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NaturFreunde: EuGH-Gutachten zu CETA-Schiedsgerichten ist nicht plausibel

30.04.2019

Zum aktuellen Gutachten (pdf) des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur vorgesehenen Streitschlichtung im Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada erklärt Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands:

„Der EuGH hält die CETA-Gerichte für ungefährlich, was nicht wirklich überrascht. Mit dem Gutachten setzt der EuGH seine politische Linie fort, neoliberale Freihandelsabkommen möglich zu machen und die Interessen von transnationalen Konzernen über die Interessen eines demokratischen Gerichtsaufbaus zu stellen.

In seinem Gutachten stellt der EuGH fest, >dass eine internationale Übereinkunft, die die Einrichtung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Union bindend sind, grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist<.

Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung in dem Gutachten, dass >mit den Verträgen ein Gerichtssystem geschaffen [werde], das die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten soll<. Das direkte Gegenteil wird künftig der Fall sein. Mit der Schaffung eines internationalen Schiedsgerichtes werden die im CETA-Freihandelsabkommen definierten Rechte der transnationalen Konzerne weiter gestärkt und Demokratie, Gleichheit und Rechtstaatlichkeit noch weiter ausgehöhlt. Den Gewinninteressen dieser international agierenden Konzerne werden die Interessen von Arbeitnehmer*innen, Umwelt und Verbraucher*innen untergeordnet. Der EuGH ermöglicht mit seinem Gutachten den weiteren Ausbau einer Paralleljustiz für international agierende Konzerne.

Die Zukunft wird die heutige Auslegung des EuGH widerlegen. Der Europäische Gerichtshof behauptet, dass der CETA-Vertrag >den in ihm vorgesehenen Gerichten nicht die Zuständigkeit überträgt, andere Vorschriften des Unionsrechts als die des Abkommens auszulegen oder anzuwenden<. Aufgrund der weitgehenden Rechte der internationalen Investoren und Unternehmen wird CETA tatsächlich dazu führen, dass die demokratische Willensbildung in der EU und den Mitgliedstaaten weiter geschwächt wird und die Konzerne ihre Forderungen an die EU-Organe und die Nationalstaaten noch einfacher durchsetzen können.

EuGH-Gutachten ist ein politisches Instrument

Das EuGH-Gutachten ist ein politisches Instrument, mit dem verhindert werden soll, dass die im CETA-Freihandelsabkommen vorgesehenen undemokratischen Streitschlichtungsverfahren unmöglich gemacht werden. Die Feststellung des EuGH ist falsch, dass die Streitschlichtungsverfahren mit dem EU-Recht vereinbar seien, da die Autonomie der EU-Rechtsordnung durch CETA nicht beeinträchtigt werde.

Freihandelsabkommen sind ökologisch und sozial mit einer nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung nicht zu vereinbaren. Die NaturFreunde Deutschlands werden sich deshalb weiterhin gegen die Verhandlung und Ratifizierung von neoliberalen Freihandelsabkommen durch die Europäische Union und ihrer Mitgliedstaaten einsetzen sowie sich für eine Kündigung der bereits geschlossenen Freihandelsabkommen engagieren.

In den nächsten Monaten und Jahren geht es darum, die Ratifizierung von CETA im Deutschen Bundestag und im Bundesrat zu verhindern. Von den Bundesländern, in denen Grüne und Linke mitregieren, erwarten die NaturFreunde Deutschlands, dass sie im Bundesrat einer CETA-Ratifizierung nicht zustimmen werden. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten auch gerade von SPD und Grünen in Berlin, dass sie ihre Beschlüsse auf Landesparteitagen ernst nehmen und gegen diese Abkommen stimmen.“

Zum Beitrag

Bedeutet das Achmea-Urteil das Ende auch vom CETA-Gericht? Eine Rechtsmeinung

Dr. Daniel Thym: Todesstoß für autonome Investitionsschutzgerichte. Beitrag auf dem Verfassungsblog vom 8.3.2018 zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-284/16 Achmea

Ausschnitt: „Nicht nur die Obersätze des Achmea-Urteils sind verallgemeinerungsfähig, auch die Aussagen zum slowakisch-niederländischen Investitionsschutzabkommen (BIT) sind bewusst so allgemein gehalten (Rn. 39-59), dass man sie schwerlich als Sonderjudikatur für innereuropäische Schiedsgerichte kleinreden kann. Die Entscheidung gilt prinzipiell ebenso für Drittstaatsabkommen, zumal der EuGH mehrfach frühere Entscheidungen zitiert, die eben solche Verträge für vertragswidrig erklärt hatten. Tatsächlich scheinen die tragenden Erwägungen des jüngsten Urteils ohne weitere Umstände auch ein herkömmliches Investitionsschiedsgericht nach dem Modell des CETA-Abkommens zu erfassen. Gewiss könnte der EuGH diese doch noch anders bewerten, aber auf den ersten Blick legt das Achmea-Urteil der Großen Kammer nahe, dass das CETA-Gericht aus vier Gründen in der bisher geplanten Form eine europarechtliche Totgeburt bleiben dürfte. […]“ Mehr hier

*Prof. Dr. Daniel Thym, L.L.M., ist Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz.

Zitierform: Thym, Daniel: Todesstoß für autonome Investitionsschutzgerichte, VerfBlog, 2018/3/08, https://verfassungsblog.de/todesstoss-fuer-autonome-investitionsschutzgerichte/, DOI: https://dx.doi.org/10.17176/20180308-115051.
Dagegen: Marc Chmielewski: Nach dem EuGH-Urteil: Investitionsschutzverträge sind noch nicht tot. In: Juve, 6.3.2018.

Urteil in der Rechtssache C-284/16 Slowakische Republik / Achmea BV hier

Website des EuGH/Pressemitteilungen:


Pressemitteilung Nr. 26/2018 : 6. März 2016
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-284/16 Achmea (de), (en)
 
„Die im Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei enthaltene Schiedsklausel ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar“

Urteile des EuGH hier.

Achmea-Urteil: Netzwerk Gerechter Welthandel sieht sich in Forderung gestärkt, Sonderklagerechte für Investoren abzuschaffen

Netzwerk Gerechter Welthandel

(Berlin, 8. März 2018) Am 6. März 2018 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Investitionsschiedsgerichte (ISDS) zwischen EU-Mitgliedstaaten nicht mit dem Europäischen Recht vereinbar sind. Konkret ging es um ein bilaterales Abkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei, das solche ISDS-Regelungen enthält. Das Urteil hat jedoch auch weitreichende Folgen für die etwa 200 weiteren Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten: Auch sie sind demnach nicht vereinbar mit Europäischem Recht und müssen gekündigt werden.

Mit diesem Urteil stärkt der EuGH unsere Forderung, Sonderklagerechte für Investoren generell abzuschaffen. Denn ein Instrument, mit dem Konzerne Staaten auf entgangene Profitmöglichkeiten verklagen können, ist undemokratisch und kann enormen Druck auf die Entscheidungsfindung im öffentlichen Interesse ausüben. Das Netzwerk Gerechter Welthandel und seine Mitgliedsorganisationen fordern, dass zukünftige Abkommen weder Sonderklagerechte für Konzerne noch materielle Privilegien für ausländische Investoren enthalten dürfen. Bestehende Verträge müssen gekündigt und ggf. nachverhandelt werden.

Pressemitteilungen und weitere Informationen auf den Seiten der Mitgliedsorganisationen:

Achmea-Urteil. EuGH: Die im Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei enthaltene Schiedsklausel ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar

www.curia.europa.eu
Presse und Information
Gerichtshof der Europäischen Union

PRESSEMITTEILUNG Nr. 26/18

Luxemburg, den 6. März 2018
Urteil in der Rechtssache C-284/16
Slowakische Republik / Achmea BV

Die im Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei enthaltene Schiedsklausel ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar

Diese Klausel entzieht dem Mechanismus der gerichtlichen Überprüfung des Unionsrechts Rechtsstreitigkeiten, die sich auf die Anwendung oder Auslegung dieses Rechts beziehen können

Im Jahr 1991 schlossen die ehemalige Tschechoslowakei und die Niederlande ein Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen[1] (BIT[2]). Das BIT bestimmt, dass Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei gütlich oder, falls dies nicht möglich ist, vor einem Schiedsgericht beizulegen sind.

Nach der Auflösung der Tschechoslowakei im Jahr 1993 trat die Slowakei in deren Rechte und Pflichten aus dem BIT ein.

Im Jahr 2004 öffnete die Slowakei ihren Krankenversicherungsmarkt für private Investoren. Achmea, ein zu einem niederländischen Versicherungskonzern gehörendes Unternehmen, gründete daraufhin eine Tochtergesellschaft in der Slowakei, um dort private Krankenversicherungen anzubieten. Im Jahr 2006 machte die Slowakei jedoch die Liberalisierung des Krankenversicherungsmarkts teilweise rückgängig und untersagte insbesondere die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Krankenversicherungsgeschäft.

