Sozialausschuss des Europ. Parlaments empfiehlt CETA abzulehnen

de_cetacheckAm 8.12.2016 hat der Ausschuss für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten (EMPL) des Europäischen Parlaments eine Stellungnahme (pdf) zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada mit 27 Stimmen angenommen, die die Empfehlung ausspricht, CETA abzulehnen!
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ifo-Institut: Interview mit Bernhard Kempen zur Verfassungsmäßigkeit von CETA

Interview vom 5.12.2017, veröffentlicht am 07.12.2016 Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA: Verfassungswidrig? Münchner Seminar am 05. Dezember 2016 mit Prof. Dr. jur. Bernhard Kempen, Professor an der Universität zu Köln sowie Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität zu Köln „Warum ist Ceta verfassungswidrig? Was ist ein ultraweiter Investitionsbegriff? Warum ist der … weiterlesen

Tweet des Tages 7.12.2016

Dt. Übersetzung „Erklärung von Namur“

– inoffizielle Übersetzung der englischen Fassung durch den Berliner-Wassertisch.info –

namur

Die heftigen Debatten, die in Europa durch die Unterzeichnung des CETA (umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) entstanden sind, haben gezeigt, dass die Art und Weise, wie in der EU internationale Wirtschafts- und Handelsabkommen verhandelt werden, aber auch deren Inhalt, von einem großen Teil der Öffentlichkeit zunehmend in Frage gestellt wird.
Die Vorschläge in dieser Deklaration zielen darauf ab, die legitimen Anliegen einer wachsenden Zahl von europäischen Bürgern zu erfüllen. Angespornt durch die Werte der Solidarität, der Demokratie und des Fortschritts, welche die Europäische Union ausmachen, müssen diese Vorschläge, wenn es nach den Unterzeichnern geht, zum Standard bei allen Verhandlungen von Handels- und Wirtschaftsabkommen werden, in denen die EU und ihre Mitgliedstaaten als Akteure wirken. Diese Vorschläge werden weiterentwickelt, sobald sich die Diskussionen darüber entfalten.
Dies bedeutet, dass die EU heute nicht in der Lage ist, ein ausgewogenes Abkommen mit den Vereinigten Staaten auszuhandeln angesichts der Asymmetrie zwischen den Partnern insbesondere im Hinblick auf den Grad des Ausbaus ihrer jeweiligen heimischen Märkte und der ungelösten extraterritorialen Fragen des US-Rechts.
Das bedeutet auch, dass die EU zusammen mit ihren Partnern, die bereits an Verhandlungen teilnehmen, in gutem Glauben versuchen muss, Wege zu finden, um in den bereits weit fortgeschrittenen Verhandlungen, wenn nicht sogar in den bereits unterzeichneten Abkommen, im Sinne dieser Deklaration Erfolge zu erzielen.

1. Respekt für demokratische Verfahrensweisen

Um sicherzustellen, dass europäische Wirtschafts- und Handelsabkommens-Verhandlungen den legitimen Forderungen der Zivilgesellschaft nach Transparenz und demokratischen parlamentarischen Kontrollverfahren entsprechen, gilt:

  • Die öffentlichen Analysen und die Auseinandersetzungen über die potenziellen Auswirkungen eines neuen Wirtschafts- und Handelsabkommens sollten vor der Festlegung des Verhandlungsmandats durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass das Abkommen zu einer nachhaltigen Entwicklung, zur Verringerung der Armut und Ungleichheit sowie zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen wird;
  • Die Verhandlungsmandate für gemischte Vereinbarungen sollten Gegenstand einer vorherigen parlamentarischen Debatte in den nationalen und europäischen Gremien sein (sowie in den regionalen Parlamenten mit gleichwertigen Befugnissen) und dabei möglichst viele Vertreter der Zivilgesellschaft mit einbeziehen;
  • Die Zwischenergebnisse der Verhandlungen sollten zu gegebener Zeit veröffentlicht und zugänglich sein, damit die Zivilgesellschaft umfassend informiert ist und eine parlamentarische Debatte vor Abschluss der Verhandlungen stattfinden kann;
  • Die „vorläufige Anwendung“ von Abkommen sollte nicht begünstigt werden, so dass die Parlamente ihre Vollmachten im Zustimmungsverfahren von gemischten Vereinbarungen behalten;

2. Einhaltung der sozioökonomischen, gesundheitlichen und umweltrechtlichen Vorschriften

Um sicherzustellen, dass die sogenannten Wirtschafts- und Handelsabkommen der „neuen Generation“ nicht die Gesetze, die das sozioökonomische, sanitäre und umweltpolitische Modell der EU und ihrer Mitgliedstaaten schützen, in irgendeiner Weise schwächen, und um sicherzustellen, dass sie zur nachhaltigen Entwicklung und zur Reduzierung von Armut und Ungleichheit und zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen, gilt:

