Offener Brief nach Heiligenhafen – 28. Dez. 2013

Offener Brief vom Bündnis für kommunale Daseinsvorsorge und gegen Ausschreibung an die Geschäftsführung der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe und die Stadtvertretung Heiligenhafen
Betreff: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. 12. 2013 (KZR 65/12)
Berlin u. Stuttgart, 28. Dez. 2013

Sehr geehrter Herr Wohnrade, sehr geehrter Herr Gabriel,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtvertretung von Heiligenhafen,

mit großer Enttäuschung haben wir – das Bündnis für kommunale Daseinsvorsorge und gegen Ausschreibung – das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 zur Vergabe von Stromkonzessionen durch die Gemeinden zur Kenntnis genommen.[1] Das BGH-Urteil legt fest, dass die Stadt Heiligenhafen die Stromkonzession nicht ohne eine Ausschreibung an ihren Eigenbetrieb vergeben darf. Die Erfahrungen jedoch zeigen, dass Ausschreibung oftmals zu Privatisierung führt.

Das deutsche Grundgesetz gibt vor: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.“[2] Dieses elementare Grundrecht findet im BGH-Urteil keine Beachtung. Selbst wenn das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) so interpretierbar wäre, dass im Fall Heiligenhafen eine Ausschreibung verlangt würde, würde das Grundgesetz in der Rangordnung weit über dem EnWG stehen. Unseres Erachtens verstößt damit das BGH-Urteil gegen das kommunale Selbstbestimmungsrecht.

Um die dezentrale Energiewende trotz aller widrigen Umstände umzusetzen, sind die Netze in kommunaler Hand eine unverzichtbare Voraussetzung. Wir möchten Sie darum ermutigen, die juristische Auseinandersetzung weiterzuführen. Lassen Sie das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob es verfassungskonform ist, die Stadt Heiligenhafen zur Ausschreibung zu zwingen! Es handelt sich hier um einen Präzedenzfall, der weitreichende Folgen für die Rechtsprechung in Deutschland hat.

Ihre bislang an den Tag gelegte Ausdauer und Ihre Entschlossenheit verdienen unseren ganzen Respekt! Ihr Engagement für die kommunale Selbstbestimmung macht uns Hoffnung, dass der Trend zur weiteren Abgabe und Verlagerung von kommunaler Entscheidungsmacht in die Hände privater Unternehmen in Deutschland gestoppt werden kann.

Wir werden alles in unseren Kräften Liegende tun, um Sie auf dem weiteren Weg zu unterstützen. Vorerst bleibt uns nur, Ihnen ein erfolgreiches Jahr 2014 zu wünschen!

Mit freundlichen Grüßen,
das Bündnis für eine kommunale Daseinsvorsorge und gegen Ausschreibung

Barbara Kern für das Stuttgarter Wasserforum (www.100-strom.de)
Rainer Heinrich für den Berliner Wassertisch (www.berliner-wassertisch.info)

[1] BGH, Urt. v. 17.12.2013 – KZR 65/12. Pressemitteilung des BGH Nr. 207 v. 18. 12. 2013. URL: http://l.hh.de/BGH_KZR_65_12.

[2] http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_28.html; GG 28 Abs. 2.

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