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Erfolgreich! Über 1 Million Unterschriften „Green Deal“ – Europäische Bürgerinitiative (EBI)
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Schlagwort-Archive: Neoliberalismus
Tagesschau: Verfassungsdebatte in Chile
Tagesschau
26.5.2022
Bildung, Gesundheit, Wasserrechte – diese Bereiche sind in Chile privatisiert. Mit der neuen Verfassung soll sich das ändern – wie das Land darüber denkt und was die 449 Artikel mit Avocados zu tun haben.
Von Matthias Ebert, ARD-Studio Rio de Janeiro
„[I]n Chile soll Wasser nicht mehr länger in Privatbesitz sein dürfen, sondern als öffentliches Gut deklariert werden.“
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Jacobin Magazin: Hayeks Erben
21. Juli 2021
Von Quinn Slobodian
Übersetzung von Paul Brunner
Der Erfolg des Rechtspopulismus wird häufig als Gegenreaktion auf den Neoliberalismus gedeutet. Eine Spurensuche entlang seiner ideologischen Wurzeln beweist jedoch das Gegenteil.
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Jacobin Magazin: Der Linksruck, der keiner war
29. Juli 2021
Von Daniel Reitzig
Vor weniger als zwei Jahren trat ein Bündnis aus Erneuerern und Jusos an, um die SPD aus der neoliberalen Sackgasse zu führen. Von dem vermeintlichen Aufbruch ist so gut wie nichts mehr zu spüren.
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Folgen der Privatisierungspolitik: Helios-Kliniken. Millionengewinne und knappes Personal
MDR
13.04.2021
Der Klinik-Konzern Helios hat auch im Krisenjahr 2020 Gewinne eingefahren und stellt Anlegern höhere Dividenden in Aussicht. Gleichzeitig ist nach mdr-Recherchen Personal teils zu knapp, um Notfälle zu behandeln.
Von C. Haentjes, C. Huppertz, I. Dippmann und S. Kloppmann
Das Herzzentrum Leipzig ist eine der führenden Fachkliniken für Herz-Medizin in Europa. Doch Personal sei hier so knapp geplant, dass Notfälle oft nicht angenommen werden könnten, sagen verschiedene Ärzte und Ärztinnen des Klinikums im mdr-Nachrichtenmagazin Exakt. Sie wollen anonym bleiben; sie fürchten, ihre Arbeit zu verlieren – und juristische Folgen. Die Mediziner berichten unter anderem, fast jeden dritten Tag müsste der Rettungsleitstelle signalisiert werden, dass man sie nicht anfahren solle.
„Es ist so, dass unsere Intensivstation einen Großteil der Zeit ihrem Versorgungsauftrag nicht nachkommen kann und sich von der Aufnahme akut erkrankter Patienten abmelden muss“, erzählt ein Arzt, der anonym bleiben will. „Wir müssen Patienten, die einen Termin zu einer Routine-Aufnahme haben, absagen und auf irgendwann vertrösten, ohne sie in Augenschein zu nehmen. Das ist eine Lotterie, wenn ich den Patienten nicht kenne.“ Es gebe immer wieder Patienten, die auf der Warteliste versterben, so der Mediziner. […]
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Privatisierung kann tödlich sein! Der Berliner Wassertisch setzt sich für eine öffentliche Daseinsvorsorge ein und fordert ein Ende der Privatisierungspolitik. Krankenhäuser müssen dem Wohl der Patient:innen dienen und nicht dem von Aktionär:innen. Darum: Verstaatlicht die Kliniken! Stellt sie unter das Leitbild der Gemeinwohlorientierung!
Piratenpartei: Wasser – das Gold der Zukunft?
Piratenpartei
24. Januar 2021
Wasser – das Gold der Zukunft?