  • Die Ratifizierung der wichtigsten Instrumente zur Verteidigung der Menschenrechte, die grundlegenden ILO-Arbeitsnormen, die Empfehlungen des BEPS-Projekts (Grunderosion und Gewinnverlagerung) und das Pariser Klimaabkommen sind für die Parteien verbindlich;
  • Quantitative steuerliche und klimatische Anforderungen wie Mindeststeuersätze und nachprüfbare Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen sollten in diese Verträge einbezogen werden;
  • Öffentliche Dienstleistungen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, wie sie in den jeweiligen Rechtsvorschriften der Vertragsparteien festgelegt sind, sollten vom Geltungsbereich dieser Verträge ausgeschlossen werden;
  • Die „Negativlisten“-Methode für die Festlegung des Umfangs der für die Liberalisierung zu öffnenden Wirtschaftsaktivitäten sollte generell ausgeschlossen werden und die Verträge sollten systematisch Klauseln enthalten, die es den Vertragsparteien ermöglichen, das öffentliche Eigentum an einem Sektor wiederherzustellen, ohne dabei andere Bedingungen befolgen zu müssen als die, die den nationalen Rechtsvorschriften entsprechen;
  • Es sollten Stillhalteklauseln aufgenommen werden, um zu verhindern, dass die Vertragsparteien ihre sozialen, gesundheitlichen und umweltbezogenen Normen zur Förderung der Exporte und zur Anziehung von Investitionen verringern. Diese Klauseln sind mit Sanktionsmechanismen abzustimmen, und die Einhaltung der Verpflichtungen der Vertragsparteien kann auf keinen Fall einen Anspruch auf Entschädigung durch Investoren oder andere private Wirtschaftsbeteiligte begründen;
  • Es sollten faire und effektive Kooperationsmechanismen einbezogen werden, insbesondere in Bezug auf den Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung multinationaler Unternehmen und Offshore-Gesellschaften;
  • Es sollten unabhängige und regelmäßige sozioökonomische, gesundheits- und umweltbezogene Bewertungsmechanismen dieser Verträge eingerichtet werden. Die Verträge sollten ihre Aussetzung (im Falle einer vorläufigen Anwendung) und ihre regelmäßige Überprüfung ermöglichen, um sicherzustellen, dass sie zu einer nachhaltigen Entwicklung, zur Verringerung der Armut und der Ungleichheit sowie zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen;

3. Gewährleistung der öffentlichen Interessen in Streitbeilegungsmechanismen

Um sicherzustellen, dass die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten oder anderen Vertragsparteien den höchsten gerichtlichen Schutz für die öffentlichen Interessen darstellt, gilt:

  • Der Rückgriff auf nationale und europäische zuständige Gerichte sollte an die erste Stelle rücken. Internationale Streitbeilegungsmechanismen sollten nur insoweit eingeführt werden, als sie bestimmte Vorteile (im Hinblick auf die einheitliche Anwendung der Verträge, die Geschwindigkeit und die Qualifikation der Richter) haben, Transparenzgarantien beinhalten sowie einen Rechtsmittelmechanismus zur Gewährleistung einheitlicher Beschlüsse haben;
  • Die höchsten Standards für internationale Streitbeilegungsmechanismen sollten insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Ernennung von Richtern, ihre Entlohnung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit während und nach der Ausübung ihres Mandats angewandt werden;
  • Die Richter sollten in vollem Umfang qualifiziert sein, um die Wirtschafts- und Handelsabkommen im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts einschließlich der Menschen-, Arbeits- und Umweltgesetze auszulegen und anzuwenden;
  • Gleichberechtigter Zugang zu internationalen Streitbeilegungs-Mechanismen, auch durch Maßnahmen für KMU und Einzelpersonen, um die finanziellen Auswirkungen dieser Mechanismen zu verringern;

Diese Grundsätze sollten es der Europäischen Union ermöglichen, zu zeigen, dass Handel nicht privaten Interessen zum Nachteil des öffentlichen Interesses dienen muss, sondern dass er dazu beiträgt, die Menschen zusammenzubringen, um den Kampf gegen den Klimawandel und die nachhaltige Entwicklung insbesondere in den am stärksten benachteiligten Regionen zu fördern.

ErstunterzeichnerInnen:

Philippe Aghion, Collège de France
László Andor, Corvinus University of Budapest
Stefano Bartolini, European University Institute, Florence
Francois Bourguignon, EHESS/Paris School of Economics
Ha-Joon Chang, Cambridge University
Olivier Costa, CNRS/Sciences Po Bordeaux
Carlos Closa Montero, Instituto de Políticas y Bienes Públicos, Madrid
Paul Craig, University of Oxford
Marise Cremona, European University Institute, Florence
Jean-Miche De Waele, Université Libre de Bruxelles
Sebastian Dullien, University of Applied Sciences HTW Berlin
Jean-Marc Ferry, Université de Nantes
Jean-Paul Fitoussi, Sciences-po, Paris et LUISS, Rome
Ilene Grabel, University of Denver
Ulrike Guérot, European School of Governance, Berlin
Virginie Guiraudon, CNRS/Sciences-Po Paris
Joseph Jupille, University of Colorado Boulder
Nicolas Levrat, Université de Genève
Paul Magnette, Université Libre de Bruxelles
Raffaele Marchetti, LUISS, Rome
Philippe Maystadt, ARES – Académie de recherche et d’enseignement supérieur
Frédéric Mérand, Université de Montréal
Leonardo Morlino, LUISS, Rome
Henning Meyer, London School of Economics and Political Science
Kalypso Nicolaïdis, Oxford University
Claus Offe, Hertie School of Governance, Berlin
Heikki Patomäki, University of Helsinki
Thomas Piketty, EHESS/ Paris School of Economics
Jean-Philippe Platteau, Université de Namur
Teresa Ribera, Institut du Développement durable et des relations internationales, Paris
Dani Rodrik, Harvard Kennedy School
Georges Ross, Université de Montreal
Vivien Schmidt, Boston University
Andy Smith, Sciences-Po Bordeaux
Philippe Van Parijs, Univeristé Catholique de Louvain
Jean-Pascal van Ypersele, Univeristé Catholique de Louvain
John Weeks, University of London
Anne Weyembergh, Université Libre de Bruxelles

Unterzeichnen können WissenschaftlerInnen hier: http://www.declarationdenamur.eu/

Quellen:

englisch:

Namur declaration (pdf)
List of first signatories (pdf)

französisch:

La Déclaration de Namur (pdf)
Première liste des signataires (pdf)

deutsch (inoffizielle übersetzung durch Berliner Wassertisch):

Die Erklärung von Namur (pdf), (Blogbeitrag)

„Erklärung von Namur“ – Wie sollten EU-Handelsabkommen in Zukunft aussehen?

