Senat offenbart Sanierungsrückstand bei Abwasserkanälen in Berlin nach Abzug der privaten Wasserkonzerne

Kommentar Wassertisch
31.12.2013

Senat offenbart Sanierungsrückstand bei Abwasserkanälen in Berlin nach Abzug der privaten Wasserkonzerne
Von Wolfgang Rebel und Rainer Heinrich

Eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Silke Gebel brachte es an den Tag. Am 29. Dezember stand es dann in der Berliner Morgenpost: „Berlins Kanäle weisen an Tausenden Stellen Schäden auf. Die Wasserbetriebe wollen deshalb das gesamte Netz sanieren. Das wird 17 Jahre dauern und Millionen kosten.

Sanierungsinvestitionen waren viel zu gering
Was der Berliner Wassertisch immer gesagt hat, stellt sich jetzt – leider – als richtig heraus: Die Sanierungsinvestitionen waren nach dem Jahr 2004 insbesondere im Kanalsystem viel zu gering, eine klare Folge der Teilprivatisierung. Es war aber nicht nur der Hunger nach Rendite, der den Sanierungs-Investitionsstau hervorrief. Hinzu kamen die Folgen der massiven Reduzierung der Beschäftigtenzahlen. Hierzu stellt die TBS Clusteranalyse Wasser Berlin vom Okt. 2011 interessante Informationen bereit. Bauunternehmen, die Ihre Aufträge zu einem hohen Prozentsatz von den Wasserbetrieben erhielten, äußerten bei einer Befragung im Hinblick auf ihre Zusammenarbeit mit den Berliner Wasserbetrieben folgende Mängel:

  • Zitat: „BWB kennen eigene Qualitätsmaßstäbe nicht mehr!“
  • Personalabbau bei BWB führt zu verzögerter Auftragsvergabe
  • bei Ausschreibungen gibt es keine Leistungsverzeichnisse mehr
  • neue Auftragsinhalte erfordern verbesserte Fachkenntnisse, damit entsprechende Innovationen ausgeschrieben werden können
  • es fehlt eine verlässliche Investitionspolitik, z.B. mit verbindlichen Zielen zu den Erneuerungsraten von Kanälen und Leitungen und Investitionen zur Erfüllung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie WRRL

Kein Wunder, wenn es bei den Leistungsverzeichnissen haperte. Ausschreibungen wurden nämlich gleich nach der Teilprivatisierung den technischen Abteilungen weggenommen und die Einkaufsabteilung wurde im Personalbestand massiv reduziert.

Gibt es denn jetzt eine sachlich vernünftige Sanierungsstrategie?
Zunächst einmal: Das Land Berlin selbst hat keine Strategie. So steht es in der Antwort des Senats auf die oben erwähnte Kleine Anfrage. Alle Aufgaben der Abwasserentsorgung seien per Gesetz an die BWB übertragen worden. Und da haben immer noch die Vorstände Simon (ehemals Veolia) und Bruckmann (ehemals RWE) das Sagen. (Anmerkung: Die zuständige Senatsverwaltung müsste sich allerdings sehr wohl um eine solche Strategie kümmern, wenn die Wasserbetriebe wieder in einen Eigenbetrieb des Landes umgewandelt würden, was der Berliner-Wassertisch.info anstrebt.)

Wie groß der Sanierungsbedarf eigentlich ist, ist noch nicht bekannt. Eine Erstinspektion des Kanalnetzes soll erst 2016 abgeschlossen sein. Die jetzt schon bekannten Schäden, allerdings nur diejenigen, die zur höchsten Schadensklasse gehören, sollen bis 2017 behoben werden, also innerhalb von gut vier Jahren. Der noch nicht dokumentierte Rest der Schäden dieser Schadensklasse soll bis 2020, also innerhalb weiterer drei Jahre, behoben werden.