Gastbeitrag von Karin Jacobs und Michael Passlack
„[…] Die neoliberale Privatisierung in Großbritannien unter Thatcher
Was eine Privatisierung und Börsennotierung bewirkt, zeigte sich in Großbritannien am Beispiel der Trinkwasserversorgung. Diese wurde 1989 von der konservativen Thatcher-Regierung gegen den Willen eines Großteils der britischen Bevölkerung privatisiert. […] In der Folge kam es – in einem der reichsten Länder Europas – zu Szenen wie im Katastrophengebiet eines Entwicklungslandes: Briten, die ihre Wasserrechnung nicht mehr bezahlen konnten, mussten auf offener Straße von Tankwagen versorgt werden. Derweil erlebte der Börsenhandel von Wasserrechten einen Boom – als die Spekulationsblase platzte, blieben die Verbraucher auf den im Nirwana verschwundenen Milliarden sitzen.
Eine in der Zukunft mögliche Labour-Regierung will die Wasserversorgung re-verstaatlichen und den Profitgedanken verbannen. Stattdessen will man eventuelle Überschüsse für Investitionen in Infrastruktur oder in die Kostensenkung stecken. […]“
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Philipp Sarasin: Neoliberalismus
Geschichte der Gegenwart
18. November 2020
Neoliberalismus
Von Philipp Sarasin
„Corona hat die Grenzen des neoliberalen Wirtschafts- und Politikmodells schonungslos aufgezeigt: Das Gesundheitswesen kann nicht allein nach Profitabilitätskriterien organisiert werden, und um eine tiefe Depression zu verhindern, braucht es staatliche Hilfen. Die neoliberalen Theoretiker hatten sich das ganz anders vorgestellt – nicht zuletzt autoritärer.“
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Wird die Ratifizierung von CETA zu Fall gebracht! Wir hoffen sehr!
Deutscher Bundestag. Wirtschaft und Energie/Ausschuss
13. Januar 2021
CETA-Vorstoß der FDP umstritten
Berlin: (hib/FLA) Zustimmung und Bedenken hielten sich die Waage, als es am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie um einen Gesetzentwurf (19/14783) ging, mit dem die FDP-Fraktion den Druck bei der Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) erhöhen will. Dies zeigte sich bei einer Sachverständigen-Anhörung unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke). […]
Der Einzelsachverständige Thomas Fritz erklärte, das zentrale Ziel des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion, die Zustimmung für Ceta durch Bundestag und Bundesrat zu erzielen, sei zurückzuweisen. Mit dem Verweis auf den deutschen Exportüberschuss sah er die grundsätzliche Frage nach dem exportorientierten Wirtschaftsmodell aufgeworfen, das von Deutschland ausgehend schleichend auf den Rest der EU übertragen werde. Dazu trage Ceta bei. Der gigantische Niedriglohnsektor Deutschlands sei die Kehrseite der Exportüberschüsse. Er sehe in Bezug auf die CETA-Umsetzung einige Wackelkandidaten in der EU. Dies stimme ihn optimistisch, dass die Ratifizierung vollständig zu Fall gebracht werde.
Markus Krajewski (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) machte bei den vorgesehenen Investitionsschutz-Standards verfassungsrechtliche Bedenken aus, da sich nur ausländische, also kanadische Investoren auf sie berufen könnten. Einheimische oder EU-Unternehmen seien davon ausgeschlossen. Insofern führten sie zu einer Besserstellung kanadischer Investoren, die zu einer Inländerdiskriminierung führen könne. Denn Investoren aus den EU-Mitgliedsstaaten könnten sich weder auf die materiellen Schutzstandards des Ceta-Abkommens noch auf die zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit der Investor-Staat-Streitbeilegung berufen.
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Lobbycontrol warnt: Friedrich Merz. Ein Top-Lobbyist als Parteivorstand?
Lobbycontrol
11. Januar 2021
Friedrich Merz: Ein Top-Lobbyist als Parteivorstand?