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(Berlin, 5.12.2016) Der Kampf um die Investitionsschutzabkommen CETA und TTIP hat gezeigt, dass eine Abkehr vom Neoliberalismus dringend nötig ist und dass Handelsverträge, die dem nicht Rechnung tragen, nur noch gegen den Willen der Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks durchgesetzt werden können. Heute hat der Ministerpräsident der Wallonie Paul Magnette (>Merci Wallonie<) auf einer Pressekonferenz die „Erklärung von Namur“ vorgestellt, in der es um die Frage geht, wie Handelsabkommen der EU in Zukunft aussehen könnten. weiterlesen

Neue Deutsche Fassung der Studie: „Ausverkauf der Landwirtschaft – Agrarkonzerne wollen mit TTIP das Ruder übernehmen“

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Neue Deutsche Fassung der Studie: „Ausverkauf der Landwirtschaft – Agrarkonzerne wollen mit TTIP das Ruder übernehmen“. Am 1. Dezember 2016 veröffentlichten die Studienherausgeber Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirschaft (AbL), Compassion in world farming, Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und PowerShift die neue transatlantische Studie.

Die 106 Seiten starke Studie untersucht die unterschiedlichen Produktionssysteme in den USA und in Europa, die durch den vermehrten Handel und die neue Generation von Handelsabkommen immer schonungsloser gegeneinander ausgespielt werden. Die Kurzfassung gibt einen Überblick auf 8 Seiten. Autoren der Studie sind Sharon Treat und Shefali Sharma, beide IATP.

Langfassung
Kurzfassung
Orginalfassung

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TiSA-Leaks: Freihandel mit Dienstleistungen gefährdet Datenschutz und IT-Sicherheit

NETZPOLITIK.ORG
26.11.2016

TiSA-Leaks im Überblick: Grundrechte sollen für den freien Handel ausgehebelt werden – auch im Internet
von Anna Biselli

Das Freihandelsabkommen TiSA ist eine Bedrohung für das Internet. Das zeigen neue Leaks, die wir gemeinsam mit Greenpeace veröffentlichen. Datenschutz, Netzneutralität und IT-Sicherheit sind in Gefahr, und die USA wollen Zensur privatisieren. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.

Foto: Christian Natiez BY-NC-ND 2.0

Foto: Christian Natiez BY-NC-ND 2.0

Zusammen mit Greenpeace veröffentlichen wir neue, bislang geheimgehaltene Kapitel aus dem geplanten TiSA-Abkommen. TiSA ist die Abkürzung für „Trade in Services Agreement“, ein Freihandelsabkommen für Dienstleistungen zwischen 50 Staaten, darunter die EU-Mitgliedstaaten und die USA.

zum vollständigen Artikel hier

Auch wenn die TiSA-Verhandlungen gerade unterbrochen sind, weil noch nicht klar ist, wie sich die neue Trump-Administration zum Dienstleistungs-Freihandel stellen wird: Die neuen TiSA-Leaks, die Greenpeace und Netzpolitik.org veröffentlicht haben, zeigen wohin die Reise gehen soll:

  • der Datenschutz soll dem freien Datenfluss weichen
  • wo Daten gespeichert werden – bisher unter rechtlichen Gesichtspunkten wichtig – soll künftig keine Rolle mehr spielen
  • Quellcode-Offenlegung soll nicht mehr verlangt werden dürfen, eine Gefahr für die IT-Sicherheit, z.B. in Atomkraftwerken

 

Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft fordert: Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) soll CETA ablehnen

AöW e.V.AöW zur INTA-Empfehlung zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des CETA-Abkommens [Dok.Nr. 2016/0205 (NLE) vom 31.10.2016]

An: Mitglieder aus Deutschland im Ausschuss für Internationalen Handel (INTA)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

aus den Informationen des Europäischen Parlaments haben wir entnommen, dass Sie am 5. Dezember 2016 [verschoben auf den 23./24. Januar 2017*; Anm. BWT] über die o.g. Empfehlung abstimmen werden. Als Interessenvertretung der sich vollständig in öffentlicher Hand befindlichen Betriebe, Unternehmen und Verbände der Wasserwirtschaft bitten wir Sie um Unterstützung der Belange der öffentlichen Wasserwirtschaft als Hüterin des besonderen Gutes Wasser, das keine Handelsware ist.

Wir appellieren an Sie, dem derzeitigen CETA-Abkommen nicht zuzustimmen. weiterlesen

Zivilgesellschaft aus Europa und Kanada fordert: CETA muss abgelehnt werden!

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November 2016

Wir, die hier unterzeichnenden zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Kanada und Europa [es sind weitaus mehr, da die regionalen Gruppen in Europa und Kanada  aufgrund der Menge nicht aufgenommen werden konnten], sind alarmiert über das Comprehensive Economic and Trade Agreement CETA zwischen der EU und Kanada. Während der langwierigen Verhandlungen und der rechtlichen Überprüfung des Abkommens haben wir mehrfach auf die zahlreichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die CETA aufwirft. Unsere Kritik war stets verbunden mit konkreten Vorschlägen, wie eine transparentere und demokratischere Handelspolitik zugunsten von Mensch und Umwelt aussehen könnte. Dennoch wurde unsere Kritik an CETA überhört ‒ und das Abkommen im Oktober 2016 unterzeichnet. Wir möchten nun hiermit noch einmal bekräftigen: Die Ratifizierung des CETA-Abkommens lehnen wir ganz klar ab. weiterlesen

„Gutes Essen, gute Arbeit – wegverhandelt?!“ – Vorstellung einer neuen Studie zu den Folgen von CETA und TTIP

Gutes Essen, gute Arbeit – wegverhandelt?!