Im Jahr 2008 leitete Achmea auf der Grundlage des BIT ein Schiedsverfahren gegen die Slowakei ein, mit der Begründung, dass das genannte Verbot gegen das Abkommen verstoße und ihr dadurch ein Vermögensschaden entstanden sei. Im Jahr 2012 befand das Schiedsgericht, dass die Slowakei gegen das BIT verstoßen habe, und verurteilte sie, Schadensersatz in Höhe von etwa 22,1 Mio. Euro an Achmea zu zahlen.

Im Anschluss daran erhob die Slowakei bei den deutschen Gerichten[3] Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs. Nach ihrer Auffassung verstößt die Schiedsklausel im BIT gegen mehrere Bestimmungen des AEU-Vertrags[4].

Der im Rechtsbeschwerdeverfahren angerufene Bundesgerichtshof (Deutschland) möchte vom Gerichtshof wissen, ob die von der Slowakei angefochtene Schiedsklausel mit dem AEU-Vertrag vereinbar ist.

Die Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Zypern, Lettland, Ungarn, Polen, Rumänien und die Europäische Kommission haben Erklärungen zur Unterstützung des Vorbringens der Slowakei eingereicht, während Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Österreich und Finnland die streitige Klausel und – allgemeiner – ähnliche Klauseln in den 196 gegenwärtig zwischen den Mitgliedstaaten der EU bestehenden BIT für gültig halten.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass nach dem BIT das gemäß diesem Abkommen gebildete Schiedsgericht insbesondere auf der Grundlage des geltenden Rechts der von dem fraglichen Rechtsstreit betroffenen Vertragspartei und aller erheblichen Abkommen zwischen den Vertragsparteien zu entscheiden hat.

Angesichts der Merkmale des Unionsrechts – wie seiner Autonomie gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten und dem Völkerrecht, seinem Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten sowie der unmittelbaren Wirkung einer ganzen Reihe seiner Bestimmungen für die Unionsbürger und die Mitgliedstaaten – ist es zum einen Teil des in allen Mitgliedstaaten geltenden Rechts und zum anderen aus einem internationalen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten hervorgegangen. Daher kann das fragliche Schiedsgericht unter diesen beiden Aspekten das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr auszulegen oder sogar anzuwenden haben.

Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Gerichtsbarkeit des fraglichen Schiedsgerichts im Verhältnis zu der der slowakischen und der niederländischen Gerichte Ausnahmecharakter hat, so dass es nicht Teil des Gerichtssystems der Slowakei oder der Niederlande ist. Folglich kann dieses Schiedsgericht nicht als Gericht „eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden und ist daher nicht befugt, den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen anzurufen.

Zur Frage, ob der Schiedsspruch der Überprüfung durch ein Gericht eines Mitgliedstaats unterliegt, das dem Gerichtshof unionsrechtliche Fragen in Verbindung mit einem vom Schiedsgericht behandelten Rechtsstreit vorlegen könnte, stellt der Gerichtshof fest, dass gemäß dem BIT die Entscheidung des Schiedsgerichts endgültig ist. Zudem legt das Schiedsgericht seine eigenen Verfahrensregeln fest und wählt insbesondere selbst seinen Sitz und folglich das Recht, das für das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Gültigkeit des von ihm erlassenen Schiedsspruchs gilt.

Zum letztgenannten Punkt weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine solche gerichtliche Überprüfung von dem betreffenden nationalen Gericht nur vorgenommen werden kann, soweit das nationale Recht sie gestattet – eine Bedingung, die im vorliegenden Fall nicht vollständig erfüllt ist, da das deutsche Recht nur eine beschränkte Überprüfung in diesem Bereich vorsieht. In diesem Zusammenhang hebt der Gerichtshof hervor, dass die Überprüfung von Schiedssprüchen durch die Gerichte der Mitgliedstaaten zwar unter bestimmten Umständen im Rahmen eines Handelsschiedsverfahrens[5] legitimer Weise beschränkten Charakter aufweisen könnte, doch lassen sich diese Überlegungen nicht auf ein Schiedsverfahren wie das hier vorliegende übertragen. Während Ersteres nämlich auf der Parteiautonomie beruht, leitet sich Letzteres aus einem Vertrag her, in dem die Mitgliedstaaten übereingekommen sind, der Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte und damit dem System gerichtlicher Rechtsbehelfe, dessen Schaffung ihnen der EU-Vertrag[6] in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen vorschreibt, Rechtsstreitigkeiten zu entziehen, in denen dieses Recht anzuwenden oder auszulegen sein kann.

Aus diesen Gründen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Slowakei und die Niederlande mit dem Abschluss des BIT einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten geschaffen haben, der nicht sicherzustellen vermag, dass über diese Streitigkeiten ein zum Gerichtssystem der Union gehörendes Gericht befindet, wobei nur ein solches Gericht in der Lage ist, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.
Unter diesen Umständen beeinträchtigt die im BIT enthaltene Schiedsklausel die Autonomie des Unionsrechts und ist daher nicht mit ihm vereinbar.

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

1 Abkommen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.
2 Bilateral Investment Treaty.
3 Da Schiedsort Frankfurt am Main (Deutschland) war, sind die deutschen Gerichte für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs zuständig.
4 Es handelt sich um die Art. 18, 267 und 344 AEUV.
5 Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss (C-126/97), und vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro (C-168/05).
6 Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV.
Pressemitteilung des EuGH: https://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_16799. Als pdf (deutsch)

Das Urteil im Volltext:

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

6. März 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Bilaterales Investitionsschutzabkommen, das 1991 zwischen dem Königreich der Niederlande und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik geschlossen wurde und zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik weitergilt – Bestimmung, die es einem Investor einer Vertragspartei bei einer Streitigkeit mit der anderen Vertragspartei ermöglicht, ein Schiedsgericht anzurufen – Vereinbarkeit mit den Art. 18, 267 und 344 AEUV – Begriff ‚Gericht‘ – Autonomie des Unionsrechts“

In der Rechtssache C‑284/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2016, in dem Verfahren

Slowakische Republik

gegen

Achmea BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, J. Malenovský und E. Levits, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, J.-C. Bonichot und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, M. Vilaras und E. Regan,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Slowakischen Republik, vertreten durch M. Burgstaller, Solicitor, und Rechtsanwalt K. Pörnbacher,
– der Achmea BV, vertreten durch Rechtsanwälte M. Leijten, D. Maláčová, H. Bälz und R. Willer sowie A. Marsman, advocaat,
– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
– der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und M. Hedvábná als Bevollmächtigte,
– der estnischen Regierung, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi und N. Grünberg als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch S. Charitaki, S. Papaioannou und G. Karipsiadis als Bevollmächtigte,
– der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta und A. Rubio González als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und D. Segoin als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
– der zyprischen Regierung, vertreten durch E. Symeonidou und E. Zachariadou als Bevollmächtigte,
– der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina und G. Bambāne als Bevollmächtigte,
– der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Klamert als Bevollmächtigte,
– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, L. Bosek, R. Szczęch und M. Cichomska als Bevollmächtigte,
– der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu als Bevollmächtigten im Beistand von R. Mangu und E. Gane, consilieri,
– der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche, J. Baquero Cruz, L. Malferrari und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. September 2017

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 267 und 344 AEUV.

2 Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Slowakischen Republik und der Achmea BV über einen Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012, den das im Abkommen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (im Folgenden: BIT) vorgesehene Schiedsgericht erlassen hat.

Rechtlicher Rahmen

BIT

3 Das im Jahr 1991 geschlossene BIT trat am 1. Januar 1992 in Kraft. Nach seinem Art. 3 Abs. 1 verpflichten sich die Vertragsparteien, für die Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine faire und gerechte Behandlung sicherzustellen sowie Verwaltung, Erhaltung, Nutzung, Genuss oder Veräußerung dieser Investitionen nicht durch unbillige oder diskriminierende Maßnahmen zu beeinträchtigen. Gemäß Art. 4 des BIT gewährleistet jede Vertragspartei den freien Transfer von mit einer Investition in Zusammenhang stehenden Zahlungen, u. a. Gewinnen, Zinsen und Dividenden, in frei konvertierbarer Währung ohne unangemessene Beschränkung oder Verzögerung.

4 Art. 8 des Abkommens lautet:

„1. Alle Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei bezüglich einer Investition de[s] Letzteren sind, falls möglich, gütlich beizulegen.

2. Jede Vertragspartei stimmt hiermit zu, dass eine in Absatz 1 dieses Artikels genannte Streitigkeit einem Schiedsgericht vorgetragen wird, falls die Streitigkeit innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Datum, an dem eine Partei der Streitigkeit die gütliche Beilegung gewünscht hat, nicht gütlich beigelegt ist.

