorgung sowie Abwasserentsorgung auf Dauer von den Binnenmarktvorschriften und allen Handelsabkommen auszunehmen, da diese als Teil der Daseinsvorsorge vorwiegend in öffentlichem Interesse sind und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt werden sollen“.

Der Entwurf zur INTA-Empfehlung enthält auch keinen Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2015 zu den TTIP-Verhandlungen. Darin hatte das Europäische Parlament eindeutig formuliert, „[…] für den Marktzugang ,Positivlisten‘ zu verwenden, sodass die Dienstleistungen, die ausländischen Unternehmen offen stehen sollen, ausdrücklich angegeben sind und neue Dienstleistungen ausgeschlossen werden, […]“.

Die AöW stellt fest: Diese Forderung muss erst recht für CETA gelten, wenn sie als „Goldstandard“ für andere Abkommen der EU herangezogen werden soll. Als Goldstandard bedarf es vor allem einer Positivliste für Dienstleistungen, in der einzelne Bereiche der Daseinsvorsorge wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht genannt sind.

Die INTA-Empfehlung geht damit hinter die von Ihnen gefassten Beschlüsse zurück. Wir bitten Sie, die INTA-Empfehlung, dem derzeitigen CETA-Text zuzustimmen, abzulehnen.

Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V.
Reinhardtstr. 18a, 10117 Berlin
Tel.: +49 30 39 74 36 06
Fax: +49 30 39 74 36 83
hecht@aoew.de
www.aoew.de

Schreiben an die MdEP aus Deutschland im INTA-Ausschuss (pdf)

aoew-ceta

* Abstimmung im Handelsausschuss INTA: 23./24.01.2017; Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments: 1./2. Februar in Brüssel

Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW)
EU-Registernr.: 00481013843-28
Die AöW ist die Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland. Zweck des Vereins ist die Förderung der öffentlichen Wasserwirtschaft durch die Bündelung der Interessen und Kompetenzen der kommunalen und verbandlichen Wasserwirtschaft. AöW-Mitglieder sind Einrichtungen und Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung die ihre Leistungen selbst oder durch verselbstständigte Einrichtungen erbringen und vollständig in öffentlicher Hand sind. Ebenso sind Wasser- und Bodenverbände sowie wasserwirtschaftliche Zweckverbände und deren Zusammenschlüsse in der AöW organisiert. Allein über den Deutschen Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft (DBVW) sind über 2000 wasserwirtschaftliche Verbände in der AöW vertreten. Außerdem sind Personen, die den Zweck und die Ziele der AöW unterstützen sowie solche Interessenverbände und Initiativen, Mitglied in der AöW.

 

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