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Die Folgen regulatorischer Kooperation in CETA und TTIP für BäuerInnen, Arbeitsrechte und Verbraucherschutz

 

 

 

12. Zivilgesellschaftliches Außenwirtschaftsforum in Berlin

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Landesvertretung Bremen
Termin: 01. Dezember 2016, 18 Uhr
Ort: Landesvertretung Bremen, Hiroshimastr. 24, 10785 Berlin

BäuerInnen, Beschäftigte der Lebensmittelwirtschaft und VerbraucherInnen blicken mit Sorge auf die Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA). In einer neuen Studie zeigt die Expertin Sharon Treat aus den USA, wie mit diesen Abkommen transnational agierende Agrarkonzerne gestärkt würden und der Wettbewerbsdruck auf die europäische Lebensmittelerzeugung weiter steigen würde. Die Studie zeig unter anderem wie der politische Spielraum für besseren Umwelt-, Gesundheits-, Arbeits- und Verbraucherschutz weiter eingeengt würde – insbesondere durch die neuen Mechanismen für die so genannte „regulatorische Zusammenarbeit“.

Droht für viele weitere Höfe das Aus? Werden die Arbeitsbedingungen in der Fleisch- und Lebensmittelmittelwirtschaft noch unmenschlicher? Drohen Gesundheits-, Tier- und VerbraucherInnenschutz im ruinösen Verdrängungswettbewerb geopfert zu werden? Vor welchen Herausforderungen stehen die Verhandlungen um TTIP mit  Donald Trump? Oder ist alles halb so schlimm – und die Politik reagiert besonnen und zukunftsorientiert?

Darum geht es beim 12. zivilgesellschaftlichen Außenwirtschaftsforum in Berlin – informieren Sie sich, diskutieren Sie mit!

Programm:

18:00 Uhr:         Einlass/ Registrierung

Begrüßung Ulrike Hiller, Staatsrätin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Entwicklungszusammenarbeit

Vorstellung Studie: Shefali Sharma, Handels- und Agrarexpertin IATP Europe

„Ausverkauf der Landwirtschaft: Agrarkonzerne übernehmen das Ruder mit TTIP“

Keynote: Sharon Treat, Beraterin IATP Europe, vormals Abgeordnete im Repräsentantenhaus des US-Bundestaats Maine

Gesprächsrunde mit:

  • Bärbel Höhn, MdB, Vorsitzende des Umweltausschuss und frühere Landwirtschafts- und Umweltministerin NRW (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Karin Thissen, MdB, Berichterstatterin für internationalen Handel in der AG Landwirtschaft und Ernährung (SPD)
  • Kees de Vries, MdB, Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (CDU)
  • Martin Schulz, Schweineerzeuger und AbL-Bundesvorsitzender

Moderation: Jürgen Maier, Geschäftsführer Forum Umwelt und Entwicklung

20:30 Uhr:         Empfang

Die Veranstaltung findet teils in englischer Sprache statt. Für Übersetzung ist gesorgt.

Ort: Landesvertretung Bremen, Hiroshimastr. 24, 10785 Berlin (Openstreetmap)

Anmeldung erbeten an: Marie-Kathrin Siemer (siemer@forumue.de) oder iatp.org/awf

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Schulz und Co. Die CETA-Durchpeitscher in der EU

ceta_ttip(23.11.2016) Die CETA-Freunde rund um den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) setzen derzeit alles daran, das Investitionsschutzabkommen durch das Parlament zu peitschen. Dabei schrecken sie nicht zurück, demokratische Standards zu verletzen: Kritische Studien wie vom Deutschen Richterbund (pdf) werden ignoriert, Experten werden nicht angehört, Diskussionen werden abgeblockt, CETA-kritische Ausschüsse werden kurzerhand abserviert.

„Was in unserem einzigen direkt-gewählten Gremium der EU passiert, ist schockierend.“ klagte Yannick Jadot (MEP, Vize-Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA) im Europa-Parlament) noch vor wenigen Tagen und sieht das EU-Parlament kurz vor einem CETA-Skandal. Zurecht warnt Fabio De Masi (MdEP, LINKE) in der taz: „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn die Trumps und Le Pens Erfolge feiern und die Wut auf die EU wächst“.

Der neuste Coup: EU-Parlament stimmt gegen eine Überprüfung von CETA durch den EuGH

Heute stimmte das Europaparlament über den fraktionsübergreifenden Antrag ab, CETA vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen, und wurde prompt von Christdemokraten, Liberalen, Rechtskonservativen und auch vielen Sozialdemokraten abgelehnt. Lediglich vier deutsche Sozialdemokraten – Jens Geier, Ismail Ertug, Maria Noichl, Jutta Steinruck – stimmten für den wichtigen Antrag. Dabei hatten die Antragsteller appelliert: „Viele juristische Sachverständige, einschließlich des Deutschen Richterbundes, und sogar der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), sind überzeugt, dass jede Form eines ISDS-Systems in CETA inkompatibel mit dem EU-Gesetz sein könnte. Eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes ist daher dringend erforderlich.“20161123_linke

Verdi-Chef Bsirske (Verdi) wird in einer Presseerklärung mit den Worten zitiert: „Es ist bedauerlich, dass das EU-Parlament nicht die Chance nutzt, sich selbst, aber auch den 28 Mitgliedsstaaten, Rechtssicherheit in Sachen Investitionsgerichtsbarkeit zu verschaffen. Im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung war angekündigt worden, dass nun die Stunde der Parlamente schlage. Das ist jetzt alles andere als eine Sternstunde des europäischen Parlamentarismus. […] Tragisch ist, dass diese weitreichende Entscheidung ohne eine ordentliche inhaltliche Debatte durch das Europäische Parlament stattgefunden hat. Ein EuGH-Urteil über die Rechtmäßigkeit eines Investitionsgerichts hätte Rechtssicherheit bei der Ratifizierung dieses Vertrages gegeben. Jetzt kommt es umso mehr darauf an, dass über das komplexe CETA-Vertragswerk eine ausführliche parlamentarische Beratung stattfindet. Eine schnelle Ratifikation käme nicht nur einer Selbstentmachtung des Europäischen Parlaments gleich, sondern kann zu folgenschweren Problemen führen, die sich anschließend kaum wieder rückgängig machen lassen“.