3. Das in Absatz 2 dieses Artikels genannte Schiedsgericht wird für jeden einzelnen Fall in der folgenden Weise gebildet: Jede Partei der Streitigkeit ernennt ein Mitglied des Schiedsgerichts, und die beiden derartig ernannten Mitglieder wählen einen Angehörigen eines dritten Staates als Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Jede Partei der Streitigkeit ernennt ihr Mitglied des Schiedsgerichts innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten ab dem Datum, an dem der Investor der anderen Vertragspartei seine Entscheidung mitgeteilt hat, die Streitigkeit dem Schiedsgericht vorzulegen, und der Vorsitzende wird innerhalb von drei Monaten ab diesem Datum ernannt.

4. Wurden die Ernennungen nicht innerhalb der oben genannten Fristen vorgenommen, so kann jede Partei der Streitigkeit den Präsidenten des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt der Präsident die Staatsangehörigkeit einer der Vertragsparteien oder ist er aus einem anderen Grund an der Ausübung dieses Mandats verhindert, so wird der Vizepräsident gebeten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt auch der Vizepräsident die Staatsangehörigkeit einer der Vertragsparteien oder ist auch er an der Ausübung des genannten Mandats verhindert, so wird das älteste Mitglied des Schiedsgerichtsinstituts, das nicht die Staatsangehörigkeit einer der Vertragsparteien besitzt, gebeten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

5. Das Schiedsgericht wird sein eigenes Verfahren unter Anwendung der Schiedsordnung der UNCITRAL festlegen.

6. Das Schiedsgericht hat auf der Grundlage des Rechts zu entscheiden und dabei insbesondere, aber nicht ausschließlich zu berücksichtigen:

– das geltende Recht der betroffenen Vertragspartei;

– die Bestimmungen dieses Abkommens und anderer erheblicher Abkommen zwischen den Vertragsparteien;

– die Bestimmungen besonderer Vereinbarungen in Bezug auf die Investition;

– die allgemeinen Grundsätze des internationalen Rechts.

7. Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit; seine Entscheidung ist endgültig und für die Parteien der Streitigkeit bindend.“

Deutsches Recht

5 Nach § 1059 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Schiedsspruch nur aufgehoben werden, wenn einer der in dieser Vorschrift vorgesehenen Aufhebungsgründe vorliegt. So liegt u. a. ein Aufhebungsgrund vor, wenn die Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, ungültig ist oder wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung widerspräche.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6 Am 1. Januar 1993 trat die Slowakische Republik als Rechtsnachfolgerin der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik in deren Rechte und Pflichten aus dem BIT ein, und am 1. Mai 2004 wurde sie Mitglied der Europäischen Union.

7 Im Zuge einer Reform ihres Gesundheitswesens öffnete die Slowakische Republik im Jahr 2004 den slowakischen Markt für in- und ausländische Anbieter privater Krankenversicherungen. Nach ihrer Zulassung als Krankenversicherer eröffnete Achmea, ein zu einem niederländischen Versicherungskonzern gehörendes Unternehmen, in der Slowakei eine Tochtergesellschaft, in die sie Kapital einbrachte und über die sie private Krankenversicherungen auf dem slowakischen Markt anbot.

8 Im Jahr 2006 machte die Slowakische Republik die Liberalisierung des privaten Krankenversicherungsmarkts teilweise rückgängig. Insbesondere verbot sie mit einem Gesetz vom 25. Oktober 2007 die Ausschüttung von Gewinnen aus dem privaten Krankenversicherungsgeschäft. Nachdem der Ústavný súd Slovenskej republiky (Verfassungsgerichtshof der Slowakischen Republik) mit Urteil vom 26. Januar 2011 erklärt hatte, dass dieses Verbot gegen die slowakische Verfassung verstoße, ließ die Slowakische Republik mit einem am 1. August 2011 in Kraft getretenen Gesetz die fraglichen Gewinnausschüttungen wieder zu.

9 Da Achmea der Auffassung war, dass die gesetzlichen Maßnahmen der Slowakischen Republik ihr einen Schaden zugefügt hätten, leitete sie ab Oktober 2008 gemäß Art. 8 des BIT gegen diesen Mitgliedstaat ein Schiedsverfahren ein.

10 Da Frankfurt am Main (Deutschland) als Schiedsort festgelegt wurde, ist auf das fragliche Schiedsverfahren das deutsche Recht anwendbar.

11 Die Slowakische Republik erhob in diesem Schiedsverfahren eine Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts. Sie machte insoweit geltend, dass aufgrund ihres Beitritts zur Union der in Art. 8 Abs. 2 des BIT vorgesehene Rückgriff auf ein Schiedsverfahren mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Mit Zwischenentscheid vom 26. Oktober 2010 wies das Schiedsgericht diese Einrede zurück. Die dagegen gerichteten Aufhebungsanträge der Slowakischen Republik vor den deutschen Gerichten im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren blieben erfolglos.

12 Mit Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012 verurteilte das Schiedsgericht die Slowakische Republik, an Achmea Schadensersatz in Höhe von 22,1 Mio. Euro zu zahlen. Die Slowakische Republik erhob beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Klage auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags durch das Oberlandesgericht richtet sich die Rechtsbeschwerde der Slowakischen Republik beim Bundesgerichtshof (Deutschland).

13 Das vorlegende Gericht führt aus, dass das BIT seit dem Beitritt der Slowakischen Republik zur Union am 1. Mai 2004 ein Abkommen zwischen Mitgliedstaaten sei und daher im Streitfall die Bestimmungen des Unionsrechts in den von ihnen geregelten Bereichen Vorrang vor den Bestimmungen des BIT hätten.

14 Die Slowakische Republik äußert insoweit Zweifel an der Vereinbarkeit der Schiedsklausel in Art. 8 des BIT mit den Art. 18, 267 und 344 AEUV. Auch wenn das vorlegende Gericht diese Zweifel nicht teilt, hält es gleichwohl für seine Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit eine Befassung des Gerichtshofs mit dem Vorabentscheidungsersuchen für erforderlich, da der Gerichtshof über diese Fragen bislang nicht entschieden habe und sie wegen der zahlreichen bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten, die eine ähnliche Schiedsklausel enthielten, von erheblicher Bedeutung seien.

15 Das vorlegende Gericht hat erstens Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 344 AEUV an sich. Zunächst betreffe diese Bestimmung nach Gegenstand und Zielsetzung, auch wenn ihr Wortlaut keinen eindeutigen Schluss darauf zulasse, keine Streitigkeiten zwischen einem Einzelnen und einem Mitgliedstaat.

16 Sodann erfasse Art. 344 AEUV nur Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Verträge. Darum gehe es jedoch im Ausgangsverfahren nicht, da der Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012 allein auf der Grundlage des BIT gefällt worden sei.

17 Schließlich diene Art. 344 AEUV dazu, die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union zu gewährleisten, deren Wahrung der Gerichtshof sichere, und sei gleichzeitig eine spezifische Ausprägung der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber dem Gerichtshof. Daraus könne jedoch nicht hergeleitet werden, dass Art. 344 AEUV die Entscheidungskompetenz des Gerichtshofs für jegliche Rechtsstreitigkeit schütze, in der Unionsrecht zur Anwendung oder Auslegung gelangen könne. Tatsächlich schütze diese Vorschrift die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs nur, soweit die Mitgliedstaaten die in den Verträgen vorgesehenen Verfahren vor diesem in Anspruch nehmen müssten. Ein Rechtsstreit wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende könne jedoch nicht in einem Verfahren vor den Unionsgerichten entschieden werden. Die Verträge sähen nämlich kein gerichtliches Verfahren vor, das einem Investor wie Achmea ermögliche, gegenüber einem Mitgliedstaat den Schadensersatzanspruch aus einem bilateralen Investitionsschutzabkommen wie dem BIT vor den Unionsgerichten geltend zu machen.

18 Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob Art. 267 AEUV einer Schiedsklausel wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht.

19 Insoweit weist es zunächst darauf hin, dass das Schiedsverfahren für sich allein nicht geeignet sei, die von Art. 267 AEUV bezweckte Einheitlichkeit der Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen. Auch wenn das Schiedsgericht nach Art. 8 Abs. 6 des BIT das Unionsrecht beachten und im Kollisionsfall als vorrangiges Recht anwenden müsse, habe es jedoch nicht die Möglichkeit, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, da es nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen werden könne.

20 Sodann führt das vorlegende Gericht aus, dass im vorliegenden Fall die einheitliche Auslegung des Unionsrechts dennoch als sichergestellt angesehen werden könne, da ein staatliches Gericht vor der Vollstreckung aus dem Schiedsspruch ersucht werden könne, die Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit dem Unionsrecht zu prüfen, und den Gerichtshof gegebenenfalls mit einem Vorabentscheidungsersuchen befassen könne. Darüber hinaus zähle nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ein Verstoß der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen die öffentliche Ordnung zu den Gründen für die Aufhebung eines solchen Schiedsspruchs. Im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Schiedssprüchen in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten könnte die Kontrollbefugnis der nationalen Gerichte über einen Schiedsspruch zu einer Rechtsstreitigkeit zwischen einem privaten Unternehmen und einem Mitgliedstaat wirksam auf Verstöße gegen grundlegende Bestimmungen des Unionsrechts allein beschränkt werden. Dieser Umstand sollte nach Auffassung des vorlegenden Gerichts jedoch nicht dazu führen, dass eine Schiedsklausel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gegen Art. 267 AEUV verstoße.