Tag der Entscheidung bei der CDU: Die größte Partei Deutschlands wählt ihren Parteivorsitzenden auf dem anstehenden digitalen Parteitag. Mit Friedrich Merz drängt erstmals ein Top-Lobbyist in das politische Spitzenamt. Das ist problematisch, weil Merz‘ Lobbytätigkeit seine Unabhängigkeit gefährdet. Politiker:innen, die Spitzenämter in der Politik übernehmen wollen, müssen frei von Lobbyverpflichtungen sein und klar auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein. […]
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Ibiza-Video: Strache (FPÖ) schlug Teilprivatisierung der österreichischen Wasserversorgung vor
FALTER.at
17. Mai 2019
Das Ibizavideo und Public Private Partnership. Wer rechts wählt, wählt neoliberal
„Auf dem Videomaterial, das der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel übergeben wurde und das vor der Veröffentlichung vom Falter eingesehen werden konnte, plauderten die beiden über Großsponsoren der FPÖ und das Vereinskonstrukt, an das sie spenden. […] Sie dachten laut über eine teilweise Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung nach.“
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Kommentar von Sebastian Puschner im Freitag vom 20. Mai 2019: „Merken wir auf, weil da einer die Wasserversorgung an Private mit Profit-Interessen zu geben gedenkt? Wasserprivatisierungen waren in Europa in der jüngsten Vergangenheit doch längst Realität, ganz ohne Nazis. In Berlin etwa war das nur zurückzudrehen, indem ein Volksbegehren, der Wassertisch, sich in seinem langen Kampf von Legislative und Exekutive nicht aufhalten ließ – und indem zum Rückkauf wahnwitzig hohe öffentliche Mittel zur ,Entschädigung‘ der Privaten mit Profit-Interesse eingesetzt wurden.“
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„Neoliberale EU-Handelpolitik stoppen” – Berliner Netzwerk „TTIP | CETA | TiSA stoppen!“ auf der Demo am 19. Mai in Berlin
Ein Europa für Alle:
Deine Stimme gegen Nationalismus!
Sonntag, 19. Mai 2019: Großdemos in den Städten Europas
Die Europawahl am 26. Mai 2019 ist eine Richtungsentscheidung über die Zukunft der Europäischen Union. Nationalisten und Rechtsextreme wollen mit ihr das Ende der EU einläuten und Nationalismus wieder groß schreiben. Ihr Ziel: Mit weit mehr Abgeordneten als bisher ins Europaparlament einzuziehen. Wir alle sind gefragt, den Vormarsch der Nationalisten zu verhindern!
Wir halten dagegen, wenn Menschenverachtung und Rassismus gesellschaftsfähig gemacht, Hass und Ressentiments gegen Flüchtlinge und Minderheiten geschürt werden. Wir lassen nicht zu, wenn Rechtsstaat und unabhängige Gerichte angegriffen, Menschen- und Freiheitsrechte eingeschränkt und das Asylrecht abgeschafft werden sollen. Deshalb appellieren wir an alle Bürger*innen Europas: Geht am 26. Mai wählen – tretet ein gegen Nationalismus und Rassismus: Für ein demokratisches, friedliches und solidarisches Europa!
In Zeiten nationaler Alleingänge ist es wichtiger denn je, dass wir uns als solidarische Gesellschaft für ein Europa einsetzen, das Demokratie und Rechtsstaatlichkeit über Grenzen hinweg verwirklicht und sich über Nationalismus und Abschottung hinwegsetzt. Gemeinsam sagen wir: Die EU muss sich ändern, wenn sie eine Zukunft haben will. Wir streiten gemeinsam für unsere Vision eines anderen Europas.
Unser Europa der Zukunft…
- verteidigt Humanität und Menschenrechte. Statt seine Grenzen zur Festung auszubauen und Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, garantiert es sichere Fluchtwege, das Recht auf Asyl und faire Asylverfahren für Schutzsuchende.
- steht für Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit. Statt vor allem auf mächtige Wirtschaftslobbys hört es auf die Stimmen seiner Bürger*innen. Es verteidigt den Rechtsstaat, wird demokratischer und gibt dem Europaparlament mehr Einfluss. Es fördert Toleranz und gewährleistet die Vielfalt an Lebensentwürfen, Geschlechtergerechtigkeit, die Freiheit von Kunst, Kultur und Presse sowie eine lebendige Zivilgesellschaft.