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Für den Antrag haben diese 258 Abgeordneten gestimmt:

ALDE: Grigule, Harkin, Jäätteenmäki, Pagazaurtundúa Ruiz, Punset

ECR: van Dalen, Dzhambazki, Gosiewska, Jurek, Karlsson, Krasnodębski, Krupa, Marias, Piotrowski, Ruohonen-Lerner, Sulík, Ujazdowski

EFDD: Adinolfi, Affronte, Agea, Agnew, Aiuto, Arnott, Batten, Beghin, Bergeron, Borrelli, Carver, Castaldo, Coburn, Corrao, D’Amato, Evi, Ferrara, Finch, Gill Nathan, Hookem, Iwaszkiewicz, Lundgren, Moi, O’Flynn, Paksas, Pedicini, Reid, Seymour, von Storch, Tamburrano, Valli, Winberg, Zanni, Zullo

ENF: Aliot, Annemans, Arnautu, Atkinson, Bay, Bilde, Bizzotto, Borghezio, Briois, Ciocca, D’Ornano, Ferrand, Fontana, Goddyn, de Graaff, Jalkh, Kappel, Lebreton, Le Pen Marine, Loiseau, Martin Dominique, Marusik, Mayer Georg, Mélin, Monot, Montel, Obermayr, Philippot, Pretzell, Rebega, Salvini, Schaffhauser, Stuger, Troszczynski, Vilimsky, Zijlstra, Żółtek

GUE/NGL: Albiol Guzmán, Anderson Martina, Benito Ziluaga, Björk, Boylan, Chountis, Chrysogonos, Couso Permuy, De Masi, Eck, Ernst, Ferreira, Flanagan, Forenza, González Peñas, Hadjigeorgiou, Hazekamp, de Jong, Juaristi Abaunz, Kari, Kohlíček, Konečná, Kouloglou, Kuneva,Kyllönen, Le Hyaric, López Bermejo, Lösing, Maltese, Matias, Mélenchon, Michels, Mineur, Ní Riada, Omarjee, Papadimoulis, Pimenta Lopes, Sakorafa, Sánchez Caldentey, Scholz, Senra Rodríguez, Spinelli, Sylikiotis, Torres Martínez, Urbán Crespo, Vallina, Vergiat, Viegas, Zimmer

NI: Balczó, Chauprade, Epitideios, Fountoulis, Gollnisch, Korwin-Mikke, Kovács, Sonneborn, Synadinos, Voigt

PPE: Arimont, Rolin

S&D: Anderson Lucy, Andrieu, Androulakis, Arena, Balas, Bayet, Benifei, Berès, Briano, Caputo, Childers, Cofferati, Cozzolino, Denanot, Dodds Anneliese, Ertug, Fajon, Flašíková Beňová, Freund, Gasbarra, Geier, Gentile, Geringer de Oedenberg, Gierek, Gomes, Graswander-Hainz, Guillaume, Iotova, Jongerius, Kadenbach, Keller Jan, Kirton-Darling, Łybacka, Mamikins, Manscour, Martin Edouard, Maurel, Nekov, Noichl, Panzeri, Pargneaux, Peillon, Piri, Pirinski, Poc, Poche, Post, Regner, Revault D’Allonnes Bonnefoy, Rozière, Schlein, Sehnalová, Stanishev, Steinruck, Szanyi, Tang, Tarabella, Thomas, Van Brempt, Viotti,Ward, Weidenholzer, Zemke

Verts/ALE: Albrecht, Andersson, Auken, Bové, Buchner, Bütikofer, Cramer, Dalunde, Delli, Durand, Eickhout, Engström, Evans, Giegold, Harms, Häusling, Hautala, Heubuch, Hudghton, Jadot, Jávor, Joly, Keller Ska, Lambert, Lamberts,Lochbihler, Lunacek, Maragall, Marcellesi, Meszerics, Reda, Reimon, Reintke, Rivasi, Ropė, Sargentini, Scott Cato, Šoltes, Staes, Terricabras, Trüpel, Turmes, Urtasun, Valero, Vana, Ždanoka

Gegen den Antrag haben diese 419 Abgeordneten gestimmt:

ALDE:Ali, Arthuis, Auštrevičius, van Baalen, Bearder, Becerra Basterrechea, Bilbao Barandica, Calvet Chambon, Cavada, Charanzová, Deprez, de Sarnez, Dlabajová, Faria, Federley, Gerbrandy, Giménez Barbat, Goerens, Goulard, Griesbeck, Huitema, Hyusmenova, in ‚t Veld, Jakovčić, Ježek, Kallas, Kyuchyuk, Lambsdorff, Løkkegaard, Marinho e Pinto, Mazuronis, Meissner, Michel, Mihaylova, van Miltenburg, Mlinar, van Nieuwenhuizen, Paet, Petersen, Radoš, Ries, Riquet, Schaake, Takkula, Telička, Theurer, Torvalds, Tremosa i Balcells, Vajgl, Vautmans, Väyrynen, Verhofstadt, Weber Renate, Wierinck, Wikström

ECR:Ashworth, Bashir, Belder, Campbell Bannerman, Czarnecki, Czesak, Dalton, Demesmaeker, Deva, Dohrmann, Duncan, Fitto, Ford, Foster, Fotyga, Fox, Girling, Halla-aho, Hannan, Henkel, Hoc, Kamall, Karim, Karski, Kłosowski, Kölmel, Kuźmiuk, Legutko, Lewer, Loones, Lucke, McClarkin, McIntyre, Macovei, Nicholson, Ożóg, Piecha, Poręba, Sernagiotto, Starbatty, Stevens, Swinburne, Tannock, Theocharous, Tomašić, Tošenovský, Trebesius, Van Bossuyt, Van Orden, Vistisen, Wiśniewska, Zahradil, Žitňanská, Złotowski

