Offener Brief der Zivilgesellschaft gegen Sonderrechte von Investoren beim TTIP-Abkommen

(16. Dezember 2013) Viele kritische Organisationen – nicht nur in den USA und Europa – haben einen offenen Brief an Michael Froman, United States Trade Representative, Washington und EU-Kommissar Karel de Gucht, Brüssel gerichtet.

siehe auch: Seattle to Brussels Network

Sehr geehrter Herr Botschafter Froman und Herr Kommissar De Gucht:

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, richten uns mit diesem Brief an Sie, um unsere Ablehnung gegen die Einbeziehung des „Investor-State Dispute Settlement“ (ISDS), einem Mechanismus zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in das Abkommen der Transatlantischen Handels- und Investment-Partnerschaft (TTIP) auszudrücken.

Das ISDS gewährt ausländischen Investoren das Recht, in privaten Handelsgerichten politische Entscheidungen und Maßnahmen von Regierungen anzufechten, wenn diese gemäß der Unternehmen deren Anlagewert mindern. Auch wenn neue Richtlinien bei inländischen und ausländischen Investoren gleichermaßen angewandt werden, erlaubt das ISDS ausländischen Unternehmen, Schadensersatz bei Ausbleiben von ‚verlässlichen rechtlichen Rahmenbedingungen‘ zu verlangen.

In den vergangenen Jahren wurde das ISDS zunehmend dazu genutzt, um in unterschiedlichsten Bereichen die Regierungspolitik anzufechten. Die Einbeziehung des ISDS in Freihandelsabkommen und bilaterale Investitionsabkommen hat es Unternehmen ermöglicht, mehr als 500 Klagen gegen 95 Regierungen einzureichen. Viele dieser Fälle greifen das öffentliche Interesse oder die Umweltpolitik direkt an. Aus folgenden Gründen fordern wir Sie nachdrücklich auf, das ISDS aus der TTIP auszugliedern.

Das ISDS zwingt Regierungen, Steuergelder dafür aufzuwenden, um Konzernen Kompensationen für Richtlinien in Gesundheitswesen, Umwelt, Arbeit und andere das Gemeinwohl betreffende Bereiche zu zahlen:

Das ISDS wurde dazu benutzt, das Gemeinwohl betreffende Politikbereiche wie Erneuerbare Energien, Bergbau, Landnutzung, Gesundheit, Arbeit u.a. anzufechten. Tatsächlich beziehen sich die 16 bereits unter US-amerikanischen Freihandelsabkommen anhängigen Fälle mit Forderungen von mehr als 14 Milliarden US-$ alle auf die Bereiche Umwelt- und Energiepolitik, Finanzregulierung, Gesundheitswesen, Landnutzung und Transportwesen – jedoch auf keine traditionellen Handelsfragen.

Konzerne nutzen das ISDS zunehmend dazu, um nicht diskriminierende Regierungsmaßnahmen anzufechten. So haben Investoren aus der EU beispielsweise das Anheben des Mindestlohns durch die ägyptische Regierung angefochten. Und ein US-amerikanisches Unternehmen klagte in Vereinbarung mit dem ISDS gegen die peruanische Regierung für deren Entscheidung, den Umgang mit Giftmüll zu regulieren und ein stark umweltschädliches Hüttenwerk zu schließen. In einem der berüchtigsten Fälle stieß der US-amerikanische Tabak-Gigant Philip Morris Prozesse zwischen Investoren und Staaten an, um Antirauchergesetze in Uruguay und Australien anzufechten, nachdem es dem Konzern nicht gelungen war, Gesetze im Gesundheitswesen in nationalen Gerichten zu untergraben. Gerade aufgrund der bedeutenden Anzahl von Unternehmen mit Sitz sowohl in den USA als auch in der EU, würde die Zahl an ISDS-Anfechtungen von Richtlinien, die das Gemeinwohl betreffen, im Falle der Einbeziehung des ISDS in die TTIP wahrscheinlich drastisch steigen. Regierungen müssen die Flexibilität bewahren, Politik im öffentlichen Interesse zu gestalten, handelsbezogene Gerichtsverfahren zu fürchten, die von Konzernen angeleihert werden.

