Einige kritische Anmerkungen zum IHK-Gutachten von Schwalbach/Schwerk/Smuda 2011

Einige Bemerkungen zum IHK-Gutachten:

Bewertung der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB)“
angefertigt im Auftrag der IHK Berlin von Prof. Dr. Joachim Schwalbach (Institut für Management, HU-Berlin), Dr. Anja Schwerk (Institut für Management, HU-Berlin) und Daniel Smuda (Theron Advisory Group)

Der Auftraggeber
Die Auftraggeberin des Gutachtens , die IHK Berlin, ist eine Unternehmerorganisation in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die IHK gehört zu den wenigen Akteuren in der Stadt, die trotz der schlechten Erfahrungen der letzten Zeit noch fast uneingeschränkt für die Privatisierung öffentlichen Eigentums eintreten. Dies betrifft auch die Einrichtungen der öffentlichen Grundversorgung und Infrastrukturen. Ihre Mitglieder RWE- und Veolia, Miteigentümer der Berliner Wasserbetriebe, erzielen aus dem Wassermonopol derzeit rund eine Achtelmilliarde € pro Jahr. Nach dem überwältigenden Erfolg des Volksentscheids Unser Wasser haben sie und die IHK ein vordringliches Interesse daran, nachzuweisen, dass sich eine Rekommunalisierung für den Berliner Senat nicht rentiert.

Das Gutachten
Die wissenschaftliche Seriosität der Studie erscheint schon von ihren Rahmenbedingungen her sehr zweifelhaft.
Dies betrifft sowohl die fachliche Eignung:
Prof. Schwalbach ist als Wirtschaftsethiker und nicht als betriebswirtschaftlicher Finanzwissenschaftler ausgewiesen,
als auch die institutionelle Unabhängigkeit der Verfasser:
Der Mitautor Daniel Smuda ist zugleich Mitarbeiter der Unternehmensberatung Theron Advisory Group, zu deren Kunden RWE, Miteigentümer der BWB, gehört.

Es ist daher nicht überraschend, dass die Berliner Zeitung am 10.4.2011 in einem Beitrag resümiert: „Das Ergebnis des Schwalbach Gutachtens liegt voll auf der bisherigen Linie der IHK – Berlin.“ Wirtschaftssenator Wolf nennt die Schwalbach-Untersuchung hingegen folgerichtig ein „interessengeleitetes Gutachten im Sinne der Privatisierungsideologie.“ Wo man auch genauer hinschaut, findet man in dieser Gefälligkeitsstudie von wissenschaftsfremden Interessen gesteuerte Scheinobjektivität. Im Folgenden seien einige zentrale Punkte hervorgehoben.

Der Unternehmenswert
Der im Gutachten nach dem DCF-Verfahren (Discounted Cash Flow-Verfahren) errechnete hohe Unternehmenswert wird dadurch erreicht, dass der Berechnung niedrige Zinssätze zugrunde gelegt werden. So wurde einerseits ein Londoner LIBOR (Geldmarkt) Zinssatz für kurzfristige Geldmarktanlagen der Berechnung zugrunde gelegt, statt die üblichen höher verzinslichen Kapitalmarktzinssätze zu nehmen. Andererseits wurde für den Fremdkapitalzins der Durchschnittszinssatz für Fremdkapitalzinsen der branchenfremden Wohnungsgesellschaft DEWOGE und nicht die tatsächlichen Zinssätze zugrunde gelegt, obgleich die gezahlten Zinsen und das Fremdkapital in Kreisen der Wasserwirtschaft bekannt sind. Die Hinzuziehung der Fremdkapitalverzinsung der branchenfremden DEGEWO verstößt gegen das Vergleichsprinzip. Hier hätte man die Mindestverzinsung vergleichbarer Wasserversorger heranziehen müssen.

Man kann nicht auf der einen Seite einen kurzfristigen Geldmarktzinssatz und auf der Fremdkapitalseite – von der Fristigkeit her – einen Mischzinssatz zugrunde legen. Es muss berücksichtigt werden, dass die privaten Investoren bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ihre Beteiligung über einen ca. 5% igen Kommunalkredit bei der Bayerischen Landesbank finanziert haben. Diese Tatsache wurde in der Unternehmenswertberechnung nicht berücksichtigt.

Es fehlt auch der Hinweis, dass es 30 verschiedene Methoden zur Unternehmenswertberechnung gibt. Die DCF-Verfahren gehören zur Gruppe der Ertragswertverfahren (vgl. www.unternehmenswertrechner.de). Von ausgewiesenen Betriebswirtschaftlern wird diese Methodik jedoch bemängelt, weil sei auf einem realitätsfernen theoretischen Marktmodell beruht und einen Zirkelschluss enthält, da eine Zahl benötigt wird, die die Rechnung erst ermitteln soll. Ein Hinweis auf die beschränkte Aussagekraft der Wertermittlung fehlt.