21 Schließlich habe der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine internationale Übereinkunft, die für die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen ein besonderes Gericht außerhalb der Unionsrechtsordnung vorsehe, mit dem Unionsrecht vereinbar sei, sofern die Autonomie der Unionsrechtsordnung nicht beeinträchtigt werde. Der Gerichtshof habe keine Bedenken gegenüber der Errichtung eines Gerichtssystems geäußert, das im Wesentlichen die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der fraglichen internationalen Übereinkunft selbst zum Gegenstand habe und weder die Zuständigkeiten der Gerichte der Mitgliedstaaten zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts noch deren Befugnis oder Verpflichtung berühre, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Das im Ausgangsverfahren fragliche Schiedsgericht habe jedoch gerade über den Verstoß gegen Bestimmungen des BIT zu entscheiden gehabt, die es im Licht des Unionsrechts und insbesondere der Bestimmungen zum freien Kapitalverkehr habe auslegen müssen.

22 Drittens stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Investoren anderer Mitgliedstaaten als das Königreich der Niederlande und die Slowakische Republik im Unterschied zu den niederländischen und slowakischen Investoren nicht die Möglichkeit hätten, anstelle des staatlichen Gerichts ein Schiedsgericht anzurufen, was einen erheblichen Nachteil darstelle, der eine gegen Art. 18 AEUV verstoßende Diskriminierung sein könne. Allerdings sei die auf einem unionsinternen bilateralen Abkommen beruhende Beschränkung von Vergünstigungen für die Angehörigen der vertragschließenden Mitgliedstaaten nur dann diskriminierend, wenn sich die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, denen diese Vergünstigung nicht zugutekomme, in einer objektiv vergleichbaren Lage befänden. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, denn der Umstand, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten nur für die Personen gälten, die in einem der beiden Vertragsmitgliedstaaten ansässig seien, sei eine Konsequenz, die sich aus dem Wesen bilateraler Abkommen ergebe.

23 Nach alledem hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Art. 344 AEUV der Anwendung einer Regelung in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Union (einem sogenannten unionsinternen BIT) entgegen, nach der ein Investor eines Vertragsstaats bei einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Vertragsstaat gegen Letzteren ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, wenn das Investitionsschutzabkommen vor dem Beitritt eines der Vertragsstaaten zur Union abgeschlossen worden ist, das Schiedsgerichtsverfahren aber erst danach eingeleitet werden soll?

Falls Frage 1 zu verneinen ist:

2. Steht Art. 267 AEUV der Anwendung einer solchen Regelung entgegen?

Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind:

3. Steht Art. 18 Abs. 1 AEUV unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen der Anwendung einer solchen Regelung entgegen?

Zu den Anträgen auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

24 Nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts am 19. September 2017 haben die tschechische, die ungarische und die polnische Regierung mit Schreiben, die am 3. November und am 19. und 16. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt.

25 Diese Regierungen stützen ihre Anträge darauf, dass sie mit den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht einverstanden seien.

26 Es ist jedoch zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 22. Juni 2017, Federatie Nederlandse Vakvereniging u. a., C‑126/16, EU:C:2017:489, Rn. 30).

27 Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden. Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo, C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28 Der Gerichtshof kann jedoch gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn ein zwischen den Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist (Urteil vom 22. Juni 2017, Federatie Nederlandse Vakvereniging u. a., C‑126/16, EU:C:2017:489, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29 Da im vorliegenden Fall jedoch die Anträge lediglich darauf gestützt sind, dass die tschechische, die ungarische und die polnische Regierung den Schlussanträgen des Generalanwalts widersprechen, und kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten, ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts zu dem Ergebnis gelangt, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt und dass diese zwischen den Beteiligten erörtert worden sind.

30 Daher sind die Anträge auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zurückzuweisen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

31 Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 267 und 344 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.

32 Für die Beantwortung dieser Fragen ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine internationale Übereinkunft die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, nicht beeinträchtigen darf. Dieser Grundsatz ist insbesondere in Art. 344 AEUV verankert; danach verpflichten sich die Mitgliedstaaten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 201 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird die Autonomie des Unionsrechts gegenüber sowohl dem Recht der Mitgliedstaaten als auch dem Völkerrecht durch die wesentlichen Merkmale der Union und ihres Rechts gerechtfertigt, die die Verfassungsstruktur der Union sowie das Wesen dieses Rechts selbst betreffen. Das Unionsrecht ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es einer autonomen Quelle, den Verträgen, entspringt und Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat, sowie durch die unmittelbare Wirkung einer ganzen Reihe für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen. Solche Merkmale haben zu einem strukturierten Netz von miteinander verflochtenen Grundätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen geführt, das die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig sowie die Mitgliedstaaten untereinander bindet (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 165 bis 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34 Das Unionsrecht beruht somit auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich, wie es in Art. 2 EUV heißt, die Union gründet. Diese Prämisse impliziert und rechtfertigt die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden. In eben diesem Zusammenhang obliegt es den Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet insbesondere für die Anwendung und Wahrung des Unionsrechts zu sorgen und zu diesem Zweck alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Unionsorgane ergeben, zu ergreifen (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 168 und 173 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35 Um sicherzustellen, dass die besonderen Merkmale und die Autonomie der Rechtsordnung der Union erhalten bleiben, haben die Verträge ein Gerichtssystem geschaffen, das zur Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit bei der Auslegung des Unionsrechts dient (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 174 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36 In diesem Rahmen ist es gemäß Art. 19 EUV Sache der nationalen Gerichte und des Gerichtshofs, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen (vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/09 [Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems] vom 8. März 2011, EU:C:2011:123, Rn. 68, und 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 175, sowie Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 33).

37 Insbesondere besteht das Schlüsselelement des so gestalteten Gerichtssystems in dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren, das durch die Einführung eines Dialogs von Gericht zu Gericht gerade zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten soll und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts ermöglicht (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38 Im Licht dieser Erwägungen sind die erste und die zweite Vorlagefrage zu beantworten.

39 Hierfür ist als Erstes zu prüfen, ob sich die Streitigkeiten, über die das in Art. 8 des BIT genannte Schiedsgericht zu erkennen hat, auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen können.

40 Selbst wenn man sich insoweit dem Vorbringen von Achmea anschlösse, dass dieses Schiedsgericht ungeachtet des sehr weiten Wortlauts von Art. 8 Abs. 1 des BIT nur über einen möglichen Verstoß gegen dieses Abkommen zu befinden habe, änderte dies nichts daran, dass es dafür nach Art. 8 Abs. 6 des BIT u. a. das geltende Recht der betroffenen Vertragspartei und alle erheblichen Abkommen zwischen den Vertragsparteien zu berücksichtigen hat.

41 Das Unionsrecht ist jedoch angesichts seines Wesens und seiner Merkmale, auf die oben in Rn. 33 Bezug genommen worden ist, sowohl als Teil des in jedem Mitgliedstaat geltenden Rechts als auch als einem internationalen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten entsprungen anzusehen.

42 Folglich hat unter diesen beiden Aspekten das in Art. 8 des BIT vorgesehene Schiedsgericht gegebenenfalls das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Grundfreiheiten, darunter die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit, auszulegen oder sogar anzuwenden.

43 Somit ist als Zweites zu prüfen, ob ein Schiedsgericht wie das in Art. 8 des BIT vorgesehene zum Gerichtssystem der Union gehört und, insbesondere, ob es als ein Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen werden kann. Aus der Zugehörigkeit eines von den Mitgliedstaaten geschaffenen Gerichts zum Gerichtssystem der Union folgt nämlich, dass seine Entscheidungen geeigneten Mechanismen zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts unterliegen (vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/09 [Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems] vom 8. März 2011, EU:C:2011:123, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44 Insoweit hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 12. Juni 2014, Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta (C‑377/13, EU:C:2014:1754), ergangen ist, die Einstufung des fraglichen Gerichts als „Gericht eines Mitgliedstaats“ daraus hergeleitet, dass es insgesamt ein in der portugiesischen Verfassung selbst vorgesehener Teil des Systems der gerichtlichen Streitentscheidung in Steuerangelegenheiten war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta, C‑377/13, EU:C:2014:1754, Rn. 25 und 26).

45 In der Rechtssache des Ausgangsverfahrens ist das Schiedsgericht jedoch kein Teil des in den Niederlanden und in der Slowakei bestehenden Gerichtssystems. Im Übrigen ist gerade der Ausnahmecharakter seiner Gerichtsbarkeit im Verhältnis zu der der Gerichte dieser beiden Mitgliedstaaten einer der Hauptgründe für das Bestehen von Art. 8 des BIT.