EFDD:Helmer, Mach

NI:Dodds Diane, James, Woolfe

PPE:Adaktusson, Alliot-Marie, Andrikienė, Ayuso, Bach, Balz, Becker, Belet, Bendtsen, Bocskor, Böge, Bogovič, Boni, Brok, Buda, Buşoi, Buzek, van de Camp, Casa, Caspary, del Castillo Vera, Cesa, Christoforou, Cicu, Cirio, Clune, Coelho, Collin-Langen, Comi, Comodini Cachia, Corazza Bildt, Csáky, Danjean, Dantin, Dati, Delahaye, Deli, Deß, Deutsch, Díaz de Mera García Consuegra, Dorfmann, Ehler, Engel, Erdős, Estaràs Ferragut, Ferber, Fernandes, Fisas Ayxelà, Fjellner, Florenz, Gabriel, Gahler, Gáll-Pelcz, Gambús, Gardini, Gieseke, González Pons, de Grandes Pascual, Gräßle, Grossetête, Gyürk, Hayes, Herranz García, Hohlmeier, Hökmark, Hölvényi, Hortefeux, Hübner, Iturgaiz,Jahr,Jazłowiecka, Jiménez-Becerril Barrio, Joulaud, Juvin, Kalniete, Karas, Kariņš, Kelam, Kelly, Koch, Kósa, Köstinger, Kovatchev, Kozłowska-Rajewicz, Kudrycka, Kuhn, Kukan, Lamassoure, de Lange, Langen, La Via, Lavrilleux, Le Grip, Lenaers, Lewandowski, Liese, Lins, Lope Fontagné, López-Istúriz White, Łukacijewska, McAllister, McGuinness, Maletić, Malinov, Mănescu, Mann, Marinescu, Martusciello, Mato, Maullu, Melo, Metsola, Mikolášik, Millán Mon, Morano, Morin-Chartier, Mureşan, Muselier, Mussolini, Nagy, Niebler, Niedermayer, van Nistelrooij, Novakov, Olbrycht, Pabriks, Patriciello, Paunova, Peterle, Petir, Pieper, Pitera, Plura, Pogliese, Polčák, Preda, Proust, Quisthoudt-Rowohl, Rangel, Reding, Reul, Ribeiro, Rosati, Ruas, Rübig, Saïfi, Salini, Sander, Sarvamaa, Saryusz-Wolski, Saudargas, Schmidt, Schöpflin, Schreijer-Pierik, Schulze, Schwab, Sógor, Šojdrová, Sommer, Spyraki, Štefanec, Štětina, Stolojan, Šuica, Šulin, Svoboda, Szájer, Szejnfeld, Tajani, Thun und Hohenstein, Tőkés, Tolić, Tomc, Ţurcanu,Ungureanu, Urutchev, Vaidere, Valcárcel Siso, Vălean, Vandenkendelaere, Verheyen, Virkkunen, Voss, Wałęsa, Weber Manfred, Wenta, Wieland, Winkler Hermann, Winkler Iuliu, Záborská, Zdechovský, Zdrojewski, Zeller, Zovko, Zver, Zwiefka

S&D:Aguilera García,Assis, Ayala Sender, Balčytis, Blanco López, Blinkevičiūtė, Bonafè, Borzan, Boştinaru, Brannen, Bresso, Bullmann, Cabezón Ruiz, Chinnici, Christensen, Corbett, Costa, Cristea, Dalli, Dance, Dăncilă, Danti, Delvaux, De Monte, Drăghici, Fernández, Fleckenstein, Frunzulică, García Pérez, Gardiazabal Rubial, Gebhardt, Gill Neena, Giuffrida, Grammatikakis, Griffin, Gualtieri, Guerrero Salom, Guteland, Gutiérrez Prieto, Hedh, Honeyball, Ivan, Jaakonsaari, Jáuregui Atondo, Kaili, Kaufmann, Khan, Kofod, Kumpula-Natri, Kyenge, Kyrkos, Lange, Lauristin, Leinen, López, López Aguilar, Ludvigsson, McAvan, Maňka, Martin David, Melior, Mizzi, Moisă, Molnár, Moody, Moraes, Morgano, Mosca, Negrescu, Neuser, Nica, Niedermüller, Nilsson, Paolucci, Paşcu, Pavel, Picierno, Picula, Pittella, Preuß, Rodrigues Liliana, Rodrigues Maria João, Rodríguez-Piñero Fernández, Rodust, dos Santos, Sârbu, Sassoli, Schaldemose, Schuster, Serrão Santos, Silva Pereira, Simon Peter, Simon Siôn, Smolková, Stihler, Tănăsescu, Țapardel, Toia, Ujhelyi, Ulvskog, Valenciano, Vaughan, von Weizsäcker, Werner, Wölken, Zala, Zanonato, Zoffoli, Zorrinho

Diese 22 Abgeordneten haben sich enthalten: 

ALDE:Diaconu, Müller, Nicolai, Toom, Uspaskich 

ECR:Gericke, Škripek, Tomaševski

NI:Zarianopoulos

PPE:Cadec, Kefalogiannis, Kyrtsos, Vozemberg-Vrionidi, Zagorakis

S&D:Grapini, Hoffmann, Liberadzki, Mavrides, Papadakis Demetris, Sant

Verts/ALE:Škrlec, Tarand

 


Verdi: CETA: EU-Parlament lehnt Überprüfung durch Europäischen Gerichtshof ab – Bsirkse: Es braucht eine ausführliche parlamentarische Beratung. 22.11.2016.

Sven Giegold: CETA: Große Koalition verhindert Rechtssicherheit bei Paralleljustiz. 23.11.2016.

Kommentar zur Eile der CETA-Lobbyisten:

Eric Bonse: Wut auf EU-Parlamentspräsident Schulz. Ceta im Eilverfahren. In: TAZ, 22.11.2016.

Eric Bonse: Kommentar Ceta und das EU-Parlament. Gefährliches Signal
Ceta soll flott durch das EU-Parlament gebracht werden. Damit machen sich Schulz, Gabriel und die gesamte EU unglaubwürdig. In: TAZ, 22.11.2016.