Der angenommene Rückkaufpreis
Das Land Berlin geht beim Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe von einem deutlich niedrigeren Kaufpreis aus als selbst beim niedrigsten Szenario des IHK-Gutachtens vorgesehen. Hierauf wirken verschiedene wirtschaftliche Faktoren ein, die in dem ohnehin fragwürdigen Unternehmensbewertungsverfahren der Studie nicht berücksichtigt wurden, wie:

    1. die schwierige ökonomische Gesamtsituation von RWE,
    2. die hohe Verschuldung von RWE aufgrund der internationalen Zukäufe, die mit der Gefahr der Herabstufung ihre Kreditrankings verbunden ist,
    3. der Ausstieg aus der Atomkraft, der RWE in hohem Maße betrifft,
    4. die Untersuchung der Berliner Trinkwasserpreise durch das Bundeskartellamt, das die Trinkwasserpreise in Berlin für wesentlich überhöht hält – was sich nachteilig auf die zukünftigen Gewinnaussichten des Unternehmens und damit auch auf den Unternehmenswert auswirkt.

Das in der Presse bekannte Verkaufsangebot von RWE lag entsprechend um mehr als 100 Millionen € niedriger als die Unternehmenswertberechnung von Schwalbach und Partnern. In Anbetracht der Gesamtsituation erscheint es wahrscheinlich, dass nicht handwerkliche Nachlässigkeit zu dem überhöhten Unternehmenswert der BWB in dem Gutachten führte, sondern der Wunsch der Auftraggeber, den Rückkauf für die Stadt so teuer wie möglich erscheinen zu lassen.

Der Wasserpreis
Die verfassungs- und wettbewerbswidrige Gewinngarantie der Konzerne soll nicht angetastet werden. Die Wasserpreissenkungen soll hingegen allein der Staat – im Sinne des von den IHK-Ideologen vertretenen Entstaatlichungskonzepts – tragen. So soll der Senat auf die Erhebung des Grundwasserentnahmeentgelts (s.u.) von 31 Cent pro m3 sowie einseitig auf seine Gewinnanteile verzichten, während die Privaten nach wie vor ihre garantierten hohen Einnahmen aus dem Wassermonopol einstreichen sollen. Die dazu von dem Hauptgeschäftsführer der IHK, Herrn Eder, auf der betreffenden Pressekonferenz am 31.3.2011 vorgetragene Anmerkung, der Senat solle über die Gewinnverteilung verhandeln, war lediglich eine leicht durchschaubare Irreführung der Öffentlichkeit, da er von der durch die Teilprivatisierungsverträge abgesicherte starke Stellung der Wasserkonzerne in den Verhandlungen weiß.

Die nach der Teilprivatisierung 1999 eingeführte reine Profitorientierung der Berliner Wasserbetriebe wird für die Wassergesamtpreisgestaltung ebenfalls nicht in Frage gestellt. Dabei würde die Allgemeinheit und damit die Berliner Wirtschaft von einer ausschließlich kostenorientierten Steuerung des Monopolisten Berliner Wasserbetriebe als Standortfaktor nur profitieren! Selbst der Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck, hat die Entwicklung der seit der Teilprivatisierung um 35% gestiegenen Wasserpreise als „standortgefährdend“ bezeichnet. Das Bundeskartellamt hat kürzlich festgestellt, dass die Trinkwasserpreise um 25% zu hoch sind. Bei den Abwasserpreisen, die von der Behörde nicht untersucht wurden, sieht es noch extremer aus.

Gänzlich anders liest es sich in dem Schwalbach-Gutachten. Bei dem Vergleich der Wassergesamtpreise (Trinkwasser und Abwasser) haben die Autoren ebenfalls gegen die wissenschaftliche Redlichkeit verstoßen. Sie gehen von der von RWE/Veolia beauftragten WIK – Studie aus. Diese ist Teil der Imagepflege der Privaten und hatte die Aufgabe, die Folgen der selbst in Unternehmerkreisen als „misslungen“ (Christian Amsinck, UVB) beurteilten Teilprivatisierung als positiv für die Allgemeinheit darzustellen. Diese Studie wird in ihrer Interessenbezogenheit von den Autoren nicht hinterfragt, sondern deren wesentliche Ergebnisse übernommen.