46 Infolge dieses Merkmals des im Ausgangsverfahren fraglichen Schiedsgerichts kann dieses jedenfalls nicht als Gericht „eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden.

47 Zwar hat der Gerichtshof befunden, dass nichts dagegen spricht, dass ein mehreren Mitgliedstaaten gemeinsames Gericht wie der Benelux-Gerichtshof dem Gerichtshof ebenso wie die Gerichte der einzelnen Mitgliedstaaten Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. November 1997, Parfums Christian Dior, C‑337/95, EU:C:1997:517, Rn. 21, und vom 14. Juni 2011, Miles u. a., C‑196/09, EU:C:2011:388, Rn. 40).

48 Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Schiedsgericht stellt jedoch kein solches mehreren Mitgliedstaaten gemeinsames Gericht dar, das mit dem Benelux-Gerichtshof vergleichbar wäre. Während nämlich zum einen dieser die Aufgabe hat, die einheitliche Anwendung der den drei Beneluxstaaten gemeinsamen Rechtsvorschriften zu gewährleisten, und zum anderen das Verfahren vor ihm ein Zwischenstreit in den vor den nationalen Gerichten anhängigen Verfahren ist, nach dessen Abschluss die endgültige Auslegung der den Beneluxstaaten gemeinsamen Rechtsvorschriften feststeht, weist das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Schiedsgericht keine derartigen Verbindungen mit den Gerichtssystemen der Mitgliedstaaten auf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2011, Miles u. a., C 196/09, EU:C:2011:388, Rn. 41).

49 Daher kann ein Gericht wie das in Art. 8 des BIT genannte nicht als ein „Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen werden und ist folglich nicht befugt, den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen anzurufen.

50 Unter diesen Umständen bleibt noch als Drittes zu prüfen, ob der Schiedsspruch eines solchen Gerichts im Einklang insbesondere mit Art. 19 EUV der Kontrolle durch ein Gericht eines Mitgliedstaats unterliegt, die gewährleistet, dass die unionsrechtlichen Fragen, die das Schiedsgericht zu behandeln haben könnte, eventuell im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens dem Gerichtshof vorgelegt werden könnten.

51 Insoweit ist zu beachten, dass nach Art. 8 Abs. 7 des BIT die Entscheidung des in diesem Artikel vorgesehenen Schiedsgerichts endgültig ist. Zudem legt das Schiedsgericht nach Art. 8 Abs. 5 des BIT sein eigenes Verfahren unter Anwendung der Schiedsordnung der UNCITRAL fest und wählt insbesondere seinen Sitz und damit das Recht, das für das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Gültigkeit des Schiedsspruchs gilt, mit dem es die bei ihm anhängige Streitigkeit beilegt.

52 Im vorliegenden Fall hat das von Achmea angerufene Schiedsgericht als Schiedsort Frankfurt am Main gewählt, so dass für das Verfahren der gerichtlichen Überprüfung der Gültigkeit des am 7. Dezember 2012 ergangenen Schiedsspruchs das deutsche Recht anwendbar wurde. Es ist somit diese Wahl, die es der Slowakischen Republik als Streitpartei erlaubt hat, nach diesem Recht eine gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs zu beantragen und zu diesem Zweck das zuständige deutsche Gericht anzurufen.

53 Es ist jedoch festzustellen, dass eine solche gerichtliche Überprüfung durch dieses Gericht nur vorgenommen werden kann, soweit das nationale Recht sie gestattet. Darüber hinaus sieht § 1059 Abs. 2 ZPO nur eine beschränkte Überprüfung vor, die sich u. a. auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nach dem anwendbaren Recht und auf die Frage bezieht, ob die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs die öffentliche Ordnung wahrt.

54 Für die Handelsschiedsgerichtsbarkeit hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die Erfordernisse der Wirksamkeit des Schiedsverfahrens es rechtfertigen, Schiedssprüche durch die Gerichte der Mitgliedstaaten nur in beschränktem Umfang zu überprüfen, soweit die grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen dieser Kontrolle geprüft werden können und gegebenenfalls Gegenstand einer Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof sein können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C‑126/97, EU:C:1999:269, Rn. 35, 36 und 40, und vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro, C‑168/05, EU:C:2006:675, Rn. 34 bis 39)

55 Ein Schiedsverfahren wie das in Art. 8 des BIT vorgesehene unterscheidet sich jedoch von einem Handelsschiedsverfahren. Während Letzteres nämlich auf der Parteiautonomie beruht, leitet sich Ersteres aus einem Vertrag her, in dem Mitgliedstaaten übereingekommen sind, der Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte und damit dem System von gerichtlichen Rechtsbehelfen, dessen Schaffung ihnen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen vorschreibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 34), Rechtsstreitigkeiten zu entziehen, die die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts betreffen können. Daher lassen sich die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Überlegungen zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht auf ein Schiedsverfahren wie das in Art. 8 des BIT vorgesehene übertragen.

56 Folglich ist unter Berücksichtigung aller in Art. 8 des BIT vorgesehenen und oben in den Rn. 39 bis 55 erörterten Merkmale des Schiedsgerichts festzustellen, dass mit dem Abschluss des BIT die an ihm beteiligten Mitgliedstaaten einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Investor und einem Mitgliedstaat geschaffen haben, der ausschließen kann, dass über diese Streitigkeiten, obwohl sie die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts betreffen könnten, in einer Weise entschieden wird, die die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet.

57 Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine internationale Übereinkunft, die die Schaffung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Organe, einschließlich des Gerichtshofs, bindend sind, grundsätzlich nicht mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Zuständigkeit der Union im Bereich der internationalen Beziehungen und ihre Fähigkeit zum Abschluss internationaler Übereinkünfte umfassen nämlich notwendigerweise die Möglichkeit, sich den Entscheidungen eines durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts in Bezug auf die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen zu unterwerfen, sofern die Autonomie der Union und ihrer Rechtsordnung gewahrt bleibt (vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/91 [EWR-Abkommen I] vom 14. Dezember 1991, EU:C:1991:490, Rn. 40 und 70, 1/09 [Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems] vom 8. März 2011, EU:C:2011:123, Rn. 74 und 76, sowie 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 182 und 183).

58 Indessen ist im vorliegenden Fall außer dem Umstand, dass die Streitigkeiten, die unter die Gerichtsbarkeit des in Art. 8 des BIT vorgesehenen Schiedsgerichts fallen, die Auslegung sowohl dieser Übereinkunft als auch des Unionsrechts betreffen können, die Möglichkeit der Zuweisung dieser Streitigkeiten zu einer Einrichtung, die nicht Teil des Gerichtssystems der Union ist, in einer Übereinkunft vorgesehen, die nicht von der Union, sondern von den Mitgliedstaaten geschlossen wurde. Art. 8 des BIT ist jedoch geeignet, neben dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten die Erhaltung des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts, die durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren gewährleistet wird, in Frage zu stellen, und ist daher nicht mit der in Rn. 34 des vorliegenden Urteils erwähnten Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit vereinbar.

59 Demnach beeinträchtigt Art. 8 des BIT die Autonomie des Unionsrechts.

60 Daher ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 267 und 344 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.

Zur dritten Frage

61 Angesichts der Beantwortung der ersten und der zweiten Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

62 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 267 und 344 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des Abkommens zwischen dem Königreich der Niederlande und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.

Lenaerts

Tizzano

Ilešič

Bay Larsen

von Danwitz

Malenovský

Levits

Juhász

Borg Barthet

Bonichot

Biltgen

Jürimäe

Lycourgos

Vilaras

Regan

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. März 2018.

Der Kanzler

Der Präsident

A. Calot Escobar

K. Lenaerts
* Verfahrenssprache: Deutsch.

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Reaktionen auf das wegweisende EU-Gutachten Singapur-EU

(16.5.2017) Das Gutachten der EU zum Freihandelsabkommen Singapur–EU kommt zum Ergebnis, dass es sich hier um ein „gemischtes Abkommen“ handelt: „Die Bestimmungen des Abkommens zu anderen ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen und zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten [ISDS] fallen nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union, so dass das Abkommen in unveränderter Form nicht ohne die Mitwirkung der Mitgliedstaaten geschlossen werden kann“

Reaktionen:

NGOs

Umweltschützer loben EuGH-Urteil zu Handelsabkommen

Brüssel/Berlin/Luxemburg: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) reagierte erfreut auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Beteiligung nationaler Parlamente beim Aushandeln von Freihandelsabkommen. „Erneut stärkt ein EU-Gericht demokratische Rechte bei der Aushandlung von Freihandelsverträgen, das ist ein großer Erfolg für die Demokratie in Europa. Dass nationale und regionale Parlamente künftig über Abkommen à la Ceta und TTIP abstimmen werden, lässt uns hoffen, dass ökologisch und sozial fragwürdige Handelsverträge zu Fall gebracht werden können. Der Versuch der Kommission, die Parlamente der Mitgliedstaaten auszubooten, endete in einer Bauchlandung. Es ist gut, dass der anmaßende Hochmut von EU-Handelspolitikern einen deutlichen Dämpfer erhalten hat“, sagte der stellvertretende BUND-Vorsitzende Ernst-Christoph Stolper.