- garantiert soziale Gerechtigkeit. Statt Privatisierung, Deregulierung und neoliberale Handelsabkommen voranzutreiben, wird es ein Gegengewicht zum massiven Einfluss der Konzerne. Es baut auf Solidarität und sichert Arbeitnehmer*innenrechte. Allen Menschen wird das Recht auf Bildung, Wohnen, medizinische Versorgung und soziale Absicherung sowie ein Leben frei von Armut garantiert. Europa muss hier seiner Verantwortung gerecht werden – bei uns und weltweit.
- treibt einen grundlegenden ökologischen Wandel und die Lösung der Klimakrise voran. Statt auf fossile und nukleare Energien setzt es auf erneuerbare Energien. Es ermöglicht eine bäuerliche, klimagerechte Landwirtschaft. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass der Wandel sozial abgefedert und gute Arbeit geschaffen wird.
Am Sonntag, den 19. Mai 2019 gehen europaweit zehntausende Menschen gleichzeitig auf die Straße! Für die Zukunft Europas, gegen Nationalismus!
Das Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen! wird am Sonntag auf der Demo in Berlin mit dem Banner “Neoliberale EU-Handelpolitik stoppen!” dabei sein.
Treffpunkt ist der Lautsprecherwagen der Naturfreunde zum Themenbereich: Umwelt, Landwirtschaft und Handelspolitik.
Standort: Karl-Liebknecht-Straße /Alexanderplatz um 12 Uhr
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Denk‘ ich an Europa in der Nacht… – Eine Streitschrift von Jürgen Maier
Denk‘ ich an Europa in der Nacht…
Jürgen Maier
Februar 2019
„Die Münchner »Sicherheitskonferenz« ist in den letzten Jahren immer interessanter geworden. Sie ist eine der wenigen Bühnen, auf denen zwar jede Menge Show gespielt wird – dafür sind Bühnen schliesslich da – aber gleichzeitig Politiker aus vielen Teilen der Welt Klartext reden. Selbst Kanzlerin Merkel, die sonst Klartext meidet wie der Teufel das Weihwasser, ließ in München die Katze aus dem Sack. Gezeigt wurde in München, dass in den Eliten »des Westen« heute derart tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten herrschen, dass eine offene Spaltung in den Bereich des Möglichen rückt. Niemanden trifft dies härter als die deutschen Eliten, die in München ihre Hilflosigkeit nicht verbergen konnten. Sie finden sich heute in vielerlei Hinsicht in einer deutschen Sonderrolle, die ihnen einerseits höchst unangenehm ist, andererseits aber auch das unvermeidliche Ergebnis ihrer Politik ist.
Kein anderes nationales Establishment des Westens hat sich den »Multilateralismus« derart inniglich auf die Fahnen geschrieben wie das deutsche – und es dabei geschafft, diesen Glauben an den Multilateralismus vollkommen unhinterfragt zum Selbstzweck per se aller Gesellschaftsschichten von links bis rechts zu machen. Erklärbar ist das natürlich durch die Nachkriegsgeschichte der BRD, in der sich nationale Alleingänge nicht nur aus historisch-psychologischen Überlegungen verboten. Auch die außenwirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Bonner Republik ließen sich in einem Netzwerk dichter multinationaler Institutionen am besten realisieren. In dieser Interessenlage unterschieden sie sich fundamental von den westlichen Partnern und Vetomächten USA, Grossbritannien, Frankreich. EWG (später zu EG und dann EU mutiert), NATO, KSZE (später OSZE), UN, GATT (später zu WTO mutiert) waren und sind die Grundpfeiler deutscher Aussenwirtschaftspolitik, Aussenpolitik, ja Politik überhaupt.