 

 

Anlässlich CETA-Skandal. Parlamentarier wollen CETA vor den EuGH bringen!

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Yannick Jadot: Europa-Parlament kurz vor Skandal um CETA

Was in unserem einzigen direkt-gewählten Gremium der EU passiert, ist schockierend. Hier steht warum

Von Yannick Jadot (MEP, Vize-Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA) im Europa-Parlament)

(19.11.2016) Das selbstgemachte CETA-Chaos der letzten Monate hat viele von uns, die sich im Europa-Parlament mit dem Thema auseinandersetzen, verblüfft zurückgelassen.

Nachdem die EU-Kommission das wallonische Parlament zwei Jahre lang ignorierte, verursachte sie Panik in letzter Minute, indem sie die symbolische Unterzeichnung des CETA-Deals verschob und die kleine belgische Region gegenüber dem Rest von Europa in die Pfanne haute. Um das Schlamassel wiedergutzumachen, überfrachtete sie CETA mit 37 nicht-bindenden Zusatzerklärungen, die teilweise widersprüchlich sind und deren juristische Verbindlichkeit fraglich ist. Das trug noch mehr zur Verwirrung bei. Der belgische Premierminister gab sogar zu, dass das Debakel am CETA-Abkommen „kein Komma geändert habe.“

Es sieht so aus, als sei die Geschichte nun zu Ende, aber das stimmt nicht!

Bald beginnt der Ratifizierungsprozess, mit dem Europaparlament. Die Prozedur läuft üblicherweise unkompliziert und klar ab: Die zuständigen Ausschüsse für Fragen, die mit Handel zu tun haben, untersuchen den Deal. Das bedeutet Anhörungen, Debatten und schriftliche Stellungnahmen, begleitet von einer Resolution über die gemeinsame Haltung des Europaparlaments, die von allen 751 Abgeordneten abgestimmt wird. Diese Prozesse stärken die demokratische Kontrolle auf EU-Ebene und stellen sicher, dass Parlament nicht nur da ist, um abzustempeln, was die Kommission ihm vorlegt. Mit CETA wurde fast jede Regel aus dem Fenster geworfen.

Keine Zeit. Keine Analyse

CETA wird dem Europa-Parlament offiziell erst am 21. November vorgelegt werden. Von da an haben die Abgeordneten 6 Monate Zeit zum Analysieren, Debattieren und Abstimmen. Doch eine Art Coup hat dafür gesorgt, dass diesmal keine der üblichen Prozeduren zählt. Die Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Fraktionen, die zusammen die große Mehrheit, vielfach „Große Koalition“ genannt, ausmachen, haben eine dermaßen schnelle Jagd von CETA durch diese Institution angezettelt, dass du alles verpasst, wenn du nur mit dem Auge zwinkerst. Sie wollen die Abstimmung schon im Dezember, was für das Parlament eine irgendwie sachbezogene Prüfung von CETA unmöglich macht.

Obwohl CETA das Parlament noch nicht einmal erreicht hat, hielten Abgeordnete des Ausschusses für internationalen Handel (INTA) am 10. November ein Hearing ab; vorgesehen war eine Erklärung durch die Kommission und den Rat zu den 37 Statements, bekannt als „Joint Interpretative Instruments“ der Union und der Mitgliedsstaaten. (gemeint ist nicht das „Gemeinsame Auslegungsinstrument“ sondern die „Erklärungen für das Ratsprotokoll“ – die Übersetzerin) Nur dass der Rat erst gar nicht erschien. Die Kommission versuchte, einige Fragen zu beantworten, doch die Sitzung endete mit vielen Unklarheiten.

Schon die sonst übliche begleitende Resolution, die allen Abgeordneten und Ausschüssen eine komplette Untersuchung des Abkommens erlaubt, war vom INTA-Ausschuss einige Wochen zuvor abgelehnt worden. Ein noch nie dagewesener Schachzug, doch es wird einfach keine geben. Die Grünen gehörten zu den wenigen Stimmen, die Zeter und Mordio schrieen, aber das traf auf taube Ohren.

Was die Sache noch schlimmer macht: Zwar haben verschiedene Ausschüsse, die bei einzelnen Aspekten von CETA zuständig sind, eigene Stellungnahmen angemeldet, aber so wie es aussieht, sind diese alle abgelehnt worden. Der Umweltausschuss (ENVI) und der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) haben sich über den engen Zeitplan beschwert, weil der eine angemessene Auseinandersetzung mit CETA unmöglich mache, doch ihre Stellungnahmen wurden abgewiesen, aus offensichtlich keinem anderen Grund als dem, jede Kritik zu unterbinden.

Demokratie: nur ein Mittagessen mit einer Person?

„Das raubt mir wirklich den Atem, wie wir zu so schnellem Handeln gezwungen werden“, bemerkte mein Kollege Bart Staes diese Woche. Als Berichterstatter für die abgelehnte Stellungnahme des Umweltausschusses ist er – wie wir alle – geschockt, dass die Rechte des Europäischen Parlaments so eklatant ignoriert werden. „Es ist unmöglich, bei dem Zeitplan, den INTA vorgegeben hat, irgendeine subtanzvolle Beurteilung zu machen. Im Endeffekt können wir unsere Arbeit nicht tun. Die Absicht ist klar: die Debatte soll vom Tisch gefegt werden.

Die Fraktion der Sozialdemokraten, der Mitte-Links-Block, hat erst vor einem Monat bestätigt, dass CETA eine sorgfältige Untersuchung durch das Europa-Parlament braucht und dass auch die nationalen Parlamente in die Prozess einbezogen werden müssten. Jetzt scheint es, dass diese Pläne nur eine Nebelkerzen waren. Nicht nur, dass sie die begleitende Entschließung des Parlaments blockiert haben, jetzt unterstützen sie die hastige Abstimmung des Parlaments.
Was die Konsultation der nationalen Parlamente angeht, das wird ein Lunch-Meeting mit je einem Repräsentanten aus jedem nationalen Parlament sein. Wenn das ein Witz wäre, würde ich lachen!