Die bekannten Schäden betreffen 8000 km des Kanalnetzes. Da das gesamte Kanalnetz 9600 km lang ist, stellt sich die Frage, warum 8000 km (also 83%) in 4-5 Jahren und 1600 km (also 17%) in 3 Jahren instandgesetzt werden sollen. Es könnte sein, dass der Grund dafür eine absichtlich zu optimistische Einschätzung für die erste Etappe der Sanierung ist. Schließlich handelt es sich zunächst nur um die Sanierung von Schäden, die zur Schadensklasse „SK1A“ gehören und eigentlich eine „unverzügliche Sanierung erfordern“. Hier soll der Öffentlichkeit wohl ein relativ schnelles und konsequentes Handeln vorgeführt werden. Für die weiteren Schäden will man sich allerdings bis 2030 weitere 10 Jahre Zeit lassen.

Dass die Berliner*innen sich eine schnellere Schadenssanierung wünschen, davon geht wohl auch der Senat aus. Trotzdem soll die Sanierung wohl im Rahmen der normalen Investitionsplanung durchgeführt werden. Eine schnellere Sanierung würde auf die Wasserpreise durchschlagen, die dann erhöht werden müssten. Dass man auch Haushaltsmittel für den Schutz der Grundwasserkörper und damit für die langfristige Sicherung der Trinkwasserqualität einsetzen könnte, scheint die Vorstellungskraft der Senatsbürokratie zu übersteigen.

Als Rechtfertigung für die lange Sanierungszeit der ersten Phase verweist der Senat deshalb auf die zu große Zahl der dann erforderlichen Baustellen und auf den hohen Grundwasserstand, der die Verschmutzung des Trinkwassers durch marode Kanäle angeblich verhindern soll und darauf, dass sonst die Wasserpreise steigen müssten. Dass der hohe Grundwasserstand die Kanäle abdichten soll muss allerdings skeptisch gesehen werden. In der Eigenkontrollverordnung für Abwasserkanäle in Sachsen zählen nämlich Kanäle, für die ein hoher Grundwasserstand gilt, genauso wie die Kanäle in Wasserschutzgebieten zu den „Kanälen in exponierter Lage“, die vorrangig zu untersuchen sind. Während der Hinweis auf die hohe Zahl von erforderlichen Baustellen noch nachvollziehbar ist, ist der Hinweis auf tarifliche Wasserpreisauswirkungen in diesem Zusammenhang eine Unverschämtheit. Die Gefahren für das Trinkwasser, die sich aus dem bisher von den Privatkonzernen verursachten und vom Senat bewusst tolerierten Sanierungsstau ergeben, müssen unverzüglich, also so schnell wie möglich entschärft werden, ohne dass die Wasserpreise erhöht werden!

Veolia könnte trotz Rückzug aus den BWB von den nachzuholenden Sanierungsinvestitionen profitieren
Die nachzuholenden Investitionen im Abwasserbereich bieten ein Einfallstor für Aufträge an Veolia-Betriebe. Der etwas günstigere Rückkaufpreis für die Veolia-Anteile gegenüber dem RWE-Rückkauf in 2012 hatte ja Fragen hinsichtlich möglicher geheimer Kompensationen zwischen Veolia und dem Land Berlin aufgeworfen. Nun könnte sich die Aussage der Senatorin Yzer im Hauptausschuss doch als richtig erweisen, dass eine Kompensationsregelung, bezogen auf Auslagerungen von BWB-Teilen für den Veolia-Rückkaufpreis, nicht besteht. Zukünftige Aufträge der Wasserbetriebe an Veolia-Firmen könnten durchaus eine Kompensationsregelung ersetzen. Bezahlen dafür müssen natürlich die Wasser- und Abwasser-Kunden. Aufträge statt Auslagerungen machen es auch. Hauptsache, sie können dadurch ihre Kapazitäten auslasten und Gewinne einstreichen. Dafür scheint nunmehr gesorgt zu sein.

Die Sanierungsmaßnahmen können durch das Kompetenzzentrum Wasser Berlin, das durch den Senat und TU-Berlin gefördert wird und an dem Veolia weiter beteiligt ist, wissenschaftlich unterstützt werden. Die Wissenschaftsergebnisse kann dann Veolia wiederum weltweit vermarkten.

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