Hinsichtlich der Wasserpreise werden ausschließlich die Trinkwasserpreise untersucht. Der Wassergesamtpreis in Berlin setzt sich jedoch neben anderen Preiselementen sowohl aus dem Trinkwasser- als auch aus dem Abwasserpreis zusammen, wobei der Abwasserpreis der gewichtigere ist. Die Trinkwasserpreise werden in der Studie mit denen von ostdeutschen Städten verglichen, statt mit den Preisen infrastrukturell vergleichbarer Großstädte. Hinsichtlich der Entwicklung der Trinkwasserpreise wird herausgearbeitet, dass sie vor 1999 stärker gestiegen seien als nach der Teilprivatisierung 1999. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass mit der Vereinigung der Wasser- und Abwasserbetriebe in Ost und West die Preisentwicklung in Ostberlin von subventionierten Niedrigpreisen auf ein kostenorientiertes Normalpreisniveau in Westberlin zu einer insgesamt starken Preiserhöhung geführt hatte. Das gilt insbesondere für die Preise des neuen vereinten Eigenbetriebs Berliner Wasserbetriebe. Dieser Sonderfaktor trat nach 1999 natürlich nicht mehr auf. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Das Grundwasserentnahmeentgelt
Die von der IHK und dem Schwalbach-Gutachten geforderte Einsparung des Grundwasserentnahmeentgeltes zur Senkung des Wasserpreises ist ebenso unsinnig. Die Stadt Berlin benötigt diese Mittel zur Weiterentwicklung eines verbesserten Grundwassermanagements. Hier sind erhebliche Probleme zu lösen. Zur Zeit stehen weitläufige Vernässungsgebiete anderen Gebieten gegenüber, die trockenfallen. Dazu gehören auch Feucht- und Schutzgebiete. Drei von den vier Berliner Grundwasserspeichern haben kontaminierende Einträge von ungewisser Herkunft. Durch alte Gaswerks- und Industrieflächen kontaminierte Böden müssten aus wasserwirtschaftlichen Gründen saniert werden. Alles das kostet Geld, wofür das Grundwasserentnahmeentgelt allein noch nicht einmal ausreicht.

Investitionen
Der Verweis auf die WIK-Studie, in dem behauptet wird, dass die privaten Investoren die Auflagen übererfüllt hätten, widerspricht den Ausführungen des Gutachtens des Bundeskartellamtes. Die Investitionen sind gegenüber der Vergleichsperiode vor 1999 um die Hälfte abgesenkt und nach 2008 auf rd. 240 Mio. jährlich abgesenkt worden (Grunwald), obwohl der Investitionsbedarf weit darüber hinaus geht. Dadurch sind Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft entfallen (vgl. dazu die Studie der TBS zu den Auswirkungen der Teilprivatisierung auf die Bauwirtschaft).

Nicht eingegangen wird auf die enge Beziehung, die Veolia zu den Berliner wasserwirtschaftlichen Ressourcen der Berliner Universitäten durch das KWB (Kompetenzzentrum Wasser Berlin) an der TU Berlin aufbauen konnte. Es kann die wasserwissenschaftlichen Ressourcen des drittgrößten wasserwissenschaftlichen und wasserwirtschaftlichen Kompetenzzentrums der Bundesrepublik und damit auch dessen staatliche Infrastruktur nutzen und abschöpfen. Die mit dem Besitz der Berliner Wasserbetriebe an die Privaten übergegangenen 75 nationalen und internationalen Patente, insbesondere auf dem Gebiet Uferfiltration, können von Veolia weltweit vermarktet werden.

Die Alternative zum Rückkauf
Die gegenüber einem Rückkauf wesentlich kostengünstigere Anfechtung der verfassungswidrigen Privatisierungsverträge wurde indessen aus interessebezogenen Gründen überhaupt nicht behandelt. Selbst die den privaten Wasserkonzernen gem. § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages garantierten Gewinne, die wettbewerbswidrig und damit jeder marktwirtschaftlichen Ordnung systemfremd sind, wurden ausgeblendet. An den Teilprivatisierungsverträgen soll im Sinne des von der IHK und den Privaten vertretenen Privatisierungskonzepts nicht gerüttelt werden.

Ethik?
Den Gutachtern kam es offensichtlich nicht auf die demokratischen Aspekte der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe an, sondern ausschließlich auf die Sicherung der Profitwirtschaft. Einem „Wirtschaftsethiker“ hätte man in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zu den in den Verträgen verletzten demokratischen Grundsätzen unserer Verfassung zutrauen können. Auch sind von einem ökologisch-ethischen Standpunkt aus die Bemühungen der Konzerne zweifelhaft, den Wasserverbrauch zu erhöhen. Dass ein Mehrabsatz im Profit-Interesse der Privaten liegt, ist offensichtlich. Nicht berücksichtigt dabei werden jedoch die zukünftigen wasserwirtschaftlichen Probleme, die auf diese Region aufgrund der Klimaveränderung zukommen, wie sie vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung herausgearbeitet wurden. Auch hier hätte man von einem Wirtschaftsethiker erwartet, dass er diese Punkte berücksichtigen würde.

Berlin, den 31. Oktober 2011

Dipl. Kfm. Rainer Heinrich
Borkener Weg 38
13507 Berlin

Tel.: 34333232

 

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