Pressekontakt: Ernst-Christoph Stolper, stellv. BUND-Vorsitzender, Tel. 0049-172-2903751 bzw. Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressesprecher, Tel. 030-27586-425, E-Mail: presse@bund.net, www.bund.net

Greenpeace: Greenpeace bewertet EuGH-Entscheid zum EU-Singapur-Abkommen als Sieg der Demokratie. 16.05.2017

Attac Österreich: EuGH-Urteil: Kommission scheitert erneut bei Demokratieabbau. Nationale Parlamente müssen bei Konzernklagerechten mitentscheiden können. 16.05.2017

Mehr Demokratie e.V.: Wegweisendes EuGH-Gutachten: EU-Mitgliedstaaten dürfen Veto bei Handelsabkommen einlegen! 16.05.2017

Medien:

Deutschlandfunk: EugH-Urteil. Veto-Recht nationaler Parlamente bei Freihandelsabkommen möglich. 16.05.2017.
Silvia Liebrich: Das Freihandels-Urteil stärkt die Demokratie. In: Süddeutsche Zeitung, 16.05.2017.
Erich Möchel: EuGH: Mitsprache der EU-Mitglieder bei Investorenschutzklauseln. In: ORF, 16.05.2017.
ZEIT: Europäischer Gerichtshof: Parlamente von EU-Staaten haben Veto-Recht bei Handelsabkommen. 16.05.2017.
EURACTIV: EuGH-Urteil: EU darf Handelsabkommen mit Singapur nicht im Alleingang abschließen. 16.05.2017.
Wiener Zeitung: EU-Singapur. Handelsverträge mit Hürden. 16.05.2017.
Tagesspiegel: Was das EuGH-Urteil für Ceta, TTIP und Co. bedeutet. 16.05.2017.
Neues Deutschland: Parlamente haben Vetorecht bei EU-Handelsverträgen. 17.05.2017.

Parteien:

DIE LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus: EU-Gerichtshof stärkt nationale Parlamente bei Handelsabkommen der EU. 16.05.2017.

Zur Pressemitteilung des EuGH vom 16.05.2017.
Zum Gutachten

Gutachten EuGH: Das Freihandelsabkommen mit Singapur kann in seiner derzeitigen Form nicht von der Europäischen Union allein geschlossen werden

www.curia.europa.eu
Presse und Information
Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 52/17
Luxemburg, den 16. Mai 2017
Gutachten 2/15

Das Freihandelsabkommen mit Singapur kann in seiner derzeitigen Form nicht von der Europäischen Union allein geschlossen werden

Die Bestimmungen des Abkommens zu anderen ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen und zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten fallen nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union, so dass das Abkommen in unveränderter Form nicht ohne die Mitwirkung der Mitgliedstaaten geschlossen werden kann weiterlesen

EuGH stärkt Rechte der EU-Länder bei Freihandelsabkommen

Nr. 147/2016 : 21. Dezember 2016 Gutachten bg es cs da de et el en fr hr it lv lt hu mt nl pl pt ro sk sl fi sv   Nach Auffassung von Generalanwältin Sharpston kann das Freihandelsabkommen mit Singapur nur von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten gemeinsam abgeschlossen werden Da nicht alle … weiterlesen

Schulz und Co. Die CETA-Durchpeitscher in der EU

ceta_ttip(23.11.2016) Die CETA-Freunde rund um den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) setzen derzeit alles daran, das Investitionsschutzabkommen durch das Parlament zu peitschen. Dabei schrecken sie nicht zurück, demokratische Standards zu verletzen: Kritische Studien wie vom Deutschen Richterbund (pdf) werden ignoriert, Experten werden nicht angehört, Diskussionen werden abgeblockt, CETA-kritische Ausschüsse werden kurzerhand abserviert.

„Was in unserem einzigen direkt-gewählten Gremium der EU passiert, ist schockierend.“ klagte Yannick Jadot (MEP, Vize-Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA) im Europa-Parlament) noch vor wenigen Tagen und sieht das EU-Parlament kurz vor einem CETA-Skandal. Zurecht warnt Fabio De Masi (MdEP, LINKE) in der taz: „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn die Trumps und Le Pens Erfolge feiern und die Wut auf die EU wächst“.

Der neuste Coup: EU-Parlament stimmt gegen eine Überprüfung von CETA durch den EuGH

Heute stimmte das Europaparlament über den fraktionsübergreifenden Antrag ab, CETA vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen, und wurde prompt von Christdemokraten, Liberalen, Rechtskonservativen und auch vielen Sozialdemokraten abgelehnt. Lediglich vier deutsche Sozialdemokraten – Jens Geier, Ismail Ertug, Maria Noichl, Jutta Steinruck – stimmten für den wichtigen Antrag. Dabei hatten die Antragsteller appelliert: „Viele juristische Sachverständige, einschließlich des Deutschen Richterbundes, und sogar der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), sind überzeugt, dass jede Form eines ISDS-Systems in CETA inkompatibel mit dem EU-Gesetz sein könnte. Eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes ist daher dringend erforderlich.“20161123_linke

Verdi-Chef Bsirske (Verdi) wird in einer Presseerklärung mit den Worten zitiert: „Es ist bedauerlich, dass das EU-Parlament nicht die Chance nutzt, sich selbst, aber auch den 28 Mitgliedsstaaten, Rechtssicherheit in Sachen Investitionsgerichtsbarkeit zu verschaffen. Im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung war angekündigt worden, dass nun die Stunde der Parlamente schlage. Das ist jetzt alles andere als eine Sternstunde des europäischen Parlamentarismus. […] Tragisch ist, dass diese weitreichende Entscheidung ohne eine ordentliche inhaltliche Debatte durch das Europäische Parlament stattgefunden hat. Ein EuGH-Urteil über die Rechtmäßigkeit eines Investitionsgerichts hätte Rechtssicherheit bei der Ratifizierung dieses Vertrages gegeben. Jetzt kommt es umso mehr darauf an, dass über das komplexe CETA-Vertragswerk eine ausführliche parlamentarische Beratung stattfindet. Eine schnelle Ratifikation käme nicht nur einer Selbstentmachtung des Europäischen Parlaments gleich, sondern kann zu folgenschweren Problemen führen, die sich anschließend kaum wieder rückgängig machen lassen“.

20161123_gruene

Für den Antrag haben diese 258 Abgeordneten gestimmt:

ALDE: Grigule, Harkin, Jäätteenmäki, Pagazaurtundúa Ruiz, Punset

ECR: van Dalen, Dzhambazki, Gosiewska, Jurek, Karlsson, Krasnodębski, Krupa, Marias, Piotrowski, Ruohonen-Lerner, Sulík, Ujazdowski

EFDD: Adinolfi, Affronte, Agea, Agnew, Aiuto, Arnott, Batten, Beghin, Bergeron, Borrelli, Carver, Castaldo, Coburn, Corrao, D’Amato, Evi, Ferrara, Finch, Gill Nathan, Hookem, Iwaszkiewicz, Lundgren, Moi, O’Flynn, Paksas, Pedicini, Reid, Seymour, von Storch, Tamburrano, Valli, Winberg, Zanni, Zullo

ENF: Aliot, Annemans, Arnautu, Atkinson, Bay, Bilde, Bizzotto, Borghezio, Briois, Ciocca, D’Ornano, Ferrand, Fontana, Goddyn, de Graaff, Jalkh, Kappel, Lebreton, Le Pen Marine, Loiseau, Martin Dominique, Marusik, Mayer Georg, Mélin, Monot, Montel, Obermayr, Philippot, Pretzell, Rebega, Salvini, Schaffhauser, Stuger, Troszczynski, Vilimsky, Zijlstra, Żółtek

GUE/NGL: Albiol Guzmán, Anderson Martina, Benito Ziluaga, Björk, Boylan, Chountis, Chrysogonos, Couso Permuy, De Masi, Eck, Ernst, Ferreira, Flanagan, Forenza, González Peñas, Hadjigeorgiou, Hazekamp, de Jong, Juaristi Abaunz, Kari, Kohlíček, Konečná, Kouloglou, Kuneva,Kyllönen, Le Hyaric, López Bermejo, Lösing, Maltese, Matias, Mélenchon, Michels, Mineur, Ní Riada, Omarjee, Papadimoulis, Pimenta Lopes, Sakorafa, Sánchez Caldentey, Scholz, Senra Rodríguez, Spinelli, Sylikiotis, Torres Martínez, Urbán Crespo, Vallina, Vergiat, Viegas, Zimmer

NI: Balczó, Chauprade, Epitideios, Fountoulis, Gollnisch, Korwin-Mikke, Kovács, Sonneborn, Synadinos, Voigt