Das ISDS untergräbt eine demokratische Entscheidungsfindung: Das ISDS gewährt ausländischen Konzernen das Recht, in privaten Handelsgerichten politische Entscheidungen und Maßnahmen von Regierungen direkt anzufechten, dabei nationale Gerichte zu umgehen und ein neues Rechtssystem zu schaffen, welches ausschließlich ausländischen Investoren und multinationalen Konzernen Zugang gewährt. Das ISDS bietet Konzernen außerdem einen Gerichtsstand an, um Entscheidungen nationaler Gerichte anzufechten sowie nationale Entscheidungsfindung zu untergraben. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass das ISDS eine Einbahnstraße darstellt, durch die Konzerne Regierungspolitik anfechten können, gleichzeitig aber weder Regierungen noch Einzelpersonen vergleichbare Rechte gewährt werden, um Konzerne haftbar zu machen.

Europäische und US-amerikanische Rechtssysteme sind befähigt, Investitionsstreitigkeiten zu behandeln: Die USA und die EU haben sehr strenge nationale Gerichtssysteme und Schutzvorkehrungen für Besitzrechte. Die Einbeziehung des ISDS in die TTIP würde Konzerne lediglich mit neuen Mitteln ausstatten, um die Politik der heimischen Regierung anzufechten, welche von nationalen Gerichten als statthaft erachtet wird. Ein System zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen zwei Vertragsstaaten ist mehr als ausreichend, um Investitionsstreitigkeiten in der TTIP zu schlichten.

Diese und weitere Bedenken unterstreichen, warum unsere Organisationen sich gegen die Einbeziehung des Investor-Staat-Mechanismus in der TTIP stellen. Wir rufen Sie daher dazu auf, das „Investor-State Dispute Settlement“ aus dem Abkommen auszuschließen.

Mit freundlichen Grüßen

U.S. und EU bzw. global:
350.org
Global Marshall Plan Initiative
Greenpeace
IBFAN
International Trade Union Confederation
Naturefriends International
Transnational Institute

Vereinigte Staaten
ActionAid USA
African Services Committee, U.S. and Ethiopia
American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFLCIO)
American Federation of State, County and Municipal Employees (AFSME)
Americans for Democratic Action
Blue Green Alliance
Center for Digital Democracy
Center for Effective Government
Center for Food Safety
Center for International Environmental Law (CIEL)
Citizens Trade Campaign
Coalition for Sensible Safeguards
Communications Workers of America (CWA)
Consumer Action
Consumer Federation of America
Consumers Union
Earthjustice
Environmental Investigation Agency
Fair World Project
Farmworker Association of Florida
Food & Water Watch
Friends of the Earth U.S.
Health GAP (Global Access Project)
Indiana Toxics Action Project
Institute for Agriculture and Trade Policy
Institute for Policy Studies, Global Economy Project
International Brotherhood of Boilermakers
International Brotherhood of Teamsters
International Fund for Animal Welfare
Knowledge Ecology International
National Association of Consumer Advocates
National Legislative Association on Prescription Drug Prices
National Wildlife Federation (NWF)
Natural Resources Defense Council (NRDC)
Oil Change International
Pesticide Action Network North America
Portland Area Global AIDS Coalition-Global South
Public Citizen
Sierra Club
Sisters of Notre Dame de Namur Justice and Peace Network
Sustainable Energy & Economy Network
United Steelworkers (USW)
Women’s Voices for the Earth