Die Ergebnisse gaben den Verfechtern dieser Politik jahrzehntelang recht: Wiederaufbau, Wirtschaftswunder, Entspannung, Wiedervereinigung, Eurozone wären allesamt anders nicht möglich gewesen. Heute aber scheint die Welt aus den Fugen geraten, und dies liegt nicht daran, dass alle Welt verrückt geworden ist, sondern es liegt daran, dass die Weltordnung der letzten Jahrzehnte die Interessenlage nicht nur der Menschen, sondern sogar auch vieler Eliten in immer mehr Teilen der Welt nicht mehr zufriedenstellend bedient. Einzige Ausnahme: Deutschland. Deutschland hat aus genau diesem Grund als einzige westliche Führungsmacht noch ein einigermaßen stabiles politisches System und eine relativ befriedete Gesellschaft. Generalstreiks, Wahlsiege von Außenseitern oder systemkritischer Populisten, Gelbwestenbewegungen und dergleichen sind in Deutschland nicht am Horizont erkennbar.
Deutschland ist heute unangefochtener Exportweltmeister. 2016 lag der deutsche Handelsbilanzüberschuss bei der Rekordhöhe von über 310 Mrd Dollar – mehr als die weitaus bevölkerungsreicheren Staaten China (260 Mrd) oder Japan (170 Mrd). Umgerechnet auf alle Einwohner Deutschlands (vom Säugling bis zum Greis) sind das pro Kopf 3875 Dollar. Ein einsamer Weltrekord – der Wert für China liegt bei gerade einmal 190 Dollar. Kann so etwas dauerhaft gehen? Wohl kaum. Die Krisenerscheinungen sind bereits unübersehbar. Die (für den Standort Deutschland) systematisch unterbewertete Gemeinschaftswährung Euro macht dies einerseits leichter als es zu DM-Zeiten je möglich gewesen wäre. Andererseits ist das rasante Wachstum des Niedriglohnsektors und anderer irregulärer Arbeitsformen samt der damit verbundenen gesellschaftlichen Verwerfungen eben auch ein Bestandteil des steigenden Preises, der für die deutschen Exporterfolge zu bezahlen ist. Der globale Wettbewerb ist eben härter geworden, aber das ist ja keine Überraschung, sondern war von Anfang an intendiert. Vielleicht der höchste Preis, den die deutschen Eliten für ihren Exportismus zu bezahlen haben, ist die Erosion des europäischen Einigungsprojektes: seit Einführung des Euro stagnieren die Reallöhne in Italien, in Frankreich, in Spanien. Die für diese Volkswirtschaften systematisch überbewertete Gemeinschaftswährung Euro lässt ihnen keine andere Wahl, als die verordnete Austerität durchzuexerzieren und dabei genau die gesellschaftlichen Verwerfungen auszulösen, die sich dort politisch Bahn brechen. Frankreich ist seit 2015 erstmals seit Jahrzehnten nicht mehr Haupt-Handelspartner Deutschlands. Selbst den Franzosen geht mittlerweile das Geld aus. Deutschlands Exportmaschine muss angesichts der schwindenden Kaufkraft der europäischen Partner mittlerweile ausserhalb der EU nach Abnehmern suchen, was das grosse Interesse der Deutschen an immer neuen Freihandelsabkommen erklärt. Der EU-Binnenmarkt wird unwichtiger. »Unser« Handelspartner Nr.1 ist seit 2015 die USA. Dort herrschen keine Eurozonen-Austeritätszwänge, dort kann man nach Belieben Geld drucken. Kaum zu überraschen vermag daher, dass die USA inzwischen auch das Land sind, mit dem die Deutschen den grössten Exportüberschuss vermelden können: Mehr als 50 Milliarden im Jahr. Es ist klar, dass dies auf Dauer ebenso wenig gutgehen kann wie es innerhalb der EU gutgehen konnte. Wer angesichts dessen von Trumps Strafzöllen überrascht ist, muss schon recht naiv sein.
Dass angesichts solcher Handelsbilanzen ganz unabhängig von Trump jede andere amerikanische Regierung früher oder später eingreifen würde, ist eigentlich jedem deutschen Diplomaten klar. Die Geschichte deutsch-amerikanischer Handelskonflikte ist lang, und mit welchen Brachialmethoden die USA im Ernstfall agieren, davon kann man auch lange Listen zusammenstellen. Trumps Strafzölle auf Autos werden kommen, da helfen alle Appeasement-Versuche nichts, und dann ist guter Rat teuer. Die Deutschen haben offensichtlich keine Strategie, keinen Plan B, wie sich nicht erst in München zeigte – sie halten an einem Status Quo fest, dessen Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist.