PPE: Arimont, Rolin

S&D: Anderson Lucy, Andrieu, Androulakis, Arena, Balas, Bayet, Benifei, Berès, Briano, Caputo, Childers, Cofferati, Cozzolino, Denanot, Dodds Anneliese, Ertug, Fajon, Flašíková Beňová, Freund, Gasbarra, Geier, Gentile, Geringer de Oedenberg, Gierek, Gomes, Graswander-Hainz, Guillaume, Iotova, Jongerius, Kadenbach, Keller Jan, Kirton-Darling, Łybacka, Mamikins, Manscour, Martin Edouard, Maurel, Nekov, Noichl, Panzeri, Pargneaux, Peillon, Piri, Pirinski, Poc, Poche, Post, Regner, Revault D’Allonnes Bonnefoy, Rozière, Schlein, Sehnalová, Stanishev, Steinruck, Szanyi, Tang, Tarabella, Thomas, Van Brempt, Viotti,Ward, Weidenholzer, Zemke

Verts/ALE: Albrecht, Andersson, Auken, Bové, Buchner, Bütikofer, Cramer, Dalunde, Delli, Durand, Eickhout, Engström, Evans, Giegold, Harms, Häusling, Hautala, Heubuch, Hudghton, Jadot, Jávor, Joly, Keller Ska, Lambert, Lamberts,Lochbihler, Lunacek, Maragall, Marcellesi, Meszerics, Reda, Reimon, Reintke, Rivasi, Ropė, Sargentini, Scott Cato, Šoltes, Staes, Terricabras, Trüpel, Turmes, Urtasun, Valero, Vana, Ždanoka

Gegen den Antrag haben diese 419 Abgeordneten gestimmt:

ALDE:Ali, Arthuis, Auštrevičius, van Baalen, Bearder, Becerra Basterrechea, Bilbao Barandica, Calvet Chambon, Cavada, Charanzová, Deprez, de Sarnez, Dlabajová, Faria, Federley, Gerbrandy, Giménez Barbat, Goerens, Goulard, Griesbeck, Huitema, Hyusmenova, in ‚t Veld, Jakovčić, Ježek, Kallas, Kyuchyuk, Lambsdorff, Løkkegaard, Marinho e Pinto, Mazuronis, Meissner, Michel, Mihaylova, van Miltenburg, Mlinar, van Nieuwenhuizen, Paet, Petersen, Radoš, Ries, Riquet, Schaake, Takkula, Telička, Theurer, Torvalds, Tremosa i Balcells, Vajgl, Vautmans, Väyrynen, Verhofstadt, Weber Renate, Wierinck, Wikström

ECR:Ashworth, Bashir, Belder, Campbell Bannerman, Czarnecki, Czesak, Dalton, Demesmaeker, Deva, Dohrmann, Duncan, Fitto, Ford, Foster, Fotyga, Fox, Girling, Halla-aho, Hannan, Henkel, Hoc, Kamall, Karim, Karski, Kłosowski, Kölmel, Kuźmiuk, Legutko, Lewer, Loones, Lucke, McClarkin, McIntyre, Macovei, Nicholson, Ożóg, Piecha, Poręba, Sernagiotto, Starbatty, Stevens, Swinburne, Tannock, Theocharous, Tomašić, Tošenovský, Trebesius, Van Bossuyt, Van Orden, Vistisen, Wiśniewska, Zahradil, Žitňanská, Złotowski

EFDD:Helmer, Mach

NI:Dodds Diane, James, Woolfe

PPE:Adaktusson, Alliot-Marie, Andrikienė, Ayuso, Bach, Balz, Becker, Belet, Bendtsen, Bocskor, Böge, Bogovič, Boni, Brok, Buda, Buşoi, Buzek, van de Camp, Casa, Caspary, del Castillo Vera, Cesa, Christoforou, Cicu, Cirio, Clune, Coelho, Collin-Langen, Comi, Comodini Cachia, Corazza Bildt, Csáky, Danjean, Dantin, Dati, Delahaye, Deli, Deß, Deutsch, Díaz de Mera García Consuegra, Dorfmann, Ehler, Engel, Erdős, Estaràs Ferragut, Ferber, Fernandes, Fisas Ayxelà, Fjellner, Florenz, Gabriel, Gahler, Gáll-Pelcz, Gambús, Gardini, Gieseke, González Pons, de Grandes Pascual, Gräßle, Grossetête, Gyürk, Hayes, Herranz García, Hohlmeier, Hökmark, Hölvényi, Hortefeux, Hübner, Iturgaiz,Jahr,Jazłowiecka, Jiménez-Becerril Barrio, Joulaud, Juvin, Kalniete, Karas, Kariņš, Kelam, Kelly, Koch, Kósa, Köstinger, Kovatchev, Kozłowska-Rajewicz, Kudrycka, Kuhn, Kukan, Lamassoure, de Lange, Langen, La Via, Lavrilleux, Le Grip, Lenaers, Lewandowski, Liese, Lins, Lope Fontagné, López-Istúriz White, Łukacijewska, McAllister, McGuinness, Maletić, Malinov, Mănescu, Mann, Marinescu, Martusciello, Mato, Maullu, Melo, Metsola, Mikolášik, Millán Mon, Morano, Morin-Chartier, Mureşan, Muselier, Mussolini, Nagy, Niebler, Niedermayer, van Nistelrooij, Novakov, Olbrycht, Pabriks, Patriciello, Paunova, Peterle, Petir, Pieper, Pitera, Plura, Pogliese, Polčák, Preda, Proust, Quisthoudt-Rowohl, Rangel, Reding, Reul, Ribeiro, Rosati, Ruas, Rübig, Saïfi, Salini, Sander, Sarvamaa, Saryusz-Wolski, Saudargas, Schmidt, Schöpflin, Schreijer-Pierik, Schulze, Schwab, Sógor, Šojdrová, Sommer, Spyraki, Štefanec, Štětina, Stolojan, Šuica, Šulin, Svoboda, Szájer, Szejnfeld, Tajani, Thun und Hohenstein, Tőkés, Tolić, Tomc, Ţurcanu,Ungureanu, Urutchev, Vaidere, Valcárcel Siso, Vălean, Vandenkendelaere, Verheyen, Virkkunen, Voss, Wałęsa, Weber Manfred, Wenta, Wieland, Winkler Hermann, Winkler Iuliu, Záborská, Zdechovský, Zdrojewski, Zeller, Zovko, Zver, Zwiefka

S&D:Aguilera García,Assis, Ayala Sender, Balčytis, Blanco López, Blinkevičiūtė, Bonafè, Borzan, Boştinaru, Brannen, Bresso, Bullmann, Cabezón Ruiz, Chinnici, Christensen, Corbett, Costa, Cristea, Dalli, Dance, Dăncilă, Danti, Delvaux, De Monte, Drăghici, Fernández, Fleckenstein, Frunzulică, García Pérez, Gardiazabal Rubial, Gebhardt, Gill Neena, Giuffrida, Grammatikakis, Griffin, Gualtieri, Guerrero Salom, Guteland, Gutiérrez Prieto, Hedh, Honeyball, Ivan, Jaakonsaari, Jáuregui Atondo, Kaili, Kaufmann, Khan, Kofod, Kumpula-Natri, Kyenge, Kyrkos, Lange, Lauristin, Leinen, López, López Aguilar, Ludvigsson, McAvan, Maňka, Martin David, Melior, Mizzi, Moisă, Molnár, Moody, Moraes, Morgano, Mosca, Negrescu, Neuser, Nica, Niedermüller, Nilsson, Paolucci, Paşcu, Pavel, Picierno, Picula, Pittella, Preuß, Rodrigues Liliana, Rodrigues Maria João, Rodríguez-Piñero Fernández, Rodust, dos Santos, Sârbu, Sassoli, Schaldemose, Schuster, Serrão Santos, Silva Pereira, Simon Peter, Simon Siôn, Smolková, Stihler, Tănăsescu, Țapardel, Toia, Ujhelyi, Ulvskog, Valenciano, Vaughan, von Weizsäcker, Werner, Wölken, Zala, Zanonato, Zoffoli, Zorrinho

Diese 22 Abgeordneten haben sich enthalten: 

ALDE:Diaconu, Müller, Nicolai, Toom, Uspaskich 

ECR:Gericke, Škripek, Tomaševski

NI:Zarianopoulos

PPE:Cadec, Kefalogiannis, Kyrtsos, Vozemberg-Vrionidi, Zagorakis

S&D:Grapini, Hoffmann, Liberadzki, Mavrides, Papadakis Demetris, Sant

Verts/ALE:Škrlec, Tarand

 


Verdi: CETA: EU-Parlament lehnt Überprüfung durch Europäischen Gerichtshof ab – Bsirkse: Es braucht eine ausführliche parlamentarische Beratung. 22.11.2016.

Sven Giegold: CETA: Große Koalition verhindert Rechtssicherheit bei Paralleljustiz. 23.11.2016.