Keine juristische Klarheit

Offensichtlich haben die großen Parteien nicht die Absicht, die Rechte des Europa-Parlaments auf angemessene Bewertung eines Abkommen von solcher Bedeutung zu schützen. Es ist ein Skandal, dass die gewählten Mitglieder des Parlaments unfähig sind, ihren Job zu machen, wegen eines hausgemachten Gefühls von Dringlichkeit. Nicht einmal der Rat fordert eine solche Schnell-Prozedur!
Und noch immer bleibt die juristische Unsicherheit. Das „Joint Interpretative Instrument“ („Gemeinsames Auslegungsinstrument“) mag Juristen noch mehr Kopfschmerzen machen, aber noch wichtiger ist, was in CETA selbst steckt.

Viele juristische Sachverständige, einschließlich des Deutschen Richterbundes, und sogar der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), sind überzeugt, dass jede Form eines ISDS-Systems in CETA inkompatibel mit dem EU-Gesetz sein könnte. Eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes ist daher dringend erforderlich.

So wie es aussieht, wurde der EuGH noch nicht nach einer Stellungnahme dazu gefragt, ob solch ein Investorenschutz-Mechanismus mit den EU-Verträgen kompatibel ist. Ein Urteil zum Singapur-Abkommen, das für Frühjahr 2017 erwartet wird, wird lediglich bewerten, ob Investorenschutz in der Entscheidung der Union liegt oder als gemischte Kompetenz mit den Mitgliedstaaten anzusehen ist. In der Vereinbarung mit Wallonien wurde versichert, dass die Frage vor den EuGH gebracht werden solle. Das ist jedoch noch nicht passiert und es gibt Gerüchte, dass dies auch nicht passieren wird.

Auch das Europa-Parlament hat die Macht, das EuGH wegen einer Stellungnahme anzurufen. Das wollen wir in der nächsten Woche tun.

Nach wochenlangen Verfahrensmanövern, die unseren demokratischen Prozess ausgehöhlt und beschädigt haben, müssen wir eine Mehrheit im Parlament sichern und CETA vor den EuGH bringen. Unabhängig von politischen Überzeugungen – das Chaos, das CETA entfesselt hat, gibt es keine Anzeichen dafür, dass es ohne juristische Klarheit nachlassen wird.

Ihr könnt helfen:
Bittet Eure Europa-Abgeordneten hier , in dieser Woche für unseren Antrag zu stimmen.

(Übersetzung: Heike Aghte)
Originalbeitrag in englischer Sprache hier

Antrag* in dt. Sprache: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Einholung eines Gutachtens des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit des vorgeschlagenen Übereinkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit den Verträgen

Vgl. auch: Vana/Reimon: EP-Präsident Schulz würgt CETA-Debatte im Parlament ab. 18.11.2016.

 

* ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Einholung eines Gutachtens des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit des vorgeschlagenen Übereinkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit den Verträgen (2016/2981(RSP))

Jan Philipp Albrecht, Tiziana Beghin, Kostas Chrysogonos, Marian Harkin, Heidi Hautala, Anneli Jäätteenmäki, Georgi Pirinski, Evelyn Regner, Gabriele Zimmer, Helmut Scholz, Anne-Marie Mineur, Eleonora Forenza, Marisa Matias, Kostadinka Kuneva, Martina Anderson, Josu Juaristi Abaunz, Merja Kyllönen, Neoklis Sylikiotis, Malin Björk, Stefan Eck, Martina Michels, Kateřina Konečná, Barbara Spinelli, Marie-Christine Vergiat, Tania González Peñas, Paloma López Bermejo, Matt Carthy, Fabio Massimo Castaldo, Laura Ferrara, Isabella Adinolfi, Marco Affronte, Laura Agea, Marco Zullo, Eleonora Evi, Piernicola Pedicini, Rosa D’Amato, Dario Tamburrano, Ignazio Corrao, David Borrelli, Marco Valli, Marco Zanni, Daniela Aiuto, Benedek Jávor, Bas Eickhout, Julia Reda, Molly Scott Cato, Michael Cramer, Bodil Valero, Philippe Lamberts, Claude Turmes, Ska Keller, Linnéa Engström, Max Andersson, Florent Marcellesi, Yannick Jadot, Karima Delli, Pascal Durand, Eva Joly, Michèle Rivasi, José Bové, Jude Kirton-Darling, Julie Ward, Theresa Griffin, Maria Noichl, Agnes Jongerius, Karoline Graswander-Hainz, Emmanuel Maurel, Guillaume Balas, Ana Gomes, Dietmar Köster, Edouard Martin, Karin Kadenbach, Marc Tarabella, Elly Schlein, Sergio Gaetano Cofferati, Josef Weidenholzer, Hugues Bayet, Virginie Rozière, Eugen Freund, Tibor Szanyi, Lucy Anderson, Anneliese Dodds, Ismail Ertug, Paul Tang, Afzal Khan, Pier Antonio Panzeri, Isabelle Thomas, Eric Andrieu, Maria Arena

Vana/Reimon: EP-Präsident Schulz würgt CETA-Debatte im Parlament ab

CETA-Kritische Ausschüsse werden zum Schweigen gebracht [18.11.2016] Zwei Wochen nach Unterzeichnung des Freihandelsabkommens CETA hat die große Koalition aus SozialdemokratInnen und Konservativen keinerlei Interesse an Diskussion und will CETA in Rekordgeschwindigkeit durch das Europäische Parlament peitschen. Unter den Abgeordneten macht sich Unruhe breit: Der sozialdemokratisch geführte Sozialausschuss wollte die Ablehnung von CETA empfehlen. EP-Präsident Martin … weiterlesen