Schreiben an Wasserverband und Kommunalpolitik in Burg b. Magdeburg – 8. Okt. 2013

Berlin u. Stuttgart, 8. Oktober 2013

Betreff: Wasserverband in Burg in Eigenregie führen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister und Wasserverbands-Geschäftsführer Jörg Rehbaum,
sehr geehrte Frau Stadträtin, sehr geehrter Herr Stadtrat,
sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

mit Freude haben wir gelesen, dass Sie darüber nachdenken, den Burger Wasserverband in Eigenregie weiterzuführen. Dazu möchten wir Sie beglückwünschen. Es freut uns auch besonders, dass Sie Ihr freiwilliges Vergabeverfahren, welches nach deutschem und europäischem Recht nicht vorgeschrieben ist (vgl. http://l.hh.de/Hellermann2013 (pdf)), für den Fall der Eigenlösung aufgeben. Genau für diese Alternative haben wir uns gemeinsam und erfolgreich eingesetzt, als wir uns gegen die von der EU geplante Dienstleistungs-Konzessionsvergaberichtlinie zur Wasserversorgung gewehrt haben.

Das Stimmverhalten Einzelner gegen eine kommunale Lösung im Burger Stadtrat und Wasserverband ist nach umfangreicher Information und Debatte für uns nicht nachvollziehbar. Wir haben in Berlin und in Stuttgart am eigenen Leib erfahren, welche negativen Folgen eine (Teil-)Privatisierung der Daseinsvorsorge nach sich zieht.

Die Wasserpreise sind nach der Teilprivatisierung 1999 in Berlin massiv gestiegen. So hat das Bundeskartellamt bei den Berliner Wasserbetrieben einen Preismissbrauch (!) alleine beim Trinkwasser von 20–30% festgestellt. Schuld daran ist vor allem die im ehemals geheimen Konsortialvertrag festgelegte Gewinngarantie für RWE und Veolia, den beiden privaten „Partnern“ der BWB.

Die Investitionen sind gesunken. In Berlin gibt es einen Investitionsrückstau von mehr als einer halben Milliarde Euro. Dies wirkt sich natürlich negativ auf den Zustand der Infrastruktur und folglich auch der Qualität der Wasserversorgung selbst aus.

Stabile Arbeitsplätze werden abgebaut und in prekäre umgewandelt. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm. Mangelnde Investitionen führen auch zu Verlusten an regionalen Arbeitsplätzen, davon abgesehen, dass die Konzerne Dienstleistungen bevorzugt an ihre eigenen Tochterfirmen delegieren.

Nachhaltigkeit wird missachtet. Wasserwerke werden aus Kostengründen stillgelegt. Die dazugehörigen Wasserschutzgebiete werden aufgegeben und einer Bebauung geopfert. Sie gehen einer nachhaltigen Wasserwirtschaft und dem Naturschutz dauerhaft verloren. Eine Folge der Stilllegung sind nasse Keller. Darunter leiden in Berlin inzwischen ganze Stadtteile. Verloren gegangen sind den Betrieben auch viele Grundstücke, Gebäude, Ländereien, da die private Betriebsführung nahezu alles verkauft hat, was nicht „nietund nagelfest“ war.

Sobald ein Konzern beteiligt ist, will er für seine Aktionäre das Maximum an Rendite herausholen. Dies wird ihm vom Aktienrecht sogar vorgeschrieben. Dr. Stockmann, ehemaliger Vizepräsident des Bundeskartellamts, sagte auf einer Veranstaltung des Berliner Wassertischs: „Eher erzieht man einen Löwen zum Veganer als dass man einem Konzern das Gewinnstreben abgewöhnt.“ Unrechtmäßige Zustände lassen sich schwer überprüfen und schon gar nicht leicht bekämpfen, da eine Kommune sich keine so teure Rechtsvertretung leisten kann wie ein milliardenschwerer Konzern. Veolia beispielsweise arbeitet mit den besten und teuersten Anwaltskanzleien der Welt zusammen. Da können weder die Kommune noch Bürgerinitiativen mithalten. Perfiderweise müssen die Berliner die Anwaltshonorarer für die Edelkanzlei Freshfields, Bruckhaus und Deringer bezahlen, weil die Berliner Wasserbetriebe gegen die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts klagen.

Privatisierung der Daseinsvorsorge gefährdet die Demokratie. Trotz der Minderheitsbeteiligung hatten die privaten Konzerne RWE und Veolia seit der Teilprivatisierung 1999 das Sagen bei den Berliner Wasserbetrieben. Heimliche Gewinnklauseln für Konzerne, Geheimhaltungsklauseln, geheime Schiedsgerichte – all dies wirkt sich nachteilig für das Gemeinwesen aus. Der Verlust an Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen ist dramatisch. Die Offenlegung der „verbrecherischen“ Wasserverträge musste durch einen Volksentscheid 2011 erzwungen werden. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Dr. Dr. hc. Siegfried Broß weist schon seit vielen Jahren auf die Gefährdung der Demokratie durch die Privatisierung der Daseinsvorsorge hin. Dies hat er unlängst auf Veranstaltungen, die das Stuttgarter Wasserforum (vgl. Video, URL: http://l.hh.de/SW_Bross2013) und der Berliner Wassertisch mit ihm durchgeführt haben, bekräftigt (vgl. Schrift Broß, URL: http://l.hh.de/SZR_Bross2013). Betriebe der Daseinsvorsorge gehören unter vollständige demokratische Kontrolle.

Diese belegten, praktischen Erfahrungen mit privatisierter Wasserversorgung zeigen zahlreiche Standorte in Deutschland, Europa und in der Welt. Die negativen Folgen kann sich eine Kommune ersparen, wenn sie ihre Betriebe in Eigenregie führt und von jeglicher Privatisierung oder Beteiligung privater Konzerne absieht. Ein Betrieb ist schnell verkauft, ihn in die kommunale Hand zurückzuholen, ist jedoch viel schwieriger und meistens sehr teuer. Das gilt auch für Konzessionen. So hat sich der RWE Konzern unlängst eine verloren gegangene Konzession in der Taunusgemeinde Wehrheim nach jahrelangen Kämpfen durch viele juristische Instanzen zurückgeklagt und damit die Rekommunalisierung zunichte gemacht. Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für Ihren hoffentlich kommunal weitergeführten Wasserverband

 

Barbara Kern für das Stuttgarter Wasserforum
Mail: barbarakern@gmx.de
Tel: 0157 77 88 5994
Web: http://www.hundert-wasser.org/
Twitter: https://twitter.com/Wasserforum

Wolfgang Rebel für den Berliner Wassertisch
Adresse: Berliner Wassertisch
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Prenzlauer Allee 8
10405 Berlin
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Tel: 0152 5723 34 84
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