Europa:
11.11.11, Belgien
Act Up, Frankreich
Africa Europe Faith and Justice Network (AEFJN) Belgien
Afrika Kontakt, Dänemak
A G Post-Fossil, Deutschland
AITEC, Frankreich
Alliance for Cancer Prevention, UK
Amigos de la Tierra (FoE Spanien)
Aquattac, Europa
Arbeiterkammer Wien, Österreich
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), Deutschland
Arbeitskreis Heckenschutz, Deutschland
ATTAC Österreich
ATTAC Darmstadt, Deutschland
ATTAC Frankreich
ATTAC Deutschland
Attac Gruppe Schwalm-Eder, Deutschland
ATTAC Stuttgart, Deutschland
Attac Wuppertal (Agrargruppe), Deutschland
Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB)
Baby Milk Action, UK
Bee Life European Beekeeping Coordination
Berliner Wassertisch (Berlin Watertable), Deutschland
Buglife – The Invertebrate Conservation Trust, Europe
BUND e.V. – Friends of the Earth Deutschland
Bürgerinitiative Fracking freies Hessen, Deutschland
Bürgerinitiative für ein lebenswertes Korbach, Deutschland
Campact e.V., Deutschland
CEE Bankwatch Network, Europe
Center for Encounter and Active Non-violence, Österreich
Chaos Computer Club e.V., Deutschland
ClientEarth, UK, Belgium, Polen
Climate Action Network Europe
CNCD-11.11.11, Belgien
Corporate Europe Observatory, Belgien
Danish Ecological Council
Décroissance Bern, Schweiz
Deutsche Umweltstiftung, Deutschland
Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund e.V
Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutschland
DIVaN e.V., Deutschland
Earth Watch Media, Niederlande
Ecologistas en Acción, Spanien
EcoNexus, UK and International
European Attac Network, Europe
European Environmental Bureau (EEB)
European Federation of Public Service Unions (EPSU)
European Professional Beekeepers Association
European Public Health Alliance
Fairwatch, Italien
Federation of Greek Beekeepers Associations
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V., Deutschland
Friends of the Earth Europe
Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), Deutschland
Gen-ethisches Netzwerk, Europe
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), BirdLife partner, Deutschland
German NGO Forum on Environment and Development
Germanwatch
Gewerkschaft der Gemeindebediensteten-Kunst, Medien,Sport, freie Berufe
(GdG-KMSfB), Österreich
Global Responsibility – Austrian Platform for Development and Humanitarian
Aid, Österreich
Health Action International
Health and Environment Alliance (HEAL), Europa
Health Care Without Harm, Europa
Health Poverty Action, UK
Ibfan Italia, Italien
Initiativ Liewensufank, Luxemburg
Initiative für Netzfreiheit, Österreich
Institut za trajnostni razvoj(Institute for Sustainable Development), Slovenien
John Mordaunt Trust, UK
Keep Our NHS Public, UK
KEPKA (Consumers Protection Center), Griechenland
Lambeth Keep Our NHS Public, UK
Les Verts du Golfe, Frankreich
Milieudefensie, Friends of the Earth Niederlande
National Union of Teachers, UK
NaturFreunde Deutschlands, Deutschland
NOAH, Friends of the Earth Dänemark
No Moor Fracking, Deutschland
ÖBV-Via Campesina Österreich
Occupy London Economics Working Group, UK
Occupy London – Real Democracy Working Group, UK
One World Week-UK
Patients4nhs, UK
PELLETIER, Rhone-Alpes
PEGAH – Verein für regionale und globale Kunst und Kultur / Iranischer Kunstund
Kulturverein, Deutschland
Pesticide Action Network Europe
Piratenpartei, Deutschland
PowerShift e.V., Deutschland
PRO-GE, Österreich
Quercus – ANCN, Portugal
Reseau Environment Sante, Frankreich
R.I.S.K. Consultancy, Belgien
Slovene Consumers Association, Slovenien
Slow Food Deutschland e.V., Deutschland
SOMO, Niederlande
StopTTIP, UK
Student Stop AIDS Campaign, UK
SÜDWIND, Österreich
The Berne Declaration, Switzerland
The Cancer Prevention & Education Society, England
The Danish Ecological Council
The Energy, Equity and Environment Group of Occupy London
Therapeutikum Wuppertal e. V., Deutschland
Tower Hamlets Keep Our NHS Public, UK
Trade Justice Movement,UK
Trades Union Congress, UK
Traidcraft Exchange, UK
Transition Town Brixton, UK
Transport & Environment
UK National Hazards Campaign, UK
Umweltdachverband, Österreich
UNISON, UK
Vrijschrift, Niederlande
War on Want, UK
Wasser in Bürgerhand (WIB), Deutschland
Women and Development (KULU), Dänemark
Women in Europe for a Common Future
World Development Movement (WDM), UK
World Economy, Ecology & Development (WEED), Deutschland
WWF European Policy Office

Afrika
AIDSCARE WATCH ORG, Kenya
Center for Health Human Rights and Development, Uganda
Girls-Awake Foundation (GAF), Uganda
Treatment Action Campaign, South Africa

Asien
IBFAN-ICDC, Malaysia

Lateinamerika
Democracy Center, Bolivia
LATINDADD

Englische Fassung des Offenen Briefes

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