Aber nicht nur die deutschen Eliten machen den nachhaltigen Eindruck, dass sie überhaupt nicht kapieren, warum die von ihnen so geliebte »multilaterale Ordnung« derart aus den Fugen gerät: Warum nicht nur die Amis verrückt spielen, die Türken, die Russen, die Briten, die Franzosen, die Italiener. Warum wahrscheinlich Exit-Referenden in vielen anderen EU-Ländern Mehrheiten für einen Austritt zumindest aus dem Euro bringen würden. Die sogenannte linksliberale Zivilgesellschaft in Deutschland versteht genauso wenig wie die Eliten, was die Ursachen dieser tiefgreifenden politisch-gesellschaftlichen Veränderungen sind. Dies ist auch kein Wunder: bei allen Bekundungen für den Multilateralismus, Multikulturalismus und Kosmopolitismus ist auch ihre Betrachtungsweise Europas und der Welt zutiefst von nationalen deutschen Wahrnehmungen geprägt. Auch sie glauben zutiefst, wie die herrschenden Eliten Deutschlands, dass die »alte Weltordnung« des Multilateralismus, der europäischen Integration »unsere Interessen« am besten bedient. Am intensivsten trifft dies an der Schnittstelle von herrschenden politisch-ökonomischen Eliten und linksliberaler Szene zu, nämlich dort wo die letztere mit den ersteren versucht zu fusionieren, also in der grünen Partei.
Ob ihre Wahrnehmung zutreffend ist, hängt aber entscheidend davon ab, wie man definiert, was eigentlich »unsere« Interessen sind. Die genauere Analyse dessen, was die linksliberale »Zivilgesellschaft« für ihre Interessen hält, legt allerdings nahe, dass die Definition »unserer Interessen« im Kern dessen, was Politik ist, nicht weit auseinanderliegen, nämlich da, wo es ums Geld geht, um die Wirtschaft. Von »Pulse of Europe« über Grüne Wahlaufrufe, von den Aufrufen zu den Europa-Demos bis zu den öffentlichen Debatten über den Brexit oder die Bewunderung der deutschen Kanzlerin im linksliberalen Milieu zeigt sich ein völliges Unverständnis der destabilisierenden Rolle der deutschen Wirtschaftsinteressen. Sie werden nicht einmal thematisiert. Man glaubt ernsthaft, Rechtspopulisten, Linkspopulisten, sonstige Populisten oder Gelbwesten wären es, die die Hauptgefahr für das »Friedensprojekt Europa« ausmachen. Warum die überall Zulauf haben, warum die herrschenden Eliten Europas einen derart rasanten Legitimitätsverfall erleben – keine Ahnung. In dieser Sichtweise bleibt eigentlich nur die Analyse, dass die Leute entweder verrückt geworden sind oder schon immer dumpfe Nationalisten waren. Niemand stellt sich die Frage, was in diesem Land passieren würde, wenn nicht nur für das ungebildete untere Drittel, sondern für 90% der Arbeitnehmer seit 20 Jahren die Reallöhne nicht mehr steigen, wie das in Italien oder den USA der Fall ist.