Kommentar zur Eile der CETA-Lobbyisten:

Eric Bonse: Wut auf EU-Parlamentspräsident Schulz. Ceta im Eilverfahren. In: TAZ, 22.11.2016.

Eric Bonse: Kommentar Ceta und das EU-Parlament. Gefährliches Signal
Ceta soll flott durch das EU-Parlament gebracht werden. Damit machen sich Schulz, Gabriel und die gesamte EU unglaubwürdig. In: TAZ, 22.11.2016.

 

 

Ein Präzedenzfall für Ceta

Badische Zeitung
13.09.2016

VERFAHREN ZUM SINGAPUR-ABKOMMEN
Ein Präzedenzfall für Ceta
von Christian Rath

Im Verfahren zum Singapur-Abkommen muss der Europäische Gerichtshof entscheiden, welche Rolle die nationalen Parlamente bei EU-Handelsverträgen spielen.

KundgebungLUXEMBURG. Müssen bei Handelsverträgen der EU alle 28 nationalen Parlamente zustimmen? Das ist derzeit – mit Blick auf die umstrittenen Verträge TTIP und Ceta – eine zentrale Streitfrage. Und die wird seit Montag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verhandelt.
Konkret geht es um ein Freihandelsabkommen der EU mit Singapur. Der bereits unterzeichnete Vertrag wirft alle Fragen auf, die sich früher oder später auch bei Ceta (dem unterschriftsreifen Vertrag mit Kanada) und TTIP (dem noch nicht ausverhandelten Abkommen mit den USA) stellen werden. Der Singapur-Vertrag ist ein klassischer Präzedenzfall. Die EU-Kommission hatte den Fall vor den EuGH gebracht und ein Gutachten eingefordert. Sie findet, dass die EU-Gremien solche Verträge allein beschließen können.

Zum vollständigen Artikel hier

 

CETA: Kein Schutz für Mindestlohn

Kein Schutz für Mindestlohn. EuGH erlaubt Kopplung der Vergabe an Mindestlohn, CETA aber nicht
Thomas Fritz
18.11.2015

In seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die öffentliche Hand die Vergabe von Aufträgen unter bestimmten Bedingungen von der Zahlung eines Mindestlohns abhängig machen darf. Das geplante EU-Kanada Freihandelsabkommen CETA jedoch, das als Blaupause für TTIP gilt, schützt derartige Auflagen nicht.

Zum Beitrag

Dazu passt der Artikel in der Le Monde Diplomatique von 2014:

Profit als höchstes Rechtsgut

Bislang geht der Investorenschutz auf Kosten des globalen Südens. Nach den Tafta-Regeln wird es alle treffen

Von Benoît Bréville und Martine Bulard

Das in Frankreich beheimatete Unternehmen Veolia klagte wegen lächerlicher 31 Euro gegen eine der wenigen Errungenschaften, die sich die ägyptischen Arbeitnehmer 2011 erstritten hatten: die Erhöhung des monatlichen Mindestlohns von 400 auf 700 ägyptische Pfund: von 41 auf 72 Euro.

Der multinationale Konzern fand diese Anhebung unakzeptabel und erhob am 25. Juni 2012 vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) Klage gegen Ägypten. Die Anrufung des Schiedsgerichts bei der Weltbank begründete Veolia mit dem Argument, das neue Arbeitsgesetz widerspreche den Vereinbarungen, die man im Rahmen eines Public-private-Partnerships zur Müllentsorgung mit der Stadt Alexandria geschlossen habe“ (mehr hier)

Studien von Thomas Fritz: http://thomas-fritz.org/studien/

Vattenfall-Klage beleuchtet Risiken durch TTIP Schieds­gerichte

Süddeutsche Zeitung
24.08.2015

Rückschlag für Vattenfall-Klage
Ein Freund wie ein Feind
von Markus Balser, Berlin

In dem Milliardenstreit um die Folgen des Atomausstiegs springt die EU-Kommission Deutschland bei. Brüssel hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Klage bei einem Schiedsgericht in den USA.

AKW

  Foto: Rosel Eckstein | pixelio.de

Der Ort, an dem der Streit zwischen Konzernen und Staaten eskaliert, liegt nicht weit entfernt vom Weißen Haus. In einem riesigen Gebäude der Weltbank hat einer der verschwiegensten und zugleich mächtigsten Schiedshöfe der Welt seinen Sitz: das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, kurz ICSID, in Washington. Der in Deutschland bekannteste Fall trägt die Nummer ARB/12/12: Vattenfall versus Federal Republic of Germany, so steht es in den ICSID-Akten. Streitpunkt: die finanziellen Folgen des deutschen Atomausstiegs. Exakt 4 675 903 975,32 Euro fordern die Schweden von der Bundesregierung zurück, weil der Bund nach der Katastrophe von Fukushima die Pannenkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel wegen Sicherheitsbedenken aus dem Verkehr zog.

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TTIP: Bürgerinitia­tive zieht vor Gericht

Kurier.at
19.09.2014

TTIP: Bürgerinitia­tive zieht vor Gericht

Streit um Freihandelsabkommen spitzt sich zu. Organisation „Stopp TTIP“ will vor EuGH klagen.

Mehr als 200 Organisationen in ganz Europa haben sich zusammengeschlossen, um eine Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP zu starten. Zwar kann der Verhandlungsstopp nicht erzwungen werden, doch wäre eine erfolgreiche Initiative ein weiterer Rückschlag für TTIP. Angesichts des wachsenden öffentlichen Unmuts über das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA – Stichwort: Chlorhühner, Investorenschutz – wäre es wohl auch kein Problem, die erforderliche Million Unterschriften zu sammeln, um in Brüssel Gehör zu finden.

zum Artikel…

 

EUGH: Wasserrahmenrichtlinie postuliert keinen Zwang zur Kostendeckung für Wassernutzungen

GRÜNE LIGA e.V. Bundeskontaktstelle Wasser / Water Policy Office
11.09.2014
Grüne Liga
EUGH: Wasserrahmenrichtlinie postuliert keinen Zwang zur Kostendeckung für Wassernutzungen
Michael Bender

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Wasserfreunde,

der europäische Gerichtshof hat heute über das gegen die Bundesrepublik
Deutschland anhängige Verfahren zu kostendeckenden Preisen von
Wasserdienstleistungen (im Wesentlichen Artikel 9 WRRL) in der Sache
entschieden und die Klage der Kommission abgewiesen.
Demnach sind die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen befugt,
die Kostendeckung auf eine bestimmte Wassernutzung nicht anzuwenden, sofern
dadurch die Zwecke der Wasserrahmenrichtlinie und die Verwirklichung ihrer
Ziele nicht in Frage gestellt werden.

Die wesentlichen Punkte:
(54) …
die in Art. 9 der Richtlinie 2000/60 vorgesehenen Maßnahmen zur Deckung der
Kosten der Wasserdienstleistungen gehört zu den Mindestanforderungen, die
ein Maßnahmenprogramn enthalten muss.

(55)
Die Maßnahmen zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen gehören
demnach zu den Instrumenten, die den Mitgliedstaaten für die qualitative
Wasserbewirtschaftung zwecks rationeller Verwendung der Ressource zur
Verfügung stehen.

(56)
Zwar können, wie die Kommission zu Recht vorträgt, die verschiedenen in Art.
2 Nr. 38 der Richtlinie 2000/60 aufgezählten Tätigkeiten, wie die Entnahme
oder die Aufstauung, Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers haben
und aus diesem Grund die Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten
Ziele gefährden, doch kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass das
Fehlen einer Bepreisung solcher Tätigkeiten in jedem Fall der Verwirklichung
dieser Ziele zwangsläufig abträglich ist.

(57)
In diesem Zusammenhang sieht Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2000/60 vor, dass
die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen befugt sind, die
Kostendeckung auf eine bestimmte Wassernutzung nicht anzuwenden, sofern
dadurch die Zwecke dieser Richtlinie und die Verwirklichung ihrer Ziele
nicht in Frage gestellt werden.
(58) Daraus folgt, dass die mit der Richtlinie 2000/60 verfolgten Ziele
nicht zwangsläufig eine Auslegung der Bestimmungen in Art. 2 Nr. 38 Buchst.
a in dem Sinne implizieren, dass sie alle dort genannten Tätigkeiten dem
Grundsatz der Kostendeckung unterwerfen, wie dies die Kommission im
Wesentlichen geltend macht.

(59) Daher lässt der Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland einige
der genannten Tätigkeiten nicht diesem Grundsatz unterwirft, für sich
genommen und in Ermangelung jeder weiteren Rüge nicht die Feststellung zu,
dass sie dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2 Nr. 38 und Art. 9 der
Richtlinie 2000/60 verstoßen hat.

(60) Nach alledem ist die Klage der Kommission abzuweisen.

Das EUGH – Urteil in deutsch

und in englisch

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GRÜNE LIGA e.V.
Bundeskontaktstelle Wasser / Water Policy Office
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10405 Berlin
Tel.: +49 30 / 40 39 35 30 Fax: 204 44 68
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