So sehr die Erfolgsvoraussetzungen für das ökonomische »Modell Deutschland« erodieren mögen, sowenig man eine Strategie der herrschenden Eliten erkennen kann, mit dieser Herausforderung umzugehen – was aber nach wie vor geradezu perfekt funktioniert, ist der gesellschaftliche Konsens über dieses Modell. Das Verständnis in Deutschland über die gesellschaftlichen Entwicklungen, die Stimmungslagen in den europäischen Nachbarländern tendiert gegen Null. Die deutsche Debatte über Europa ist von Psychologismen geprägt, kritischer ökonomischer Sachverstand kaum existent. Eine Debatte über die unausweichlichen Totalreformen der Gemeinschaftswährung Euro findet nicht statt – kein Wunder, jede Reform müsste massiv zu Lasten Deutschlands gehen, denn eine Gemeinschaftswährung, von der nur wenige profitieren, hat auf Dauer keine Zukunft. Schon gar nicht findet eine Debatte statt über die katastrophalen Folgen des Lissaboner Vertrags, der den Neoliberalismus quasi in den Verfassungsrang erhoben hat und dessen nächste Konsequenz nicht etwa irgendein Freihandelsabkommen, sondern eine noch durchgreifendere Deregulierung des Dienstleistungssektors sein soll. Für den EU-Binnenmarkt, das grösste Freihandelsprojekt der Geschichte, hat sich auch die freihandelskritische Bewegung nie interessiert, man will ja nicht als Euroskeptiker gelten. Dabei sind seine Konsequenzen ungleich dramatischer als es TTIP je sein könnte.
So steht auch die linksliberale deutsche Öffentlichkeit ratlos vor den heutigen Herausforderungen, bekundet treuherzig ihren Einsatz für Europa und regelbasierten Multilateralismus und versteht nicht, warum woanders auf der Welt die Folgen dieses Europa und dieses Multilateralismus und seiner Regeln dazu führen, dass man von Europa und regelbasiertem Multilateralismus nicht mehr so viel hält und stattdessen lieber die Regeln bricht. Also zu Politikformen greift, von denen man glaubt, dass sie den eigenen Interessen besser dienen als Europa und regelbasierter Multilateralismus à la allemande. Am Ende ist eben das, was Politik liefert, für die meisten Menschen immer noch wichtiger als die Frage, ob es regelbasiert und multilateralistisch geliefert wurde.
Niccolò Macchiavelli müsste der deutschen Elite heute ein gutes Zeugnis ausstellen. Teile und herrsche, eine Disziplin, in der schon die alten Römer brillierten. Wer nicht für »Europa« (also die EU von heute samt Lissaboner Vertrag) ist, wer nicht für den »regelbasierten Multilateralismus« (also die neoliberale Globalisierung und ihre Freihandelsverträge) ist, der ist ein Nationalist, Populist, oder Schlimmeres. Das ist die Story, und das linksliberale Kommentariat reproduziert sie jeden Tag, und sie wird geglaubt. In seiner grünen Inkarnation führt diese Story dann zu der Forderung nach »mehr Europa«, besonders Weltfremde rufen dann schon auch mal eine »Republik Europa« aus – ohne auch nur eine Minute darüber nachzudenken, dass dies auf der Basis des Lissaboner Vertrags eben auch zu noch mehr Verwerfungen führen würde. Eine durch und durch deutsche Sichtweise, ironischerweise.
Wie will man alles dies ändern? Wie will man eine politische Kraft entwickeln, die die katastrophalen Folgen neoliberaler Marktgläubigkeit und aussenwirtschaftlichen Expansionismus überwinden kann? Wie will man die fatale Gegenüberstellung »neoliberale und linksliberale regelbasierte Multilateralisten und Europäer« versus »nationalistische und populistische Dumpfbacken« überwinden, in der jeder progressive, wirklich internationalistische Ansatz nur untergehen kann? Die allermindeste Voraussetzung ist wohl, dass man überhaupt mal schonungslos benennt, was los ist, und zwar nicht nur aus deutscher Perspektive, sondern auch mal in der Perspektive der Realitäten in Italien, Griechenland, Frankreich, Spanien. Wenn man noch nicht einmal dazu bereit ist, wird man aus der Rolle nicht herauskommen, den status quo und seine ihn repräsentierenden Eliten als kleineres Übel gegenüber den Nationalisten-Horden zu unterstützen. Eine Rolle, die man nur als Bankrotterklärung progressiver Politik bezeichnen kann. […]“
Jürgen Maier
[Mit freundlicher Erlaubnis des Autors. Leicht gekürzte Version]